VwGH vom 14.10.2011, 2009/09/0251

VwGH vom 14.10.2011, 2009/09/0251

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde 1. der I S und 2. der V Gesellschaft m.b.H, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Florianigasse 7/6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/A/28/6954/2007-17, betreffend Bestrafung nach dem AuslBG (weitere Parteien: Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Erstbeschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als das iSd § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Zweitbeschwerdeführerin mit dem Sitz in Wien zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin sechs namentlich genannte ausländische Staatsangehörige als Tänzerinnen beschäftigt habe, obwohl für diese keine der im Einzelnen genannten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen vorgelegen seien. Sie habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG verletzt und werde mit sechs Geldstrafen zu je EUR 2.000,-- (sechs Ersatzfreiheitsstrafen von je zwei Tagen) bestraft. Die Zweitbeschwerdeführerin hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG zu ungeteilter Hand für die über die Erstbeschwerdeführerin verhängten Geldstrafen und die auferlegten Verfahrenskosten.

Die genannten ausländischen Staatsangehörigen seien am im Betrieb der zweitbeschwerdeführenden Partei als Tänzerinnen tätig gewesen. Ihre Tätigkeit habe darin bestanden, auf einer Bühne ("Kreisel") oder in einer Solokabine ihre Darbietungen zu präsentieren. Die Darbietung auf dem "Kreisel" sei auf vier Minuten begrenzt gewesen. Für die Reihenfolge der Auftritte würden Nummern vergeben. Die Wartezeit zwischen den Auftritten würden die Mädchen in einem Aufenthaltsraum verbringen. Der Besucher der Peepshow könne durch Einwurf von Geldmünzen Einblick auf den "Kreisel" erlangen. Er habe die Möglichkeit, eine der Tänzerinnen in eine Solokabine zu bestellen, wofür er ebenfalls Geld einwerfen müsse. Für die Einzeldarbietungen würde die Tänzerin vom Kunden entlohnt. Die zweitbeschwerdeführende Partei bewerbe die Peepshow im Internet und kündige dort für einen Monat im Vorhinein die Anwesenheit bestimmter Tänzerinnen an. Ebenfalls im Internet würden Tänzerinnen aufgefordert, sich für einen Job bei der Peepshow zu bewerben. Den Interessentinnen werde der Ablauf der Tätigkeit zu Beginn von der Erstbeschwerdeführerin bzw. einer bereits bei der zweitbeschwerdeführenden Partei tätigen Tänzerin erklärt. Einer der Tänzerinnen, V K., sei im Februar 2007 von der Erstbeschwerdeführerin eine kostenlose Wohnmöglichkeit zur Verfügung gestellt worden.

Das Kernstück einer Peepshow liege darin, dass Mädchen live mit erotischen Darbietungen aufträten. Das Mädchen mache einen wesentlichen Bestandteil einer Peepshow aus. Der durch die Geldeinwürfe der Kunden erzielte Ertrag komme ausschließlich der Betreiberin der Peepshow (der zweitbeschwerdeführenden Partei) zu Gute. Indem diese die Leistungen der Tänzerinnen offeriere und dafür ein Entgelt erhalte, nehme die Betreiberin der Peepshow die Leistungen der Tänzerinnen in Anspruch. Den Tänzerinnen erwachse daraus gegenüber der Betreiberin ein Anspruch auf Entgelt. Die von der Erstbeschwerdeführerin behauptete Selbständigkeit der Tänzerinnen liege nicht vor, weil ihnen das von den Kunden für ihre Darbietungen mittels Einwurfs geleistete Entgelt nicht gebühre. Daran ändere der Umstand nichts, dass die Kunden ausgewählten Tänzerinnen für weitere Leistungen in einer Solokabine eine Vergütung leisten. Die Erstbeschwerdeführerin lasse auch außer Acht, dass mit den Ausländerinnen keine Unentgeltlichkeit vereinbart worden sei. Ein schriftlicher Vertrag, der Derartiges enthalten hätte, sei nicht unterfertigt worden. Den Tänzerinnen sei zu Beginn der Tätigkeit nur der Ablauf erklärt worden. Eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung der Unentgeltlichkeit zwischen der von der Erstbeschwerdeführerin vertretenen Zweitbeschwerdeführerin und den einzelnen Tänzerinnen sei nicht hervorgekommen. Die Tänzerinnen hätten gegenüber der zweitbeschwerdeführenden Partei einen Anspruch auf angemessene Vergütung (§ 29 Abs. 1 AuslBG). Es liege eine Eingliederung in den betrieblichen Ablauf der zweitbeschwerdeführenden Partei vor, weil die Auftritte auf der Drehbühne nach deren Vorgaben zeitlich begrenzt gewesen seien und bei den Auftritten eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten gewesen sei. Die Tänzerinnen hätten auch nicht die Möglichkeit gehabt, abweichend von den Vorgaben direkt für die Kunden tätig zu werden. Ein wirtschaftlich sinnvoller Betrieb der Peepshow sei nur möglich, wenn während der Öffnungszeiten eine bestimmte Anzahl von Tänzerinnen anwesend sei. Wenngleich keine fixen Arbeitszeiten einzuhalten gewesen seien, spreche schon die von der zweitbeschwerdeführenden Partei im Internet für eine Monat im Vorhinein vorgenommene Ankündigung der Anwesenheit bestimmter Tänzerinnen für die Ausübung einer gewissen stillen Autorität, was die Verpflichtung der Tänzerinnen anlangt, zu dieser Zeit tatsächlich aufzutreten.

