zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 02.04.2008, 2007/08/0028

VwGH vom 02.04.2008, 2007/08/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des L B in E, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2006, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, verfügte auf Grund der Eheschließung mit seiner ersten Ehefrau - nach der Aktenlage eine EWR-Staatsbürgerin - über eine (Erst)Niederlassungsbewilligung mit einer Gültigkeitsdauer vom bis zum . Er ist in mittlerweile zweiter Ehe seit mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und hat eine am in Wien geborene Tochter.

Am wurde er vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen der Begehung von Drogendelikten rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, die er bis in den Justizanstalten Krems bzw. Wien-Simmering verbüßte.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde über den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 mit einem Durchsetzungsaufschub von einem Monat ausgesprochen, wogegen der Beschwerdeführer berufen hat. Bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides wurde über diese Berufung noch nicht entschieden.

Schon vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides über das Aufenthaltsverbot hatte der Beschwerdeführer am einen Antrag auf Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung gestellt; dieses Verfahren ist mittlerweile bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Aufenthaltsverbot ausgesetzt.

Während seines Haftaufenthaltes erwarb der Beschwerdeführer vom bis gemäß § 66a AlVG Versicherungszeiten in der Arbeitslosenversicherung und bezog anschließend vom bis mit Unterbrechungen Arbeitslosengeld, ab Notstandshilfe. Vom bis war er mit anschließender Urlaubsabfindung/-entschädigung bis bei der S-Warenhandels AG als Dienstnehmer vollversichert.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld abgewiesen. Begründend führte sie dazu im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer zwar auf Grund seiner Beschäftigung bei der S-Warenhandels AG vom bis die Voraussetzung der Anwartschaft, nicht jedoch seiner Verfügbarkeit gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG aufweise, zumal er sich mangels eines gültigen Aufenthaltstitels nicht berechtigt im Bundesgebiet aufhalte, um eine unselbständige Beschäftigung anzunehmen und auszuüben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) idF BGBl. I Nr. 102/2005 hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer unter anderem der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (Abs. 1). Der Arbeitsvermittlung steht nach § 7 Abs. 2 AlVG zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist. Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG eine Person, die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.

§ 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) idF BGBl. I Nr. 157/2005 lautet auszugsweise:

"§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Beschäftigung von Ausländern (§ 2) im Bundesgebiet.

(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf

...

m) EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch nehmen, deren drittstaatsangehörige Ehegatten und Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder) sowie die drittstaatsangehörigen Ehegatten und Kinder österreichischer Staatsbürger, sofern der Ehegatte bzw. das Kind zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt ist."

Die Beschwerde macht im Wesentlichen geltend, dass der Beschwerdeführer gemäß § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG als Familienangehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen sei und weiterhin freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt habe und daher gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG verfügbar sei, woraus sie wiederum einen Anspruch auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ableitet.

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner Eheschließung mit seiner ersten Ehegattin (wie aus den Verwaltungsakten ersichtlich offenkundig einer EWR-Staatsbürgerin aus Spanien) über eine bis gültige (Erst)Niederlassungsbewilligung nach dem FrG 1997 verfügte und über seinen am gestellten Verlängerungsantrag zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheids (wegen des noch laufenden Verfahrens zum Aufenthaltsverbot) noch nicht entschieden worden ist.

Wenn die belangte Behörde (in ihrer Gegenschrift neuerlich) zur Stützung ihrer Argumentation zur Anspruchsverweigerung, der Beschwerdeführer könne "derzeit" keine aufrechte Aufenthaltsberechtigung vorweisen, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 61/05, ins Treffen führt, so übersieht sie Folgendes:

Dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Verfügbarkeit nach § 7 AlVG im Zusammenhang mit dem aufenthaltsrechtlichen Status von Leistungswerbern betraf den Fall eines Drittstaatsangehörigen, über welchen zwar rechtskräftig ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, dessen Abschiebung aber aus faktischen Gründen (mangels eines gültigen Reisedokuments und wegen Fehlens eines Heimreisezertifikates) nicht vollzogen werden konnte, sondern aufgeschoben werden musste.

Der Gesetzgeber hat durch die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 71/2003 erfolgte Novellierung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes eine eindeutige Verknüpfung zwischen der Berechtigung zum Aufenthalt zum Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung und der Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung vorgenommen. Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis die vom Verwaltungsgerichtshof vorgebrachten Bedenken gegen die Neufassung dieser Bestimmung verworfen und ausgeführt, dass durch die Bestimmung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG idF BGBl. I Nr. 71/2003 das versicherte Risiko jedenfalls sachlich abgegrenzt sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0211, mwN).

