VwGH vom 22.02.2017, Ra 2014/10/0037

VwGH vom 22.02.2017, Ra 2014/10/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 52.28-2825/2014-14, betreffend forstpolizeilicher Wiederbewaldungsauftrag (mitbeteiligte Parteien: 1. A W, 2. W H, 3. R T 4. R W, alle in Graz und vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schmiedgasse 2, 5. E W und 6. K W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom wurden die mitbeteiligten Parteien als Grundeigentümer gemäß §§ 172 Abs. 6 lit. a Forstgesetz 1975 (ForstG) verpflichtet, auf dem in einem angeschlossenen Lageplan rot eingefärbten Teil der Grundstücke Nr. 729/2 und Nr. 729/12, KG W, bis zum eine Wiederbewaldung durch Aufforstung mit näher genannten Baumarten durchzuführen.

2 Begründend ging die Forstbehörde davon aus, dass mit Bescheid vom eine Rodungsbewilligung für eine dauernde Rodung im Flächenausmaß von ca. 0,14 ha auf dem Grundstücke Nr. 729/2 (nunmehr Grundstücke Nr. 729/2 und Nr. 729/12) zum Zweck der Bebauung mit Wohnhäusern unter der Bedingung erteilt worden sei, dass die Bewilligung nur für den angeführten Rodungszweck (Wohnbebauung des Grundstückes) gelte und erlösche, wenn "die Rodung nicht bis spätestens durchgeführt" werde. Laut einer Mitteilung der Bezirksforstinspektion vom sei "die technische Rodung" durchgeführt worden, die Konsensinhaber hätten Geländeveränderungen vorgenommen, einen Weg angelegt, Stromleitungen verlegt und eine Blechhütte aufgestellt; eine Wohnbebauung habe jedoch nicht stattgefunden. Die natürliche Wiederbewaldung erfolge nur sporadisch, der überwiegende Teil werde gemäht und somit ein Aufkommen von Naturverjüngung verhindert. Die vom Forstorgan festgestellten Maßnahmen dienten der Aufschließung des Grundstückes, stellten jedoch keine Wohnbebauung dar. Es sei daher davon auszugehen, dass die erteilte Rodungsbewilligung untergegangen sei. Mangels Vorliegens eines anerkannten Rechtsgrundes verstoße die gegenwärtige Verwendung des Waldbodens zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur seit gegen das Rodungsverbot. Da die Wiederbewaldung der gerodeten Fläche zur Walderhaltung erforderlich sei und die Verpflichteten trotz Aufforderung eine solche unterlassen hätten bzw. ablehnten, sei ein forstpolizeilicher Auftrag zu erteilen gewesen.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark wurde der dagegen von den erst- bis viertmitbeteiligten Parteien erhobenen Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und Hinweisen auf die Rechtslage aus, die vorliegende Beschwerde betreffe eine Meinungsverschiedenheit zwischen der belangten Behörde, die von der Waldeigenschaft der betroffenen Grundstücke ausgehe, und den erst- bis viertmitbeteiligten Parteien, die die Waldeigenschaft aufgrund der erteilten - und aus ihrer Sicht auch konsumierten - Rodungsbewilligung als nicht gegeben erachteten. Die Konsensinhaber seien im Anschluss an die Erteilung der Rodungsbewilligung nach dem behördlichen Ermittlungsergebnis eine Wegdienstbarkeit eingegangen, hätten Geländeveränderungen vorgenommen, einen Weg angelegt, Stromleitungen verlegt, die Wasserversorgung hergestellt, eine Blechhütte aufgestellt und das Grundstück zur Gestaltung der Bauplätze vermessen. Dieses Ermittlungsergebnis habe sich im Beschwerdeverfahren bestätigt. Der Rodungsbescheid berechtige die Grundeigentümer zur Bebauung der Grundfläche mit Wohnhäusern. Die bewilligte andere Nutzung müsse "folglich schon mit der zulässigen ((vermessungs-)technischen) Aufschließung der Bauplätze beginnen", die ohne rechtskräftige Rodungsbewilligung auf Waldgrund nicht durchgeführt werden dürfe. Somit habe die forstrechtlich bewilligte Nutzung zur Bebauung mit Wohnhäusern nach Entfernung des forstlichen Bewuchses bereits mit den technischen Maßnahmen zur Schaffung eines geeigneten Bauplatzes im Sinne des § 5 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) eingesetzt. Der Rodungszweck sei daher vor Fristablauf erreicht worden, ohne dass es dazu eines Bauansuchens an die Baubehörde, der Erteilung einer Baubewilligung oder der tatsächlichen Vollendung des konkreten Bauvorhabens bedurft habe. Der angefochtene Bescheid über die Wiederbewaldung sei demnach rechtsgrundlos ergangen und ersatzlos zu beheben.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung.

