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VwGH vom 20.10.2011, 2011/18/0037

VwGH vom 20.10.2011, 2011/18/0037

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2011/18/0001 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der SW in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/217.862/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 11 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei bereits früher mit Bescheid der belangten Behörde vom rechtskräftig aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Eine dagegen gerichtete Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom (Zl. 2007/18/0268) als unbegründet abgewiesen. Eigenen Angaben zufolge habe die Beschwerdeführerin daraufhin freiwillig das Bundesgebiet am verlassen. In Serbien habe sie sich einen biometrischen Reisepass ausstellen lassen. Dann sei sie zu einem unbekannten Zeitpunkt "sichtvermerksfrei" wieder in Österreich eingereist.

Sohin ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin, ohne im Besitz einer besonderen Bewilligung nach § 73 FPG zu sein, zwar zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, jedenfalls aber binnen 18 Monaten nach Durchsetzbarkeit (gemeint: nach der Durchsetzung) der Ausweisung wieder in Österreich eingereist sei. Daher sei der Tatbestand des § 66 Abs. 2 Z 11 FPG verwirklicht. Da das Verhalten der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung, hier konkret: das öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen, in erheblichem Ausmaß beeinträchtige, lägen auch die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes nach § 60 Abs. 1 FPG vor.

Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb sich ihrer Ansicht nach die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch unter dem Blickwinkel des § 66 FPG als zulässig darstelle.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin verweist darauf, dass ihr die "Sperrwirkung" nicht bekannt gewesen sei. Nach der ihr bekannten Rechtslage seien die Wirkungen einer Ausweisung mit dem Verlassen des Bundesgebiets "konsumiert" gewesen. Seit bestünde "Visafreiheit für serbische Staatsangehörige, die über einen biometrischen Reisepass" verfügten. Sohin habe sie wieder ungehindert in das Bundesgebiet einreisen dürfen.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

§ 60 Abs. 1 FPG (in der Stammfassung), § 60 Abs. 2 Z 11 sowie

§ 73 FPG (diese in der Fassung des BGBl. I Nr. 122/2009), jeweils

samt Überschrift, lauten:

"Voraussetzungen für das Aufenthaltsverbot

§ 60. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt


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1.
die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
2.
anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

11. binnen der Frist nach § 73 Abs. 1 ohne die besondere Bewilligung wieder eingereist ist;

Besondere Bewilligung nach Zurückweisung, Zurückschiebung und Ausweisung

§ 73. (1) Fremde, die berechtigt sind, ohne Visum in das Bundesgebiet einzureisen und sich in diesem aufzuhalten, bedürfen mit Ausnahme der Fälle der §§ 84 und 85 für den Zeitraum von achtzehn Monaten nach einer Zurückweisung gemäß § 41 Abs. 2 Z 4 und 6, nach einer Zurückschiebung oder nach Ausreise auf Grund einer Ausweisung zur Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem einer besonderen Bewilligung.

(2) Die besondere Bewilligung kann dem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn die Gründe, die zur Zurückweisung, Zurückschiebung oder Ausweisung geführt haben, nicht mehr vorliegen und auch kein Visumsversagungsgrund gegeben ist. Die Bewilligung zu einem drei Monate nicht übersteigenden Aufenthalt wird in Form eines Visums erteilt. § 72 Abs. 3, 5 und 6 gelten."

Artikel 1 Abs. 1 erster Satz und Abs. 2 erster Satz,

Artikel 2, Artikel 4 sowie Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, in der hier maßgeblichen Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1211/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom , haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 1

(1) Die Staatsangehörigen der Drittländer, die in der Liste in Anhang I aufgeführt sind, müssen beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein.

...

(2) Die Staatsangehörigen der in der Liste in Anhang II aufgeführten Drittländer sind von der Visumpflicht nach Absatz 1 für einen Aufenthalt, der insgesamt drei Monate nicht überschreitet, befreit.

...

