VwGH vom 22.04.2015, Ro 2014/10/0101
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der Gemeinde Freiland bei Deutschlandsberg, vertreten durch Haßlinger Haßlinger Planinc Partner, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Obere Schmiedgasse 7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA6B- 09.02-35/2012-29, betreffend Auflassung einer Volksschule, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom wurde die Volksschule St. Jakob im Freiland mit Ablauf des Schuljahres 2011/12 von Amts wegen aufgelassen, wobei sich die belangte Behörde auf § 41 Abs. 3 iVm § 7 Abs. 1 und § 42 Abs. 2 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 2004 - StPEG 2004, LGBl. Nr. 71, stützte.
Begründend führte die belangte Behörde - soweit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wesentlich - aus, im laufenden Schuljahr 2011/12 werde in der Volksschule St. Jakob im Freiland lediglich eine Klasse mit insgesamt elf Schülern, davon zwei sprengelfremde Schüler, geführt. Für das Schuljahr 2012/13 sei eine Klasse mit 14 Schülern, davon zwei sprengelfremde Schüler, seitens der Schulleitung gemeldet worden.
Aus der Geburtenstatistik sei ersichtlich, dass mit einem wesentlichen Anstieg der Schülerzahlen im Sprengel der gegenständlichen Volksschule, der die Gemeinden Freiland bei Deutschlandsberg und Osterwitz umfasse, nicht zu rechnen sei. In diesen beiden Gemeinden seien in den letzten Jahren insgesamt folgende Geburten zu verzeichnen gewesen:
2002: eine Geburt; 2003: vier Geburten; 2004: zwei Geburten;
2005: elf Geburten; 2006: zwei Geburten; 2007: vier Geburten;
2008: fünf Geburten; 2009: fünf Geburten; 2010: keine Geburt;
2011: eine Geburt.
Das einmalige Ansteigen der Geburten im Jahr 2005 könne die
sonst kontinuierliche Entwicklung nicht relativieren.
Zu den Kosten der Führung der gegenständlichen einklassigen
Volksschule sei auszuführen, dass nach der Stellenplanrichtlinie des Bundes im Volksschulbereich für einen Schüler 1,5 Lehrerwochenstunden vorgesehen seien. An der gegenständlichen Volksschule seien derzeit für elf Schüler insgesamt 34 Lehrerwochenstunden zugeteilt, um den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten. Diese Stunden müssten zulasten der anderen Pflichtschulen in der Steiermark umgeschichtet werden.
Zur Schulwegsituation sei festzuhalten, dass die gegenständliche Volksschule von der nächstgelegenen Volksschule Kloster 6,5 km, von der Volksschule Deutschlandsberg 9 km und von der Volksschule Trahütten 17,1 km entfernt sei. Auf Grund dieser Entfernungen und der bestehenden Transportmöglichkeit sei der Schulweg zumutbar.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 854/2012 ua, nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Revisionswerberin inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die vom Verfassungsgerichtshof erst nach Ablauf des dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde gilt in sinngemäßer Anwendung von § 4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, als Revision, für deren Behandlung - mit einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme - die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 - VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden sind (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ro 2014/10/0029).
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 2004 - StPEG 2004, LGBl. Nr. 71, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 94/2008, lauten (auszugsweise) wie folgt:
" § 7
Öffentliche Volksschulen
(1) Öffentliche Volksschulen haben überall dort zu bestehen, wo sich in einer Gemeinde oder in Teilen derselben nach einem dreijährigen Durchschnitt mindestens 30 schulpflichtige Kinder befinden, sofern für sie unter Bedachtnahme auf die örtlichen Verkehrsverhältnisse nicht ein zumutbarer Schulweg zu einer benachbarten Volksschule besteht.
...
§ 41
Auflassung, Stilllegung und Aufhebung der Bestimmung als
ganztägige Schulform
(1) Unter Auflassung von Pflichtschulen ist die Aufhebung ihrer Gründung zu verstehen und unter Stilllegung die vorübergehende Einstellung des Unterrichtes, ohne dass die Auflassung der Schule erfolgt.
(2) Die Auflassung und Stilllegung einer Pflichtschule (Expositurklasse) sowie die Aufhebung der Bestimmung einer Pflichtschule als ganztägige Schulform obliegen dem gesetzlichen Schulerhalter.
(3) Eine bestehende Pflichtschule (Expositurklasse) kann aufgelassen werden, wenn die Voraussetzungen für ihren Bestand (§§ 7 bis 11) nicht mehr vorliegen. Eine Pflichtschule ist aufzulassen, wenn ihr Weiterbestehen wegen Rückganges der Schülerzahl und infolge des damit nicht im gleichen Verhältnis abfallenden Aufwandes für die Schule (Expositurklasse) auf die Dauer nicht mehr gerechtfertigt werden kann.
