VwGH vom 24.10.2012, 2011/17/0245
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des F und der E in P, vertreten durch Dr. Lukas Purtscher, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 42a, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ib-17670/14-2011, betreffend Kanalgebühren für die Jahre 2003 bis 2010 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P),
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers F wird zurückgewiesen;
2. über die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin E zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
3. Der Erstbeschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60, das Land Tirol der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Der Bürgermeister der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Gemeinde schrieb als Abgabenbehörde erster Instanz mit Bescheid vom der Zweitbeschwerdeführerin "als gewerberechtlicher Geschäftsführerin" eines näher genannten Hotelbetriebes im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde gemäß § 198 BAO sowie "nach den jeweils gültigen Wasser- und Kanalgebührenordnungen" der mitbeteiligten Gemeinde für die Jahre 2000 bis 2010 die wegen "Umgehung" nicht entrichteten Wasser- und Kanalgebühren in der Höhe von EUR 39.556,62 zur Zahlung vor.
Begründend führte er aus, im Zuge einer Besichtigung sei festgestellt worden, dass über eine vor der von der Gemeinde installierten Wasseruhr hergestellten Abzweigung Kaltwasser in den Hotelbetrieb samt Freischwimmbad geleitet werde. Da das Wasser, welches unter Umgehung der installierten Wasseruhr aus der Wasserleitung der Gemeinde entnommen worden sei (mengenmäßig) ebenso wie die damit entgangenen und "hinterzogenen" Wasser- und Kanalgebühren schwer zu eruieren seien, sei der Wasserverbrauch und die damit korrespondierenden Wasser- und Kanalgebühren anhand von fünf Vergleichsbetrieben geschätzt worden. Auf Grund dieser Schätzung sei ein Betrag von EUR 39.556,62 an vorenthaltenen Wasser- und Kanalgebühren ermittelt worden.
Dieser Bescheid erging nach seiner Zustellverfügung (allein) an die Zweitbeschwerdeführerin.
1.2. In der dagegen von beiden beschwerdeführenden Parteien erhobenen Berufung brachten diese unter anderem vor, die Annahme, dass über eine Abzweigung Kaltwasser unter Umgehung der Wasseruhr aus der gemeindeeigenen Wasserleitung für Zwecke des Hotelbetriebes verwendet worden sei, sei unrichtig; es habe sich um keine Abzweigung von Kaltwasser gehandelt. Auf dem Grundstück erfolge vielmehr eine eigene Wasserfassung (aus einer dort befindlichen Quelle). Dieses Eigenwasser werde dazu verwendet, das Freischwimmbad und den Hotelbetrieb mit Wasser zu versorgen, daneben werde aber auch von der Gemeinde Wasser bezogen. Die von der Gemeinde für die Schätzung herangezogenen Vergleichsbetriebe seien im Verbrauch völlig anders gelagert als der Hotelbetrieb der beschwerdeführenden Parteien; bei diesem sei der Wasserverbrauch deutlich niedriger, weil Eigenwasser zugeführt werde, wobei die Eigenwasserzuführung rechtmäßig erfolge.
1.3. Mit Berufungsvorentscheidung vom gab die Abgabenbehörde erster Instanz der Berufung teilweise statt und sprach aus, dass der erstinstanzliche Bescheid vom dahin abgeändert werde, dass die Vorschreibung der nichtentrichteten Wassergebühren ersatzlos gestrichen werde. Im Übrigen verpflichte "die Gemeinde" die Zweitbeschwerdeführerin als gewerberechtliche Geschäftsführerin des näher angeführten Hotelbetriebes zur Zahlung der nicht entrichteten Kanalgebühren in der Höhe von EUR 26.937,--.
Begründend führte die Behörde entscheidungswesentlich aus, das Vorbringen, wonach für den Hotelbetrieb und das damit verbundene Freischwimmbad nicht "Gemeindewasser" verwendet werde und die Wasserversorgung nicht über eine vor der von der Gemeinde installierten Wasseruhr hergestellten Abzweigung erfolge, sondern Wasser aus der eigenen Wasserfassung verwendet werde, entspreche den Tatsachen. Eine Schätzung der nunmehr noch offenen Kanalgebühren erfolge anhand des Gesamtwasserverbrauches eines Hotelbetriebes, der in Kategorie, Größe und Auslastung mit dem der beschwerdeführenden Parteien vergleichbar sei; hierzu würden die Daten jener drei Vergleichsbetriebe verwendet, die von den im erstinstanzlichen Bescheid herangezogenen fünf Vergleichsbetrieben den niedrigsten durchschnittlichen Wasserverbrauch aufwiesen. Dabei sei zu erwähnen, dass der Hotelbetrieb der Beschwerdeführer etwa im Jahr 2009 mehr Nächtigungszahlen als zwei dieser Vergleichsbetriebe gemeldet habe. Anhand dieser drei Vergleichsbetriebe sei für die Jahre 1998 bis 2010 der durchschnittliche Wasserverbrauch pro Bett und Tag mit 0,095 m3 errechnet worden. Der durchschnittliche und von der Zweitbeschwerdeführerin für den Hotelbetrieb gemeldete Wasserverbrauch für diesen Zeitraum liege bei 0,023 m3 pro Bett und Tag. Auf Grund der so errechneten Differenz von 0,072 m3 pro Bett und Tag ergebe sich schließlich eine Differenz von 1.314 m3 Wasser, woraus sich wieder ein der Gemeinde durch "Verabsäumung der Eigenwasserbezugsmeldung entstandener Schaden" in der Höhe von EUR 26.937,-- ergebe.
