VwGH vom 27.01.2016, Ro 2014/10/0104
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision des M M in Wien, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati, Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W203 2007727-1/2E, betreffend Studienbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Senat der Studienbeihilfebehörde bei der Stipendienstelle Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Gewährung von Studienbeihilfe ab dem Wintersemester 2013/14 für sein an der Wirtschaftsuniversität Wien betriebenes Masterstudium Finanzwirtschaft und Rechnungswesen gemäß § 15 Abs. 3 Z. 2 Studienförderungsgesetz 1992 (StudFG 1992) abgewiesen. Die Revision gegen dieses Erkenntnis wurde für zulässig erklärt.
Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe sein Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien ab dem Wintersemester 2008/09 ohne Unterbrechung betrieben und die letzte in den Studienvorschriften vorgesehene Prüfung seines Studiums am abgelegt. Der Revisionswerber habe Zeiten, die gemäß § 15 Abs. 6 StudFG 1992 in die Frist des § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 nicht einzurechnen seien, nicht geltend gemacht; auch aus den Akten würden sich keine Hinweise auf das Vorliegen solcher Zeiten ergeben.
Entscheidend sei im gegenständlichen Fall, welchem Semester die am absolvierte abschließende Prüfung im Sinne des § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 zuzurechnen sei. Das StudFG kenne unterschiedliche Fristen, die sich nicht immer mit dem studienrechtlichen Semesterbegriff deckten. Die Bestimmung des § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 lasse aber in Zusammenhang mit § 13 Abs. 2 StudFG 1992 schon ihrem Wortlaut nach keine Zweifel daran, dass unter "Semester" der studienrechtlich definierte Zeitraum zu verstehen sei. Die vorgesehene Studienzeit für das Bachelorstudium Wirtschafts- und Sozialwissenschaften betrage sechs Semester. Somit müsse zur Wahrung der in § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 vorgesehenen Frist der Abschluss des Bachelorstudiums spätestens im neunten Studiensemester erfolgen, bei Studienbeginn im Wintersemester 2008/09 und ununterbrochenem Studium somit spätestens im Wintersemester 2012/13. Da von der Wirtschaftsuniversität Wien der Beginn des Sommersemesters 2013 mit festgelegt worden sei, sei die am absolvierte abschließende Prüfung bereits im Sommersemester 2013, also nach Ablauf der in § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 festgelegten Frist, abgelegt worden.
Der Regelungszweck des § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 bestehe darin, dass nur bei zügiger Absolvierung des Bachelorstudiums eine Studienförderung auch für das weiterführende Masterstudium möglich sein solle. Als Kriterium für eine zügige Absolvierung habe der Gesetzgeber eine Überschreitung der für das Bachelorstudium vorgesehenen Studienzeit um nicht mehr als drei Semester festgelegt. Dem StudFG 1992 ließen sich keine Hinweise entnehmen, dass in diesem Zusammenhang ein anderer als der im Universitätsgesetz 2002 (UG 2002) definierte Semesterbegriff relevant sei. Insbesondere fehle es im § 15 StudFG 1992 an einer dem § 48 Abs. 1 leg. cit. nachgebildeten Regelung, wonach der Nachweis des Studienerfolges nach den ersten beiden Semestern spätestens in der auf das zweite Semester folgenden Antragsfrist vorzulegen sei. Auch die vom Revisionswerber vertretene Rechtsansicht, alle bis zum Ende der Zulassungsfrist für das Folgesemester abgelegten Prüfung seien noch dem unmittelbar vorangehenden Semester zuzurechnen, sei nicht zutreffend. Gemäß § 62 Abs. 3 UG 2002 erstrecke sich zwar die Wirksamkeit der Fortsetzungsmeldung bis zum Ende der Zulassungsfrist (inklusive Nachfrist) des folgenden Semesters, es werde dadurch aber nicht das Ende des Semesters auf einen späteren als den in der Satzung festgelegten Zeitpunkt verschoben. Die Erstreckung der Wirkung der Fortsetzungsmeldung lasse das durch die Satzung definierte Semesterende unberührt. Die am abgelegte Prüfung sei zwar innerhalb der Wirksamkeit der für das Wintersemester 2012/13 abgegebenen Fortsetzungsmeldung, aber nach Ablauf des Wintersemesters 2012/13 abgelegt worden. Die Prüfung sei damit studienrechtlich nicht als "nichtig" anzusehen, sie sei studienförderungsrechtlich aber verspätet im Sinne des § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 abgelegt worden.
