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VwGH 26.05.2010, 2007/08/0110

VwGH 26.05.2010, 2007/08/0110

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Die Behörde trifft keine Verpflichtung, zum Zweck der Rekonstruktion von Aufzeichnungen, die vom Dienstgeber rechtswidrigerweise nicht geführt worden sind, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (Hinweis: E , 95/08/0050). Dies entbindet die Behörde aber nicht davon, die Ausübung ihres Ermessens bei der Schätzung zu begründen. Im Übrigen müssen die bei der Schätzung herangezogenen Grundlagen in einem einwandfreien Verfahren ermittelt werden, wobei auch Parteiengehör zu gewähren und auf sachdienliche Behauptungen der Partei einzugehen ist. Die Begründung hat weiters unter anderem die Schätzungsmethode, die der Schätzung zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen (Hinweis: E , 2003/08/0185).
Normen
RS 2
Eine die Begründungspflicht der Einspruchsbehörde allenfalls einschränkende Unterlassung der entsprechenden Mitwirkung des Dienstgebers setzt einen ausreichend begründeten erstinstanzlichen Bescheid voraus, aus dem sich ohne weitere Nachforschungen die Grundlagen für die Beitragsnachverrechnung ergeben (Hinweis E , 92/08/0140).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 98/08/0307 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des Dr. W L als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Bauservice E GmbH in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Lirk, Dr. Dietmar Lirk, Mag. Hanna Spielbüchler und Dr. Johannes Hirtzberger, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Rochusgasse 4/Franz Huemerstraße 16, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom , Zl. 20305-V/14.490/6-2007, betreffend Beitragsnachverrechnung und Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse in 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren an Pauschalgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Beschluss des Landesgerichtes S vom wurde der Beschwerdeführer als Masseverwalter über das Vermögen der Bauservice E. GmbH, deren Tätigkeit im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung gelegen ist, bestellt.

Mit Bescheid vom schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse (in der Folge: SGKK) auf Grund von - anlässlich einer am abgeschlossenen Beitragsprüfung bei der Gemeinschuldnerin festgestellten - Meldepflichtverletzungen, die zu einer Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von EUR 934.348,92 geführt hätten, dem Beschwerdeführer als Masseverwalter einen Beitragszuschlag gemäß § 113 iVm § 59 ASVG in der gesetzlich festgelegten Mindesthöhe von EUR 64.716,46 vor.

Mit an den Masseverwalter gerichtetem Bescheid vom verpflichtete die SGKK die Gemeinschuldnerin als Dienstgeberin gemäß §§ 34, 35, 44, 49, 54, 58 und 68 ASVG zur Entrichtung der mit Beitragvorschreibung vom , welche bereits zugesandt worden sei und einen integrierten Bestandteil des Bescheides bilde, nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 934.348,92.

Den gegen diese beiden Bescheide erhobenen Einsprüchen des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Bescheid keine Folge.

In der Begründung ihres Bescheides führte sie zunächst im Rahmen der Darlegung des Verfahrensganges zu den jeweiligen Bescheidbegründungen der SGKK wie folgt aus (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof; Schreibfehler im Original):

"1. Die SGKK stellt in der Begründung des angefochtenen Bescheides vom auf die Bestimmungen der §§ 33 ff ASVG ab. Hieraus ergäbe sich die Verpflichtung der Dienstgeber, jeden in der Krankenversicherung pflichtversicherten Beschäftigten binnen sieben Tagen nach Beginn der Pflichtversicherung (§ 10 ASVG) beim zuständigen Träger der Krankenversicherung an- bzw. binnen sieben Tagen nach deren Ende abzumelden. Weiters hätten die Dienstgeber jede für die Versicherung bedeutsame Änderung, insbesondere jede Änderung des Beschäftigungsverhältnisses oder der Beitragsgrundlage innerhalb der angeführten Frist zu melden.

Die Meldungen der Sonderzahlungen seien bei der Krankenkasse binnen 15 Tagen nach Ablauf des Monates, in dem die Sonderzahlung fällig geworden ist, zu erstatten. Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages seien insb. die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen. Der Beitragszuschlag dürfe jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären. Zudem berühre der Beitragszuschlag die Verpflichtung zur Bezahlung der fälligen Beiträge nicht.

...