6 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legte die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor. Die erst- bis viertmitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Revision macht geltend, entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Stmk. BauG sei mit "Bebauung" die Ausführung und damit die wohl weitgehende Vollendung eines Gebäudes gemeint. Die bloße Schaffung eines geeigneten Bauplatzes könne keinesfalls als (Wohn-)Bebauung und damit als Erfüllung des gegenständlichen Rodungszweckes angesehen werden. Entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark könne demnach die Eignung als Bauplatz oder die Bauplatzschaffung nicht als durchgeführte Bebauung qualifiziert werden. Es liege eine grundsätzliche Rechtsfrage vor, da dies für die Auslegung und die Fassung des Spruches bei Rodungen für einen der häufigsten Rodungszwecke von allgemeiner Bedeutung sei. Es liege eine grundsätzliche Rechtsfrage auch insoweit vor, als zu klären sei, "wie die Forstbehörde im Lichte des bekämpften Erkenntnisses das Überwiegen des privaten Rodungsinteresses bemessen" solle, wenn die bloße technische Aufschließung der Rodefläche ohne anschließende Bebauung dem öffentlichen Interesse "Siedlungswesen" genügen sollte.

8 Die Revision ist im Hinblick auf die Frage, ob bei Bindung der Rodungsbewilligung an den Rodungszweck "Bebauung mit Wohnhäusern" dieser bereits "mit technischen Maßnahmen zur Schaffung eines geeigneten Bauplatzes" als erfüllt angesehen werden kann, zulässig. Sie ist auch begründet.

9 Das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 189/2013 (ForstG), lautet auszugsweise:

"Rodung

§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

(3) Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

(4) Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung im Sinne des Abs. 3 sind insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- oder öffentlichen Straßenverkehr, im Post- oder öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung, im Siedlungswesen oder im Naturschutz.

...

Rodungsbewilligung; Vorschreibungen

§ 18. (1) Die Rodungsbewilligung ist erforderlichenfalls an Bedingungen, Fristen oder Auflagen zu binden, durch welche gewährleistet ist, dass die Walderhaltung über das bewilligte Ausmaß hinaus nicht beeinträchtigt wird. Insbesondere sind danach

1. ein Zeitpunkt festzusetzen, zu dem die Rodungsbewilligung erlischt, wenn der Rodungszweck nicht erfüllt wurde,

2. die Gültigkeit der Bewilligung an die ausschließliche Verwendung der Fläche zum beantragten Zweck zu binden oder

...

Forstaufsicht

§ 172. ...

(6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften außer acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere

a) die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,

...

dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen."

