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VwGH vom 24.03.2014, 2011/17/0250

VwGH vom 24.03.2014, 2011/17/0250

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2011/17/0251

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerden des Dr. S in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in 2000 Stockerau, Pampichler Straße 1a, gegen die Bescheide der Niederösterreichischen Landesregierung jeweils vom , 1.) Zl. IVW3-BE-3110901/017-2011 (hg. Zl. 2011/17/0250), 2.) Zl. IVW3-BE-3110901/018- 2011(hg. Zl. 2011/17/0251), jeweils betreffend Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: jeweils Stadtgemeinde H), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer wurde vom Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom die Bewilligung zur Errichtung eines Zubaus zu dem bestehendem Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. 143/1, KG M, mit einem Überbau auf das Grundstück Nr. 141/2 erteilt. Als Auflage wurde unter anderem vorgeschrieben, dass eine Grundstücksvereinigung durchzuführen sei, sodass das gesamte Wohnhaus nur auf einer Parzelle zu liegen komme.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde trug dem Beschwerdeführer als Liegenschaftseigentümer mit Bescheid vom gemäß § 17 Abs. 2 NÖ Kanalgesetz 1977 (in der Folge NÖ KanalG 1977) in Verbindung mit § 62 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 (in der Folge NÖ BauO 1996) den Anschluss der Liegenschaft EZ X Grundstück Nr. 143/1, KG M, an die öffentliche Kanalanlage der mitbeteiligten Stadtgemeinde auf.

Mit Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer vom Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für die Liegenschaft M, E-Weg 9, ab. in der Höhe von EUR 147,31 vorgeschrieben. Als Berechnungsfläche wurde eine Fläche im Ausmaß von 74,4 m2 herangezogen. Die Neuvorschreibung sei aufgrund des Beschlusses des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom , mit welchem mit Wirkung vom gemäß den gesetzlichen Bestimmungen der Einheitssatz für die Kanalbenützungsgebühr neu festgesetzt worden sei, notwendig gewesen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts H vom wurde die lastenfreie Abschreibung eines Teils des Grundstücks Nr. 141/2, welcher die überbaute Fläche dieses Grundstücks einschloss, und Zuschreibung zu einer bestimmten Einlagezahl unter gleichzeitiger Einbeziehung in das Grundstück Nr. 143/1 bewilligt und verbüchert.

Mit Schreiben vom zeigte der Beschwerdeführer der mitbeteiligten Stadtgemeinde eine Änderung der Benützung eines Nebengebäudes auf dem Grundstück Nr. 143/1, KG M, E-Weg 9, an. Das Althaus habe aus einem Zimmer, WC, Küche und Vorraum bestanden. Diese Räume würden in dieser Funktion nicht mehr verwendet und dienten nur mehr als reine Abstell- und Lagerräume. Die Wasserentnahmestellen in WC und Küche seien beseitigt worden, die vormaligen Schmutzwasserabläufe seien aufgelassen und verbaut. Die Bewohnbarkeit sei nicht mehr gegeben. Es werde nunmehr im neuen Zubau gewohnt.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde teilte mit Erledigung vom mit, dass die Bauanzeige vom für das Vorhaben "Änderung der Benützung eines Nebengebäudes" in M, E-Weg 9, auf dem Grundstück Nr. 143/1 (KG M) keinen Bestimmungen der NÖ BauO 1996 widerspreche. Nach Erhalt dieser Mitteilung dürfe sofort mit Ausführung des Vorhabens begonnen werden.

Anlässlich der am an Ort und Stelle errichteten Niederschrift wurde festgehalten, dass das alte Wohnhaus als Lagerraum verwendet werde. Das WC sei demontiert. Auch in der Küche sei der Anschluss demontiert worden. Beim Kellerabstiegsraum gebe es keine Verbindung in das neue Wohnhaus. Es handle sich um einen Gebäudeteil ohne Anschluss an Wasser und Kanal.