...
§ 42
Behördenzuständigkeit und Verfahren
(1) Die Auflassung und die Stilllegung einer bestehenden Pflichtschule (Expositurklasse) sowie die Aufhebung der Bestimmung einer Pflichtschule als ganztägige Schulform bedürfen der Bewilligung der Landesregierung. Vor Erteilung der Bewilligung ist dem Bezirksschulrat (Kollegium) und dem Landesschulrat (Kollegium) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und sind bei Aufhebung der Bestimmung einer Pflichtschule als ganztägige Schulform betroffene Erziehungsberechtigte und Lehrer zu hören.
(2) Die gemäß Abs. 1 erforderliche Bewilligung wird auf Antrag des gesetzlichen Schulerhalters erteilt, der das Vorliegen der Voraussetzungen für die Auflassung bzw. Stilllegung nachzuweisen hat. Die Landesregierung kann nach Anhörung des Landesschulrates die Auflassung sowie die Stilllegung einer Pflichtschule auch von Amts wegen anordnen, wenn die Voraussetzungen für ihren Bestand nicht mehr gegeben sind.
..."
§ 42 Abs. 2 zweiter Satz StPEG 2004 begründet eine Zuständigkeit der Landesregierung, die der durch § 41 Abs. 3 erster Satz leg. cit. eingeräumten Ermächtigung des gesetzlichen Schulerhalters entspricht, eine Pflichtschule aufzulassen, wenn die Voraussetzungen für ihren Bestand nicht mehr vorliegen. Darunter sind die in den §§ 7 bis 11 StPEG 2004 normierten Voraussetzungen der (Pflicht zur) Errichtung einer Pflichtschule zu verstehen. Daraus folgt, dass die Landesregierung die Auflassung einer Volksschule von Amts wegen dann anordnen kann, wenn diese Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind, nämlich dann, wenn sich in der Gemeinde (bzw. im betreffenden Schulsprengel) nach einem dreijährigen Durchschnitt nicht mindestens 30 Kinder befinden, für die kein zumutbarer Schulweg zu einer benachbarten Volksschule besteht. Dabei ist der Landesregierung ein Handlungsermessen eingeräumt, bei dessen Ausübung sie insbesondere auf den Umstand Bedacht zu nehmen hat, dass nach dem Gesetz - wie aus § 41 Abs. 3 zweiter Satz iVm
§ 7 StPEG 2004 folgt - ein die Auflassung naheliegendes Missverhältnis zwischen Schülerzahl und Aufwand für die Schule vorliegt, wenn sich in der Gemeinde bzw. im betreffenden Schulsprengel nicht mindestens 30 Kinder befinden, für die kein zumutbarer Schulweg zu einer benachbarten Volksschule besteht (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/10/0099).
Die Revisionswerberin bestreitet die behördlichen Feststellungen über die Schüler- und Geburtenzahlen nicht; sie wendet sich auch nicht gegen die darauf fußende Annahme der belangten Behörde, dass die Mindestschüleranzahl gemäß § 7 Abs. 1 StPEG 2004 weder derzeit noch in absehbarer Zukunft erreicht werde.
Schon aus diesem Grund hat die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Handlungsermessen in unbedenklicher Weise Gebrauch gemacht.
Soweit die Revisionswerberin geltend macht, für die von der Auflassung der gegenständlichen Volksschule betroffenen Kinder ergebe sich ein unzumutbarer Schulweg, ist ihr zunächst zu entgegnen, dass gemäß § 7 Abs. 1 StPEG 2004 für die Errichtung einer Volksschule das Vorhandensein von zumindest 30 Kindern und - kumulativ - ein diesen Kindern nicht zumutbarer Schulweg erforderlich sind. Im Übrigen wird mit dem vorgebrachten Umstand, dass die benachbarten - unstrittig 6,5 km und 9 km vom Standort der aufzulassenden Schule entfernten - Volksschulen wesentlich tiefer bzw. höher gelegen und zum Teil nur über "Bergstraßen" erreichbar seien, keine Unzumutbarkeit des Schulweges aufgezeigt.
Mit dem Vorbringen, nur der Revisionswerberin als Schulerhalterin obliege gemäß § 41 Abs. 2 StPEG 2004 die Schulauflassung, verkennt die Revisionswerberin die oben dargestellte Rechtslage, wonach die Auflassung einer Pflichtschule gemäß § 42 Abs. 2 leg. cit. auch von der Landesregierung von Amts wegen angeordnet werden kann.
Aus all diesen Gründen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-91294