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VwGH vom 30.04.2014, Ro 2014/11/0039

VwGH vom 30.04.2014, Ro 2014/11/0039

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ro 2014/11/0040 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision des IF, vertreten durch Dr. Julia Ecker, Mag. Wilfried Embacher und Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/GV/6/10985/2013-5, betreffend Übertretung des Öffnungszeitengesetzes (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Revisionswerber als gewerberechtlicher Geschäftsführer der I. GmbH schuldig erkannt, dass diese Gesellschaft die (nach der Adresse näher bezeichnete) Verkaufsstelle ihres Gewerbes "Handelsgewerbe und Handelsagent" am Sonntag, dem , um 9:45 Uhr nicht geschlossen gehalten habe, da zu diesem Zeitpunkt fünf Kunden im Verkaufsraum eingekauft hätten. Dieser Verkaufsraum sei im Tatzeitpunkt nach seinem Erscheinungsbild mit seinen Schauvitrinen, Selbstbedienungsregalen und Selbstbedienungskühlregalen sowie der Menge der feilgehaltenen Waren einem Handelsgewerbe zuzuordnen gewesen, es seien dort u.a. Milch- und Molkereiprodukte, verschiedene Wurstwaren und Eier sowie Laibe von hellem und dunklem Brot verschiedener Sorten neben Backwaren, alles jeweils in großer Menge, zum Verkauf feilgeboten worden. Weiters wurde (im Spruch des zitierten Straferkenntnisses) festgehalten, dass im gegenständlichen Geschäftslokal "ohne erkennbare Abgrenzungen auch die beiden Gewerbe 'Gastgewerbe in der Betriebsart Imbissstube' und 'Bäcker' ausgeübt" würden.

Der Revisionswerber habe deshalb eine Übertretung des § 11 iVm § 3 Öffnungszeitengesetz, BGBl. I Nr. 48/2003 idgF, zu verantworten, weshalb über ihn gemäß § 368 GewO 1994 (zu ergänzen: in Verbindung mit § 376 Z. 39 leg. cit.) eine Geldstrafe in Höhe von EUR 105,-- samt Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde.

Der diesen Bescheid bestätigende Berufungsbescheid der belangten Behörde vom wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2013/11/0189, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Aus den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses, auf die verwiesen wird, ist hervorzuheben, dass die vom Revisionswerber vertretene Gesellschaft Inhaberin (u.a.) einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart der Imbissstube ist, sodass eine Bestrafung des Revisionswerbers nach dem zitierten Erkenntnis nicht in Betracht käme, wenn er sich auf die Rechte des § 111 Abs. 4 Z. 4 GewO 1994 berufen könnte. Die Aufhebung des genannten Bescheides der belangten Behörde vom begründete der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis Zl. 2013/11/0189 zusammengefasst damit, dass die belangte Behörde einerseits nicht begründet hatte, weshalb die im Straferkenntnis aufgezählten Lebensmittel nicht von der Bestimmung des § 111 Abs. 4 Z. 4 GewO 1994 erfasst sein sollten. Andererseits habe die belangte Behörde zu Unrecht bei der Beurteilung der Voraussetzungen der letztgenannten Bestimmung auf das "Erscheinungsbild" der gegenständlichen Betriebsstätte abgestellt (Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2008/11/0126), weil im vorliegenden Fall die (erst durch die Novelle BGBl. I Nr. 85/2013 im § 111 Abs. 4 Z. 4 GewO 1994 ergänzte) "Wahrungsklausel" noch nicht zur Anwendung komme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid hat die belangte Behörde das erwähnte Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom neuerlich bestätigt. Nach Darstellung des Verfahrensgeschehens und der Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, dass in der gegenständlichen Betriebsstätte auch Lebensmittel angeboten worden seien, die ihrer Auffassung nach nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 111 Abs. 4 Z. 4 lit. a GewO 1994 fielen. Gegenständlich seien nämlich auch Lebensmittel "in großer Menge und großen Gebinden" zum Verkauf angeboten worden, dabei habe es sich um Milch- und Molkereiprodukte, verschiedene Wurstwaren und Eier sowie Laibe von hellem und dunklem Brot gehandelt. Dies übersteige jenen Umfang, der in § 111 Abs. 4 Z. 4 GewO 1994 gemeint sei. Es widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Lebensmittel in derartigem Umfang für die Zubereitung von Speisen in einer Imbissstube verwendet würden. Auf Grund ihrer Menge und Größe seien die Lebensmittel nicht geeignet, im Lokal sofort konsumiert zu werden. Es widerspreche nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass z. B. eine Cola-Flasche mit mindestens 1 l Füllmenge "sofort im Lokal (bestimmungsgemäß) verbraucht werden" könne. Auch große Mengen an Wurstwaren - gegenständlich sei eine ganze Stange Wurst zum Verkauf feilgeboten worden - könnten mit Sicherheit "nicht sofort verzerrt (verzehrt) werden". Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die gegenständlich feilgebotenen Lebensmittel ihrem Umfang nach im gegenständlichen Gastgewerbelokal (Imbissstube) sofort verzehrt oder für die Zubereitung von Speisen verwendet würden. Daher seien die im Straferkenntnis genannten, zum Verkauf feilgebotenen Lebensmittel nach Ansicht der belangten Behörde nicht von der Ausnahmebestimmung des § 111 Abs. 4 Z. 4 lit. a GewO 1994 erfasst und dürften somit an Sonn- und Feiertagen nicht verkauft werden. Die weitere Begründung des angefochtenen Bescheides betrifft die subjektive Tatseite und die Strafhöhe.

