VwGH vom 21.01.2015, Ro 2014/10/0027
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der B Z in H, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/14, gegen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. GS5-SH-34167/001-2012, betreffend Mindestsicherung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom wurde der Revisionswerberin eine Mindestsicherungsleistung zur Deckung des Lebensunterhalts nach dem Niederösterreichischen Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 9205 (NÖ MSG), in der Höhe von monatlich EUR 76,57 für den Zeitraum von bis zuerkannt.
Die belangte Behörde berücksichtigte u.a. den Grundbetrag der erhöhten Familienbeihilfe sowie den Kinderabsetzbetrag als Einkommen der Revisionswerberin und führte dazu im Wesentlichen aus, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0344) dürfe die Familienbeihilfe zwar nicht zur Deckung der Kosten des Landes für Maßnahmen der Sozial- und Behindertenhilfe herangezogen werden, gegen die Berücksichtigung dieser Leistung als Einkommen bei der Bemessung einer Sozialhilfeleistung bestehe jedoch kein Einwand.
Zum Zeitraum, für den die Leistung gewährt wurde, führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 9 Abs. 4 NÖ MSG laufende Geldleistungen bei erstmaliger Gewährung mit maximal sechs Monaten zu befristen seien.
Gegen diesen Bescheid richtete die Revisionswerberin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , B 872/2013-10, ab und führte dazu u. a. Folgendes aus:
"Insbesondere gegen die ausnahmsweise Anrechnung von Leistungen der Familienbeihilfe, die dem Hilfe Suchenden selbst gewährt werden, auf demselben Zweck dienende Leistungen nach dem NÖ MSG hat der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken (vgl. VfSlg. 12.055/1989). Auch ein allfälliger Verstoß gegen eine Bund-Länder-Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG hätte nicht die Gesetzwidrigkeit der Verordnung zur Folge (vgl. , V 73/12)."
Mit Beschluss vom , B 872/2013-13, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt die Revisionswerberin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und einer von der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erwogen:
Vorweg sei festgehalten, dass auf die vorliegende, vom Verfassungsgerichtshof erst im Jahr 2014 abgetretene Revision § 4 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, sinngemäß anzuwenden ist (vgl. den hg. Beschluss vom , Ro 2014/10/0059). Gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. gelten für die Behandlung dieser Revision die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung - mit einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme - sinngemäß.
Die hier maßgeblichen Normen haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
§ 6 NÖ Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 9205-1 (NÖ MSG):
"§ 6
Einsatz der eigenen Mittel
(1) Die Bemessung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach dem 3. Abschnitt hat unter Berücksichtigung des Einkommens und des verwertbaren Vermögens der Hilfe suchenden Person zu erfolgen.
(2) Als Einkommen gelten alle Einkünfte, die der Hilfe suchenden Person tatsächlich zufließen.
...
(6) Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Vorschriften über den Einsatz der eigenen Mittel zu erlassen, insbesondere inwieweit Einkommen und Vermögenswerte der hilfsbedürftigen Person und seiner unterhaltspflichtigen Angehörigen zu berücksichtigen sind oder anrechenfrei zu bleiben haben."
Verordnung über die Berücksichtigung von Eigenmitteln, LGBl. Nr. 9200/2-3 (Eigenmittelverordnung):
"§ 2
Anrechenfreies Einkommen
(1) Vom Einkommen sind nicht anzurechnen:
...
4. Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 in der Fassung BGBl. I Nr. 9/2010, ausgenommen Zuwendungen aus dem Familienhospizkarenz-Härteausgleich, sowie Kinderabsetzbeträge, Unterhaltsabsetzbeträge und Alleinverdiener- /Alleinerzieherabsetzbeträge nach dem EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2010, mit Ausnahme der Zuwendungen, die für den Hilfe Suchenden gewährt werden;
..."
Die Revisionswerberin macht geltend, dass nach Art. 13 Abs. 3 Z. 2 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung (NÖ LGBl. Nr. 9204-0) Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bei der Bemessung von Mindestsicherungsleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Im Hinblick darauf sei die mehrdeutige Regelung in § 2 Abs. 1 Z. 4 Eigenmittelverordnung dahin auszulegen, dass der Grundbetrag der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Überdies sei das NÖ MSG inzwischen dahin novelliert worden, dass Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 6 Abs. 2 NÖ MSG gelten alle Einkünfte, die der hilfesuchenden Person tatsächlich zufließen, als - bei der Bemessung von Mindestsicherungsleistungen zu berücksichtigendes - Einkommen. Nach § 2 Abs. 1 Z. 4 erster Halbsatz der Eigenmittelverordnung sind Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz im Allgemeinen nicht als Einkommen anzurechnen, wobei der letzte Halbsatz dieser Bestimmung ("mit Ausnahme der Zuwendungen, die für den Hilfe Suchenden gewährt werden") unmissverständlich eine Ausnahme für Leistungen, die für den Hilfe Suchenden gewährt werden, normiert. Nach dieser eindeutigen Regelung sind daher Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz, die für den Hilfe Suchenden selbst gewährt werden, bei der Bemessung von Mindestsicherungsleistungen als Einkommen zu berücksichtigen.
An diesem Auslegungsergebnis können die Umstände nichts ändern, dass mit ein Absatz 2a, wonach Leistungen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz unberücksichtigt zu bleiben haben, in § 6 MSG eingefügt (LGBl. 9205-3) und die Eigenmittelverordnung entsprechend geändert wurde (LGBl. Nr. 9200/2-4).
Die Revisionswerberin wurde daher durch die Berücksichtigung des Grundbetrages der ihr gewährten erhöhten Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages als Einkommen bei der Bemessung ihrer Mindestsicherungsleistung nicht in Rechten verletzt.
Soweit die Revisionswerberin mit der Rüge, die belangte Behörde habe über die beantragte Mindestsicherungsleistung für den Zeitraum ab nicht entschieden, eine Verletzung der Entscheidungspflicht behauptet, macht sie keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.
Aus all diesen Gründen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am