Artikel 2

Im Sinne dieser Verordnung gilt als 'Visum' eine von einem Mitgliedstaat ausgestellte Genehmigung oder eine von einem Mitgliedstaat getroffene Entscheidung, die erforderlich ist für


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-
die Einreise zum Zwecke eines Aufenthalts in diesem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten, der insgesamt drei Monate nicht überschreitet;
-
die Einreise zum Zwecke der Durchreise durch das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats oder mehrerer Mitgliedstaaten, mit Ausnahme des Flughafentransits.
Artikel 4

(1) Die Mitgliedstaaten können bei folgenden Personengruppen Ausnahmen von der Visumpflicht gemäß Artikel 1 Absatz 1 oder von der Visumbefreiung gemäß Artikel 1 Absatz 2 vorsehen:

a) Inhaber von Diplomatenpässen, Dienst-/Amtspässen oder Sonderpässen nach einem der Verfahren, die in Artikel 1 Absatz 1 und in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 789/2001 des Rates vom mit der dem Rat Durchführungsbefugnisse im Hinblick auf bestimmte detaillierte Vorschriften und praktische Verfahren zur Prüfung von Visumanträgen vorbehalten werden (1) vorgesehen sind;


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b)
ziviles Flug- und Schiffspersonal;
c)
Flug- und Begleitpersonal eines Hilfs- oder Rettungsflugs und sonstige Helfer bei Katastrophen- und Unglücksfällen;
d)
ziviles Personal von Schiffen, die internationale Binnenwasserstraßen befahren;
e)
Inhaber von Passierscheinen, die einige zwischenstaatliche internationale Organisationen ihren Beamten ausstellen.

(2) Die Mitgliedstaaten können folgende Personen von der Visumpflicht befreien:

a) Schüler, die Staatsangehörige eines in der Liste in Anhang I aufgeführten Drittlands sind und ihren Wohnsitz in einem in Anhang II aufgeführten Drittland oder in der Schweiz oder Liechtenstein haben, wenn sie als Mitglied einer Schülergruppe in Begleitung einer Lehrkraft der betreffenden Einrichtung an einer Reise teilnehmen;

b) Personen mit Flüchtlingsstatus und Staatenlose, wenn das Drittland, in dem sie ihren Wohnsitz haben und das ihnen ihr Reisedokument ausgestellt hat, in Anhang II aufgeführt ist;

c) Angehörige von Streitkräften für Reisen im Rahmen der NATO oder der Partnerschaft für den Frieden und Inhaber von Ausweispapieren und Einsatzbefehlen, die im Abkommen der Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Streitkräfte vom vorgesehen sind.

(3) Die Mitgliedstaaten können für Personen, die während ihres Aufenthalts einer Erwerbstätigkeit nachgehen, Ausnahmen von der Visumbefreiung gemäß Artikel 1 Absatz 2 vorsehen.

Artikel 5

(1) Jeder Mitgliedstaat übermittelt den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission binnen zehn Arbeitstagen nach Inkrafttreten dieser Verordnung die Maßnahmen, die er gemäß

Artikel 3 zweiter Gedankenstrich und Artikel 4 getroffen hat. Spätere Änderungen dieser Maßnahmen werden binnen fünf Arbeitstagen mitgeteilt.

(2) Die Kommission veröffentlicht die Mitteilungen gemäß Absatz 1 informationshalber im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften."

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung 2001/539/EG (im Weiteren kurz: EU-Visumpflichtverordnung) mit Verordnung 2009/1244/EG vom dahingehend geändert wurde, dass im Teil 1 des Anhanges I zur EU-Visumpflichtverordnung u. a. der Verweis auf Serbien gestrichen und in Teil 1 des Anhanges II zu dieser Verordnung eingefügt wurde: "Serbien (ausgenommen Inhaber serbischer Reisepässe, die von der serbischen Koordinationsdirektion (auf Serbisch: Koordinaciona uprava ) ausgestellt wurden) (*)" - "(*) Die Visumbefreiung gilt nur für Inhaber biometrischer Reisepässe." Aus Art. 2 der Verordnung 2009/1244/EG ergibt sich, dass diese Änderungen ab anzuwenden waren.