Mit erstinstanzlichem Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer für die Liegenschaft M, E-Weg 9, eine jährliche Kanalbenützungsgebühr von bis in der Höhe von EUR 569,05 vorgeschrieben. Eine Neuberechnung sei notwendig gewesen, weil der Beschwerdeführer auf der Liegenschaft ein baubehördlich bewilligtes Einfamilienhaus sowie eine Garage errichtet habe.

Als Berechnungsfläche wurde eine Fläche von 287,4 m2 angenommen. Diese setzte sich aus 74,4 m2 für das alte Wohnhaus und jeweils 106,5 m2 für die beiden Geschoße des Zubaus zusammen.

Ebenfalls mit erstinstanzlichem Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für die Liegenschaft M, E-Weg 9, ab in der Höhe von EUR 421,74 vorgeschrieben. Eine Neuberechnung sei notwendig gewesen, weil der Beschwerdeführer laut Bauanzeige vom das alte Wohnhaus in Lagerräume umgewidmet und sämtliche Wasser- und Kanalanschlüsse demontiert habe. Dies sei bei der Besichtigung am festgestellt worden.

Als Berechnungsfläche wurde eine Fläche von 213 m2 angenommen. Diese setzte sich aus jeweils 106,5 m2 für die beiden Geschoße des Zubaus zusammen.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diese Bescheide Berufung. Zwischen dem Grundstück Nr. 143/1 in der Rangordnung zu TZ 628/74 (Grundstück Nr. 143/1 "alt", (vor der Zuschreibung)) und dem Grundstück Nr. 143/1 in der Rangordnung zu TZ 1433/09 (Grundstück Nr. 143/1 "neu", (nach der Zuschreibung)) liege eine erhebliche Differenz infolge nachträglicher Flächenausdehnung und veränderter Konfiguration vor. Der rechtskräftige Verpflichtungsbescheid (beziehungsweise Grundlagenbescheid) vom beziehe sich nur auf die Konfiguration und das Flächenausmaß des Grundstücks Nr. 143/1 in der Rangordnung TZ 628/74.

Der privatrechtliche Akt einer Zuschreibung von Flächen aus dem nicht anschlusspflichtigen Grundstück Nr. 141/2 zum Grundstück Nr. 143/1 begründe somit keine abgabenrechtliche Anschlusspflicht mit der Rechtsfolge einer weitergehenderen Gebührenpflicht.

Die Berechnungsbasis (Fläche) beschränke sich auf jene bebauten und unbebauten Grundstücksteile des Grundstücks Nr. 143/1 im Rechtszustand des Bescheides vom des Ranges und Umfanges der TZ 628/74 des Grundbuchgerichts H.

Der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde wies die Berufungen mit im Wesentlichen gleichlautenden Bescheiden vom als unbegründet ab und führte unter anderem jeweils aus, mit Bescheid vom sei die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf gegenständlicher Liegenschaft erteilt worden. Gleichzeitig sei aufgetragen worden, eine Grundstücksvereinigung der Parzellen 143/1 und 141/2 (Teilfläche) durchzuführen. Die grundbücherliche Eintragung sei am erfolgt (Beschluss des Bezirksgerichts H, TZ 1433/09). Die Neuerrichtung des Zubaus erstrecke sich auch auf die Parzelle 141/2. Im Zuge des Bauverfahrens sei dem Beschwerdeführer die Vereinigung dieses Teils der Parzelle 141/2 mit dem Grundstück Nr. 143/1 vorgeschrieben worden. Nach der grundbücherlichen Vereinigung habe das Grundstück Nr. 143/1 eine Fläche von 417 m2.

Die Berechnungsfläche für die Kanalbenützungsgebühr ergebe sich gemäß § 5 Abs. 3 NÖ KanalG aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Eine Unterteilung in angeschlossene beziehungsweise nicht angeschlossene Räumlichkeiten sei im NÖ KanalG 1977 nicht vorgesehen. Daher sei die Berufung als unbegründet abzuweisen gewesen.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid vom der Anschluss des Grundstücks Nr. 143/1, KG M, an die öffentliche Kanalanlage der mitbeteiligten Stadtgemeinde aufgetragen worden. Sämtliche nachfolgenden Gebührenbescheide bauten auf der Tatbestandswirkung des Bescheides vom auf und enthielten als Berechnungsgrundlage die 259 m2 des damaligen Bauzustandes. Sämtliche gebührenauslösenden baulichen Veränderungen auf dieser Fläche seien also durch diesen Anschlussverpflichtungsbescheid rechtmäßig gedeckt.