Es sei auch nicht behauptet worden, dass die Tänzerinnen für die zur Verfügung gestellte Infrastruktur (Tanzbühne, Aufenthaltsraum) eine Vergütung zu leisten hätten. Es sei von einer Verwendung der Ausländerinnen in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG auszugehen, wofür eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung erforderlich gewesen sei. Da es sich um Ungehorsamsdelikte handle, wäre es an der Erstbeschwerdeführerin gelegen, glaubhaft zu machen, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Wenn die Erstbeschwerdeführerin geltend mache, dass die Tätigkeiten der Tänzerinnen nach diversen Behördenentscheidungen in anderen Fällen als selbständig erwerbstätig eingestuft worden seien, so sei dem zu entgegnen, dass in Anbetracht der konkreten Umständen, unter denen die Tänzerinnen tätig geworden seien, eine arbeitnehmerähnliche Beschäftigung anzunehmen sei, wie dies auch der Verwaltungsgerichtshof bei gleich gelagerten Sachverhalten festgestellt habe.

Die Erstbeschwerdeführerin hätte sich als Geschäftsführerin mit den für den Betrieb des Unternehmens maßgeblichen Rechtsvorschriften vertraut machen müssen. Im Zweifel sei sie verpflichtet gewesen, bei den zuständigen Behörden anzufragen. Die Erstbeschwerdeführerin habe nicht behauptet, beim zuständigen Arbeitsmarktservice unter Offenlegung der Bedingungen, unter denen die Tänzerinnen für sie tätig gewesen seien, angefragt zu haben.

Sie treffe der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens.

Im Übrigen führte die belangte Behörde ihre

Strafzumessungsgründe aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die

der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde bringt vor, der Erstbeschwerdeführerin könne kein persönlicher Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie ein Unternehmen so führe, wie es jahrzehntelang geführt worden sei. Ihr sei bekannt, dass Versuche, die zweitbeschwerdeführende Partei wegen Übertretungen nach dem AuslBG zu bestrafen, immer wieder mit der Einstellung des Verfahrens geendet hätten. Die belangte Behörde übersehe, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Vorführungen um künstlerische Darbietungen handle. Auch in der Staatsoper oder im Musikverein seien die auf der Bühne agierenden Künstler keine Dienstnehmer des jeweiligen Veranstalters. Sämtliche Zeugen hätten übereinstimmend ausgesagt, dass sie von den beschwerdeführenden Parteien nicht entlohnt würden. Die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten für die Darbietungen sei "keine Betriebsorganisation", weil es sich aus der Natur des Geschäftsbetriebes ergebe, dass Peepshows nicht im Freien stattfinden könnten. Auch der Umstand, dass die Zweitbeschwerdeführerin im Internet ihr Unternehmen anpreise, sei kein tauglicher Beweis dafür, dass arbeitnehmerähnliche Verhältnisse vorliegen würden. Jedes Theater und jedes Opernhaus würde einen Spielplan auflegen und Darbietungen ankündigen. Die Akteurinnen hätten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung ihr Geld in Solokabinen verdient. Zum Anbahnen des Geldverdienens würden sie vorher auf der Bühne agieren. Sie würden von den Besuchern Eintrittsgelder erhalten.