1.4. Über Vorlageantrag der beschwerdeführenden Parteien sprach der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde aus, dass der Berufung (beider Beschwerdeführer) hinsichtlich der Vorschreibung der Wassergebühren stattgegeben, diese jedoch hinsichtlich der Vorschreibung der Kanalgebühren abgewiesen werde. Mit Spruchpunkt 1) - die Spruchpunkte 2) bis 4) sind nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - wurde (ausschließlich) die Zweitbeschwerdeführerin "als gewerberechtliche Geschäftsführerin" des im Spruch näher angeführten Hotelbetriebes im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde gemäß § 198 BAO "sowie nach der jeweils gültigen Kanalgebührenordnung der Gemeinde" für den Zeitraum vom bis zum zur Zahlung der nicht entrichteten Kanalgebühren in der Höhe von EUR 17.123,51 verpflichtet.
Begründend ging die Berufungsbehörde in ihrem Bescheid entscheidungswesentlich davon aus, dass die Heranziehung der Quelle zur Wasserversorgung des Hotelbetriebes zu keiner Umgehung der gemeindeeigenen Wasseruhr geführt habe; für die in die Kanalanlage eingeleiteten Wassermengen sei jedoch eine Schätzung anhand von Vergleichsbetrieben und unter Zugrundelegung von Wasserverbrauchswerten gemäß ÖNORM B 2538 vorzunehmen. Dabei errechne sich ein der Gemeinde "entstandener Schadensbetrag" in Höhe von EUR 23.614,75 (wie näher dargelegt wird); von diesem Betrag seien jedoch die für den gegenständlichen Zeitraum bezahlten Kanalgebühren in der Höhe von insgesamt EUR 6.491,24 abzuziehen gewesen. Hieraus resultiere der vorgeschriebene Betrag an "hinterzogenen Kanalgebühren" in der Höhe von EUR 17.123,51.
1.5. In ihrer gegen den zweitinstanzlichen Bescheid erhobenen Vorstellung an die belangte Behörde brachten die beschwerdeführenden Parteien vor, die zum Vergleich herangezogenen Gewerbebetriebe seien mit dem Betrieb der beschwerdeführenden Parteien nicht vergleichbar; es seien dies wesentlich gästeintensivere Betriebe, die auch deutlich höhere Nächtigungszahlen hätten. Darüber hinaus seien Maßnahmen gesetzt worden, damit der Wasserverbrauch im Betrieb der beschwerdeführenden Parteien reduziert werde, auch sei eine Wasseruhr vorhanden, mit der der Wasserverbrauch aus der eigenen Quelle gemessen werde.
1.6. Mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens einschließlich des Parteienvorbringens auch der mitbeteiligten Gemeinde vor der Vorstellungsbehörde sowie der Ergebnisse des von der belangten Behörde durchgeführten Beweisverfahrens und der von ihr als maßgebend erachteten rechtlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, die als "gewerberechtliche Geschäftsführerin" in Anspruch genommene Zweitbeschwerdeführerin sei laut Grundbuchsauszug auch Miteigentümerin des Grundstückes, auf dem sich der Hotelbetrieb befinde. Damit stehe "diese Vorgangsweise" auch mit den heranzuziehenden Kanalgebührenordnungen im Einklang, wonach die Eigentümer der anschlusspflichtigen bzw. angeschlossenen Liegenschaften zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet seien und mehrere Miteigentümer zur ungeteilten Hand hafteten.
Ziel einer Schätzung sei es, mit ihrer Hilfe jenem Sachverhalt nahe zu kommen, der von den Abgabentatbeständen als rechtsbedeutsam festgelegt werde. In diesem Zusammenhang sei der hier angewandte äußere Betriebsvergleich durchaus sachgemäß. Überdies habe die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Mindestwasserverbrauchswerte gemäß der ÖNORM herangezogen. Die diesen Berechnungen zugrunde liegenden Sätze der Kanalbenützungsgebühren entsprächen den ordnungsgemäß vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde beschlossenen und kundgemachten Kanalgebührenordnungen. Demgegenüber sei das Vorbringen, die von der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgenommene Schätzung anhand von Vergleichsbetrieben sei nicht zutreffend und nachvollziehbar, nicht näher substantiiert; diesem Vorbringen könne daher - wie näher dargelegt wird - nicht gefolgt werden.