2. Die SGKK begründet u.a. unter Verweis auf 4 (vier) Beilagenkonvolute die mit Bescheid vom , GZ.: ..., getroffene Entscheidung sinngemäß zusammengefasst wie folgt:

1a) Kilometergeld:

Kilometergelder seien, im Übrigen mit den tatsächlichen Fahrleistungen nicht korrespondierend, in Form von Pauschalen entgegen § 49 Abs. 3 Ziff. 1 ASVG (siehe unten) - wie auch von Herrn E (Dienstgeber) bestätigt - beitragsfrei ausbezahlt worden. 80% der ausbezahlten Kilometergelder seien daher als beitragspflichtiges Entgelt gewertet worden. Abgestellt sei auf die Betriebssummenblätter des Dienstegbers worden. Die Beitragsnachverrechnung habe hieraus für 2003 einen Betrag von EUR 197.629,00, für 2004 einen Betrag von EUR 432.266,00 ergeben.

1b) Nächtigungsgelder:

Beitragsfreie Tag- und Nächtigungsgelder für 5 Arbeitstage seien jeweils 5x ausbezahlt worden. Dies obwohl den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend lediglich 4x übernachtet worden sei. Anreisen am Vortag seien berücksichtigt worden. Für 20% der Nächtigungsgelder seien daher Beiträge (2003: EUR 65.068,00 und 2004: EUR 13.273,00) nachverrechnet worden. Abgestellt sei auf die Betriebssummenblätter des Dienstegbers worden.

1c) Schmutzzulagen:

Entsprechende Aufzeichnungen seien nicht geführt worden. Dennoch - entgegen der Voraussetzungen - ausbezahlte Schmutzzulagen seien daher zu 80% als beitragspflichtig gewertet worden. Die Nachverrechnung habe für 2003 Beiträge in Höhe von EUR 56.073,00 und für 2004 in Höhe von EUR 54.486,00 ergeben. Abgestellt sei auf die Betriebssummenblätter des Dienstegbers worden.

2) Überstundenzuschläge für Arbeiter im Baugewerbe und Zeitausgleich:

Als Überstundenzuschläge seien 50% des Grundlohnes ausbezahlt worden. Die Entlohnung sei (zumindest teilweise) nicht korrekt nach Kollektivvertrag erfolgt. Als Grundlage für die Berechnung für Überstunden bzw. Mehrarbeit hätte der kollektivvertragliche Stundenlohn zzgl. 30% zu Anwendung gelangen müssen. Die Nachverrechnung habe daher für 2003 einen Betrag von EUR 37.871,51 und für 2004 einen Betrag von EUR 59.021,35 ergeben.

Die unter den Punkten 1. und 2. ermittelten Beträge seien in Form des sog. 'Globalsplittings' anteilsmäßig auf alle betroffenen Dienstnehmer aufgeteilt worden. Die Summe habe für 2003 EUR 351.641,51 und für 2004 EUR 559.046,35 betragen. Die nicht korrekten Vorgangsweisen des nunmehrigen Einspruchswerbers seien von diesem selbst, also von Herrn E als Dienstgeber selbst, jeweils bestätigt worden.

3) Dienstnehmer aus dem 'ehemaligen Ostdeutschland':

Bei jedem Kontrollierten sei kollektivvertragswidrig im Ausmaß von im Mittel 10,61% die Ausbezahlung zu geringer Stundenlöhne festegestellt worden. Die betroffenen Dienstnehmer bzw. Versicherten seien der dem Bescheid angeschlossenen Beilage 1 zu entnehmen.

4) Weihnachtsremuneration:

Vom nunmehrigen Einspruchswerber bzw. Dienstgeber seien die Überstunden in die Berechnung nicht mit einbezogen worden.

Hierbei sei wiederum zwischen Dienstnehmern, welchen korrekte Stundenlöhne ausbezahlt worden seien, und jenen, bei welchen dies nicht der Fall gewesen sei, zu differenzieren.

Dies könne den Beilagen 2 und 3 des Bescheides entnommen werden.

Die Weihnachtsremuneration sei demnach (je nach korrekter Auszahlung der Stundenlöhne) sowohl betreffend des Jahres 2003 als auch des Jahres 2004 um 20,66% bzw. 39,21% zu gering bemessen worden."

