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VwGH vom 10.10.2011, 2011/17/0240

VwGH vom 10.10.2011, 2011/17/0240

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2012/17/0016 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der H W AG in L, vertreten durch Summer, Schertler, Stieger, Kaufmann und Droop, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom , Zl. IIIa-221.193, betreffend Kanalanschlussbeitrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Lauterach in 6923 Lauterach), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr in Kopie vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender unbestrittener Sachverhalt:

Auf einem näher umschriebenen Grundstück im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde befand sich eine Textilfabrik. Die Grundstücksfläche betrug 6.700 m2, wovon 1.310 m2 bebaut waren.

Mit Kaufvertrag vom erwarb die beschwerdeführende Partei 5.249 m2 von der Gesamtfläche des Grundstückes. Ein Wohnhaus mit einer Grundfläche von 300 m2, ein Büro mit Lager (Grundfläche 100 m2) und ein Portierhaus (Grundfläche 64 m2) der ehemaligen Textilfabrik befanden sich auf der nicht veräußerten Fläche.

Am beantragte die beschwerdeführende Partei den vollständigen Abbruch von Bauwerken der Textilfabrik auf der von ihr erworbenen Liegenschaft gemäß einem vorgelegten Abbruchplan.

Auf Grund des Abbruchbescheides vom trug die beschwerdeführende Partei die Bauwerke der Textilfabrik, die auf dem von ihr erworbenen Grundstück standen, gemäß dem von ihr vorgelegten Abbruchplan vollständig ab. In der Folge errichtete die beschwerdeführende Partei auf dem ihr gehörigen Grundstück eine Wohnanlage mit 55 Wohneinheiten (Haus eins mit 30 Einheiten, Haus zwei mit neun Einheiten, Haus drei mit acht Einheiten und Haus vier mit acht Einheiten) samt Tiefgarage.

Mit rechtskräftigem Kanalanschlussbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde der beschwerdeführenden Partei aufgetragen, sämtliche Abwässer der Neubauten direkt über näher bezeichnete Sammelkanäle unter bestimmten Auflagen in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage einzuleiten; der Anschluss sei bei Baubeginn des Bauvorhabens durchzuführen.

Mit dem erstinstanzlichen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde der beschwerdeführenden Partei auf Grundlage des Kanalanschlussbescheides der Kanalanschlussbeitrag unter Zugrundelegung einer Geschoßfläche von 1.926,59 m2 unter Anwendung des Beitragssatzes von EUR 21,80 mit insgesamt EUR 46.199,62 brutto vorgeschrieben.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung erklärte die beschwerdeführende Partei, die erstinstanzliche Entscheidung insoweit anzufechten, als Flächen nicht berücksichtigt worden seien, für die bereits Kanalisationsbeiträge geleistet worden seien.

Die Berufungsbehörde bestätigte mit Bescheid vom die erstinstanzliche Vorschreibung des Kanalanschlussbeitrages in voller Höhe; die Errichtung einer Wohnanlage mit 55 Wohneinheiten anstelle einer Textilfabrik sei kein Wiederaufbau, sondern ein Neubau, weshalb die Anrechnungsregel des § 15 Abs. 3 des (Vorarlberger) Gesetzes über öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen, LGBl. Nr. 5/1989 (in der Folge: Vorarlberger KanalisationsG), nicht anzuwenden sei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung der beschwerdeführenden Partei keine Folge.

Unter Zugrundelegung des dargestellten unbestrittenen Sachverhaltes ging die belangte Behörde rechtlich davon aus, dass das Kanalisationsgesetz den Begriff "Wiederaufbau" nicht umschreibe. Da auch das Vorarlberger Baugesetz eine nähere Definition dieses Begriffes nicht kenne, sei zur Auslegung der allgemeine Sprachgebrauch heranzuziehen. Dabei gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass der Begriff "Wiederaufbau" dem Wortsinn nach die Wiedererrichtung eines bereits bestandenen Gebäudes bedeute, wobei das neu errichtete Gebäude zumindest weitgehend dem bereits bestandenen ähnlich zu sein habe. Im Kanalisationsgesetz finde sich kein Hinweis, dass der Gesetzgeber diesen Begriff in einer Bedeutung verwendet habe, die von der Bedeutung abweiche, die dem allgemeinen Sprachgebrauch entspreche.

Demzufolge sei im Beschwerdefall zu bedenken, dass die bebaute Grundfläche des Neubaus 1.900 m2 gegenüber einem Altbestand von 1.310 m2 betrage. Berücksichtige man dabei, dass das Wohnhaus, das Büro mit Lager und das Portierhaus nicht abgebrochen worden seien, und sich nunmehr auf einem anderen Grundstück befänden, so ergebe sich, dass anstelle der Bauwerke mit einer bebauten Grundfläche von insgesamt 846 m2 eine Wohnanlage mit einer bebauten Grundfläche von 1.900 m2 errichtet worden sei. Dies bedeute eine Erweiterung der bebauten Grundfläche um 125 %. Schon daraus folge, dass durch den Neubau nicht etwas vorher bereits Vorhandenes wieder hergestellt worden sei, sondern dass ein vollständig anderes Bauwerk erstmals neu errichtet und an den Kanal angeschlossen worden sei.

Da somit kein Wiederaufbau im Sinne der Bestimmung des § 16 Vorarlberger KanalisationsG vorliege, seien die Abgabenbehörden nicht verpflichtet gewesen, die Kanalanschlussbeiträge anzurechnen, die für die abgebrochenen Bauwerke bereits entrichtet worden seien.

