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VwGH vom 21.08.2014, 2011/17/0252

VwGH vom 21.08.2014, 2011/17/0252

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler und Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-300977/6/BMa/Sic/Th, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (mitbeteiligte Partei: J J G in W, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich der Berufung des Finanzamts Grieskirchen Wels gegen Spruchpunkt II. des Bescheids der Bundespolizeidirektion Wels vom , mit dem nach § 53 GSpG eine vorläufige Beschlagnahme von Glücksspielgeräten aufgehoben worden war, teilweise Folge und stellte die Rechtswidrigkeit der mit dem Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheids ausgesprochenen Aufhebung der vorläufigen Beschlagnahme fest.

Gleichzeitig wurde "der Berufungsantrag (des Finanzamtes), der Unabhängige Verwaltungssenat möge die Beschlagnahme aussprechen", zurückgewiesen.

Im Übrigen wurde "die Berufung abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt".

Als letzten Spruchteil enthält der angefochtene Bescheid Folgendes:

"Es kann nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme der in der Bescheinigung vom aufgelisteten Glückspielautomaten Nr. 1 bis 33 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats vorliegen."

1.2. In der Begründung des angefochtenen Bescheids ging der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich auf die Frage der Auswirkung der Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes des § 52 GSpG gegenüber § 168 StGB ein (und bejahte in diesem Zusammenhang die Zulässigkeit einer Beschlagnahme auch bei Führung eines gerichtlichen Strafverfahrens grundsätzlich) und führte sodann aus, dass die (unabhängigen) Verwaltungssenate als nachprüfende Instanz konzipiert seien. Die Durchführung einer Beschlagnahme sei daher durch die erstinstanzlichen Behörden vorzunehmen. Dem Verwaltungssenat obliege es aber festzustellen, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Voraussetzungen für die Beschlagnahme (weiter) vorlägen.

Die erstinstanzliche Behörde hätte angesichts des (Weiter)Bestehens eines hinreichenden Verdachts im Sinne des§ 53 Abs. 1 Z 1 GSpG die vorläufige Beschlagnahme aufrechterhalten müssen.

Ein Ausspruch des Vorliegens der Voraussetzungen einer Beschlagnahme der in der Bescheinigung vom aufgelisteten Glücksspielautomaten Nr. 1 bis 33 zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde habe (aber) nicht erfolgen können, sei doch der Zustand der sich derzeit auf den Spielautomaten befindlichen Programme nicht bekannt, weil die Geräte auch für den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht greifbar seien. Überdies entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Programme der Spielautomaten ohne allzu großen Aufwand manipuliert werden könnten, wodurch der Zustand der dem Verfahren zu Grunde liegenden Automaten nicht mehr feststellbar sei.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen (nunmehr Bundesminister für Finanzen) wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird (gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich als belangte Behörde in das Verfahren eingetreten).

1.5. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der die Stellung der mitbeteiligten Partei als Adressat des Beschlagnahmebescheids bestritten wird und daher im Hinblick auf die sich daraus nach Ansicht der mitbeteiligten Partei ergebenden Unzuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich zur Entscheidung über die Berufung des Finanzamts in der Sache die Aufhebung des angefochtenen Bescheids und der Zuspruch der Kosten für den Schriftsatzaufwand beantragt wird.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

2.2. Die vorliegende Amtsbeschwerde wendet sich gegen die "Feststellung" der Rechtswidrigkeit einer bescheidmäßigen Aufhebung einer vorläufigen Beschlagnahme und die gleichzeitige Zurückweisung des Antrags des Finanzamtes Grieskirchen Wels auf bescheidmäßige Beschlagnahme der in Rede stehenden Geräte sowie die Feststellung, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nicht hätten festgestellt werden können.

