VwGH vom 06.09.2012, 2011/18/0022
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des AH in W, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, Landesgerichtsstraße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/210.174/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei bereits am bei der "Schwarzarbeit" betreten worden. Infolgedessen sei gegen ihn später ein aufenthaltsbeendendes Verfahren eingeleitet worden. Mit Schreiben (der Bundespolizeidirektion Wien) vom sei der Beschwerdeführer "ermahnt" worden.
Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Daraufhin habe er auf diese Ehe gestützt die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt, der ihm auch erteilt und in weiterer Folge wiederholt verlängert worden sei. Diese Ehe sei seit wieder geschieden.
Es sei der Verdacht des Eingehens einer Aufenthaltsehe entstanden. Aus diesem Grund seien der Beschwerdeführer und seine frühere Ehefrau - diese sei vormals ebenfalls bosnische Staatsangehörige gewesen - vernommen worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass beide aus derselben Ortschaft in Bosnien stammten und einander seit Kindheit kannten. Es seien zwar im Rahmen der Aussagen des Beschwerdeführers und seiner früheren Ehefrau "auch weitgehende übereinstimmende Angaben hinsichtlich des familiäre Hintergrunds des jeweils anderen Ehepartners" gemacht worden. Auch hätten beide das Eingehen einer Aufenthaltsehe bestritten. Aber trotz der "durchaus übereinstimmenden Angaben" sei es "auch zu bemerkenswerten Widersprüchen" gekommen.
Im Weiteren legte die belangte Behörde diese Widersprüche dar, die sie in erster Linie darin sah, dass die Ehepartner unterschiedliche Angaben zur in Bosnien stattgefundenen Eheschließung gemacht hätten, und der Beschwerdeführer darüber hinaus nicht gewusst habe, dass seine frühere Ehefrau am - also sohin während aufrechter Ehe - ein Kind geboren habe. Des Weiteren führte die belangte Behörde das Ergebnis durchgeführter Erhebungen ins Treffen, demzufolge der Beschwerdeführer im Wohnhaus, in der die Wohnung der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers gelegen ist, völlig unbekannt gewesen sei, obwohl demgegenüber die Nachbarn über die Gattin, deren Krankheit und deren Hilfsbedürftigkeit "gut Bescheid" gewusst hätten. Weiters führte die belangte Behörde aus, die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers habe zur Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers lediglich angeben können, dass er auf einer Baustelle arbeite. Sie habe jedoch weder das Unternehmen, in dem der Beschwerdeführer beschäftigt gewesen sei, noch, "was er genau getan habe", angeben können.
Ausgehend von den von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüchen und dem Ergebnis der Erhebungen ging die belangte Behörde zusammenfassend davon aus, es sei als erwiesen anzusehen, dass ein gemeinsames Ehe- und Familienleben lediglich "konstruiert" worden sei, um dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel und den Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt zu verschaffen sowie ihm in weiterer Folge auch die Möglichkeit zu eröffnen, seine "eigentliche" Familie nach Österreich nachzuholen.
Der Beschwerdeführer habe sohin eine Aufenthaltsehe im Sinn des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG geschlossen. Es seien auch die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben.
Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei nunmehr erneut mit seiner vormaligen Ehefrau (gemeint: jene Ehefrau, mit der er vor der Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen war), verheiratet. Dieser Beziehung entstammten vier Kinder. Seine (nunmehrige) Ehefrau und die vier Kinder lebten in ihrer Heimat. Es sei zwar davon auszugehen, dass mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers einhergehe. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch Verhinderung von Aufenthaltsehen, dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den betroffenen Fremden komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße ein Fremder, der zwecks Erlangung eines Aufenthaltstitels und Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt eine Aufenthaltsehe schließe, gravierend.
Es sei bei der Interessenabwägung auf die aus der Dauer des bisherigen inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Es sei aber auch zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt erst durch das Eingehen der Aufenthaltsehe ermöglicht worden sei. Dies gelte auch für die bisher vom Beschwerdeführer ausgeübten "Beschäftigungsverhältnisse". Familiäre Bindungen in Österreich habe der Beschwerdeführer nicht. Er sei zwar strafrechtlich unbescholten, dies vermöge aber im vorliegenden Fall seinen privaten Interessen kein zusätzliches Gewicht zu verleihen. Es sei nicht ersichtlich und auch im Verfahren nicht geltend gemacht worden, dass dem Beschwerdeführer das Verlassen des Bundesgebietes "bzw." eine Rückkehr in sein Heimatland nicht möglich wäre. Er habe dort den Großteil seines Lebens verbracht und dort auch erhebliche familiäre Bindungen. Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet könne insgesamt kein derartiges Gewicht zugemessen werden, dass demgegenüber das gegenläufige öffentliche Interesse in den Hintergrund zu treten hätte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde zum Eingehen einer Aufenthaltsehe.