Es gelte nach wie vor der Anschlussverpflichtungsbescheid vom als Grundlage der Berechnung von Ergänzungsgebühren, die sich aufgrund nachträglicher baulicher Veränderung auf dem Grundstück Nr. 143/1 mit der Beschränkung auf den Umfang von 259 m2 zum Zeitpunkt des Anschlussverpflichtungsbescheids ergäben. Eine Ausdehnung der Rechtskraft des Anschlussverpflichtungsbescheides (als Voraussetzung einer Gebührenvorschreibung überhaupt) auf nachfolgende Zuschreibungen von Teilen eines anderen Grundstücks (für das bisher kein Anschlusszwang normiert worden sei) sei der zitierten Rechtslage fremd. Konstitutive Verpflichtungsbescheide seien nur im Sinne ihres Entstehungszeitpunktes auszulegen.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab.

In ihren Begründungen führte die belangte Behörde übereinstimmend aus, gemäß § 12 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 entstehe die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanals möglich sei. Das Bestehen einer Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr hänge daher weder von einer Baubewilligung beziehungsweise dem Einlangen einer Fertigstellungsmeldung noch von einer bescheidmäßigen Anschlussverpflichtung ab, sondern stelle ausschließlich darauf ab, dass eine tatsächliche Benützungsmöglichkeit vorliege. Die Kanalbenützungsgebühr sei auch nicht von der Kanaleinmündungsabgabe abgeleitet. Selbst wenn für ein Gebäude noch kein Benützungsrecht oder kein Verpflichtungsbescheid vorliege, könne eine Kanalbenützungsgebühr festgesetzt werden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1107/72).

Die Abgabenschuld bestehe daher ab dem Monatsersten des Monats, in dem die Benützung des Kanals faktisch möglich sei. Auf die rechtliche Zulässigkeit komme es dabei (§ 23 Abs. 2 BAO) ebenso nicht an (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0038).

Aufgrund des abgabenrechtlichen Grundsatzes der Zeitbezogenheit von Abgabengesetzen komme es bei der Vorschreibung dieser Gebühr auf die im Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld gegebenen Verhältnisse an (Hinweis unter anderem auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/17/0459).

Die gegenständliche Liegenschaft sei unbestrittenermaßen an den Schmutzwasserkanal angeschlossen. Die Neufestsetzung der jährlichen Kanalbenützungsgebühr (wegen einer Änderung der Berechnungsfläche) ab beziehungsweise ab sei daher dem Grunde nach zu Recht erfolgt.

Eine Tatbestandswirkung des Anschlussverpflichtungsbescheides - von dessen Vorhandensein die Abgabenschuld im Übrigen gar nicht abhänge - bestehe jedenfalls nicht.

Die Flächen eines angeschlossenen Geschoßes seien daher grundsätzlich in ihrem gesamten Ausmaß zu berücksichtigen. Einzelne Räume, in denen sich kein Anschluss befinde, könnten von der Berechnungsfläche nicht ausgenommen werden.

Der Einheitssatz entspreche der Kanalabgabenordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde. Da auch Niederschlagswässer eingeleitet würden, sei der festgesetzte Einheitssatz um 10 % zu erhöhen gewesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in welchen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhanges verbunden und erwogen:

Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes 1977 lauten:

§ 1a NÖ KanalG 1977, Nr. 8230-0, Z. 6 in der Fassung LGBl. Nr. 8230-2, Z. 7 in der Fassung LGBL. Nr. 8230-5, und Z. 9 in der Fassung LGBL. Nr. 8230-3, lautet:

"§ 1a Begriffe

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

...

