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VwGH vom 27.01.2015, Ra 2014/11/0071

VwGH vom 27.01.2015, Ra 2014/11/0071

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision der I GmbH in I, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2 (Hauptpostgebäude), gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W145 2010305- 1/7E, betreffend Aussetzung des Verfahrens zur Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Behindertenausschuss beim Sozialministeriumsservice; mitbeteiligte Partei: M L, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Adolf-Pichler-Platz 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom erteilte die belangte Behörde die von der Revisionswerberin beantragte Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung eines begünstigten Behinderten, des Mitbeteiligten. Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht).

Mit Beschluss vom setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren über die Beschwerde gemäß § 17 VwGVG iVm. § 38 AVG "bis zur rechtskräftigen Entscheidung des beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht

anhängigen Verfahrens ... wegen Feststellung des aufrechten

Bestands" des vom Mitbeteiligten zur Revisionswerberin "begründeten Dienstverhältnisses nach der Entlassung" aus.

Unter einem wurde gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verfahrensakten durch das Verwaltungsgericht und Einholung von Revisionsbeantwortungen der belangten Behörde sowie des Mitbeteiligten erwogen hat:

1.1. Das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. der Novelle BGBl. I Nr. 138/2013, lautet (auszugsweise):

"Kündigung

§ 8. (1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates, der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn nicht in Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt wird. Diese Zustimmung ist nicht zu erteilen, wenn die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten die Folge eines Arbeitsunfalles gemäß § 175f des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 ist. Ein Ausnahmefall, der die Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung rechtfertigt, ist dann gegeben, wenn dem Dienstgeber zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste, dass der Dienstnehmer dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des § 2 angehört. Abs. 4 und 4a sind anzuwenden.

(3) Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.

(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn

a) der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;,

b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

c) der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.

(4a) Bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten ist auch das Diskriminierungsverbot des § 7b Abs. 1 zu berücksichtigen.

..."

1.2.1.1. Der Einleitungssatz des § 61 ASGG lautete in der Stammfassung BGBl. Nr. 104/1985 (auszugsweise):

"§ 61. (1) Die rechtzeitige Erhebung der Berufung gegen das erste Urteil des Gerichts erster Instanz hemmt nur den Eintritt der Rechtskraft, nicht jedoch den der Vollstreckbarkeit in Rechtsstreitigkeiten

1. über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ...

..."

1.2.1.2. Der AB zur Stammfassung des ASGG, 527 Blg NR 16. GP, 9, führt hiezu Folgendes aus:

"Zu § 61:

Der Ausschuss ist der Meinung, dass das im § 86 der Regierungsvorlage vorgesehene Modell einer besonderen einstweiligen Verfügung sehr kompliziert ist, das Hauptverfahren unter Umständen verzögert und im Ergebnis nicht den gewünschten Erfolg bringt. Der Ausschuss schlägt daher anstelle dieses Modells eine Regelung vor, nach der das erstinstanzliche Urteil die Rechtslage für die Dauer des gesamten Rechtsmittelverfahrens bis zur Rechtskraft festlegt.

..."

1.2.2.1. Durch die Novelle BGBl. Nr. 408/1990 erhielt der Einleitungssatz des § 61 ASGG folgende Fassung (auszugsweise):

"Wirkungen von Entscheidungen

§ 61. (1) Die rechtzeitige Erhebung der Berufung gegen das erste Urteil des Gerichts erster Instanz hemmt nur den Eintritt der Rechtskraft, nicht jedoch den Eintritt der Verbindlichkeit der Feststellung, den der Rechtsgestaltungswirkung oder den der Vollstreckbarkeit in Rechtsstreitigkeiten

1. über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ...

..."

