VwGH vom 24.03.2011, 2007/07/0158

VwGH vom 24.03.2011, 2007/07/0158

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des Bundesamtes für Ernährungssicherheit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 303.6-3/2007-20, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 (mitbeteiligte Partei: H N in A, vertreten durch Dr. Hannes K. Müller, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 18; weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom wegen Übertretung des § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a (der Sache nach: iVm § 3 Abs. 1) des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 (PMG) bestraft und es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Tagen) verhängt.

Dem Mitbeteiligten wurde zur Last gelegt, er habe "am als Geschäftsführer und demnach gemäß § 9 VStG

Verantwortlicher des Betriebes S-GmbH. in A, ein Pflanzenschutzmittel, nämlich 1200 Kartons, 15.600 kg, Wirkstoff Dicamba 480 g/l, durch Import aus einem Drittland (von der Firma S-Chem China) in Verkehr gebracht, obwohl es nicht in Österreich zugelassen gewesen war."

Davor war der Mitbeteiligte mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom zur Rechtfertigung aufgefordert worden, wobei die Tatanlastung wörtlich dem zitierten Spruch des Straferkenntnisses entsprach.

Der gegen das genannte Straferkenntnis erhobenen Berufung des Mitbeteiligten gab der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (die belangte Behörde) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Bescheid vom Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ein.

Die belangte Behörde stellte - zusammengefasst - fest, bei einer am im Betrieb der S-GmbH durchgeführten Kontrolle durch das Bundesamt für Ernährungssicherheit sei die von einer näher bezeichneten Spedition mit Sitz in Hamburg an die S-GmbH ausgestellte Rechnung Nr. 2200151/ vorgefunden worden. Auf dieser Rechnung sei ausgewiesen, dass die S-GmbH als Empfängerin von der Firma S-Chem in China als Absenderin ein Pflanzenschutzmittel (1200 Kartons, 15.600 kg, Wirkstoff Dicamba 480 g/l) bezogen habe. Als Verladehafen sei Shanghai, als Löschhafen Hamburg angeführt. Aus dieser Rechnung sei als Abfahrtstag der , als erwarteter Ankunftstermin ("e.t.a.") der erkennbar. Weiters sei bei dieser Kontrolle eine vom datierende Rechnung des genannten chinesischen Unternehmens an die S-GmbH über den Betrag von USD 144.000,-- vorgefunden worden.

Nach den Angaben des Mitbeteiligten in der Berufungsverhandlung sei Ende 2004/Anfang 2005 ein näher genanntes belgisches Unternehmen an die S-GmbH mit der Frage herangetreten, ob sie die Chemikalie Dicamba 480 SL organisieren könne. Nach entsprechenden Recherchen habe die S-GmbH dann von der chinesischen Firma S-Chem ein entsprechendes Angebot erhalten und sodann ihrerseits dem belgischen Kunden ein Angebot erstellt, das akzeptiert worden sei. Der Mitbeteiligte habe sodann 12.000 l des Mittels "Dicamba 480 SL" bei der Firma S-Chem bestellt, und zwar "mit Lieferung frei Haus". Die Ware sei dann "glaublich" im Mai 2005 am Sitz der S-GmbH in A. eingelangt, wo sie bis zum Weiterverkauf an das belgische Unternehmen im Sommer 2005 gelagert worden sei.

Im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe (u.a.) der Bestimmung des § 44a Z 1 VStG aus, im gegenständlichen Fall sei dem Mitbeteiligten zur Last gelegt worden, er habe das genannte Pflanzenschutzmittel " durch Import aus einem Drittland am " in Verkehr gebracht, obwohl es nicht in Österreich zugelassen gewesen sei. Nach den Ermittlungsergebnissen sei jedoch der jener Tag, an dem das Schiff den Ladehafen Shanghai verlassen habe, also der Abfahrtstag. Dass der österreichische Zoll zu diesem Zeitpunkt schon Einfluss auf das Schiff gehabt habe, sei auszuschließen. Im Straferkenntnis sei nur allgemein ausgeführt worden, dass das Pflanzenschutzmittel nach Österreich importiert worden sei, ohne einen näheren österreichischen Bezugsort nach dem Grenzeintritt, beispielsweise das zuständige Zollamt, zu nennen. Die Tat sei aber noch nicht begangen, solange die Ware die Zollstelle noch nicht erreicht habe. Im gegenständlichen Fall sei davon auszugehen, dass die Ware erst etliche Wochen nach der Verschiffung in Hamburg eingetroffen und dort zollamtlich behandelt worden sei. Danach sei das Produkt von einer Spedition nach Österreich gebracht und laut den vom Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen am geliefert worden.