Zur Zulässigkeit der Revision führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Entscheidung von der Lösung einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhänge, weil es keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu gebe, bis zu welchen Zeitpunkt ein Bachelorstudium zur Einhaltung der in § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 definierten Frist absolviert worden sein müsse.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Studienbeihilfen und anderen Studienförderungsmaßnahmen (Studienförderungsgesetz 1992), BGBl. Nr. 305/1992 idF BGBl. I Nr. 79/2013, lautet auszugsweise:
"Studium
Begriff
§ 13. ...
(2) Unter der vorgesehenen Studienzeit ist jene in Semestern oder Studienjahren definierte Zeitspanne zu verstehen, die in den jeweiligen Studienvorschriften für die Absolvierung eines Studienabschnittes oder eines Studiums festgelegt ist.
...
Vorstudien
§ 15. ...
(3) Anspruch auf Studienbeihilfe für ein Masterstudium besteht trotz Absolvierung eines Bachelorstudiums, wenn die Studierenden
1. das Masterstudium spätestens 24 Monate nach Abschluss des Bachelorstudiums aufgenommen haben und
2. die vorgesehene Studienzeit zur Absolvierung des Bachelorstudiums um nicht mehr als drei Semester überschritten haben.
...
(6) In die Fristen gemäß Abs. 3 Z 1 und 2 und Abs. 4 Z 1 und 2 sind die Zeiten des Präsenz- oder Zivildienstes und Zeiten in der Dauer des Mutterschutzes gemäß den §§ 3 und 5 des Mutterschutzgesetzes, BGBl. Nr. 221/1979, sowie Zeiten, für die wichtige Gründe im Sinne des § 19 Abs. 2 nachgewiesen wurden, nicht einzurechnen."
1.2. Das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 - UG), BGBl. I Nr. 120/2002 idF BGBl. I Nr. 16/2014, hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
" Einteilung des Studienjahres
§ 52. Das Studienjahr besteht aus dem Wintersemester, dem Sommersemester und der lehrveranstaltungsfreien Zeit. Es beginnt am 1. Oktober und endet am 30. September des folgenden Jahres. Der Senat hat nähere Bestimmungen über Beginn und Ende der Semester und der lehrveranstaltungsfreien Zeit zu erlassen.
...
Meldung der Fortsetzung des Studiums
§ 62. (1) Die Studierenden sind verpflichtet, innerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist oder der Nachfrist jedes Semesters der Universität, an der eine Zulassung zum Studium besteht, die Fortsetzung des Studiums zu melden.
...
(3) Die Wirkung der Meldung der Fortsetzung des Studiums für ein Semester erstreckt sich bis zum Ende der Nachfrist des unmittelbar darauf folgenden Semesters, sofern die Zulassung zum Studium noch nicht erloschen ist.
..."
2. Die Revision nimmt im Wesentlichen - mit näheren Darlegungen - den Standpunkt ein, es sei zutreffend, dass mangels einer eigenständigen Regelung im StudFG 1992 und infolge der in § 13 Abs. 2 leg. cit. enthaltenen ausdrücklichen Verweisung auf das Studienrecht die studienrechtlichen Bestimmungen zur Auslegung des § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 heranzuziehen seien. Bei der Beurteilung, ob die vorgesehene Studienzeit zuzüglich drei Semester im Sinne des § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 überschritten worden sei, seien aber "ausschließlich Semester, für die die Fortsetzung des Studiums gemeldet wurde und daher eine Zulassung" bestanden habe, zu berücksichtigen. Ein Studienabschluss "innerhalb der Nachfrist eines Semesters, für die die Meldung der Fortsetzung des Studiums nicht erfolgt" sei, sei - im Grunde des § 62 Abs. 3 UG 2002 - dem vorangegangenen Semester zuzurechnen. Diese Ansicht habe der Gesetzgeber durch die Novelle zum StudFG 1992, BGBl. I Nr. 40/2014, "bestätigt".
