VwGH vom 07.10.2013, 2011/17/0261

VwGH vom 07.10.2013, 2011/17/0261

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der Bundesministerin für Inneres in 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen den Bescheid der Datenschutzkommission vom , Zl. DSK-K121.707/0007-DSK/2011, betreffend Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten (mitbeteiligte Partei: FGA, vertreten durch Winkler - Heinzle - Nagel, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Begründung

1.1. Mit Administrativbeschwerde vom machte F. G. A. (in der Folge: die mitbeteiligte Partei bzw. der Mitbeteiligte) die Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung personenbezogener Daten durch eine erkennungsdienstliche Behandlung in Form der Erstellung von Lichtbildern, Fingerabdrücken sowie eines DNA-Abstriches geltend.

Der 14-jährige Mitbeteiligte habe am bei der Beschuldigtenvernehmung wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz (SMG) bei der PI Hörbranz angegeben, im Oktober oder November 2010 erstmals Cannabis konsumiert zu haben. Davon habe er ca. 1 Gramm selbst geraucht, ein weiteres Gramm einem Kollegen um EUR 10 und den Rest einem anderen Kollegen unentgeltlich überlassen. Mittlerweile habe er den unerlaubten Umgang mit Cannabis wieder beendet. Ein nach der Vernehmung durchgeführter Harntest auf Cannabis sei negativ verlaufen. Die Sicherheitsbehörde habe die Wiederholungsgefahr und die daraus abzuleitende Erforderlichkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung im Sinne des § 65 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) zu Unrecht bejaht. Bei der Weitergabe an andere Personen habe es sich um geringste Mengen sowie um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt. Durch den negativen Test sei unter Beweis gestellt, dass der Beschwerdeführer schon seit Wochen keinen Umgang mehr mit Cannabis habe. Aus seiner Beschuldigtenvernehmung ergebe sich seine vollumfängliche Einsichtigkeit. Es liege ein nur geringfügiges alters- und entwicklungsbedingtes Fehlverhalten vor, das noch dazu vom ungünstigen Vorbild seines eigenen Vaters beeinflusst gewesen sei, von dem sich der Mitbeteiligte zwischenzeitlich klar distanziere.

1.2. Hierzu gab die BH Bregenz als zuständige Sicherheitsbehörde eine Stellungnahme ab, in der ausgeführt wird, bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung sei zu prüfen, ob im Zeitpunkt dieser Entscheidung eine Gesamtbeurteilung des bekannten Sachverhaltes und der Persönlichkeit des Verdächtigen zum Schluss führen müsse, der Verdächtige werde wahrscheinlich weitere gefährliche Angriffe begehen, weshalb eine erkennungsdienstliche Behandlung wegen ihres vorbeugenden Effektes erforderlich sei. Im Fall der mitbeteiligten Partei habe im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung der dringende Verdacht des Vergehens nach § 27 Abs. 1 SMG bestanden. Des Weiteren sei die mitbeteiligte Partei der Sicherheitsbehörde aufgrund dreier weiterer Sachverhalte einschlägig bekannt gewesen:


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Nach einer Anzeige der PI Hörbranz vom sei der Mitbeteiligte geständig, am den F. C. B. durch Faustschläge ins Gesicht verletzt zu haben.
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Nach einem Bericht der PI Hörbranz vom sei der Mitbeteiligte verdächtig, von zuhause rohe Eier mitgenommen und diese gemeinsam mit weiteren Personen am gegen die Hausmauer der Hauptschule Hörbranz und des Jugendraumes geworfen zu haben, wodurch diese verunstaltet worden seien. Zum Tatzeitpunkt sei der Mitbeteiligte strafunmündig gewesen.
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Nach einem Bericht der PI Hörbranz vom habe der Mitbeteiligte mit dem ebenfalls strafunmündigen D. K. am in Hörbranz den auf dem Fahrrad vorbeifahrenden Jugendlichen M. angehalten und es sei zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen. In weiterer Folge seien die beiden Strafunmündigen tätlich gegen M. vorgegangen, wobei der Mitbeteiligte den bereits am Boden liegenden M. mit den Füßen getreten und diesen dadurch verletzt habe.
Die mitbeteiligte Partei sei somit bereits in der Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten, wobei die beiden Körperverletzungstatbestände als gefährliche Angriffe im Sinn des § 16 Abs. 2 Z 1 SPG anzusehen seien. Aufgrund dieses im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung bekannten Sachverhalts habe in Bezug auf die Persönlichkeit des Mitbeteiligten von einem strafrechtlichen Wiederholungstäter ausgegangen werden müssen, welchem es am nötigen Unrechtsbewusstsein mangle und bei dem ein hinkünftiges Abstellen dieses Verhaltens nicht erkennbar gewesen sei. Die Vornahme der erkennungsdienstlichen Maßnahmen sei zur Vorbeugung weiterer Angriffe nach § 16 SPG erforderlich gewesen.
Ein DNA-Abstrich sei seitens der Sicherheitsbehörde nicht durchgeführt worden.
Dieser Stellungnahme ist ein Aktenkonvolut des Bezirkspolizeikommandos Bregenz angeschlossen, welches dieses mit dem Bemerken vorgelegt hatte, die erkennungsdienstliche Behandlung des Mitbeteiligten sei nicht ausschließlich wegen der zu diesem Zeitpunkt aktuellen Anzeige wegen Suchtmittelmissbrauchs vorgenommen worden, sondern auch aufgrund seiner bisherigen kriminellen Entwicklung. Der Mitbeteiligte sei bereits mehrfach durch die - teilweise in strafunmündigem Alter erfolgte - Begehung von Strafdelikten negativ aufgefallen und zeige fortgesetzt die Entwicklung krimineller Energie, weshalb die erkennungsdienstliche Behandlung vorgenommen worden sei.
Das Aktenkonvolut umfasst neben Berichten und Vernehmungsprotokollen zu den oben angeführten, den Mitbeteiligten betreffenden Vorfällen auch Auszüge von am zur Person des Mitbeteiligten durchgeführten Abfragen in einschlägigen Datenbanken. Die EKIS-Personenanfrage enthält Informationen zu der erkennungsdienstlichen Behandlung der mitbeteiligten Partei vom hinsichtlich Finger- und Handflächenabdrücken sowie Lichtbildern und einer Personenbeschreibung - nicht aber hinsichtlich eines DNA-Abstriches. Dem kriminalpolizeilichen Aktenindex (KPA) lassen sich Eintragungen lediglich hinsichtlich einer Körperverletzung vom und eines Suchtmitteldelikts vom entnehmen.

1.3. Die belangte Behörde gab mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid der Administrativbeschwerde der mitbeteiligten Partei statt und stellte fest, dass die BH Bregenz den Mitbeteiligten durch die Verarbeitung (Ermittlung und Speicherung) seiner Finger- und Handflächenabdrücke sowie dreier Lichtbilder und seiner Personenbeschreibung am für Zwecke der zentralen Informationssammlung der Sicherheitsbehörden in seinem Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten verletzt habe.

Nach Wiedergabe des Vorbringens der Parteien traf die belangte Behörde Feststellungen zu den näheren Umständen des die erkennungsdienstliche Behandlung auslösenden Suchtmitteldeliktes, zu der diesbezüglichen Rechtfertigung des Mitbeteiligten und zum genauen Umfang der erkennungsdienstlichen Behandlung (Personenbeschreibung, Finger- und Handflächenabdrücke sowie drei digitale Lichtbilder, jedoch kein Mundhöhlenabstrich zur Gewinnung eines DANN-Profils). Weiters stellte sie fest, dass gegen den Mitbeteiligten parallel zum Suchtmitteldelikt auch wegen des Verdachts einer Körperverletzung vom ermittelt werde, was sich aus der entsprechenden Vormerkung im kriminalpolizeilichen Aktenindex ergebe.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, hinsichtlich des dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Suchtgiftdeliktes sei in Rechnung zu stellen, dass dieser von seinem Vater zum Konsum animiert worden sei, nur von diesem (unentgeltlich) Suchtgift in kleinen Mengen erhalten habe und im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung durch einen Drogentest bescheinigt gewesen sei, dass der Mitbeteiligte keinen regelmäßigen Konsum von Cannabis gepflogen habe. Polizeilich vorgemerkt sei der Mitbeteiligte nur wegen des Verdachts eines Falles von Raufhandel, was keinen Präventionsbedarf im Hinblick auf mögliche Suchtgiftdelikte indiziere. Auf die zum Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung vorliegenden Ermittlungsergebnisse hätte nicht die Prognose gestützt werden dürfen, der Mitbeteiligte müsse durch eine erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG von weiteren gefährlichen Angriffen abgehalten werden. Weder der Person des Betroffenen noch der Art oder Ausführung der Tat seien Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe zu entnehmen gewesen, weshalb die Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten unzulässig gewesen sei.

1.4. Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, in welcher die Behandlung der Beschwerde und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit beantragt werden.