10 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sowohl die Revisionswerberin als auch das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom eine Frist zur Erfüllung des Rodungszweckes "Bebauung mit Wohnhäusern" bis zum bei sonstigem Erlöschen der Rodungsbewilligung gesetzt wurde. Diese Annahme begegnet keinen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes, lässt sich der Begründung dieses Bescheides doch kein Hinweis darauf entnehmen, dass mit der Wendung, die Bewilligung erlösche, wenn "die Rodung" nicht bis "durchgeführt" werde, nicht - wie die erst- bis viertmitbeteiligten Parteien in ihrer Revisionsbeantwortung geltend machen - auf die Erfüllung des Rodungszweckes, sondern bloß "auf die Durchführung der technischen Maßnahmen" (gemeint offenbar: Entfernung des Bewuchses bzw. Maßnahmen zur Aufschließung) Bezug genommen wurde. Ein derartiges Verständnis verbietet sich - mangels jeglicher Anhaltspunkte in der Begründung des Bescheides, dass die Behörde Gegenteiliges anordnen wollte - schon mit Blick auf § 18 Abs. 1 Z. 1 ForstG, wonach die Rodungsbewilligung erforderlichenfalls an Bedingungen, Fristen oder Auflagen zu binden ist, durch welche gewährleistet ist, dass die Walderhaltung über das bewilligte Ausmaß hinaus nicht beeinträchtigt wird, wobei insbesondere ein Zeitpunkt festzusetzen ist, zu dem die Rodungsbewilligung erlischt, wenn der Rodungszweck nicht erfüllt wurde. Im Zweifel ist der Spruch eines Bescheides aber gesetzeskonform auszulegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/12/0152).

11 Ein forstpolizeilicher Auftrag nach § 172 Abs. 6 lit. a ForstG hat zur Voraussetzung, dass es sich bei der betreffenden Fläche um Wald iSd ForstG handelt. Ist in Bezug auf diese Fläche eine Rodungsbewilligung erlassen worden, so kann die Voraussetzung der Waldeigenschaft nur dann zutreffen, wenn die Rodungsbewilligung erloschen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/10/0097).

12 Das Verwaltungsgericht geht nach der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses davon aus, dass die forstrechtlich bewilligte Nutzung zur Bebauung mit Wohnhäusern nach Entfernung des forstlichen Bewuchses bereits mit den technischen Maßnahmen zur Schaffung eines geeigneten Bauplatzes "eingesetzt" bzw. "begonnen" habe und damit der Rodungszweck vor Fristablauf "erreicht" worden sei, sodass die Rodungsbewilligung nicht erloschen sei.

13 Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Rodungsbewilligung deren Gültigkeit nicht nur (im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 2 ForstG) an die ausschließliche Verwendung der Fläche zum beantragten Zweck der "Bebauung mit Wohnhäusern" bindet, sondern (im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 1 ForstG) überdies einen Zeitpunkt festsetzt, zu dem die Rodungsbewilligung erlischt, wenn der Rodungszweck nicht erfüllt wurde. Aus dem Umstand, dass die technischen Maßnahmen zur Schaffung eines geeigneten Bauplatzes mit Blick auf die Erfüllung des Rodungszweckes "Bebauung mit Wohnhäusern" vorgenommen wurden und damit vom Konsens umfasst sind, lässt sich - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes - aber nicht ableiten, dass damit bereits der genannte Rodungszweck erfüllt wurde. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, durch das Einsetzen bzw. den Beginn "der forstrechtlich bewilligten Nutzung zur Bebauung mit Wohnhäusern" mit den technischen Maßnahmen zur Schaffung eines geeigneten Bauplatzes sei zugleich bereits der Rodungszweck "erreicht" worden, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, weil die Forstbehörde die Rodungsbewilligung nicht etwa an den Rodungszweck der Schaffung von Bauplätzen - zur nachfolgenden (allfälligen) Bebauung mit Wohnhäusern -, sondern eben an die "Bebauung mit Wohnhäusern" geknüpft hat. Dass aber eine Bebauung mit Wohnhäusern bis zum erfolgt wäre, wurde vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt und von den mitbeteiligten Parteien auch nicht behauptet. Mangels einer "Bebauung mit Wohnhäusern" trifft daher die Annahme des Verwaltungsgerichtes, der genannte Rodungszweck sei vor Fristablauf erfüllt worden, nicht zu.

14 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

15 Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte, und Art. 6 EMRK dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegensteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/10/0030, mwN).

Wien, am

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Schlagworte:
Spruch und Begründung Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden VwRallg3/2 Besondere Rechtsgebiete

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