Nach seiner Zustellverfügung erging der Bescheid der belangten Behörde an beide beschwerdeführenden Parteien als Vorstellungswerber zu Handen ihres Rechtsfreundes.
1.7. Die beschwerdeführenden Parteien bekämpfen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof erkennbar wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.
Auch die mitbeteiligte Gemeinde hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geäußert.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat und über die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin erwogen:
2.1. Zur Zulässigkeit der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers:
Die Bescheide der Abgabenbehörden (erster und zweiter Instanz) verhielten nach ihrem Spruch nur die Zweitbeschwerdeführerin zu der hier gegenständlichen Leistung. Aus der Nennung des Adressaten im Spruch eines Bescheides ergibt sich das Leistungsgebot. Somit darf nur von demjenigen die Erbringung einer Leistung verlangt werden, an den der Bescheid gerichtet ist (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/17/0043). Ein Leistungsbefehl kann nur gegen den im Spruch Genannten vollstreckt werden. Daraus erfolgt aber auch, dass der Erstbeschwerdeführer, der nie spruchgemäß zu der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allein noch streitgegenständlichen Abgabe verpflichtet wurde, selbst durch die Abweisung der (auch) von ihm erhobenen Vorstellung durch die belangte Behörde nicht in das Abgabenverfahren miteinbezogen wurde. Die von ihm erhobene Beschwerde war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, weil er durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt werden konnte.
2.2. Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:
Mit Spruchpunkt 1) des Bescheides der Abgabenbehörde zweiter Instanz vom wurde die Zweitbeschwerdeführerin - wie erwähnt - als "gewerberechtliche Geschäftsführerin" unter Bezugnahme auf die jeweils gültigen Kanalgebührenordnungen der mitbeteiligten Gemeinde für den Zeitraum vom bis zum zur Zahlung der nicht entrichteten Kanalgebühren in der Höhe von EUR 17.123,51 verpflichtet.
Die Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde vom , gültig ab , nennt in ihrem § 8 den Gebührenschuldner:
"Zur Entrichtung der Gebühren sind jeweils die Eigentümer der anschlusspflichtigen bzw. angeschlossenen Liegenschaften verpflichtet. Mehrere Miteigentümer haften zur ungeteilten Hand."
Die Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde vom , gültig ab , bestimmt in ihrem § 8 hinsichtlich des Gebührenschuldners wie folgt:
"Zur Entrichtung der Gebühren sind jeweils die Eigentümer der anschlusspflichtigen bzw. angeschlossenen Liegenschaften bzw. jene Personen, denen auf einem Grundstück ein Baurecht eingeräumt wurde, verpflichtet. Mehrere Miteigentümer haften zur ungeteilten Hand.
Für die Kanalgebühren samt Nebengebühren haftet auf dem angeschlossenen Grundstück ein gesetzliches Pfandrecht."
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid bereits zutreffend erkannt, dass nach den Bestimmungen der hier in Betracht kommenden Kanalgebührenordnungen eine Inanspruchnahme der Zweitbeschwerdeführerin als "gewerberechtliche Geschäftsführerin" nicht in Betracht kommt. Die belangte Behörde hat demzufolge auch festgestellt, dass die Zweitbeschwerdeführerin im hier gegenständlichen Abgabenbemessungszeitraum Miteigentümerin der Liegenschaft war, auf dem sich der Hotelbetrieb befand. Der Verwaltungsgerichtshof vermag jedoch der Ansicht der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht beizutreten, wonach die Verpflichtung als "gewerberechtliche Geschäftsführerin" auf Grund der Eigenschaft der Zweitbeschwerdeführerin als Miteigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft "mit den im gegenständlichen Verfahren heranzuziehenden Kanalgebührenordnungen der Gemeinde … im Einklang" stehe. Abgesehen davon, dass bei der Inanspruchnahme eines von mehreren Gesamtschuldnern (wie hier bei dem festgestellten Miteigentum an der Liegenschaft) die Ausübung des Ermessens hinsichtlich der Inanspruchnahme nur eines von ihnen entsprechend zu begründen ist (vgl. nur das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/17/0355) und eine solche Begründung im Beschwerdefall nicht ersichtlich ist, entspricht die Heranziehung eines "gewerberechtlichen Geschäftsführers" gerade nicht den genannten Rechtsgrundlagen. Entgegen der von der belangten Behörde offenbar vertretenen Ansicht handelt es sich dabei auch nicht um ein "Vergreifen im Ausdruck", gingen doch die Abgabenbehörden auch in der Begründung ihrer Bescheide von einer Inanspruchnahme der Zweitbeschwerdeführerin als "gewerberechtliche Geschäftsführerin" ohne Hinweis auf ihre (Mit)Eigentümerstellung aus.
Da die belangte Behörde dies nicht aufgegriffen hat, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am