1.5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Die mitbeteiligte Partei hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geäußert.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Noch vor Eingehen auf das konkrete Beschwerdevorbringen ist im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom in der Rechtssache C-614/10, Kommission/Österreich, die Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0156, auf das auch hinsichtlich der Darstellung der anzuwendenden Rechtslage gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Im Hinblick auf den hier zu entscheidenden Beschwerdefall geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass eine die öffentliche Sicherheit betreffende Tätigkeit zu beurteilen ist. Es liegt somit eine der in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (EG-Datenschutzrichtlinie) angeführten Ausnahmen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie vor ("Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Tätigkeiten gemäß den Titeln V und VI des Vertrags über die Europäische Union, und auf keinen Fall auf Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, (…) und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich."). Die mangelhafte Umsetzung der Richtlinie 95/46/EG im Hinblick auf die dort in Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 angesprochene Kontrollstelle für den Schutz personenbezogener Daten, die die ihr zugewiesene Aufgabe "in völliger Unabhängigkeit" wahrzunehmen habe, führt daher - infolge der Nichtanwendbarkeit der Richtlinie - nicht zur Unzuständigkeit der belangten Behörde (vgl. dazu näher das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0156).

2.2. Die Beschwerde wendet sich gegen die Schlussfolgerung der belangten Behörde, im Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung habe nicht nachvollziehbar und zulässig die Prognoseentscheidung getroffen werden können, die mitbeteiligte Partei müsse durch eine erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 65 Abs. 1 SPG von weiteren gefährlichen Angriffen abgehalten werden. Aus den der belangten Behörde zur Verfügung gestellten Akten der BH Bregenz ergebe sich, dass die mitbeteiligte Partei zum Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung im Verdacht der Begehung von vier näher bezeichneten gerichtlich strafbaren Handlungen (nämlich jenen oben unter Punkt 1.2. aufgelisteten zuzüglich eines Vorfalls vom , wonach die mitbeteiligte Partei gemeinsam mit zwei anderen Burschen mit Steinen die Scheiben eines unbewohnten Hauses eingeworfen hätte) gestanden sei. Bis zum Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung im Februar 2011 hätten gegen die mitbeteiligte Partei somit fünf kriminalpolizeiliche Ermittlungshandlungen geführt werden müssen, wobei die mitbeteiligte Partei in jedem dieser Fälle im Verdacht stehe, vorsätzlich eine gerichtlich strafbare Handlung begangen zu haben. Die anfänglich vorgelegene Schuldunfähigkeit mangels Mündigkeit ändere nichts am Vorliegen eines gefährlichen Angriffes gemäß § 16 Abs. 2 SPG und der Erforderlichkeit der Ermittlung erkennungsdienstlicher Daten zur Abwehr weiterer gefährlicher Angriffe. Indem im angefochtenen Bescheid nur vom Vergehen nach § 27 SMG sowie von einem Raufhandel die Rede sei, habe die belangte Behörde den für die Entscheidungsfindung wesentlichen Sachverhalt weder in hinreichendem Maße ermittelt noch entsprechend rechtlich gewürdigt.

Die belangte Behörde sei in ihrer rechtlichen Würdigung offenbar davon ausgegangen, dass die Straftaten im Alter der Unmündigkeit für die Gefahrenprognose nicht heranzuziehen seien. Dieser Schluss erweise sich schon deshalb als unrichtig, da § 73 Abs. 1 Z 2 SPG sogar eine eigene Löschungsfrist für die erkennungsdienstliche Behandlung von Unmündigen vorsehe. Somit stehe außer Frage, dass auch Unmündige, freilich unter entsprechend strenger Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, bei Vorliegen der gesetzlichen Rahmenbedingungen erkennungsdienstlich zu behandeln seien. Dass die "Vorstraftaten" nicht in die Applikation eingespeichert worden seien, sei mit technischen Gründen zu erklären.

Der angefochtene Bescheid reduziere die Tatsachen für die Gefahrenprognose auf den Konsum und die Weitergabe von Suchtmitteln in geringer Menge und ziehe lediglich den von der mitbeteiligten Partei am begangenen Raufhandel heran, verneine aber dessen erschwerende Wirkung für weitere Suchtmitteldelikte. Die belangte Behörde berücksichtige dabei nicht hinreichend, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung, möge sie auch nur unter dem Schlagwort des § 27 SMG erfolgt sein, die Eignung einer präventiven Wirkung auch für andere gerichtlich strafbare Handlungen entfalte.

