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VwGH vom 24.03.2015, Ro 2014/09/0057

VwGH vom 24.03.2015, Ro 2014/09/0057

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Revision der Regionalen Geschäftsstelle Schwaz des Arbeitsmarktservice in 6130 Schwaz, Postgasse 1/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. I402 2002120-1/11E, betreffend Ausstellung eines Befreiungsscheines (mitbeteiligte Partei: HU, vertreten durch Mag. Dr. Maria Lisa Doll-Aidin, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Rudolfskai 54), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Das Arbeitsmarktservice hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am bei der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht einen Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 15 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG).

Mit Bescheid der revisionswerbenden belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vom wurde der Antrag vom gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG als unbegründet abgewiesen und dies damit begründet, dass der Mitbeteiligte nicht rechtmäßig nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) in Österreich niedergelassen sei.

Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Die Zuständigkeit zur Weiterführung des mit Ablauf des bei der Landesgeschäftsstelle Tirol des Arbeitsmarktservice anhängigen Verfahrens ging gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 8 B-VG auf das Bundesverwaltungsgericht über.

Das Bundesverwaltungsgericht gab der Berufung Folge und erkannte in Abänderung des bei ihm angefochtenen Bescheides nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, dass dem Mitbeteiligten gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2004 ein auf fünf Jahre befristeter Befreiungsschein erteilt werde. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Revision gegen diese Entscheidung für zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Der (Mitbeteiligte) ist türkischer Staatsangehöriger. Er war in den vergangenen acht Jahren (gerechnet seit Antragstellung, aber auch gerechnet seit dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts) mehr als fünf Jahre lang aufgrund von Beschäftigungsbewilligungen mit Tätigkeiten, die dem Geltungsbereich des AuslBG unterliegen, erlaubt in Österreich beschäftigt und dabei als 'visumpflichtiger Saisonnier' auf Grund von Visa zu Erwerbszwecken im Sinne der § 24 iVm. §§ 20 und 21 FPG 2005 in Österreich aufhältig.

Diese Beschäftigungszeiten stellen sich wie folgt dar:

- , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - , - laufend

Der (Mitbeteiligte) verfügt derzeit über keinen Rechtstitel für eine Niederlassung oder einen Aufenthalt in Österreich. Die Ausführungen zur Schilderung des Verfahrensgangs werden als Sachverhalt festgestellt. Dass der (Mitbeteiligte) in der Vergangenheit (zumal in letzter Zeit) ein Verhalten gesetzt hätte, das ihm als Verstoß gegen fremden- und aufenthaltsrechtliche Vorschriften oder gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz anzulasten wäre, kann nicht festgestellt werden."

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das belangte Verwaltungsgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt in der Sache wie folgt:

"3.5. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ein Antrag auf Erteilung eines Befreiungsscheins gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG. Da der Gesetzgeber diese Rechtsvorschrift im Laufe der Zeit mehrfach abgeändert hat und sie am außer Kraft gesetzt hat, ist es zur Beurteilung der Auswirkungen dieser Rechtsänderungen für den Beschwerdefall erforderlich, die Entwicklung dieser Gesetzesbestimmung näher darzustellen.

Die (innerstaatliche) Rechtslage nach dem AuslBG und ihre Entwicklung werden sodann im Lichte der unionsrechtlichen Vorschriften des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei, des dazu abgeschlossenen Zusatzprotokolls sowie des ARB 1/80 zu würdigen sein. Die Relevanz der Darstellung der historischen Entwicklung der innerstaatlichen Rechtslage ist gegeben, weil es den Mitgliedstaaten durch die in Art. 13 ARB 1/80 festgelegte 'Stillhalteklausel' untersagt ist, für türkische 'Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in

ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, ... neue Beschränkungen

der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einzuführen'. Erst auf Grundlage dieser Würdigung (der Entwicklung) des innerstaatlichen AuslBG seit dem EU-Beitritt kann festgestellt werden, welche Teile der innerstaatlichen Rechtslage in unionsrechtskonformer Weise auf den Beschwerdefall angewendet werden dürfen (bzw. müssen). Dabei wird freilich vorweg die Frage zu klären sein, ob und inwiefern sich der (Mitbeteiligte) auf die betreffenden unionsrechtlichen Vorschriften (wie insbesondere die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80) berufen und aus ihnen Rechtsansprüche ableiten kann.

