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VwGH vom 23.10.2012, 2009/10/0105

VwGH vom 23.10.2012, 2009/10/0105

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des AE in Innsbruck, vertreten durch Dr. Birgit Streif, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Maria Theresien-Straße 27, gegen den Bescheid des Senates der Medizinischen Universität Innsbruck vom , Zl. A07/3702, betreffend Aufhebung einer Prüfung nach § 79 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Senates der Medizinischen Universität Innsbruck vom wurde ein am eingebrachter Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung der Prüfung aus dem Fach "Histologie und Embryologie" vom abgewiesen.

Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung die wesentlichen Feststellungen zugrunde, der Beschwerdeführer habe sich im Sommersemester 2006 im ersten Prüfungsabschnitt des Medizinstudiums (alte Studienordnung) befunden.

Er sei zu der Prüfung "Histologie und Embryologie", welche aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil bestehe, am , am und am angetreten und sei jeweils mit der Note "Nicht genügend" beurteilt worden.

Am habe er die schriftliche Prüfung aus diesem Fach positiv bestanden. Daraufhin habe am die mündliche kommissionelle Prüfung vor einer aus drei Universitätsprofessoren bestehenden Prüfungskommission stattgefunden. Auf Frage der Prüfungskommission an den Beschwerdeführer, ob er sich fähig fühle, die Prüfung zu absolvieren, habe dieser zuerst gesagt: "Eigentlich nicht." Auf Nachfrage der Prüfungskommission, ob das nun "ja" oder "nein" heiße, habe der Beschwerdeführer seine Prüfungsfähigkeit bejaht. Die Prüfungskommission habe die Leistung des Beschwerdeführers bei dieser kommissionellen mündlichen Prüfung als "Nicht genügend" beurteilt.

Ab habe sich der Beschwerdeführer bei Dr. H., Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, in Behandlung befunden.

Aus psychiatrischer Sicht hätten sich beim Antragsteller "weder Hinweise für das Vorliegen einer affektiven Störung, noch Hinweise für das Vorliegen einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis" ergeben. Es hätten sich "leichte hirnorganische Defizite, eine labile Persönlichkeitsstruktur mit neurotischen Zügen, Angstsymptomen und Unsicherheitszeichen" gezeigt. Durch die "akute Belastungssituation (Erkrankung des Vaters, finanzielleexistenzielle Sorgen, bevorstehende kommissionelle Prüfungen)" sei es beim Antragsteller zu einer "Verdichtung der Symptomatik im Sinne von Panikattacken, Depressionen, Ängsten, Schlafstörungen und Somatisierungen" gekommen, wodurch er "nicht entsprechend in der Lage gewesen" sei, den "Anforderungen einer Prüfungssituation gerecht zu werden".

Eine "Prüfungsunfähigkeit" am sei von Dr. H. nicht festgestellt worden.

Nach Aufzählung der von der belangten Behörde als Beweismittel verwerteten Urkunden - darunter insbesondere das Prüfungsprotokoll vom , ein fachärztlicher Befundbericht von Dr. H. vom und ein psychiatrisches Gutachten von Dr. H. vom - führte die belangte Behörde unter anderem aus, die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer vor der Prüfungskommission letztendlich seine Prüfungsfähigkeit bejaht habe, gehe übereinstimmend aus dem Prüfungsprotokoll sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers hervor.

Rechtlich führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei lediglich eine erhebliche Prüfungsunfähigkeit des Kandidaten als schwerer Mangel im Sinn des § 79 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 (UG) zu beurteilen. Der Beschwerdeführer habe sich zwar in einer besonderen Prüfungssituation, welche typischerweise und regelmäßig mit Stress für den Kandidaten und einem damit verbundenen Zustand erhöhter Nervosität verbunden sei, befunden, allerdings nicht in einem Zustand, in dem er überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen sei, passiv und aktiv am Prüfungsgeschehen teilzunehmen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/12/0336 = VwSlg. 15.557 A).

Mangels Vorliegen eines schweren Mangels bei der Durchführung der Prüfung im Sinn des § 79 Abs. 1 UG könne die Aufhebung der Prüfung nicht erfolgen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie "davon ausgeht, dass die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei als nicht begründet abgewiesen wird".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die hier maßgebliche Bestimmung des UG (BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 24/2007) lautet:

" Rechtsschutz bei Prüfungen

§ 79. (1) Die Berufung gegen die Beurteilung einer Prüfung ist unzulässig. Wenn die Durchführung einer negativ beurteilten Prüfung einen schweren Mangel aufweist, hat das für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständige Organ diese Prüfung auf Antrag der oder des Studierenden mit Bescheid aufzuheben. Die oder der Studierende hat den Antrag innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe der Beurteilung einzubringen und den schweren Mangel glaubhaft zu machen. Der Antritt zu der Prüfung, die aufgehoben wurde, ist nicht auf die zulässige Zahl der Prüfungsantritte anzurechnen."

