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VwGH vom 31.03.2011, 2009/10/0048

VwGH vom 31.03.2011, 2009/10/0048

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2009/10/0053 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der DS in B, vertreten durch Mag. Johann Galanda und Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Gonzagagasse 1/9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom , Zl. BMWF-54.019/0025-I/8a/2008, betreffend Studienförderung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung eines Selbsterhalterstipendiums gemäß § 6 Z. 4 Studienförderungsgesetz 1992 abgewiesen. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei seit ordentliche Studierende des Bachelorstudiums "Angewandte Informatik" an der Universität Salzburg. Sie habe dafür am ein Selbsterhalterstipendium beantragt. Die am geborene Beschwerdeführerin habe sich zum Zeitpunkt der Aufnahme des Studiums im 38. Lebensjahr befunden. Auch bei Selbsterhaltern müsse das Studium aber längstens vor Vollendung des 35. Lebensjahres begonnen worden sein, damit ein Anspruch auf Studienbeihilfe bestehe. Die Studienbeihilfe verfolge das legitime Ziel, jungen Menschen unabhängig von ihrer eigenen finanziellen Situation oder der finanziellen Situation ihrer Eltern den Zugang zum Studium zu ermöglichen. Die Förderung junger Menschen, die mehrheitlich gerade die Reifeprüfung abgelegt haben, liege im Interesse der Bildungspolitik: Indem ihnen der Zugang zum tertiären Bildungsbereich erleichtert werde, sei zu erwarten, dass dem Arbeitsmarkt auch längerfristig mehr hochqualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Durch das Instrument des Selbsterhalterstipendiums würden auch jene jungen Menschen erfasst und gefördert, die innerhalb einer gewissen Zeit am zweiten Bildungsweg ein Hochschulstudium anstreben. Die Altersgrenze solle gewährleisten, dass geförderte Studienabsolventen dem Arbeitsmarkt auch für längere Zeit (bis zur Erreichung des Pensionsalters) zur Verfügung stehen. Die in der Altersgrenze liegende Ungleichbehandlung sei daher objektiv und angemessen. Da eine Förderung sämtlicher Studierender, die grundsätzlich die Voraussetzungen der §§ 27 und 6 Z. 1 bis 4 Studienförderungsgesetz 1992 erfüllen, mit erheblichen Mehrkosten verbunden wäre, sei die absolute Altersgrenze des § 6 Z. 4 Studienförderungsgesetz 1992 angemessen und erforderlich. Eine unsachliche Differenzierung liege nicht vor.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1642/08, abgelehnt hatte, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305/1992 idF BGBl. I Nr. 47/2008, (StudFG) lauten auszugsweise wie folgt:

"Voraussetzungen

§ 6. Voraussetzung für die Gewährung einer Studienbeihilfe ist, dass der Studierende


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1.
sozial bedürftig ist (§§ 7 bis 12),
2.
noch kein Studium (§ 13) oder keine andere gleichwertige Ausbildung absolviert hat,
3.
einen günstigen Studienerfolg nachweist (§§ 16 bis 25),
4.
das Studium, für das Studienbeihilfe beantragt wird, vor Vollendung des 30. Lebensjahres begonnen hat. Diese Altersgrenze erhöht sich
a)
für Selbsterhalter gemäß § 27 um ein weiteres Jahr für jedes volle Jahr, in dem sie sich länger als vier Jahre zur Gänze selbst erhalten haben, höchstens jedoch um insgesamt fünf Jahre,
b)
für Studierende gemäß § 28, die zur Pflege und Erziehung mindestens eines Kindes gesetzlich verpflichtet sind, um maximal zwei Jahre je Kind, höchstens jedoch um insgesamt fünf Jahre,
c)
für behinderte Studierende gemäß § 29 um fünf Jahre,
d)
für Studierende, die ein Masterstudium aufnehmen, um fünf Jahre, sofern sie das Bachelorstudium vor Überschreitung der Altersgrenze unter Berücksichtigung der lit. a bis c begonnen haben.
Höchststudienbeihilfe für Selbsterhalter

§ 27. (1) Die Höchststudienbeihilfe beträgt - unbeschadet eines Erhöhungszuschlages gemäß § 30 Abs. 5 - monatlich 606 Euro (jährlich 7 272 Euro) für Studierende, die sich vor der ersten Zuerkennung von Studienbeihilfe durch Einkünfte im Sinne dieses Bundesgesetzes mindestens vier Jahre zur Gänze selbst erhalten haben.

(2) Ein Selbsterhalt liegt nur dann vor, wenn das jährliche Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes während dieser Zeit wenigstens die Höhe der jährlichen Höchststudienbeihilfe gemäß Abs. 1 erreicht hat.

(3) Zeiten des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes sind für die Dauer des Selbsterhalters jedenfalls zu berücksichtigen."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die Beschwerdeführerin habe sich zum Zeitpunkt der Aufnahme ihres Studiums bereits im 38. Lebensjahr befunden. Zufolge Überschreitung der im StudFG normierten Altersgrenze habe sie daher keinen Anspruch auf Studienbeihilfe.