Gemäß Art. 1 Abs. 2 erster Satz EU-Visumpflichtverordnung sind somit seit dieser Zeit Staatsangehörige Serbiens, die Inhaber biometrischer Reisepässe sind, von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der insgesamt drei Monate nicht überschreitet, befreit.

Im vorliegenden Fall, in dem die Beschwerdeführerin Inhaberin eines biometrischen Reisepasses ist, stellt sich im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Bestimmungen die Frage, ob die nationalen Vorschriften des FPG mit den Anordnungen der (unmittelbar Geltung beanspruchenden) EU-Visumpflichtverordnung vereinbar sind.

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die hier maßgebliche Vorschrift des § 73 FPG ihren Ursprung in § 14 Abs. 1 Fremdengesetz 1992 (BGBl. Nr. 838/1992) findet. Nach dieser Bestimmung konnte die Bundesregierung, sofern sie zum Abschluss von Regierungsübereinkommen gemäß Art. 66 Abs. 2 B-VG ermächtigt war, zur Erleichterung des Reiseverkehrs unter der Voraussetzung, dass Gegenseitigkeit gewährt wurde, vereinbaren, dass Fremde berechtigt waren, ohne Sichtvermerk in das Bundesgebiet einzureisen und sich in diesem aufzuhalten. Solche Fremde bedurften jedoch für den Zeitraum eines Jahres nach einer Zurückweisung gemäß § 32 Abs. 2 Z 2 Fremdengesetz 1992 zur Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem dennoch eines Sichtvermerkes. In den zur Regierungsvorlage zum Fremdengesetz 1992 zu dieser Bestimmung enthaltenen Erläuterungen (abgedruckt etwa in: Hickisch/Keplinger , Handbuch zum Fremdengesetz, 101) wurde ausgeführt, dass die Sichtvermerksabkommen nach § 14 Abs. 1 Fremdengesetz 1992 grundsätzlich die Einreise und den Aufenthalt ohne Sichtvermerk ermöglichten. Es sei aber in diesen Abkommen durchwegs vorgesehen, dass das Recht der Vertragsstaaten, Staatsbürger des anderen Vertragsstaates aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zurückzuweisen, unberührt bleibe. Der jeweilige Staat sei somit berechtigt, die Einreise von Bürgern des anderen Vertragsstaates, deren Kommen als unerwünscht angesehen werde, zu verhindern. Der zweite Satz des § 14 Abs. 1 Fremdengesetz 1992 diene der Umsetzung solcher Regelungen. Damit solle erreicht werden, dass Fremde, die zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt, aber an einem Grenzübergang zurückgewiesen worden seien, nur mit förmlicher Erlaubnis (Sichtvermerk) einreisen dürften. Dies solle einerseits die Zurückweisung auch bei anderen Grenzübergängen (in diesen Fällen mangels Sichtvermerks) sichern, andererseits aber auch dem Fremden ein Recht auf ein Verfahren ermöglichen, in dem festgestellt werden könne, ob die Voraussetzungen für das "Unerwünschtsein" tatsächlich vorlägen.

Diese Anordnung wurde im später erlassenen Fremdengesetz 1997 (BGBl. I Nr. 75/1997) insofern ergänzt, als nach dessen § 28 Abs. 1 jene Fremde, die an sich auf Grund eines von der Bundesregierung abgeschlossenen Übereinkommens zur Erleichterung des Reiseverkehrs ohne Visum hätten einreisen dürfen, für den Zeitraum eines Jahres nach einer Zurückweisung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FrG 1997, nach einer Zurückschiebung oder nach einer Ausweisung zur Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem dennoch eines Visums bedurften.