2.3. Die Berufung, auf Grund derer der angefochtene Bescheid ergangen ist, wurde gemäß § 50 Abs. 5 GSpG vom Finanzamt Grieskirchen Wels erhoben. Diesem war der erstinstanzliche Bescheid als Partei des Verfahrens nach § 50 Abs. 5 GSpG (nach Ausweis des vorgelegten Verwaltungsaktes) zugestellt worden. Der Bescheid ist somit jedenfalls rechtlich existent geworden. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich war daher zuständig, über die Berufung zu entscheiden. Die Frage, ob der Bescheid durch die Zustellung an die mitbeteiligte Partei rechtswirksam entstanden ist, ist somit für die Zulässigkeit der Berufung des Finanzamtes nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Der in der Gegenschrift der mitbeteiligten Partei hervorgehobene Umstand, dass die mitbeteiligte Partei ein unzutreffender Adressat des Beschlagnahmebescheides gewesen sei, ist daher für die Frage, ob der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zuständig war, in der Sache über die Berufung zu entscheiden, nicht von Belang.

2.4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat mit dem Spruch des angefochtenen Bescheides jedoch seine Entscheidungskompetenz auf Grund der Berufung des Finanzamtes verkannt und überdies eine in sich widersprüchliche Erledigung getroffen.

Aufgrund einer Berufung gegen einen Beschlagnahmebescheid gemäß § 53 Abs. 3 GSpG hatte der Unabhängige Verwaltungssenat in der Sache zu entscheiden. Nichts anderes gilt für den Fall der Berufung des Finanzamtes als Amtspartei gegen die bescheidmäßige Aufhebung einer vorläufigen Beschlagnahme. Auf Grund einer solchen geht die Zuständigkeit zur bescheidmäßigen Absprache gemäß § 53 Abs. 3 GSpG auf den Unabhängigen Verwaltungssenat über. Eine Teilung des Entscheidungsgegenstandes, wie sie der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgenommen hat, nämlich in eine Beurteilung, ob die Entscheidung der Behörde erster Instanz im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides rechtmäßig war, und in eine Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Ausspruch einer Beschlagnahme auch im Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung noch vorlagen, ist unzulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0223).

Auf dem Boden der Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich, dass die Beschlagnahme im Zeitpunkt der Erlassung seiner Entscheidung unzulässig war, wäre die Berufung des Finanzamtes (zur Gänze) abzuweisen gewesen.

2.4.2. Unzutreffend war es daher auch, den "Berufungsantrag, der Unabhängige Verwaltungssenat möge die Beschlagnahme aussprechen", zurückzuweisen.

Da der Unabhängige Verwaltungssenat der Auffassung war, dass die Voraussetzungen für die Beschlagnahme nicht vorgelegen seien, hätte er die Berufung anstatt sie teilweise zurück- und teilweise ("im Übrigen") abzuweisen, zur Gänze abweisen müssen.

2.4.3. Darüber hinaus war es entbehrlich, spruchmäßig festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Beschlagnahme nicht hätten festgestellt werden können.

Ist die Berufungsbehörde auf Grund ihres Ermittlungsverfahrens der Auffassung, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen, hat sie die Berufung gegen den die Beschlagnahme aufhebenden Bescheid abzuweisen.

2.4.4. Nur ergänzend ist noch Folgendes festzuhalten:

Auch die vom Unabhängigen Verwaltungssenat gegebene Begründung für die "Feststellung, dass die Aufhebung der Beschlagnahme rechtswidrig war" erweist sich als unzutreffend. Sofern eine gerichtliche Zuständigkeit gemäß § 168 StGB vorgelegen wäre, hätte keine Zuständigkeit zur Beschlagnahme bestanden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0507).

Die vom Unabhängigen Verwaltungssenat getroffene Feststellung, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Beschlagnahme hätten nicht festgestellt werden können, wurde überdies nicht aufgrund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens getroffen. Der Umstand, dass die "sich derzeit auf den Spielautomaten befindlichen Programme nicht bekannt" seien, "weil die Geräte derzeit auch für den Unabhängigen Verwaltungssenat nicht greifbar" seien, stellt keinen Grund dar, weitere Ermittlungsschritte zu unterlassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0587).

2.5. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aF wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben war.

Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-91107