6. Geschoßfläche: die sich aus den äußersten

Begrenzungen jedes Geschoßes ergebende Fläche;

7. Gebäudeteil: ein Gebäudeteil ist ein vom übrigen

Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Räume innerhalb eines Gebäudeteils gelten auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind.

...

9. Liegenschaften: Grundstücke, die an eine

öffentliche Kanalanlage anzuschließen bzw. bereits angeschlossen sind sowie solche Grundstücke, die an ein anzuschließendes oder angeschlossenes Grundstück unmittelbar angrenzen und dem gleichen Liegenschaftseigentümer gehören;

..."

§ 5 Abs 1, 2, 3 und 6 KanalG 1977, LGBl. Nr. 8230-0, in der Fassung LGBl. Nr. 8230-5, lautet:

"§ 5 Kanalbenützungsgebühr

(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.

(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.

...

(6) Wenn der Beginn der Abgabepflicht während des Jahres eintritt, ist die Gebühr für dieses Jahr nur in dem verhältnismäßigen Anteil der Jahresgebühr zu entrichten. Dasselbe gilt sinngemäß im Falle einer Veränderung der bisherigen Gebühr."

§ 9 NÖ KanalG 1977 LGBl. 8230-0, in der Fassung LGBl. Nr. 8230-2, lautet:

"§ 9 Abgabepflichtiger

Die Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr sind unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluß besteht oder der Anschluß bewilligt wurde. Die Fäkalienabfuhrgebühren sind von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, dessen Liegenschaft gemäß § 7 Abs. 2 in den Abfuhrbereich einbezogen wird. Sind Liegenschaftseigentümer und Eigentümer des Bauwerkes oder Bauwerber verschiedene Personen, so sind die Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühren vom Eigentümer des Bauwerkes oder Bauwerber zu entrichten."

§ 13 NÖ KanalG 1977, LGBl. Nr. 8230-0, Abs. 1 in der Fassung

LGBl. Nr. 8230-1, lautet:

"§ 13 Veränderungsanzeige

(1) Treten nach Zustellung des Abgabenbescheides (§ 14) derartige Veränderungen ein, daß die der seinerzeitigen Festsetzung der Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr oder der Fäkalienabfuhrgebühr zugrunde gelegten Voraussetzungen nicht mehr zutreffen, so hat der Abgabepflichtige diese Veränderungen binnen zwei Wochen nach dem Eintritt der Veränderung bzw. nach dem Bekanntwerden derselben dem Bürgermeister (Magistrat) schriftlich anzuzeigen (Veränderungsanzeige).

(2) Eine auf Grund einer im Abs. 1 genannten Veränderung festgestellte niedrigere oder höhere Gebühr (§ 14 Abs. 1 lit.c) ist, soferne sich nicht aus § 12 etwas anderes ergibt, ab dem Monatsersten des dem Tage des Eintrittes der Veränderung zunächst folgenden Monates zu entrichten."

§ 14 NÖ KanalG 1977, LGBl. Nr. 8230-0, Abs. 1 in der Fassung LGBl. Nr. 8230-1 und Abs. 4 in der Fassung LGBl. Nr. 8230-2, lautet:

"§ 14 Abgabenbescheid

(1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben

...

b) die Kanalbenützungsgebühren und die

Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);

c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit. b festgesetzten Gebühren;

(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;

b) den Grund der Ausstellung;

c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen

Einsammlungen;

d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;

e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit. b

und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;

f) die Rechtsmittelbelehrung und

g) den Tag der Ausfertigung.

(3) Die im Abgabenbescheid nach Abs. 2 festgesetzte Gebühr ist so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht.

(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit.c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen. "

§ 62 Abs. 2, 3 und 4 NÖ Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996), LGBl. Nr. 8200-0, in der Fassung LGBl. Nr. 8200-12, lautet:

"§ 62

...

(2) Die auf einer Liegenschaft anfallenden Schmutzwässer sind, wenn eine Anschlußmöglichkeit besteht, grundsätzlich in den öffentlichen Kanal abzuleiten.

..."