Den Erläuterungen zu dieser Bestimmung zufolge (RV 685 BlgNR 20. GP, 72) war für die Ausweitung der bisherigen Anordnung auch auf Ausweisungen maßgeblich, dass nach dem bisher geltenden Recht Zurückweisungen, die trotz Berechtigung zur sichtvermerksfreien Einreise erfolgt seien, für den betroffenen Fremden die Konsequenz einer (individuellen) einjährigen Sichtvermerkspflicht nach sich gezogen hätten. Dies stelle einen Wertungswiderspruch zu jenen Fällen dar, in denen der Fremde zurückgeschoben oder ausgewiesen werde. Es sei daher die gesetzliche Anordnung, dennoch ein Visum zu benötigen, um diese beiden Fälle zu erweitern gewesen.

Mit der FrG-Novelle 2002 (BGBl. I Nr. 126/2002) wurde in § 28 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 diese Anordnung dahingehend geändert, dass die betroffenen Fremden für den Zeitraum eines Jahres nach einer (u.a.) Ausweisung zur Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem einer besonderen Bewilligung bedurften. Nach den Erläuterungen (RV 1172 BlgNR 21. GP, 31) sollte diese Änderung einer mit derselben Novellierung erfolgten Änderung des Fremdengesetzes 1997 in § 3 Rechnung tragen. Die Änderung in § 3 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 hatte allerdings lediglich zum Inhalt, dass seitens der Bundesregierung auch aus anderen Gründen als der Erleichterung des Reiseverkehrs die darin vorgesehenen Abkommen abgeschlossen werden konnten. Mit der Änderung in § 3 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 wurde die Möglichkeit geschaffen, mit Verordnung auch andere Dokumente als Reisedokumente zu "visierfähigen" Dokumenten erklären zu können.

Die hier in Rede stehende Bestimmung des § 73 Abs. 1 FPG (das FPG wurde mit BGBl. I Nr. 100/2005 kundgemacht) entspricht inhaltlich der Vorgängerbestimmung des § 28 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 und enthält (seit der mit BGBl. I Nr. 122/2009 vorgenommenen Novellierung) im Wesentlichen lediglich als Abweichung davon die Festlegung der Dauer der Notwendigkeit einer besonderen Bewilligung (für die Wiedereinreise und den Aufenthalt) für einen Zeitraum von 18 Monaten ab der auf Grund einer Ausweisung erfolgten Ausreise.

Erläuterungen, ob und inwieweit § 73 FPG mit der EU-Visumpflichtverordnung in Einklang zu bringen sei, enthalten die Materialien nicht. In diesen wird lediglich darauf hingewiesen, dass § 73 FPG der Rechtslage des Fremdengesetzes 1997 (§ 28 Abs. 2 2. Satz) entspreche und klargestellt werde, dass die Bewilligung in Form eines Visums zu erteilen sei (RV 952 BlgNR 22 GP, 102). Der in § 60 Abs. 2 Z 11 FPG neu geschaffene Tatbestand solle einem Wunsch der Praxis und der Effizienz einer Ausweisung Rechnung tragen (RV 952 BlgNR 22 GP, 99).

Aus der oben geschilderten Entstehungsgeschichte des § 73 FPG ist erkennbar, dass der Gesetzgeber mit dieser Bestimmung den Zweck verfolgt, jene Fremden, die an sich auf Grund anderer Bestimmungen zur visumfreien Einreise und zum visumfreien Aufenthalt (idR für einen Zeitraum von drei Monaten) in Österreich berechtigt wären, dennoch wegen eines von ihnen früher gezeigten Verhaltens der Visumpflicht unterwerfen möchte, um prüfen zu können, ob - mit den Worten des Gesetzgebers - die Voraussetzungen für das "Unerwünschtsein" immer noch vorliegen.

Wie aus § 73 Abs. 2 FPG zweifelsfrei hervorgeht, sind dabei zum einen jene Gründe zu prüfen, die zur Erlassung der Ausweisung geführt haben, und zum anderen, ob die Voraussetzungen zur Erteilung eines Visums gegeben sind. Dies ergibt sich daraus, dass für die Erteilung der in § 73 Abs. 1 FPG vorgesehenen besonderen Bewilligung ein Visumsversagungsgrund nicht gegeben sein darf und darüber hinaus gemäß § 73 Abs. 2 FPG diese Bewilligung in Form eines Visums zu erteilen ist.