2.3. § 1 des Datenschutzgesetzes 2000 (kurz: DSG), BGBl. I Nr. 165/1999, regelt das Grundrecht auf Datenschutz wie folgt:

"§ 1. (1) Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit ein schutzwürdiges Interesse daran besteht. Das Bestehen eines solchen Interesses ist ausgeschlossen, wenn Daten infolge ihrer allgemeinen Verfügbarkeit oder wegen ihrer mangelnden Rückführbarkeit auf den Betroffenen einem Geheimhaltungsanspruch nicht zugänglich sind.

(2) Soweit die Verwendung von personenbezogenen Daten nicht im lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung erfolgt, sind Beschränkungen des Anspruchs auf Geheimhaltung nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen zulässig, und zwar bei Eingriffen einer staatlichen Behörde nur auf Grund von Gesetzen, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, genannten Gründen notwendig sind. Derartige Gesetze dürfen die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen vorsehen und müssen gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festlegen. Auch im Falle zulässiger Beschränkungen darf der Eingriff in das Grundrecht jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

(3) ..."

§ 8 DSG in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 133/2009 lautet:

"Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nichtsensibler Daten

§ 8. (1) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind bei Verwendung nicht-sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn

1. eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht oder

2. der Betroffene der Verwendung seiner Daten zugestimmt hat, wobei ein Widerruf jederzeit möglich ist und die Unzulässigkeit der weiteren Verwendung der Daten bewirkt, oder

3. lebenswichtige Interessen des Betroffenen die Verwendung erfordern oder

4. überwiegende berechtigte Interessen des Auftraggebers oder eines Dritten die Verwendung erfordern.

(2) …

(3) Schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen sind aus dem Grunde des Abs. 1 Z 4 insbesondere dann nicht verletzt, wenn die Verwendung der Daten

1. für einen Auftraggeber des öffentlichen Bereichs eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung einer ihm gesetzlich übertragenen Aufgabe ist oder …"

Nach § 65 Abs. 1 SPG, BGBl. Nr. 566/1991 in der zum Zeitpunkt der in Rede stehenden erkennungsdienstlichen Behandlung geltenden Fassung BGBl. I Nr. 114/2007, sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn er im Rahmen einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder dies wegen der Art oder Ausführung der Tat oder der Persönlichkeit des Betroffenen zur Vorbeugung weiterer gefährlicher Angriffe erforderlich scheint.

Ein gefährlicher Angriff ist gemäß § 16 Abs. 2 SPG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 13/2012) die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand nach (Z 1) dem Strafgesetzbuch (StGB), ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder (Z 4) dem Suchtmittelgesetz handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels zum eigenen Gebrauch.

Nach § 27 SMG, BGBl. I Nr. 112/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2007, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer vorschriftswidrig (Abs. 1 Z 1) Suchtgift erwirbt, besitzt, erzeugt, befördert, einführt, ausführt oder einem anderen anbietet, überlässt oder verschafft. Gemäß § 27 Abs. 2 leg. cit. ist derjenige, der die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begeht, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

2.4. Die Beschwerde kritisiert, die belangte Behörde habe nicht den gesamten entscheidungsrelevanten Sachverhalt erhoben und in ihre rechtliche Beurteilung einbezogen, da sie nicht alle bei der Prognoseentscheidung zu berücksichtigenden kriminalpolizeilichen Ermittlungshandlungen gegen die mitbeteiligte Partei berücksichtigt habe.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Gemäß § 45 Abs. 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach der Rechtsprechung bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/02/0020).

Nach § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Kommt die Behörde dieser Begründungspflicht nicht nach, dann ist einerseits der Beschwerdeführer, da er über die Ergebnisse des Beweisverfahrens und die für die rechtliche Subsumtion maßgebenden Erwägungen keine Kenntnis erlangt, an der Verfolgung seiner Rechte gehindert, andererseits der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage, die Prüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes vorzunehmen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 94/10/0180, und vom , Zl. 2003/20/0349).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage hätte sich die belangte Behörde mit dem ihr seitens der BH Bregenz übermittelten Aktenkonvolut als zentraler Erkenntnisquelle in nachvollziehbarer Weise auseinanderzusetzen gehabt. Zwar stützt die belangte Behörde ihre Feststellungen, wie z. B. die Feststellung, die mitbeteiligte Partei sei wegen des Verdachts der Körperverletzung vorgemerkt, auf näher bezeichnete Teile dieses Aktenkonvoluts, sie geht jedoch nicht darauf ein, weshalb andere Aktenteile, denen deutliche Anhaltspunkte für weitere, gegen die mitbeteiligte Partei gesetzte kriminalpolizeiliche Ermittlungshandlungen wegen des Verdachts der Begehung gefährlicher Angriffe entnommen werden können, unberücksichtigt blieben. Die belangte Behörde hat daher nicht alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt und damit gegen die in § 60 AVG normierte Begründungspflicht verstoßen.