Durch die Neufassung des § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG durch die Novelle BGBl. I Nr. 102/2005 wurde die Verknüpfung zwischen der Aufenthaltsberechtigung zum Zweck der Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen Beschäftigung mit der Leistungsverpflichtung der Arbeitslosenversicherung nicht aufgegeben. Auch nach dieser Neufassung kommt es nicht auf die subjektive Absicht des Betroffenen an, im Inland eine Beschäftigung aufnehmen zu wollen, sondern darauf, dass seine Berechtigung zum Aufenthalt die Möglichkeit einer Beschäftigungsaufnahme in rechtlicher Hinsicht abdeckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0020).

Der vorliegende Fall ist aber dadurch gekennzeichnet, dass der Beschwerdeführer gegen die Verhängung des Aufenthaltsverbotes rechtzeitig Berufung eingebracht hat. Dieser kam - (wie aus dem Akteninhalt ersichtlich) mangels einer anders lautenden behördlichen Entscheidung - gemäß § 64 Abs. 1 AVG aufschiebende Wirkung zu, sodass der Entzug des Aufenthaltsrechtes während des hier in Betracht kommenden Bezugszeitraumes bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (noch) nicht wirksam war.

Der Beschwerdeführer hat ferner bereits am einen Verlängerungsantrag zu seiner früheren (auf Grundlage des FrG 1997 erteilten) Niederlassungsbewilligung gestellt.

Das FrG 1997 wurde durch das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (Fremdenrechtspaket 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, mit Wirksamkeit vom außer Kraft gesetzt.

In den Übergangsbestimmungen (§ 81 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) ist festgelegt, dass "Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sind". Abs. 2 dieser Bestimmung lautet:

"Vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen gelten innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer und ihres Gültigkeitszweckes insoweit weiter, als sie nach dem Zweck des Aufenthaltes den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechen. Das Recht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bedarf jedenfalls der Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach diesem Bundesgesetz, sofern dies nicht bereits nach dem Fremdengesetz 1997 möglich war. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes erteilten Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach ihrem Aufenthaltszweck als entsprechende Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach diesem Bundesgesetz und dem Fremdenpolizeigesetz weiter gelten".

Nach § 11 Abs. 1 lit. A Z. 3 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung - NAG-DV, BGBl. II Nr. 451/2005, würde eine einem Ehegatten einer österreichischen Staatsbürgerin erteilte Niederlassungsbewilligung nach dem FrG 1997 dem Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 NAG entsprechen. Diese Art von Aufenthaltstitel berechtigt nach § 8 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. den begünstigten Ehegatten zur befristeten Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-Familienangehöriger" (nach § 8 Abs. 1 Z. 4 NAG) zu erhalten.

Gemäß § 24 Abs. 1 und 2 NAG sind Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels (Verlängerungsanträge) vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller gemäß § 24 Abs. 2 letzter Satz NAG, "unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig."

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum "Fremdenrechtspaket 2005" (952 BlgNR XXII. GP) heißt es zu § 24 NAG auszugsweise:

"....In einer Zusammenschau von Abs. 1 und 2 soll Vorsorge für Fälle getroffen werden, wenn das Ende des Aufenthaltsrechts nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels und die Erledigung des Verlängerungsantrages auch bei rechtzeitiger Antragstellung zeitgemäß auseinander fallen können - sodass eine zeitliche Lücke im Aufenthaltsrecht bestehen würde. Es wird vorgeschlagen, zu normieren, dass der Fremde weiterhin rechtmäßig niedergelassen bleibt, bis über den Antrag entschieden oder - im Einzelfall - fremdenpolizeiliche Maßnahmen gesetzt wurden. ...

...

Abs. 3 stellt klar, dass Fremden, die einen Verlängerungsantrag stellen jedenfalls - wenn keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot gegen sie erlassen werden kann - zumindest ein Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu erteilen ist. Nur wenn ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung rechtskräftig verhängt werden, kann das Verfahren nach diesem Bundesgesetz nach § 25 Abs. 2 eingestellt werden. ..."

Wie sich aus diesen Erläuterungen zur Regierungsvorlage klar ergibt, ist Sinn und Zweck dieser Formulierung, mit welcher (bereits gleichlautend in § 31 Abs. 4 FrG 1997) die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes während einer zeitlichen Lücke auf Grund einer ausstehenden Antragserledigung sichergestellt wurde, den bisherigen aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verlängerungsantrag zu wahren, sofern dem nicht fremdenpolizeiliche Maßnahmen entgegenstehen. Der Beschwerdeführer ist daher weiterhin zur Niederlassung berechtigt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob schon allein dieses Niederlassungsrecht zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigte, zumal der Beschwerdeführer im gesamten hier maßgeblichen Zeitraum mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war und daher der Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG auf ihn mit Blick auf sein Niederlassungsrecht anzuwenden ist.

Der Beschwerdeführer wies daher im Zeitraum von der Antragstellung auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides schon deshalb die notwendige Verfügbarkeit gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG auf.

Die gegenteilige Rechtsansicht der belangten Behörde ist somit verfehlt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am