Die belangte Behörde ging davon aus, dass der seitens der SGKK zu Grunde gelegte Sachverhalt und die ermittelten bzw. errechneten Werte den Tatsachen entsprechen.

Beweiswürdigend setzte sie dazu im Wesentlichen (zunächst aber nur die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vom wiederholend) fort, dass der Beschwerdeführer die beitragsfreie Auszahlung von Kilometergeldern in lediglich pauschaler Form bestätigt habe. Entsprechend präzise und gleichzeitig für die Behörde während eines zumutbaren Zeitaufwandes schlüssig nachvollziehbare Unterlagen seien in diesem Punkt gar nicht vorgelegt worden, sodass die mitbeteiligte SGKK auf Basis einer rechtlich zulässigen Schätzung 80% der Kilometergelder als beitragspflichtiges Entgelt gewertet habe. Gleiches gelte für die Nächtigungsgelder, bei welchen eine beitragsbegründende Anrechnung im Ausmaß von 20% entsprechend der Überschreitung (jeweils fünf statt tatsächlichen vier Nächtigungen pro Woche) erfolgt sei. Mangels Aufzeichnungen zu unter dem Titel Schmutzzulagen ausbezahlten Beträgen seien von der mitbeteiligten SGKK 80% ergänzend der Beitragspflicht unterworfen worden. Die Beitragsnachverrechnung hinsichtlich der Auszahlung von Überstundenzuschlägen sowie der Zeitausgleichsberechnung resultiere daraus, dass nicht bzw. nur zum Teil auf anzuwendende Kollektivvertragsbestimmungen Bedacht genommen worden sei. Für die aus dem ehemaligen Ostdeutschland stammenden Dienstnehmer seien ebenfalls kollektivvertragswidrig um 10,61% zu geringe Löhne ausbezahlt worden. Außerdem seien die Überstunden bei der Berechnung der Weihnachtsremuneration nicht einbezogen worden. Dem Einwand des Beschwerdeführers, dass durch die 'Globalberechnung' in Form des von der mitbeteiligten SGKK herangezogenen Instruments des 'Globalsplittings' nicht festgestellt werden könne, ob bei individueller Betrachtung tatsächlich bei allen (ehemaligen) Dienstnehmern eine Beitragskürzung stattgefunden habe, hielt die belangte Behörde entgegen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, der Behörde eine zur Schätzung alternative Möglichkeit der abschließenden individuellen Sachverhaltsfeststellung zu eröffnen. Dieses Vorhaben sei alleine auf Grund der insoweit unstrittigen Tatsachen von nicht vorhandenen (z.B. Schmutzzulage) bzw. offenkundig lediglich fehler- und lückenhaft geführten Aufzeichnungen (u.a. Nächtigungsnachweise, Fahrtenbücher, Arbeitsaufzeichnungen, etc.) gar nicht durchführbar gewesen. Vor allem seien aber konkrete Einzelfälle, bei welchen die mitbeteiligte SGKK definitiv allenfalls zu Unrecht und somit zu Lasten des Beschwerdeführers von einer ursprünglich zu niedrigen Beitragsleistung ausgegangen sei, von diesem nicht nachgewiesen worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Zitierung der maßgebenden Gesetzesbestimmungen zusammengefasst aus, dass es für die mitbeteiligte SGKK einen de facto nicht administrierbaren Verwaltungsaufwand bedeuten würde, zu den "von beiden Parteien nicht in Frage gestellten 3500 Versicherungsverhältnissen für die prüfungsgegenständlichen Jahre 2003 und 2004" eine jeweils individuelle Beitragsberechnung bzw. Beitragnachverrechnung durchzuführen, die zu einer völlig neu zu erstellenden Lohnverrechnung führen würde und jedes Zumutbarkeitskriterium für die Behörde sprengen würde. Gerade aber wenn - wie hier - die zur Verfügung stehenden Unterlagen der Behörde eine individuelle personen- bzw. dienstnehmerbezogene Beitragsnachverrechnung nicht ermöglichen, sei die Behörde gemäß § 42 Abs. 3 ASVG berechtigt, die für die ordnungsgemäße Berechnung notwendigen Umstände im Wege einer Schätzung festzustellen. Da E als Dienstgeber bestätigt habe, dass der Sachverhalt verbunden mit der nicht korrekten Vorgangsweise des Dienstgebers "immer gleich" gewesen sei, habe die mitbeteiligte SGKK zu Recht die Beitragsnachverrechnung bezogen auf Punkt 1 (Kilometergeld, Nächtigungsgeld, Schmutzzulage) und Punkt 2 (Überstundenzuschläge für Arbeiter im Baugewerbe und Zeitausgleich) in Form des sog. 'Globalsplittings' durchgeführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 Z. 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende, auf Cent gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG.