Die Beschwerdeführerin bestreitet die Sachverhaltsannahmen des angefochtenen Bescheides nicht. Sie ist vielmehr der Auffassung, die Altersgrenze gemäß § 6 Z. 4 StudFG stehe im Widerspruch zum gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot:

Die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) verbiete u.a. in Ansehung der Berufsausbildung jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts. Der Zugang zur Berufsausbildung hänge maßgeblich von den finanziellen Möglichkeiten des Studierenden ab, somit auch von den Förderungen, die dem Studierenden vom Staat gewährt würden. Die scheinbar neutrale Vorschrift des § 6 Z. 4 StudFG, mit der eine absolute Altersgrenze von 35 Jahren festgelegt werde, habe auf Grund der Lebensrealität von Frauen benachteiligende Auswirkungen auf diese. Auf Grund "ihrer persönlichen und beruflichen Biographie (Schwangerschaft, Kindererziehung, schlechtere Bildungsmöglichkeiten)" könnten sie in der Regel erst zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Leben mit einem Studium beginnen. Die Erhöhung der Altersgrenze im § 6 Z. 4 StudFG für den Fall der Pflege und Erziehung von Kindern sei nicht geeignet, diese mittelbare Diskriminierung zu beseitigen. Frauen würden nämlich auf Grund ihrer ökonomischen Abhängigkeiten häufig veranlasst, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und zum Haushaltseinkommen beizutragen. Sie könnten die Chance einer beruflichen Aus- und Fortbildung daher erst zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Leben wahrnehmen. Die Regelung des StudFG stelle auch nicht auf die Anzahl der Kinder und den individuellen Betreuungsaufwand ab. Auch stünden nicht ausreichend viele Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung. § 6 Z. 4 StudFG verstoße folglich gegen das mittelbare Diskriminierungsverbot der Richtlinie und hätte daher unangewendet bleiben müssen. Weiters verbiete die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf eine unmittelbare ebenso wie eine mittelbare Diskriminierung u.a. wegen des Alters. Auch dagegen verstoße § 6 Z. 4 StudFG, weil die Regelung betreffend das Höchstalter weder objektiv noch angemessen sei. Soweit eine längere Erwerbstätigkeit von Personen, die ihr Studium in jüngeren Jahren beginnen, ins Treffen geführt werde, sei darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin, die ihr Studium mit 41 Jahren abschließen werde, dem Arbeitsmarkt noch 24 Jahre als qualifizierte Arbeitskraft zur Verfügung stehen und höhere Steuerleistungen erbringen könne. Auch insoweit liege ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor, das zu einer Nichtanwendung des § 6 Z. 4 StudFG hätte führen müssen. Gegebenenfalls werde die Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EGV angeregt.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

Soweit sie eine "mittelbare Diskriminierung" iSd Richtlinie 2006/54/EG ins Treffen führt, läge eine solche in einer "Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich" (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. b der Richtlinie).

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, Frauen seien durch die Festsetzung eines Höchstalters im § 6 Z. 4 StudFG wegen Schwangerschaft und Kindererziehung benachteiligt, ist zu entgegnen, dass die Pflege und Erziehung von Kindern zu einer Erhöhung der Altersgrenze bis zu fünf Jahren führen kann. Durch diese Umstände bewirkte zeitliche Verzögerungen des Studienbeginns sind daher in der Regel berücksichtigt. Soweit die Beschwerdeführerin jedoch allgemein auf "schlechtere Bildungsmöglichkeiten" von Frauen hinweist, zeigt sie damit keine Umstände auf, die konkret Frauen an einem Studienbeginn vor dem festgesetzten Höchstalter hindern; ist doch - auch an Hand des Beschwerdevorbringens - nicht ersichtlich, dass Frauen von "schlechteren Bildungsmöglichkeiten" derart betroffen wären, dass sie aus diesem Grund durch das im § 6 Z. 4 StudFG festgesetzte Höchstalter in besonderer Weise gegenüber Männern benachteiligt wären.

Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates versteht unter einer unmittelbaren Diskriminierung, dass eine Person wegen einer der im Art. 1 genannten Gründe (u.a. Alter) in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a der Richtlinie). Ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 können die Mitgliedstaaten jedoch gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen der Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Die Altersgrenze im § 6 Z. 4 StudFG verfolgt das Ziel, die Studienförderung auf jene Gruppe Studierender zu konzentrieren, die ihre qualifizierte Ausbildung noch längere Zeit beruflich nutzen kann. Weiters soll die grundsätzlich nicht rückzahlbare Studienförderung dem Staat auf dem Umweg über höhere Steuerleistungen auf Grund eines höher qualifizierten Berufes zumindest teilweise zurückfließen (vgl. RV zum Strukturanpassungsgesetz 1996, 72 BlgNR, 20. GP zu Art. 89 Z. 2). Zur Erreichung dieses Zieles ist die Festsetzung einer Altersgrenze als Voraussetzung für die Gewährung von Studienbeihilfe einerseits notwendig, andererseits bestehen angesichts der die persönlichen und familiären Umstände der Studierenden berücksichtigenden Altersgrenze des § 6 Z. 4 StudFG auch keine Bedenken, dass diese Festsetzung zur Erreichung des angestrebten Zieles nicht angemessen wäre. Von einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin durch die Altersgrenze gemäß § 6 Z. 4 StudFG kann daher keine Rede sein. In diesem Sinn hat auch bereits der Verfassungsgerichtshof im Beschluss vom , B 1642/08, ausgesprochen, dass er unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebotes gegen die Altersgrenze des § 6 Z. 4 StudFG keine Bedenken hegt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/10/0169).

Die sich schon aus diesem Grund als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen; der Einholung einer Vorabentscheidung iSd Art. 267 AEUV bedurfte es nicht.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am