1.2.2.2. Der Antrag der Abgeordneten Elfriede Karl et. al., II-11434 Blg NR 17. GP, 79, führt zur Änderung des Einleitungssatzes im Wesentlichen aus, es sei schon im Zuge der parlamentarischen Beratungen des ASGG die Auffassung vertreten worden, dass dessen § 61 Abs. 1 sowohl auf Leistungs- als auch auf Feststellungs- und Rechtsgestaltungsurteile anzuwenden sei. Dem habe sich auch der überwiegende Teil der Lehre angeschlossen. Nunmehr solle "ausdrücklich gesagt werden, dass in Arbeitsrechtssachen auch Berufungen gegen erste Feststellungs- oder Rechtsgestaltungsurteile von Gerichten erster Instanz den Eintritt ihrer sofortigen Verbindlichkeit bzw. Wirksamkeit nicht aufschieben".

1.2.3. § 61 ASGG lautet nunmehr idF. der Novelle BGBl. Nr. 624/1994 (auszugsweise):

"Wirkungen von Entscheidungen

§ 61. (1) Die rechtzeitige Erhebung der Berufung gegen das erste Urteil des Gerichts erster Instanz hemmt nur den Eintritt der Rechtskraft, nicht jedoch den Eintritt der Verbindlichkeit der Feststellung, den der Rechtsgestaltungswirkung oder den der Vollstreckbarkeit in Rechtsstreitigkeiten

1. über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und daraus abgeleitete Ansprüche auf das rückständige laufende Arbeitsentgelt;

2. über Ansprüche auf das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückständige laufende Arbeitsentgelt, soweit nicht nach Abs. 4 anderes angeordnet ist;

3. über die Herausgabe der dem Arbeitnehmer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses auszufolgenden Arbeitspapiere und herauszugebenden Gegenstände;

4. über die Zurückstellung der dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Ausübung der Arbeit zur Verfügung gestellten Gegenstände;

5. nach § 50 Abs. 2.

(2) Das im Abs. 1 genannte Urteil wirkt, auch wenn es inzwischen aufgehoben oder durch ein anderes Urteil ersetzt worden ist, bis zur Beendigung des Verfahrens weiter, soweit die Parteien nichts anderes vereinbaren oder nicht nach Abs. 4 anderes angeordnet ist. Urteile nach Abs. 1 Z 1 oder 2 wirken unbeschadet eines allfälligen Rückzahlungsanspruchs.

(3) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht in besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 Abs. 1.

(4) In Rechtsstreitigkeiten nach Abs. 1 Z 2 ist die Hemmung der Vollstreckbarkeit zur Gänze oder teilweise zu verfügen, wenn

1. dies beantragt wird und es die soziale Lage des Arbeitnehmers zuläßt; hiebei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit sein laufendes Einkommen dem bisherigen laufenden Arbeitsentgelt im wesentlichen gleich ist und er zum Ausgleich für das fehlende rückständige Arbeitsentgelt Verpflichtungen eingehen mußte, die seine Lebensführung erheblich beeinträchtigen, oder

2. der Arbeitnehmer schriftlich oder zu Protokoll erklärt hat, auf diese Vollstreckbarkeit zu verzichten.

..."

1.3. Der gemäß § 17 VwGVG im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anzuwendende § 38 AVG lautet:

"§ 38. Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

..."

2. Die Revision ist zulässig.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes, der belangten Behörde sowie des Mitbeteiligten ist die Revision zulässig, weil zur Frage, ob und inwieweit die Verbindlichkeit erstinstanzlicher Urteile gemäß § 61 Abs. 1 und 2 ASGG auch für Verfahren zur Erteilung einer Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten nach § 8 BEinstG gilt, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiert. Das vom Verwaltungsgericht zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/11/0062, ist insofern nicht einschlägig, als es zwar das Vorliegen einer Vorfrage bejaht, zur Verbindlichkeit einer gerichtlichen Feststellung des Fortbestands eines Dienstverhältnisses für das verwaltungsbehördliche Zustimmungsverfahren aber keine Ausführungen enthält, zumal eine solche gerichtliche Feststellung (anders als im vorliegenden Revisionsfall) dort noch gar nicht vorlag.

3. Die Revision ist auch begründet.

3.1.1. Das Verwaltungsgericht stützt den angefochtenen Beschluss auf folgende Sachverhaltsannahmen:

Der Mitbeteiligte gehöre seit dem Kreis der begünstigten Behinderten an.