Gegen diesen Bescheid (dessen Zustellung augenscheinlich vor dem Ablauf des iSd § 2 Abs. 1 VwGbk-ÜG veranlasst worden ist), richtet sich die vorliegende (gemäß § 4 Abs. 1 VwGbk-ÜG zulässige) Revision, für deren Behandlung gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. die Bestimmungen des VwGG 1985 in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe gelten, dass statt der Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung die Revision als unzulässig zurückgewiesen werden kann.

Das Verwaltungsgericht Wien hat die Verwaltungsakten vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur gegenständlich maßgebenden Rechtslage (gemäß § 1 Abs. 2 VStG bezogen auf den Tatzeitpunkt) kann auf das zitierte Vorerkenntnis, Zl. 2013/11/0189, verwiesen werden.

Die vom Revisionswerber vertretene Gesellschaft verfügt (neben Gewerbeberechtigungen für das Handelsgewerbe und für Bäcker) unstrittig über die Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart einer Imbissstube. Wie sich bereits aus dem zitierten Vorerkenntnis ergibt, ist im vorliegenden Fall entscheidungswesentlich, ob der dem Revisionswerber angelastete Warenverkauf im Rahmen des Gastgewerbes in dem im § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 bezeichneten Umfang erfolgte, weil ein solcher Warenverkauf gemäß § 2 Z. 2 Öffnungszeitengesetz 2003 von den Bestimmungen dieses Gesetzes, insbesondere auch vom Verbot des § 3 leg. cit. betreffend das Offenhalten an Sonntagen, ausgenommen ist.

Fallbezogen geht es ausschließlich um die lit. a des § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994, die den Gastgewerbebetreibenden das Recht einräumt, während der Betriebszeiten des Gastgewerbebetriebes "die von ihnen verabreichten Speisen und ausgeschenkten Getränke, halbfertige Speisen, die von ihnen verwendeten Lebensmittel sowie Reiseproviant" zu verkaufen.

Unstrittig ist, dass die vom Revisionswerber verkauften Waren (Lebensmittel) - ihrer Art nach - solche sind, die von Gastgewerbetreibenden "verabreicht", "ausgeschenkt" oder für die Herstellung von verabreichten Speisen "verwendet" werden.

Dennoch könne sich der Revisionswerber nach Ansicht der belangten Behörde nicht auf § 111 Abs. 4 Z 4 lit. a GewO 1994 stützen, weil die von ihm angebotenen Waren - quantitativ - den Rahmen der letztgenannten Bestimmung überschritten (die Menge der angebotenen Waren hätte, so die belangte Behörde, im Gastgewerbebetrieb "nicht sofort verzehrt" bzw. nicht "sofort im Lokal (bestimmungsgemäß) verbraucht werden" können).

Zunächst ist festzuhalten, dass dem Wortlaut des § 111 Abs. 4 Z. 4 GewO 1994 nicht entnommen werden kann, die Gastwirte seien zum Verkauf der von ihnen verabreichten Speisen, ausgeschenkten Getränke und verwendeten Lebensmittel nur in jener Menge berechtigt, die "sofort verzehrt" bzw. "sofort im Lokal verbraucht werden" können. Hätte der Gesetzgeber außerdem den Verkauf der Speisen und Getränke zum sofortigen Verzehr im Gastgewerbelokal vor Augen gehabt, so hätte er dies nicht gesondert in § 111 Abs. 4 Z. 4 GewO 1994 regeln müssen, weil sich dieses Recht bereits aus § 111 Abs. 1 und 3 GewO 1994 ergibt.

Vielmehr läuft diese Auffassung der belangten Behörde erneut (siehe bereits das zitierte Erkenntnis Zl. 2008/11/0126) auf die Rechtsansicht hinaus, der Gastgewerbetreibende dürfe gemäß § 111 Abs. 4 Z 4 GewO 1994 die dort genannten Waren nur in einer Menge verkaufen, durch die das Erscheinungsbild als Gastgewerbebetrieb gewahrt bleibe, somit nicht das Erscheinungsbild eines Handelsgewerbes hervorgerufen werde. Diese Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof (jedenfalls hinsichtlich der gegenständlich anzuwendenden Fassung des § 111 Abs. 4 Z. 4 GewO 1994) in den zitierten Erkenntnissen, Zl. 2008/11/0126 und Zl. 2013/11/0189, mit ausführlicher Begründung als unzutreffend qualifiziert.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am