Anders als im Fall eines Aufenthaltsverbotes, während dessen Gültigkeit und Durchsetzbarkeit dem Betreffenden die Wiedereinreise grundsätzlich versagt ist (§ 72 Abs. 1 FPG), und das während seiner Gültigkeitsdauer (und bestehender Durchsetzbarkeit) im Falle des Aufenthalts des betreffenden Fremden im Bundesgebiet ohne neuerliche Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Entscheidung die Vollstreckung durch Abschiebung ermöglicht (§ 46 Abs. 1 Z 4 FPG), ist mit der Ausreise eines Fremden (sei sie auch zwangsweise im Rahmen einer Abschiebung erfolgt) eine Ausweisung grundsätzlich als gegenstandslos anzusehen (§ 59 Abs. 1 FPG). Auch sind die Voraussetzungen, während der Geltung des Aufenthaltsverbotes ausnahmsweise eine Bewilligung zur Wiedereinreise in das Bundesgebiet erhalten zu können, nicht mit jenen gleichzusetzen, die zur Erteilung eines Visums führen können (vgl. § 72 Abs. 2 FPG). Infolge der Anordnung der unterschiedlichen Rechtswirkungen eines Aufenthaltsverbots und einer Ausweisung und deren unterschiedlicher rechtlicher Schicksale nach erfolgter Ausreise kann nun nicht gesagt werden, aus § 73 Abs. 1 FPG ergebe sich, dass es sich bei einer nach dem FPG erlassenen Ausweisung eigentlich um ein für die Dauer von 18 Monate geltendes Aufenthaltsverbot handle.

Damit stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Anordnung des Gesetzgebers, die Einreise und den Aufenthalt eines an sich nach der EU-Visumpflichtverordnung zur visumfreien Einreise und zum visumfreien Aufenthalt berechtigten Fremden zwecks Prüfung seines "Unerwünschtseins" einer Vorabkontrolle durch ein der Visumerteilung inhaltlich gleichgelagertes Verfahren zu unterwerfen, vor dem Hintergrund der EU-Visumpflichtverordnung zulässig ist.

Nach Erwägungsgrund 1 zur EU-Visumpflichtverordnung beschließt der Rat die Vorschriften für Visa für geplante Aufenthalte von höchstens drei Monaten. Ihm obliege es daher insbesondere die Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie die Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, aufzustellen. In Erwägungsgrund 12 zur genannten Verordnung wird ausgeführt, die Verordnung sehe eine vollständige Harmonisierung bezüglich der Drittländer vor, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein müssen, sowie bezüglich jener Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind. In Einzelfällen - so die Ausführungen im Erwägungsgrund 8 - , die eine visumpolitische Sonderregelung rechtfertigten, könnten die Mitgliedstaaten, insbesondere im Einklang mit dem Völkerrecht oder einer allgemein üblichen Praxis, bestimmte Personengruppen von der Visumpflicht befreien oder sie dieser Pflicht unterwerfen.

Aus den oben wiedergegebenen Bestimmungen der EU-Visumpflichtverordnung und den soeben genannten Erwägungsgründen, die zur Erlassung dieser Verordnung geführt haben, geht zweifelsfrei hervor, dass die Verordnung eine umfassende Regelung sowohl dahingehend, ob und welche Angehörige bestimmter Staaten einer Visumpflicht unterworfen werden sollen oder nicht, enthält, als auch die Frage betreffend, unter welchen Voraussetzungen trotz der durch die Verordnung festgelegten Visumpflicht oder Visumfreiheit die Mitgliedstaaten von einer solchen Pflicht absehen oder Staatsangehörige bestimmter Drittstaaten ausnahmsweise der Visumspflicht unterwerfen dürfen. Zu letzterem sieht die EU-Visumpflichtverordnung in ihrem Artikel 4 Abs. 3 lediglich vor, dass die Mitgliedstaaten für Personen, die während ihres Aufenthalts einer Erwerbstätigkeit nachgehen, Ausnahmen von der Visumbefreiung gemäß Artikel 1 Abs. 2 vorsehen können. Dass die Mitgliedstaaten berechtigt wären, auch andere Gründe für die Ausnahme von der Visumbefreiung zu Lasten des Fremden festzulegen, ist der genannten Verordnung nicht zu entnehmen.