Daraus folgerte die belangte Behörde zusammenfassend, der Import des Produktes "Dicamba" aus einem Drittland sei jedenfalls nicht am , sondern zu einem unbestimmten, offensichtlich wesentlich späteren Zeitpunkt erfolgt. Weiters sei dem Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses kein mit dem Grenzübertritt zusammenhängender österreichischer Tatort zu entnehmen. Somit sei davon auszugehen, dass der in Rede stehende, dem Mitbeteiligten vorgehaltene Import tatzeitlich und tatörtlich nicht ausreichend und unverwechselbar konkretisiert worden sei. Im Hinblick darauf, dass eine Sanierung dieses Mangels durch die erkennende Behörde auf Grund der Bestimmungen der §§ 31 und 32 VStG nicht mehr möglich sei, sei das Strafverfahren zufolge Vorliegens von Umständen, die die Verfolgung ausschließen, gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Bundesamtes für Ernährungssicherheit, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und den Mitbeteiligten erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerdelegitimation des Bundesamtes für Ernährungssicherheit, die sich aus § 34 Abs. 4 PMG in der am in Kraft getretenen, durch das Agrarrechtsänderungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 55, novellierten Fassung ergibt, nicht in Frage gestellt wird. Dazu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom , Zl. 2008/07/0027, verwiesen werden.

Nach § 3 Abs. 1 PMG dürfen nur die Pflanzenschutzmittel, die nach dem PMG zugelassen sind, in Verkehr gebracht werden. Daran anknüpfend ordnet die Strafbestimmung des § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a PMG an, dass eine Verwaltungsübertretung begeht und von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 14.530,-- EUR, im Wiederholungsfall bis zu 29.070,-- EUR, zu bestrafen ist, wer Pflanzenschutzmittel (u.a.) entgegen § 3 Abs. 1 PMG in Verkehr bringt. Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 10 PMG ist unter "Inverkehrbringen" (u.a.) die Einfuhr aus Drittländern zu verstehen.

Im gegenständlichen Fall wurde dem Mitbeteiligten, dessen Stellung als strafrechtlich Verantwortlicher der S-GmbH iSd § 9 Abs. 1 VStG unstrittig ist, zum Vorwurf gemacht, entgegen § 3 Abs. 1 PMG ein bestimmtes, nach dem PMG nicht zugelassenes Pflanzenschutzmittel "durch Import aus einem Drittland" in Verkehr gesetzt und damit den Straftatbestand des § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a PMG verwirklicht zu haben. Sowohl in der ersten Aufforderung zur Rechtfertigung mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft L vom als auch im Straferkenntnis vom erfolgte die Umschreibung der Tatzeit mit ""; als Tatort war der Sitz der S-GmbH angeführt. Daraus folgerte die belangte Behörde, im Hinblick auf die (durch die belangte Behörde nicht berichtigungsfähige) falsche Tatzeitnennung und Tatortangabe sei Verfolgungsverjährung - deren Frist beträgt nach § 34 Abs. 2 PMG ein Jahr - eingetreten und daher das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen.

Dem kann - wie die Amtsbeschwerde zu Recht geltend macht - nicht gefolgt werden:

Nach der zuletzt genannten Bestimmung hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Das ist gemäß § 31 Abs. 1 VStG dann der Fall, wenn gegen eine Person binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3 VStG) vorgenommen worden ist. Eine derartige Verfolgungshandlung muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben; das erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente beziehen muss. Dazu zählt grundsätzlich auch die Nennung des Tatortes und der Tatzeit. Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch des Strafbescheides, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Zur Umschreibung der "als erwiesen angenommenen Tat" gehört unter anderem auch die Angabe des Tatortes und der Tatzeit.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG - unter Rechtsschutzüberlegungen - dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z 1 VStG genügt oder nicht genügt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein.

Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt oder nicht. Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren. Ausnahmen von dem erwähnten Grundsatz, wonach eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG unter anderem die Nennung des richtigen Tatortes und der Tatzeit voraussetzt, kommen unter Rechtsschutzgesichtspunkten dann in Betracht, wenn im Zweifel der Sitz des Unternehmens als Tatort anzusehen ist und mit Rücksicht auf die sonst angeführten Sachverhaltselemente kein Zweifel übrig bleibt, auf welchen konkreten Tatvorwurf abgestellt wird (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/07/0067, mwN; siehe in diesem Sinn auch zuletzt, ebenfalls Tatanlastungen nach dem PMG betreffend, das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2008/07/0209, 0210).

Entgegen der Meinung der belangten Behörde besteht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall kein Zweifel, dass die im erstinstanzlichen Straferkenntnis dem Mitbeteiligten zur Last gelegte Tat so ausreichend konkret umschrieben ist, dass er in die Lage versetzt war, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, und dass er davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens noch einmal zu Verantwortung gezogen zu werden. Aus dem Spruch ergibt sich nämlich in eindeutiger Weise, dass das dem Mitbeteiligten als Geschäftsführer der S-GmbH iSd § 9 Abs. 1 VStG zur Last gelegte, dem § 3 Abs. 1 PMG widersprechende Inverkehrbringen von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittel gemeint ist, das durch den Import (die Einfuhr) der genannten Menge des Mittels "Dicamba 480g/l" von China nach Österreich verwirklicht wurde, wobei die Tat auch durch die nähere Bezeichnung des als Absender fungierenden chinesischen Unternehmens und der Empfängerin weiter individualisiert und eine zeitliche Einordnung im Frühjahr 2005 ermöglicht wurde. Dass als Tatzeit der Tag der Verschiffung der Ladung in Shanghai und nicht - wie die belangte Behörde meint - der Tag des Erreichens der Zollstelle angeführt wurde, vermag an der ausreichenden Tatumschreibung nichts zu ändern. Gleiches gilt am Maßstab der dargestellten Judikatur für die Nennung des Sitzes der S-GmbH in A. als Tatort, wobei es keiner weiteren Erörterung der Auffassung der belangten Behörde bedarf, ob es der Nennung eines "mit dem Grenzübertritt zusammenhängenden österreichischen Tatortes" bedurft hätte (vgl. zur Tathandlung der unzulässigen Einfuhr, dort nach dem Artenhandelsgesetz, das Erkenntnis vom , Zl. 2008/07/0215). Das Gesagte trifft sinngemäß auch auf die Aufforderung zur Rechtfertigung vom zu.

Der Mitbeteiligte äußerte im Verfahren vor den Verwaltungsstrafbehörden auch keine Zweifel, dass er genaue Kenntnis davon habe, weswegen er beschuldigt wurde und nahm auch inhaltlich zum konkreten Tatvorwurf insbesondere dahin Stellung, dass es sich beim gegenständlichen Präparat nicht um ein Pflanzenschutzmittel, sondern um eine Chemikalie handle. Er legte zum Beweis für sein Vorbringen auch Urkunden vor und schilderte weitgehend in Übereinstimmung mit deren Inhalt die Anbahnung des Geschäftes, den Ablauf des Imports und den Weiterverkauf an das bestellende belgische Unternehmen unter entsprechender zeitlicher Einordnung. Auch in der Gegenschrift des Mitbeteiligten wird nicht dargetan, dass die inkriminierte Einfuhr mit einer gleichartigen Tathandlung verwechselbar wäre oder dass die Gefahr bestehe, wegen derselben Tat noch einmal zur Verantwortung gezogen zu werden.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Umschreibung der dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Straftat - sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom als auch im Straferkenntnis vom - in genügend eindeutiger Weise erfolgte, sodass entgegen der Auffassung der belangten Behörde keine Verfolgungsverjährung eingetreten ist und sich die auf § 45 Abs. 1 Z 3 VStG gegründete Verfahrenseinstellung als rechtswidrig erweist.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am24. März 2011