Mit Schreiben der Revisionswerberin vom sei der Mitbeteiligte fristlos entlassen worden. Diese Entlassung sei von diesem mittels Klage beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht bekämpft worden. Mit Urteil des Landesgerichtes vom sei festgestellt worden, dass das ab eingegangene Dienstverhältnis des Mitbeteiligten bei der Revisionswerberin über den Zeitpunkt des Entlassungsausspruchs hinaus aufrecht fortbestehe.

Nach Erhebung der Berufung gegen dieses Urteil habe die Revisionswerberin mit Schreiben vom beantragt, die belangte Behörde möge die Zustimmung zur noch auszusprechenden Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Mitbeteiligten bei der Revisionswerberin erteilen.

Mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom sei der Berufung der Revisionswerberin Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und an dasselbe zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen worden.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom sei die Zustimmung zur auszusprechenden Kündigung des Mitbeteiligten erteilt worden.

3.1.2. In rechtlicher Hinsicht führt das Verwaltungsgericht aus, das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Dienstverhältnisses sei für die Behörde bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung nach § 8 BEinstG eine Vorfrage iSd. § 38 AVG, weil eine Kündigung eines Dienstverhältnisses das Bestehen eines solchen voraussetze. Die Frage, ob die Entlassung des Mitbeteiligten gerechtfertigt gewesen und das Dienstverhältnis damit beendet worden sei, sei für das Beschwerdeverfahren präjudiziell. Sollte sich die Entlassung des Mitbeteiligten als rechtswirksam herausstellen, so wäre der mit Beschwerde angefochtene Bescheid der belangten Behörde gegenstandslos. Das Verwaltungsgericht mache mit der Aussetzung von dem ihm durch § 38 AVG (iVm. § 17 VwGVG) eingeräumten Ermessen Gebrauch.

Laut § 61 Abs. 1 ASGG, auf den sich die Revisionswerberin für ihren Rechtsstandpunkt, wonach die Aussetzung unzulässig sei, berufe und welcher bloß auf die Vollstreckbarkeit von arbeitsrechtlichen Ansprüchen abstelle, werde durch die rechtzeitige Erhebung der Berufung gegen das erstgerichtliche Urteil ausdrücklich der von § 38 AVG verlangte Eintritt der Rechtskraft gehemmt. Im Revisionsfall liege noch keine rechtskräftige arbeitsgerichtliche Entscheidung über die für das Verwaltungsgericht maßgebliche Vorfrage vor.

3.2. Diese Ausführungen zeigen, dass das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt hat.

3.2.1. Dem Verwaltungsgericht ist zunächst darin beizupflichten, dass die Frage des Bestands oder Nichtbestands des Dienstverhältnisses des Mitbeteiligten zur Revisionswerberin für das Verwaltungsgericht eine Vorfrage iSd. (im Wege des § 17 VwGVG anzuwendenden) § 38 AVG darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/11/0062, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/09/0039).

Nach dieser Bestimmung ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde - und gemäß § 17 VwGVG auch das Verwaltungsgericht - berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung der eigenen Entscheidung zugrunde zu legen. Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht kann aber auch das Verfahren "bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen", wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

3.2.2. Entscheidend ist im Revisionsfall, dass § 38 AVG unter dem Vorbehalt einer anderslautenden gesetzlichen Regelung steht. Eine solche liegt in § 61 Abs. 1 und 2 ASGG im Ergebnis vor.

Gemäß § 61 Abs. 1 ASGG hemmt die rechtzeitige Erhebung der Berufung gegen das (erste) erstgerichtliche Urteil nur den Eintritt der Rechtskraft, nicht aber den Eintritt "der Verbindlichkeit der Feststellung, den der Rechtsgestaltungswirkung oder den der Vollstreckbarkeit in Rechtsstreitigkeiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisse und daraus abgeleitete Ansprüche auf das rückständige laufende Arbeitsentgelt" (Z. 1). Anders als das Verwaltungsgericht vermeint, lässt § 61 Abs. 1 ASGG somit keineswegs nur die Vollstreckbarkeit unmittelbar mit dem ersten Urteil eintreten. Gemäß § 61 Abs. 2 ASGG wirkt das (erste) erstgerichtliche Urteil, auch wenn es inzwischen aufgehoben oder durch ein anderes Urteil ersetzt worden ist, bis zur Beendigung des Verfahrens weiter, soweit die Parteien nichts anderes vereinbaren oder - im Revisionsfall nicht von Bedeutung - nach Abs. 4 anderes angeordnet ist (ein besonderes Feststellungsverfahren iSd. § 61 Abs. 3 ASGG liegt hier nicht vor).