3. Die Revision erweist sich - aus den vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründen - als zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.
3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 2010/10/0045, dem ein Fall zugrunde lag, in dem die Frage eines günstigen Studienerfolges im Sinne des § 20 Abs. 2 StudFG 1992 zu beurteilen war, bereits ausgesprochen, dass es nicht als rechtswidrig zu erkennen ist, zur Auslegung des § 13 Abs. 2 StudFG 1992 zunächst auf § 52 UG 2002 sowie die aufgrund dessen vom Senat zu erlassenden Bestimmungen über Beginn und Ende der Semester und der lehrveranstaltungsfreien Zeit abzustellen. Aus diesen Regelungen erhellt, dass jedenfalls eine Prüfung, die nach Beginn des Sommersemesters abgelegt wird, dem vorangegangenen Wintersemester nicht mehr zuzurechnen ist, sofern nicht eine Gegenteiliges anordnende Norm besteht. Eine solche Bestimmung fehlt allerdings. Auch den Bestimmungen über die Fortsetzungsmeldung gemäß § 62 UG 2002 ist keine Regelung zu entnehmen, wonach die während der Frist für die Fortsetzungsmeldung abgelegte Prüfung als im vorangegangenen Semester abgelegt zu gelten hätte.
Nichts anderes gilt aber bei der Beurteilung der Frage, ob gemäß § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 die vorgesehene Studienzeit zur Absolvierung des Bachelorstudiums um nicht mehr als drei Semester überschritten wurde. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers ist eine Prüfung, die nach Beginn des Sommersemesters (hier: am ) abgelegt wurde (hier: am ), dem vorangegangenen Wintersemester nicht mehr zuzurechnen, sodass im vorliegenden Fall die Voraussetzung des § 15 Abs. 3 Z. 2 StudFG 1992 zu Recht verneint wurde.
3.2. Soweit der Revisionswerber für seinen Standpunkt die - mit in Kraft getretene - Novellierung des § 15 Abs. 6 StudFG 1992 durch das Budgetbegleitgesetz 2014, BGBl. I Nr. 40/2014, ins Treffen zu führen sucht, ist auf Folgendes hinzuweisen:
Mit der genannten Novelle wurde dem § 15 Abs. 6 StudFG 1992 folgender Satz angefügt:
"Für die Einhaltung der Frist gemäß Abs. 3 Z 2 und Abs. 4 Z 2 ist die Absolvierung des Studiums bzw. Studienabschnittes bis zum Ende der auf das letzte Semester folgenden Nachfrist gemäß § 61 Abs. 2 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, ausreichend."
Die Materialien (RV 53 BlgNR 25. GP, S. 32) führen dazu aus:
"Die Überschreitung der Studiendauer um zwei bzw. drei Semester in Bachelor-, Master- bzw. Diplomstudien führt zum Ausschluss der Förderung in weiterführenden Studien. Um eine Angleichung an studienrechtliche Fristen herbeizuführen, wird festgelegt, dass auch der Studienabschluss bis zum Ende der Nachfrist für die Zulassung in Anschluss an das jeweils letzte Semester ausreichend ist, um eine Studienförderung für das aufbauende Studium in Anspruch nehmen zu können."
Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann keine Rede davon sein, dass es sich bei dieser Novellierung lediglich um eine Klarstellung des Gesetzgebers handelt, "die zu keiner normativen Änderung" geführt hat. Dies wird auch durch die wiedergegebenen Materialien verdeutlicht, gehen diese doch unmissverständlich von einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Änderung der Rechtslage "zur Angleichung an studienrechtliche Fristen" aus.
4. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am