Daraus ergibt sich, dass die Anordnung des § 73 Abs. 1 FPG, wonach ein Fremder, der an sich nach der EU-Visumpflichtverordnung berechtigt ist, ohne Visum in das Bundesgebiet einzureisen und sich hier für einen dreimonatigen Zeitraum aufzuhalten, für den Zeitraum von 18 Monaten nach Ausreise auf Grund einer Ausweisung der Visumpflicht unterworfen wird, nicht mit der EU-Visumpflichtverordnung zu vereinen ist. Daran ändert auch nichts, dass § 73 Abs. 1 FPG von einer "besonderen Bewilligung" und nicht von einem Visum spricht. Zum einen geht nämlich - wie bereits oben erwähnt - aus § 73 Abs. 2 FPG hervor, dass für die Erteilung der besonderen Bewilligung - unter besonderer Berücksichtigung der Gründe, die zuvor zur Ausweisung geführt haben - die Kriterien für die Erteilung eines Visums maßgeblich sein sollen, zum anderen legt Artikel 2 EU-Visumpflichtverordnung unmissverständlich fest, dass im Sinne der genannten Verordnung nicht nur eine ausdrücklich als "Visum" getroffene Entscheidung gilt, sondern eine jede Entscheidung, die für die Einreise zum Zwecke eines Aufenthalts in diesem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten, der insgesamt drei Monate nicht überschreitet, (oder den hier nicht relevanten Fall der Durchreise) erforderlich ist. Die innerstaatliche Bezeichnung der Bewilligung stellt sich somit für die Einordnung als Visum im Sinn der EU-Visumpflichtverordnung nicht als maßgeblich dar. Angesichts der in Artikel 2 EU-Visumpflichtverordnung enthaltenen Kriterien ist es aber auch in Bezug auf diese Bestimmung zweifelsfrei, dass die besondere Bewilligung nach § 73 Abs. 1 FPG als Visum im Sinn der EU-Visumpflichtverordnung anzusehen ist.

Erweist sich nach dem Gesagten die Anordnung des § 73 Abs. 1 FPG als nicht mit der EU-Visumpflichtverordnung vereinbar, kann ein auf § 60 Abs. 2 Z 11 FPG gestütztes Aufenthaltsverbot keinen Bestand haben.

Die Beschwerdeführerin ist serbische Staatsangehörige, die über einen biometrischen Reisepass verfügt. Solche serbische Staatsangehörige sind gemäß Artikel 1 Abs. 2 EU-Visumpflichtverordnung in Verbindung mit Teil 1 des Anhanges II zu dieser Verordnung von der Visumpflicht betreffend die Einreise in einen Mitgliedstaat, für den die Verordnung anwendbar ist, was in Bezug auf Österreich zutrifft, und einen drei Monate nicht übersteigenden Aufenthalt befreit.

Sohin durfte die Beschwerdeführerin trotz der früher gegen sie erlassenen Ausweisung, die infolge ihrer Ausreise gemäß § 59 Abs. 1 FPG gegenstandslos geworden ist und nach dem Vorgesagten keine als dem Aufenthaltsverbot gleichgelagerte Maßnahme anzusehen ist, zu dem späteren Zeitpunkt, ohne über ein Visum verfügen zu müssen, wieder einreisen. Auf Grund des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes hatte im gegenständlichen Fall § 73 Abs. 1 FPG unangewendet zu bleiben.

Sohin erweist sich aber auch die Erlassung eines auf § 60 Abs. 2 Z 11 FPG gestützten Aufenthaltsverbotes als nicht zulässig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 FPG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am