Dem ist zu entgegnen, dass nach der zur Arbeitnehmerähnlichkeit ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Rechtsnatur der Vertragsbeziehung (zwischen der arbeitnehmerähnlichen Person und dem Arbeitsempfänger) entscheidend ist, sondern die wirtschaftliche Unselbstständigkeit des "Arbeitnehmerähnlichen", die darin zu erblicken ist, dass er unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer tätig ist. Maßgebend ist dabei der "organisatorische Aspekt der wirtschaftlichen Unabhängigkeit". In dieser Hinsicht bedarf es der Prüfung, ob das konkrete Gesamtbild der Tätigkeit des "Arbeitnehmerähnlichen" so beschaffen ist, dass dieser trotz fehlender persönlicher Abhängigkeit nicht mehr in der Lage ist, seine Arbeitskraft - insoweit er durch das konkrete Rechtsverhältnis in der Verfügung über seine Arbeitskraft gehindert ist - anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen.

Die Tätigkeit als "Table-Tänzerin" in einem Barbetrieb oder Nachtclub wurde vom Verwaltungsgerichtshof als eine in der Regel in ähnlicher wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit wie in einem Arbeitsverhältnis erbrachte Tätigkeit qualifiziert. Die Tätigkeit der Ausländerinnen in ihrer Gesamtheit stellt im vorliegenden Fall angesichts der wirtschaftlichen und organisatorischen Verknüpfung aller ihrer Aspekte mit dem Betrieb der zweitbeschwerdeführenden Partei - von der Bindung der Auftritte an die Lokalöffnungszeiten, der Koordination der Auftrittszeiten der Tänzerinnen untereinander, der vom Beschwerdeführer für Table-Dance unentgeltlich zur Verfügung gestellten Räumlichkeit, der Regelmäßigkeit der Tanzdarbietungen, bis zu der angestrebten, durch die Tätigkeit der Ausländerinnen als Table-Tänzerin erreichten Steigerung der Attraktivität des von der zweitbeschwerdeführenden Partei betriebenen Lokals - eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG dar. Auch vermag es nichts am Charakter des Verhältnisses als Beschäftigung zu ändern, wenn das Entgelt - oder wesentliche Teile desselben - faktisch unmittelbar durch Dritte (hier: unmittelbar durch die konsumierenden Gäste bei Inanspruchnahme der in "Solokabinen" erbrachten Dienstleistungen) geleistet wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0062, mwN, zur ganz ähnlichen Tätigkeit von Ausländerinnen in einer Peep-Show vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0099). Auch die von der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 4 AuslBG geforderten Tatbestandsmerkmale sind gegenständlich nicht gegeben: Dass Stripteasetänzerinnen ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht als "Künstlerinnen" zu werten sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach dargelegt. Es ist zwischen einer rein tänzerischen Tätigkeit und einer künstlerischen Tätigkeit in Ausübung des Tanzes zu unterscheiden. Im Beschwerdefall tritt das künstlerische Element in den Hintergrund, vor allem im Bereich des Table-Dances (vgl. nochmals das Erkenntnis vom ).

Soweit die Beschwerde schließlich vorbringt, die Berufung sei am eingebracht und darüber nicht rechtzeitig iSd § 51 Abs. 7 VStG entschieden worden, ist ihr zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom , G 86, 87/08-15, die Wortfolge ", in dem nur dem Beschuldigten das Recht der Berufung zusteht," im § 51 Abs. 7 des VStG idF BGBl. I Nr. 158/1998, als verfassungswidrig aufgehoben hat. Gleichzeitig hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt, sowie des Weiteren, dass die genannte Wortfolge auf die am beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren, denen ein Bescheid zu Grunde liegt, der nach Ablauf der 15-monatigen Frist des § 51 Abs. 7 VStG erlassen wurde (mit Ausnahme von Privatanklagesachen), nicht mehr anzuwenden ist.

Durch Einbringung der Beschwerde am beim Verwaltungsgerichtshof ist diese seit diesem Zeitpunkt beim Gerichtshof anhängig. Der Beschwerdefall ist daher kein Anlassfall im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G 86, 87/08. Ebenso folgt daraus, dass im Beschwerdefall noch auf Grund der alten Rechtslage zu entscheiden ist; eine neuerliche Anfechtung der erwähnten Wortfolge des § 51 Abs. 7 VStG 1991 ist nicht zulässig (vgl. etwa das hg Erkenntnis vom , Zl. 2011/09/0092, mwN).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 EMRK wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am