2. Die Bestimmung des § 79 Abs. 1 zweiter Satz UG soll - wie auch durch das Abstellen auf einen "schweren Mangel" deutlich wird - eine Kontrolle der Durchführung von Prüfungen in Hinblick auf "Exzesse" ermöglichen (vgl. etwa zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0191, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, wann eine herabgesetzte Prüfungsfähigkeit des Prüfungskandidaten bei der Prüfung als ein "schwerer Mangel" im Sinn der genannten Bestimmung zu bewerten ist, und dabei die Auffassung vertreten, dass - unter Berücksichtigung des allgemeinen Zieles jeder Prüfung - aufgrund des vom Studierenden geltend gemachten Umstandes, der während der Prüfung aktuell aufgetreten ist, seine Leistungsfähigkeit während derselben soweit herabgesetzt sein muss, dass die Prüfung bei objektiver Betrachtung ihrer Funktion als tauglicher Leistungsnachweis überhaupt nicht mehr gerecht werden kann ("Prüfungsunfähigkeit" des Kandidaten).

Eine mit der Prüfung verbundene, durch psychische Angespanntheit hervorgerufene (bloße) Leistungsbeeinträchtigung reicht aber - jedenfalls im Regelfall - nicht aus, um eine unter dem Gesichtspunkt des § 79 Abs. 1 zweiter Satz UG erhebliche "Prüfungsunfähigkeit" des Kandidaten herbeizuführen. Eine Prüfungsunfähigkeit des Kandidaten im genannten Sinn liegt daher nur dann vor, wenn er aufgrund des von ihm geltend gemachten Grundes überhaupt nicht mehr in der Lage ist, passiv und aktiv am Prüfungsgeschehen teilzunehmen (vollständiger Verlust der Kommunikationsfähigkeit; vgl. näher die Erkenntnisse vom , Zl. 2001/10/0159, sowie vom , Zl. 99/12/0336 = VwSlg. 15.557 A).

3. Die Beschwerde bringt zunächst vor, nach dem psychiatrischen Gutachten vom von Dr. H. sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, den Anforderungen einer Prüfungssituation gerecht zu werden. Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen deckten sich nicht mit diesem Gutachten. Richtigerweise hätte die belangte Behörde aufgrund des Gutachtens die Prüfungsunfähigkeit des Beschwerdeführers feststellen und die Prüfung aufheben müssen.

4. Mit diesem Vorbringen wird allerdings keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides dargetan:

Zwar enthielt das angeführte, sowohl von der belangten Behörde als auch vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Gutachten - entgegen der oben wiedergegebenen Negativfeststellung im angefochtenen Bescheid - ausgehend von fachärztlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers am 8. Mai, am 19. Mai und am sowie dessen psychologischer Untersuchung am tatsächlich eine (retrospektive) Beurteilung der psychischen Verfassung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Prüfung. In diesem Zusammenhang führte das Gutachten - wie von der belangten Behörde zutreffend wiedergegeben - aus, durch die akute Belastungssituation des Beschwerdeführers, unter anderem wegen der bevorstehenden kommissionellen Prüfung, sei es bei diesem zu einer "Verdichtung der Symptomatik" etwa im Sinn von Panikattacken, Depressionen und Ängsten gekommen, wodurch er "nicht entsprechend in der Lage" gewesen sei, "den Anforderungen einer Prüfungssituation gerecht zu werden".

Mit diesen Feststellungen wird allerdings eine erhebliche Prüfungsunfähigkeit im Sinn der zitierten hg. Rechtsprechung, welche über eine durch psychische Angespanntheit hervorgerufene Leistungsbeeinträchtigung hinaus voraussetzt, dass der Prüfungskandidat überhaupt nicht mehr in der Lage ist, passiv und aktiv am Prüfungsgeschehen teilzunehmen (im Sinn eines vollständigen Verlustes der Kommunikationsfähigkeit), nicht dargetan. Auch angesichts des - in der Beschwerde nicht bestrittenen - Umstandes, dass der Beschwerdeführer Fragen nach seiner Prüfungsfähigkeit (zuletzt positiv) beantwortete, ist die Auffassung der belangten Behörde, die Durchführung der kommissionellen Prüfung am leide nicht wegen erheblicher Prüfungsunfähigkeit des Beschwerdeführers an einem schweren Mangel im Sinn des § 79 Abs. 1 zweiter Satz UG, nicht zu beanstanden.

5. Soweit die Beschwerde in der Verfahrensrüge vorbringt, die belangte Behörde habe die von ihr ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Urkunden dem Beschwerdeführer niemals zur Kenntnis gebracht und deshalb dessen Recht auf Parteiengehör gemäß § 45 Abs. 3 AVG verletzt, wird die Relevanz des damit behaupteten Verfahrensmangels nicht konkret dargetan (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG). Dies gilt auch für den behaupteten Verfahrensmangel der Unterlassung von Zeugenbefragungen. Im Übrigen wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, etwa in der am eingebrachten Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid die Vernehmung von Zeugen oder die Einholung eines weiteren Gutachtens zu beantragen.

6. Die sich aus diesen Gründen als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Mangels Antrag nach § 59 Abs. 1 VwGG unterbleibt ein Ausspruch über den Aufwandersatz.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-91479