VwGH vom 10.05.2011, 2011/18/0015
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des J (auch: D) D in W, vertreten durch Mag. Andreas Duensing, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/396.412/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer, ein kirgisischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ausgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am illegal nach Österreich gelangt und habe am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt, der am im Instanzenzug vom Asylgerichtshof rechtskräftig abgewiesen worden sei. Einer gegen diese Entscheidung eingebrachten Beschwerde habe der Verfassungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt, die Behandlung der Beschwerde sei jedoch mit Beschluss vom abgelehnt worden.
Am habe der Beschwerdeführer einen (Erst )Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt" gemäß § 43 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG eingebracht, die belangte Behörde habe sich mit Stellungnahme vom jedoch ausdrücklich gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels ausgesprochen.
Der Beschwerdeführer habe zwar während seines Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt, halte sich jedoch seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens bzw. der Ablehnung seiner Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG lägen somit vor.
Im Bundesgebiet bestünden familiäre Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Ehegattin, die sich jedoch nach einem rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahren ebenfalls unrechtmäßig in Österreich aufhalte. (Deren Beschwerde gegen die Ausweisung wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/18/0007, als unbegründet abgewiesen.) Obwohl mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei, sei die Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - dringend geboten.
Nach der Darstellung privater und familiärer Interessen des Beschwerdeführers sowie dem Hinweis auf die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens vertrat die belangte Behörde im Rahmen ihrer gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung die Auffassung, dass die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Angesichts der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer seit der Ablehnung seiner im Asylverfahren erhobenen Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, habe er die Bestimmungen des NAG in gravierender Weise missachtet. Auch der Versuch, seinen Aufenthalt durch einen (Inlands )Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu legalisieren, könne nicht positiv gewertet werden, weil Aufenthaltstitel gemäß § 21 Abs. 1 NAG nur mehr vom Ausland aus erwirkt werden könnten.
Im Hinblick auf das Fehlen besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne sein weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die nach der mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom ,
B 1652/10-3, erfolgten Ablehnung ihrer Behandlung und späteren Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde mit dem Begehren, den Bescheid aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach den unbestrittenen Ausführungen der belangten Behörde wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers im Instanzenzug am rechtskräftig abgewiesen und die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde - nach zwischenzeitiger Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom abgelehnt. Ebenso wenig bestreitet die Beschwerde, dass sich der Beschwerdeführer seither ohne gültigen Aufenthaltstitel in Österreich aufhält. Gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vorlägen, bestehen keine Bedenken, zumal der Beschwerdeführer auch nicht konkret vorbringt, sonst über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet zu verfügen.
Zu keinem anderen Ergebnis führt der vom Beschwerdeführer gemäß § 43 Abs. 2 NAG gestellte Antrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt", der gemäß § 44b Abs. 3 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründet, der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen nicht entgegensteht und im fremdenpolizeilichen Verfahren keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung und bringt vor, durch die Ausweisung in seinen aus Art. 8 EMRK abzuleitenden Rechten verletzt zu werden. Er sei seit vielen Jahren in Österreich niedergelassen, das Asylverfahren habe viele Jahre gedauert. Es bestehe "eine völlige soziale Integration" in Österreich. Im Bundesgebiet verfüge er über eine Vielzahl von Bekannten und Freunden, während zum Herkunftsland keine Beziehungen mehr bestünden. Er sei unbescholten und habe die Deutschprüfung im Rahmen der Integrationsvereinbarung auf dem Niveau A2 positiv bestanden.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung hat die belangte Behörde den knapp siebeneinhalbjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, die familiäre Bindung zu seiner Ehegattin, sein Vorbringen, in Österreich über eine "Vielzahl von Freunden und Bekannten" und einen "großen Freundeskreis" zu verfügen, seine Unbescholtenheit und die erwähnten Kenntnisse der deutschen Sprache berücksichtigt.
Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers wird in ihrem Gewicht jedoch dadurch gemindert, dass sein Aufenthalt nur auf Grund des von ihm gestellten Asylantrages, der in der Folge abgewiesen wurde, vorläufig erlaubt war. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war er während dieses Zeitraums aber auch nicht als niedergelassen anzusehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0016, mwN). Seit der - ca. sechs Jahre nach der Einreise in Österreich - erfolgten Ablehnung der Beschwerde im Asylverfahren durch den Verfassungsgerichtshof, somit bereits seit 1 1/4 Jahren, hält er sich hier unrechtmäßig auf.
Ferner fällt die im Bundesgebiet bestehende familiäre Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Ehegattin fallbezogen nicht besonders ins Gewicht, weil diese sich nach dem rechtskräftig negativen Abschluss ihres Asylverfahrens ebenfalls unrechtmäßig in Österreich aufhält (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/18/0007, mwN).
Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides verfüge der Beschwerdeführer in seiner Heimat über familiäre Bindungen insbesondere zu seinen Eltern und einer Tochter. Selbst unter Berücksichtigung des diesen Feststellungen entgegenstehenden Beschwerdevorbringens, wonach im Herkunftsland "keinerlei Beziehungen" mehr bestünden, ist - angesichts der unstrittig perfekten Beherrschung seiner Muttersprache und des Umstandes, dass der Beschwerdeführer den größten Teil seines Lebens in seiner Heimat verbracht hat - die Ansicht der belangten Behörde, dass es jenem möglich sein werde, in seiner Heimat neue Kontakte zu knüpfen, nicht zu beanstanden.
Den Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht die erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0644), gegenüber, dem der Beschwerdeführer durch Stellen eines unberechtigten Asylantrages und Nichtverlassen des Bundesgebietes nach dessen Abweisung zuwider gehandelt hat. Vor dem Hintergrund dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 66 FPG zulässig sei, auch dann keinem Einwand, wenn man zu dem geltend gemachten "Freundeskreis" über die im angefochtenen Bescheid namentlich angeführte Person hinaus auch fünf weitere in der Beschwerde erstmals unter Umgehung des Neuerungsverbotes genannte Personen zählte.
3. Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
SAAAE-91400