Die beschwerdeführende Partei bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Strittig ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren weder der oben dargestellte Sachverhalt (die beschwerdeführende Partei rügt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften auch nur die - der rechtlichen Beurteilung zuzurechnende - Unterlassung von ihrem Rechtsstandpunkt Rechnung tragenden Feststellungen) noch die Berechnungsgrundlage und die Höhe des von den Abgabenbehörden ermittelten Kanalanschlussbeitrages, unter Zugrundelegung der von diesen vertretenen Rechtsansicht. Strittig ist allein die Frage der Anrechnung eines für das abgerissene Gebäude entrichteten Kanalanschlussbeitrages auf die nunmehrige Vorschreibung.

Nach § 16 des Vorarlberger KanalisationsG sind beim Wiederaufbau von abgebrochenen oder zerstörten Bauwerken geleistete Kanalisationsbeiträge verhältnismäßig anzurechnen. Die Bestimmungen des § 15 Abs. 3 leg. cit. gelten sinngemäß.

§ 15 leg. cit. regelt den Ergänzungsbeitrag und lautet wie folgt:

"(1) Wenn sich die Bewertungseinheit für die Bemessung des Anschlussbeitrages wesentlich ändert, kann ein Ergänzungsbeitrag zum Anschlussbeitrag erhoben werden.

(2) Die erstmalige Umwidmung einer Wohnung in eine Ferienwohnung stellt jedenfalls eine wesentliche Änderung der Bewertungseinheit im Sinne des Abs. 1 dar.

(3) Die Höhe des Ergänzungsbeitrages errechnet sich aus dem Unterschiedsbetrag zwischen dem neuen und dem bereits geleisteten Anschlussbeitrag, wobei der bereits geleistete Anschlussbeitrag unter Anwendung des geltenden Beitragssatzes rechnerisch neu festzusetzen ist.

(4) Der Abgabenanspruch entsteht mit der Vollendung des Vorhabens, das eine wesentliche Änderung nach Abs. 1 bewirkt."

Der in § 15 Abs. 1 Vorarlberger Kanalisationsgesetz angesprochene Begriff der "Bewertungseinheit" setzt sich gemäß § 14 Abs. 2 leg. cit. aus 27 v.H. der Geschoßfläche von Gebäuden oder der Grundfläche sonstiger Bauwerke (lit. a), 20 vH der bebauten Fläche (lit. b) und 10 vH der angeschlossenen befestigten Fläche (lit. c) zusammen.

Die beschwerdeführende Partei argumentiert gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof dahingehend, dass der Hinweis auf § 15 Abs. 3 des Vorarlberger Kanalisationsgesetzes im zweiten Satz des § 16 leg. cit. bedeute, dass hier eine "Differenzmethode" angewendet werden müsse.

Die belangte Behörde hat dementgegen bereits das Vorliegen eines "Wiederaufbaues" im Sinne des § 16 leg. cit. überhaupt (und daher auch eine etwaige Anrechnung) verneint. Zutreffend ist die belangte Behörde dabei - mangels einer eigenen Definition des Begriffes "Wiederaufbau" im Vorarlberger Kanalisationsgesetz - bei der Interpretation vom Wortsinn im allgemeinen Sprachgebrauch ausgegangen. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang auch zutreffend auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0251, verwiesen, in dem der Verwaltungsgerichtshof (zum Tiroler Baurecht) ausgeführt hat wie folgt:

"Der Begriff 'Wiederaufbau' bedeutet dem Wortsinn nach die Wiedererrichtung des bestandenen Gebäudes. Daraus ist zwar nicht abzuleiten, dass das an Stelle des alten Gebäudes wiederaufgebaute Gebäude eine ganz exakte Kopie des früheren zu sein hat, doch ist dem Begriff 'Wiederaufbau' immanent, dass es weitgehend ähnlich zu sein hat."

Folgt man auch für das hier auszulegende Vorarlberger Kanalisationsgesetz diesem allgemeinen Verständnis (so hat etwa der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0046 den vergleichbaren Begriff der "Wiedererrichtung" dahin verstanden, dass es sich dabei um die neuerliche Errichtung einer bereits vorher bestandenen Anlage handeln müsse, und zwar im Wesentlichen an derselben Stelle, im gleichen Ausmaß und in der gleichen Ausführung), kann der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, die Errichtung einer Wohnanlage mit 55 Wohneinheiten sei nicht als "Wiederaufbau" nach dem Abbruch der Baulichkeiten einer Textilfabrik anzusehen, nicht als rechtswidrig beurteilen.

Soweit die beschwerdeführende Partei aus der Anrechnungsregel des § 15 Abs. 3 Vorarlberger KanalisationsG etwas Anderes gewinnen will, kann dem der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Dem Gesetzgeber ist nämlich durchaus zuzumuten, dass er im oben dargelegten allgemeinen Verständnis des Begriffes "Wiederaufbau" davon ausgegangen ist, dass auf diese Art Abweichungen gegenüber dem wiederaufgebauten Gebäude Rechnung getragen werden kann; dass der Gesetzgeber damit aber die Anrechnung bereits geleisteter Kanalisationsbeiträge auch für den Fall der Neuerrichtung ihrer Art nach gänzlich anderer Bauwerke anordnen wollte, kann der erwähnten Verweisung nicht entnommen werden.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-91063