Die diesbezüglichen Ausführungen in der Gegenschrift vermögen fehlende Elemente einer Bescheidbegründung nicht zu ersetzen (vgl. die in Walter/Thienel , Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 540 zu § 45 AVG zitierte hg. Judikatur). Darüber hinaus ist die in der Gegenschrift nachgetragene Begründung nicht schlüssig. Einerseits geht die belangte Behörde - freilich ohne nähere Begründung - davon aus, dass den ermittelnden Beamten nicht die Gesamtheit aller bei der zuständigen Sicherheitsbehörde aktenkundigen Informationen über die mitbeteiligte Partei rechtmäßig zur Verfügung gestanden sei, andererseits erwähnt sie persönliches Wissen der beteiligten Beamten etwa aus früheren Amtshandlungen gegen die mitbeteiligte Partei, qualifiziert jedoch dieses allfällige Amtswissen als nicht aktenkundig. Abgesehen davon, dass diese Ausführungen nicht offenlegen, von welchem konkreten Kenntnisstand der Beamten im Entscheidungszeitpunkt die belangte Behörde ausgegangen ist, übersieht sie, dass sich im vorgelegten Aktenkonvolut eine Auflistung der dem Mitbeteiligten - vor dem Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung - zur Last gelegten Straftaten befindet. Wenn die Behörde Zweifel hatte, ob dieses Wissen zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Erforderlichkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung bereits vorlag bzw. ob es wegen rechtswidriger Erlangung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der verletzten Norm nicht hätte verwertet werden dürfen, hätte die belangte Behörde diesbezügliche Ermittlungen anstellen müssen. Schließlich hat die belangte Behörde gem. Artikel I Abs. 2 Z 36 EGVG das AVG anzuwenden und daher ein § 39 AVG entsprechendes Ermittlungsverfahren durchzuführen.

Indem sich die belangte Behörde in dem in Beschwerde gezogenen Bescheid mit den weiteren Straftaten der mitbeteiligten Partei, welchen im Zusammenhang mit der Prüfung der Voraussetzungen für die Erforderlichkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung der Persönlichkeit des Mitbeteiligten Relevanz zukommen kann, nicht auseinandersetzte, begründete sie den angefochtenen Bescheid nicht in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Weise und belastete ihn daher mit einem wesentlichen Verfahrensmangel.

Im Hinblick auf die entsprechenden Beschwerdeausführungen ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass die mitbeteiligte Partei im Zeitpunkt der Begehung der von der belangten Behörde nicht berücksichtigten Taten noch strafunmündig war, deren Einbeziehung in die Beurteilung der Persönlichkeit des Betroffenen nicht entgegen steht (vgl. zur Beurteilung des Gesamtverhaltens im Verfahren zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/01/0369). § 65 Abs. 1 SPG stellt bezüglich der Ermächtigung zur erkennungsdienstlichen Behandlung nur auf die objektiv rechtswidrige Verwirklichung eines maßgeblichen strafgesetzlichen Tatbestandes (auf eine entsprechende Verdachtslage) ab; es kommt also nur auf die sich in der rechtswidrigen Verwirklichung eines entsprechenden Tatbildes manifestierende Gefährlichkeit der betreffenden Person an, während weitere Voraussetzungen der gerichtlichen Strafbarkeit außer Betracht zu bleiben haben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/01/0623, und vom , Zl. 96/01/0859).

Schließlich ist der Beschwerdeführerin auch insoweit zu folgen, als die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, Vorstraftaten anderer Deliktsgruppen als jener der Anlasstat könnten keinen Präventionsbedarf im Hinblick auf mögliche Delikte aus der Gruppe der Anlasstat indizieren, rechtswidrig ist. Zum einen bezweckt § 65 Abs. 1 SPG nicht nur die Vorbeugung von einschlägigen Wiederholungstaten, sondern allgemein von gerichtlich strafbaren Vorsatzdelikten der dort genannten Rechtsgrundlagen, sodass der Präventionsbedarf nicht eingeschränkt auf die Deliktsgruppe der Anlasstat zu beurteilen ist, zum anderen dient die Einbeziehung von Vorstraftaten im Allgemeinen der Gewinnung von Erkenntnissen über die Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, sodass auch diesbezüglich nicht zwingend ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Anlasstat bestehen muss.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher auch als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war (zum Vorrang der inhaltlichen Rechtswidrigkeit gegenüber festgestellten

Verfahrensverletzungen vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/01/0900, mwN).

Wien, am