Wie sich aus den Materialien schon zur Stammfassung des § 61 ASGG, aber auch zur Novelle BGBl. Nr. 408/1990 zweifelsfrei ergibt, sollte das (erste) erstgerichtliche (Feststellungs)Urteil über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sofort verbindlich sein und diese Verbindlichkeit auch im Falle einer Aufhebung durch das Berufungsgericht bis zur Beendigung des Verfahrens behalten. Im AB zur Stammfassung (vgl. oben Pkt. 1.2.1.2.) kommt dies darin zum Ausdruck, dass man ganz bewusst vorsehen wolle, dass "das erstinstanzliche Urteil die Rechtslage für die Dauer des gesamten Rechtsmittelverfahrens bis zur Rechtskraft festlegt". Daraus folgt aber, dass während des Zeitraums der Verbindlichkeit des erstgerichtlichen Urteils eine abweichende Beurteilung der im Urteil getroffenen Feststellung (über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses; Z. 1) durch andere Behörden und Gerichte ausgeschlossen sein sollte, dies ungeachtet des Umstands, dass die das Rechtsmittelverfahren beendende Entscheidung allenfalls eine andere Beurteilung als das erstgerichtliche Urteil vornehmen könnte. Dem entspricht auch die Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach dann, wenn ein (vorläufig) verbindliches Urteil über den aufrechten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses vorliegt, diese Entscheidung einem Leistungsbegehren des Dienstnehmers zugrunde zu legen ist, sodass den Voraussetzungen einer Unterbrechung wegen Präjudizialität "bis zur formell und materiell rechtskräftigen Entscheidung" im Vorprozess die verfahrensrechtliche Grundlage entzogen ist (vgl. den Beschluss vom , 9 Ob A 37/94). Diese Auffassung wird auch in der Lehre vertreten (vgl. Konecny , Wirkungen erstinstanzlicher Urteile in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten gemäß § 61 ASGG,ZAS 1986 155 (163); Grießer , Zur Wirkung klagsabweisender Urteile gem § 61 Abs. 1 ASGG, RdA 1997 10ff).

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die in § 61 ASGG normierte Verbindlichkeit erstgerichtlicher Urteile auf bestimmte Verfahren beschränkt sein und nicht auch Verfahren nach § 8 Abs. 4 BEinstG erfassen sollte.

3.2.3. Für den Revisionsfall ergibt sich daraus, dass das Verwaltungsgericht die Verbindlichkeit der erstgerichtlichen Feststellung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses des Mitbeteiligten zu beachten und diese Feststellung der eigenen rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen hatte, solange das im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses noch anhängige Verfahren zur Wirksamkeit der Entlassung noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war. Für eine eigenständige Beurteilung der Vorfrage war hingegen ebenso wenig Raum wie für eine Aussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Anderes könnte allenfalls bei Vorliegen der in § 61 Abs. 2 ASGG umschriebenen Voraussetzungen (entgegengesetzte Vereinbarung der Parteien) gelten; Feststellungen hiezu sind dem angefochtenen Beschluss jedoch nicht zu entnehmen.

3.3. Die mit dem angefochtenen Beschluss ausgesprochene Aussetzung des Zustimmungsverfahrens nach § 8 BEinstG erweist sich auf der Basis der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen somit als rechtswidrig.

Der angefochtene Beschluss war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Das Mehrbegehren auf Ersatz der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil ein gesonderter Ersatz für Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Ersatz für Schriftsatzaufwand nicht vorgesehen ist.

Wien, am