VwGH vom 21.01.2009, 2007/08/0032
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Dr. Christoph Brenner, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Utzstraße 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom , Zl. GS8-SV-498/001-2006, betreffend Rückerstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom stellte der in Strafhaft befindliche Beschwerdeführer an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse den Antrag, dass erstens "festzuhalten" sei, dass er Bezieher einer "immerwährenden Invaliditätsrente" sei, welche für die Dauer des Strafvollzuges ruhend gestellt worden sei, dass zweitens bei der Justizanstalt S eine genaue Abrechnung für die für den Beschwerdeführer abgeführten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (Arbeitnehmeranteil) einzuholen sei, dass drittens die vom Bundesministerium für Justiz zu Unrecht abgeführten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung dem Beschwerdeführer zu erstatten seien und viertens im Sinne der Bestimmungen von § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG ein Bescheid zu erlassen sei. Begründend führte er dazu im Wesentlichen aus, dass für jeden Strafgefangenen, der seiner Arbeitspflicht nachkomme, Arbeitslosenversicherungsbeiträge abzuführen seien. Er beziehe zwar eine "immerwährende Invaliditätsrente", dennoch werde von seinem Arbeitsverdienst der Arbeitnehmeranteil einbehalten, obwohl er niemals Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen könne. Es werde ihm daher gesetzwidrig ein Beitrag zur Arbeitslosenversicherung abgezogen.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß § 66a AlVG Personen, die sich auf Grund eines gerichtliche Urteils in Strafhaft befänden und ihrer Arbeitspflicht gemäß § 44 StVG nachkämen, von der Arbeitslosenversicherung erfasst seien und somit die Beitragsentrichtung zu Recht erfolgt sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem gegen diesen Bescheid eingebrachten Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer eine mehrjährige Freiheitsstrafe verbüße, dass er im Rahmen der in § 44 StVG normierten Arbeitspflicht beschäftigt werde, dass ihm Arbeitslosenversicherungsbeiträge abgezogen würden und dass ihm seitens der Pensionsversicherungsanstalt eine dauernde Invaliditätspension zuerkannt worden sei, welche für die Dauer der Strafhaft ruhe. Aus der Bestimmung des § 66a AlVG ergebe sich eindeutig, dass der Beschwerdeführer in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für die Pflichtversicherung in der Sozialversicherung (wie auch in der Arbeitslosenversicherung) ohne Belang, ob der einzelne Versicherte der Versicherung überhaupt bedarf. Da das Sozialversicherungssystem in Österreich Teil des öffentlichen Rechts sei, seien privatrechtliche Grundsätze wie etwa die Rückforderbarkeit von Leistungen wegen Wegfalles der Gegenleistung nicht auf die Sozialversicherung anwendbar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 44 Abs. 1 StVG ist jeder arbeitsfähige Strafgefangene verpflichtet, Arbeit zu leisten.
Die §§ 1 bis 3 AlVG regeln grundsätzlich, wer in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert ist.
§ 66a AlVG idF BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:
"(1) Personen, die sich auf Grund eines gerichtlichen Urteils in Strafhaft oder in einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme nach den §§ 21 Abs. 2, 22 und 23 des Strafgesetzbuches befinden und ihrer Arbeitspflicht gemäß § 44 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, in der jeweils geltenden Fassung nachkommen, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen für den Fall der Arbeitslosigkeit versichert.
(2) Die Versicherungspflicht beginnt mit dem Tag, an dem der Strafgefangene oder Untergebrachte seiner Arbeitspflicht nachkommt, und endet mit dem Tag, an dem er seiner Arbeitspflicht letztmalig nachkommt. Die Arbeitspflicht gilt insbesondere auch dann als erfüllt, wenn der Strafgefangene oder Untergebrachte wegen des Besuches eines Lehrganges zur Berufsausbildung oder - fortbildung oder wegen Krankheit nicht gearbeitet hat.
...
(5) Als Beitragsgrundlage gemäß § 2 des Arbeitsmarktpolitikfinanzierungsgesetzes, BGBl. Nr. 315/1994, gilt die gemäß § 52 des Strafvollzugsgesetzes festgesetzte, um 25 vH erhöhte Arbeitsvergütung, ...
(6) Für Strafgefangene sind die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse zu entrichten. Hiebei ist der Bund (Bundesministerium für Justiz) einem Dienstgeber gleichzuhalten ..."
Gemäß § 2 Abs. 1 Arbeitsmarktpolitikfinanzierungsgesetz (AMPFG) wird zur Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes ein Arbeitslosenversicherungsbeitrag von allen Personen, die der Versicherungspflicht nach den Bestimmungen der §§ 1 bis 3 AlVG unterliegen, und deren Dienstgebern eingehoben.