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang geltend macht, es sei nicht nachvollziehbar, worauf die belangte Behörde "den Verdacht der Scheinehe tatsächlich" stütze, ist dem entgegenzuhalten, dass im angefochtenen Bescheid die beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde klar zutage treten. Anders als der Beschwerdeführer meint, kann seiner Auffassung, der angefochtene Bescheid leide an einem zur Rechtswidrigkeit führenden Begründungsmangel, nicht geteilt werden.
In der Beschwerde wird im Weiteren darauf hingewiesen, die belangte Behörde hätte selbst erkannt, dass die früheren Ehegatten "weitgehend übereinstimmende Angaben gemacht" hätten. Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung darauf Bedacht genommen hat. In nicht unschlüssiger Weise führte sie allerdings aus, das Wissen um die familiären Verhältnisse des jeweils anderen sei darauf zurückzuführen, dass sich die damaligen Ehepartner bereits seit Kindheit gekannt hätten. Zutreffend hat die belangte Behörde aber auch gravierende Widersprüche in jenen Angaben aufgezeigt, in denen im Falle des Bestehens eines Familienlebens übereinstimmende Antworten zu erwarten sind, wie etwa dem näheren Ablauf der Eheschließung und der Existenz eines während aufrechter Ehe geborenen Kindes. Sie hat auch zu Recht darauf verwiesen, dass von den Ehepartnern kein einziger Umstand ins Treffen geführt werden konnte, aus denen sich ein gemeinsames Ehe- und Familienleben ergeben hätte. Auch die Beschwerde zeigt solche Umstände nicht auf.
Vor dem Hintergrund der behördlichen Ausführungen kann nicht davon gesprochen werden, die beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde seien als unschlüssig zu bezeichnen. Unter Bedachtnahme auf die dem Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Beweiswürdigung bloß eingeschränkt zukommenden Prüfbefugnis begegnen die diesbezüglichen Erwägungen der belangten Behörde keinen Bedenken. Der Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die der Überprüfung der Schlüssigkeit standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0666, mwN).
Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, die hier in Rede stehende Ehe sei im Jahr 2004 geschlossen worden und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe sich, dass eine infolge der Aufenthaltsehe bestehende Gefährdung nicht mehr angenommen werden könne, wenn die rechtsmissbräuchliche Eingehung der Ehe fünf Jahre oder länger zurückliege, ist darauf hinzuweisen, dass sie sich damit auf eine zum Fremdengesetz 1997 ergangene Rechtsprechung beruft. Diese Rechtsprechung wurde für die Rechtslage des FPG infolge der Änderung der hier maßgeblichen Bestimmungen nicht aufrechterhalten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0257, mwN).
Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG bringt der Beschwerdeführer vor, es sei der Entscheidung lediglich einseitig der "Verdacht einer Scheinehe" zu Grunde gelegt worden. Seine familiären, sozialen oder beruflichen Interessen seien unberücksichtigt geblieben. Dem ist die Begründung des angefochtenen Bescheids entgegenzuhalten, aus der sich zweifelsfrei ergibt, dass diese Umstände von der belangten Behörde in ihre Beurteilung einbezogen wurden. Zu Recht hat sie aber den zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigenden Umständen kein entscheidungswesentliches Gewicht beigemessen, weil diese sämtlich auf die Aufenthaltsehe gegründet waren. Soweit in der Beschwerde noch gerügt wird, es sei der Sachverhalt nicht abschließend festgestellt worden, wird in keiner Weise dargelegt, zu welchem Ergebnis die belangte Behörde im Fall ergänzender Ermittlungen hätte kommen können und weshalb diese geeignet gewesen wären, zu einem anderen Bescheid zu führen.
Wenn der Beschwerdeführer aber auch noch die Ermessensübung durch die belangte Behörde anspricht, so wird auch insoweit in der Beschwerde überhaupt nicht dargetan, weshalb besondere Umstände es geboten hätten, im Rahmen der Ermessensübung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen.
Somit haftet nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-91417