Unter Entgelt sind gemäß § 49 Abs. 1 ASVG die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Reichen die zur Verfügung stehenden Unterlagen für die Beurteilung der für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände nicht aus, so ist der Versicherungsträger gemäß § 42 Abs. 3 ASVG berechtigt, diese Umstände auf Grund anderer Ermittlungen oder unter Heranziehung von Daten anderer Versicherungsverhältnisse bei demselben Dienstgeber sowie von Daten gleichartiger oder ähnlicher Betriebe festzustellen.

Es trifft zwar zu, dass die Behörde keine Verpflichtung trifft, zum Zweck der Rekonstruktion von Aufzeichnungen, die vom Dienstgeber rechtswidrigerweise nicht geführt worden sind, ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/08/0050). Dies entbindet die belangte Behörde aber nicht davon, die Ausübung ihres Ermessens bei der Schätzung zu begründen. Im Übrigen müssen die bei der Schätzung herangezogenen Grundlagen in einem einwandfreien Verfahren ermittelt werden, wobei auch Parteiengehör zu gewähren und auf sachdienliche Behauptungen der Partei einzugehen ist. Die Begründung hat weiters unter anderem die Schätzungsmethode, die der Schätzung zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/08/0185).

Mit dem Ausmaß der Begründungspflicht der belangten Behörde (aber auch der Gebietskrankenkasse) im Falle der Beitragsnachverrechnung hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 93/08/0027, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, in Auseinandersetzung mit der Vorjudikatur ausführlich befasst. Unter Bedachtnahme auf die darin entwickelten Grundsätze entspricht die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht den gesetzlichen Anforderungen. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht kann dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen werden. Eine solche, die Begründungspflicht der belangten Behörde allenfalls einschränkende Unterlassung der entsprechenden Mitwirkung des Beschwerdeführers setzt nämlich einen - im konkreten Fall nicht gegebenen - ausreichend begründeten erstinstanzlichen Bescheid voraus, aus dem sich ohne weitere Nachforschungen die Grundlagen für die Nachverrechnung ergeben (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom , 92/08/0140).

Im vorliegenden Fall wird jedoch vom angefochtenen Bescheid nicht aufgezeigt, auf welche Weise die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, deren Vorgangsweise die belangte Behörde gebilligt hat, zu den Gesamtsummen der zu Unrecht beitragsfrei ausbezahlten Entgelte gelangt ist. Es ist daher auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen diese Entgelte nicht nach Maßgabe ihrer tatsächlichen Auszahlung an die Arbeitnehmer diesen zugeordnet werden konnten. Es fehlt in der Begründung aber auch eine nachvollziehbare Darstellung des von der belangten Behörde so genannten "Globalsplitting", sodass dem angefochtenen Bescheid auch nicht entnommen werden kann, ob es sich dabei der Sache nach um nach § 42 Abs. 3 ASVG zulässige "andere Ermittlungen", um eine Schätzung als Ergebnis eines Betriebsvergleichs oder bloß um die Ergebnisse beweiswürdigender Erwägungen handelt. Schließlich vermag aber auch der Hinweis auf die "§§ 539 f ASVG" eine Begründung, vom Vorliegen welcher der danach in Betracht kommenden Tatbestände die belangte Behörde aus welchen Gründen ausgegangen ist, nicht zu ersetzen.

In Anbetracht des Umstandes, dass der angefochtene Bescheid mit Begründungsmängeln behaftet und der Sachverhalt in einer Reihe von Punkten ungeklärt ist, und dies zur Folge hat, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage ist, die Rechtmäßigkeit einer allfälligen Schätzung, sonstiger Ermittlungen sowie der sich daraus ergebenden Beitragsvorschreibungen zu beurteilen, war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ein Ersatz der Pauschalgebühr konnte wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) nicht zuerkannt werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren
Begründung von Ermessensentscheidungen
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2010:2007080110.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAE-91468