(3) Von dieser Anschlußverpflichtung sind Liegenschaften ausgenommen, wenn die anfallenden Schmutzwässer über eine Kläranlage abgeleitet werden, für die eine wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde oder erteilt gilt, und

...

(4) Von der Anschlußverpflichtung sind auf Antrag des Liegenschaftseigentümers weiters ausgenommen:

..."

Die Beschwerden beruhen im Wesentlichen auf der Auffassung, weil eine Anschlusspflicht laut Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom nur für die Grundstücksfläche Nr. 143/1 im Ausmaß von 259 m2 bestehe, könnten nur Veränderungen, die sich innerhalb der anschlussverpflichteten Flächen von 259 m2 nach der erstmaligen Gebührenvorschreibung und nach dem erwähnten Bescheid vom ergäben, Grundlage einer geänderten Gebührenvorschreibung sein. Ein Anschlussverpflichtungsbescheid bei Neuverlegung eines Hauptkanals sei konstitutiv, wenn eine Anschlussmöglichkeit bestehe. "Hinsichtlich des Grundstücks Nr. 141/2 wird dadurch die Anschlussleitung zur Voraussetzung für die rechtliche Möglichkeit einer Gebührenvorschreibung überhaupt."

I. Zur Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr für den Zeitraum ab (hg. Zl. 2011/17/0250):

Gemäß § 9 NÖ KanalG 1977 ist die Kanalbenützungsgebühr unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Liegenschaft die Verpflichtung zum Anschluss besteht oder der Anschluss bewilligt wurde.

Gemäß § 62 Abs. 2 NÖ BauO 1996 besteht für eine Liegenschaft eine Anschlusspflicht, wenn eine Anschlussmöglichkeit gegeben ist. In Abs. 3 und 4 leg. cit. werden - hier nicht vorliegende - Ausnahmen von der Anschlusspflicht, trotz bestehender Anschlussmöglichkeit, normiert.

Gemäß § 1a Z. 9 KanalG 1977 sind Liegenschaften Grundstücke, die an eine öffentliche Kanalanlage anzuschließen beziehungsweise bereits angeschlossen sind sowie solche Grundstücke, die an ein anzuschließendes Grundstück unmittelbar angrenzen und dem gleichen Liegenschaftseigentümer gehören. Das Grundstück Nr. 143/1 "neu", auf dem sich sowohl die Geschoßflächen des "Altbaus" als auch des "Zubaus" befinden, steht jedenfalls seit im Eigentum des Beschwerdeführers.

Die belangte Behörde hat in den angefochtenen Bescheiden festgestellt, dass die gegenständliche Liegenschaft an den Schmutzwasserkanal angeschlossen ist. Das Vorliegen einer Anschlussmöglichkeit ergibt sich bereits aufgrund des Vorliegens des tatsächlichen Anschlusses. Dass die Liegenschaft an das öffentliche Kanalsystem angeschlossen ist, wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Gemäß § 62 Abs. 2 NÖ BauO 1996 besteht demnach auch eine Anschlusspflicht für die Liegenschaft.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers stellt das NÖ KanalG 1977 hinsichtlich des Bestehens der Anschlusspflicht somit nicht zwingend auf das Vorliegen eines Anschlusspflichtbescheides ab. Gleichgültig, ob sich der Anschlussverpflichtungsbescheid auf den zugeschriebenen Grundstücksteil bezieht oder nicht, bestand im Beschwerdefall jedenfalls die Verpflichtung zum Anschluss.

Der Beschwerdeführer war daher gemäß § 9 erster Satz NÖ KanalG 1977 verpflichtet, eine Kanalbenützungsgebühr zu entrichten.

Gemäß § 14 Abs. 1 lit b und c NÖ KanalG 1977 sind durch je einen besonderen Abgabenbescheid die Kanalbenützungsgebühren (lit. b leg. cit) und die Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit. b festgesetzten Gebühren (lit. c leg. cit.) vorzuschreiben. Gemäß § 14 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 ist die im Abgabenbescheid festgesetzte Gebühr so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht. Nach dem Abs. 4 dieser Bestimmung ist der Abgabenbescheid nach § 14 Abs. 1 lit. c NÖ KanalG 1977 - unter anderem - insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 leg. cit. genannten Veränderung zu erlassen.