Gemäß der auf Grund von § 5 Abs. 1 AMPFG auf die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung anwendbaren Bestimmung des § 69 Abs. 1 ASVG können zu Ungebühr entrichtete Beiträge zurückgefordert werden.
Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (unter anderem) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Gemäß Abs. 2 leg. cit. steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf und arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.
Gemäß § 8 Abs. 1 AlVG ist arbeitsfähig, wer nicht invalid beziehungsweise nicht berufsunfähig im Sinne der für ihn in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 255, 273 beziehungsweise 280 ASVG ist.
§ 254 Abs. 1 ASVG lautet auszugsweise:
"§ 254. (1) Anspruch auf Invaliditätspension hat der (die) Versicherte, wenn
1. die Invalidität (§ 255) voraussichtlich sechs Monate andauert oder andauern würde,
..."
§ 255 ASVG definiert detailliert den Begriff der Invalidität.
Gemäß § 256 Abs. 1 ASVG gebührt die Invaliditätspension nach § 254 Abs. 1 ASVG längstens für die Dauer von 24 Monaten ab dem Stichtag. Abweichend davon ist gemäß § 256 Abs. 2 ASVG die Individualitätspension ohne zeitliche Befristung zuzuerkennen, wenn auf Grund des körperlichen oder geistigen Zustandes dauernde Invalidität (Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit) anzunehmen ist.
Der Beschwerdeführer macht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofs unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes geltend, dass nur jene Personen in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert bzw. beitragspflichtig sein können, die zumindest hypothetisch dem versicherten Risiko Arbeitslosigkeit ausgesetzt sind und daher zumindest potentiell Anspruch auf Leistungen aus dem AlVG haben; dies könne auf Grund seiner dauernden Invalidität bei ihm nie der Fall sein.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. G 115/00 ua, Slg.Nr. 16.203, zu § 1 Abs. 1 lit. a AlVG idF BGBl. I Nr. 139/1997 und § 22 Abs 1 AlVG idF BGBl. Nr. 502/1993 ausgesprochen, dass eine Regelung, die ein zur Beitragsleistung verpflichtendes Versicherungsverhältnis dadurch aufhebt, dass sie jegliche Leistung aus diesem "Versicherungsverhältnis" ausschließt, gleichheitswidrig ist.
Wie die belangte Behörde festgestellt hat, ist dem Beschwerdeführer eine dauernde Invaliditätspension zuerkannt worden. Das bedeutet aber keineswegs zwingend, dass der Beschwerdeführer nicht arbeitsfähig und damit auch nicht leistungsberechtigt im Sinne der §§ 7 f AlVG ist, wie dies der Verwaltungsgerichtshof etwa im Hinblick auf die unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkte betreffend die Zuerkennung von Arbeitslosengeld und einer Invaliditätspension bereits hervorgehoben hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0083). Es ist also ohne weiteres möglich, dass ein Bezieher einer Invaliditätspension arbeitsfähig und damit leistungsberechtigt im Sinne des § 8 AlVG ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof im soeben genannten Erkenntnis vom bereits ausgeführt hat, ist es durchaus denkbar, dass ein Bezieher einer Invaliditätspension nicht auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet hat, sondern dass sich sein Leidenszustand seit der Zuerkennung der Pensionsleistung soweit gebessert hat, dass er seine Arbeitsfähigkeit wieder erlangt hat, wiewohl er weiterhin eine Invaliditätspension bezieht, weil der Pensionsversicherungsträger diese Leistung noch nicht entzogen hat.
Im vorliegenden Fall kann dies auch angenommen werden, da der Beschwerdeführer tatsächlich gearbeitet hat. Er ist offenbar unbestritten als arbeitsfähig gemäß § 44 Abs. 1 StVG angesehen worden und hat sich auch nicht geweigert zu arbeiten.
Gerade der Fall des Beschwerdeführers zeigt damit aber, dass der Gesetzgeber keineswegs verhalten ist, eine Ausnahmeregelung von der Arbeitslosenversicherungspflicht für Bezieher einer Invaliditätspension vorzusehen. § 66a AlVG in Verbindung mit § 44 Abs. 1 StVG stellt nämlich darauf ab, dass nur arbeitsfähige Strafgefangene durch ihre Arbeit der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliegen. Der Gesetzgeber kann davon ausgehen, dass Personen, die insoweit arbeitsfähig sind, dies auch nach Beendigung ihrer diesbezüglichen Arbeit sein werden, ihnen also bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen in Zukunft auch gegebenenfalls Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zustehen. Eine Beitragspflicht wie im Fall des Beschwerdeführers ist somit aber unter Zugrundelegung einer zulässigen Durchschnittsbetrachtung des Gesetzgebers nicht verfassungswidrig. Der Beschwerdeführer ist folglich durch den angefochtenen Bescheid, der auf Grund dieser Rechtslage ergangen ist, in seinen Rechten auch nicht verletzt worden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am