§ 13 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 normiert die Pflicht des Abgabenpflichtigen, Veränderungen, die dazu führen, dass die seinerzeitigen Voraussetzungen zur Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr nicht mehr zutreffen, binnen zwei Wochen nach dem Eintritt der Veränderung beziehungsweise nach dem Bekanntwerden derselben dem Bürgermeister (Magistrat) schriftlich anzuzeigen.

Die belangte Behörde begründete die Neufestsetzung der Kanalbenützungsgebühr ab mit einer Änderung der Berechnungsfläche.

Berechnungsfläche für die Kanalbenützungsgebühr ist gemäß § 5 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 die Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche ist die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschoßes ergebende Fläche (§ 1a Z. 6 NÖ KanalG 1977).

In der der bekämpften Abgabenvorschreibung vorangegangenen Abgabenvorschreibung vom wurde von einer Berechnungsfläche von 74,4 m2 ausgegangen. Gemäß § 5 Abs. 3 erster Satz Nö KanalG 1977 ergibt sich die Berechnungsfläche aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Es wurde somit diesem Abgabenvorschreibungsbescheid lediglich der Altbestand der errichteten Baulichkeiten zu Grunde gelegt.

Die Abgabenbehörde war berechtigt, die Geschoßflächen des Zubaus in die Berechnungsfläche für die Kanalbenützungsgebühr des Grundstücks Nr. 143/1 miteinzubeziehen, sobald ein Sachverhalt vorlag, der bewirkte, dass die Geschoßflächen des Zubaus als angeschlossen im Sinne des § 5 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 galten. Nach der hg. Rechtsprechung handelt es sich dann um ein angeschlossenes Geschoß, wenn es mit der öffentlichen Kanalanlage solcherart in Verbindung steht, dass auch nur an einer Stelle, gleich in welchem Raum, ein Rohr mündet, welches schließlich zur öffentlichen Kanalanlage führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/17/0037).

Dem erstangefochtenen Bescheid wurden daher in Übereinstimmung mit der Rechtslage auch die neuen Geschoßflächen zu Grunde gelegt.

Dem stand auch nicht die Rechtskraft des Bescheides vom entgegen, weil dieser Abgabenvorschreibung der Altbestand zu Grunde gelegt worden war. Das Vorliegen weiterer Geschoßflächen ist diesem Bescheid nicht zu entnehmen. Die Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem erstangefochtenen Bescheid daher zu Recht abgewiesen.

II. Zur Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr für den Zeitraum ab (hg. Zl. 2011/17/0251):

Auch im zweitangefochtenen Bescheid zur hg. Zl. 2011/17/0251, begründete die belangte Behörde die Neuvorschreibung der Abgabe mit der Änderung der Berechnungsfläche.

Gemäß § 5 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 ergibt sich die Berechnungsfläche aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt.

Durch die Umwidmung des alten Wohnhauses in Lagerräume und die Demontierung sämtlicher Wasser- und Kanalanschlüsse kam es zu einer tatsächlichen Änderung der Berechnungsfläche. Die Abgabenbehörden gingen davon aus, dass durch die Umwidmung und Demontierung nunmehr ein nicht angeschlossener Gebäudeteil vorliege, welcher gemäß § 5 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 nicht in die Berechnungsfläche miteinzubeziehen sei. Diese Ansicht wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten und ergeben sich auch für den Verwaltungsgerichtshof keine Anhaltspunkte, diese Beurteilung in Zweifel zu ziehen. Die Abgabenbehörde war daher gemäß § 14 Abs. 1 lit c NÖ KanalG 1977 aufgrund der Änderung der Berechnungsfläche berechtigt, einen neuen Abgabenbescheid zu erlassen.

Hinsichtlich der Anschlusspflicht und der Berechnungsfläche gelten die zum erstangefochtenen Bescheid bereits dargestellten rechtlichen Erwägungen.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am