3.5.1. Der (Mitbeteiligte) ist türkischer Staatsangehöriger. Nach dem innerstaatlichen Recht (hier: dem AuslBG) kamen für türkische Staatsangehörige im Zeitpunkt der Antragstellung zwei Varianten der Erwirkung eines Befreiungsscheins in Betracht. Die beiden Varianten des Befreiungsscheins unterscheiden sich sowohl in ihren Rechtswirkungen als auch in ihren Voraussetzungen wesentlich voneinander (der Verwaltungsgerichtshof spricht von 'gänzlich anderen Voraussetzungen', vgl. (=VwSlg. 15.834 A/2002)).

3.5.1.1. Zum Einen bestand - bislang - die Möglichkeit, einen Befreiungsschein nach der allgemeinen Regelung des § 15 Abs. 1 AuslBG zu beantragen. Diese allgemeinere Art des Befreiungsscheins bezeichnete das erwähnte, im Verwaltungsakt befindliche Schreiben - ersichtlich in Abgrenzung zur besonderen Regelung des § 4c AuslBG - verkürzt auch als 'normalen Befreiungsschein'. Der Anwendungsbereich dieser Form des Befreiungsscheins war nicht auf türkische Staatsangehörige beschränkt; türkische Staatsangehörige waren aber von dieser Form des Befreiungsscheins auch nicht ausgeschlossen (vgl. auch § 4c Abs. 3 letzter Satz AuslBG). Ein Befreiungsschein nach § 15 AuslBG wirkte ausschließlich konstitutiv (dh. erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung des entsprechenden Bescheides oder - gegebenenfalls - eines im Bescheid abweichend festgelegten Datums). Die Anspruchsvoraussetzungen waren abschließend im AuslBG geregelt:

Danach hatte der Antragsteller nachzuweisen, dass er in Summe während einer Dauer von fünf Jahren innerhalb der letzten acht Jahre erlaubt beschäftigt war. Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen war der Befreiungsschein nach § 15 AuslBG befristet für 5 Jahre auszustellen (§ 15 Abs. 5 AuslBG). Bis 2006 waren die Anspruchsvoraussetzungen vom fremden- und aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers unabhängig; es war daher nicht erforderlich nachzuweisen, dass der Antragsteller zum Aufenthalt oder zur Niederlassung in Österreich berechtigt war und der Befreiungsschein konnte somit unabhängig von und damit zB auch zeitlich vor der Ausstellung einer (neuerlichen) Berechtigung des Arbeitnehmers zur Einreise und zum Aufenthalt erteilt werden. Mit Wirkung vom legte der Gesetzgeber jedoch als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung für einen Befreiungsschein nach § 15 AuslBG (in Abs. 1 Z 1 leg.cit.) das Erfordernis fest, dass der Antragsteller 'rechtmäßig niedergelassen ist' (Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 101/2005).

3.5.1.2. Zum Anderen bestand nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Antragstellung (und besteht auch heute nach wie vor) die - ausschließlich für türkische Staatsangehörige vorgesehene - Regelung des § 4c AuslBG, deren Absatz 2 einen Anspruch auf Ausstellung eines Befreiungsscheins vorsieht, wenn der Antragsteller 'die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllt'. Im Unterschied zu § 15 AuslBG resultieren die Anspruchsvoraussetzungen für diese Art von Befreiungsschein daher nicht aus den autonom vom innerstaatlichen Gesetzgeber geschaffenen Anspruchsgrundlagen des AuslBG, sondern unmittelbar aus den in § 4c AuslBG verwiesenen unionsrechtlichen Vorschriften der Art. 6 und 7 ARB 1/80. Die Rechtswirkungen eines solchen Befreiungsscheins im Sinne von § 4c AuslBG iVm. Art. 6 bzw. 7 ARB 1/80 sind dergestalt, dass die Berechtigung zur Arbeit und zum Aufenthalt nicht erst konstitutiv ab Erlassung des jeweiligen Bescheides entsteht: Der Anspruch entsteht also - im Unterschied zum Befreiungsschein nach § 15 AuslBG - bereits unmittelbar aufgrund des ARB 1/80 und ein diesbezüglicher Bescheid hat nur Beweisfunktion und rein deklaratorische Wirkung (vgl. VwGH

, 2000/09/0212 (=VwSlg. 15.834 A/2002);

2001/09/0058 (=VwSlg. 16.478 A/2004);

2006/09/0032; ). Weitere Unterschiede bestehen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen: Während die Ansprüche nach Art. 6 und 7 ARB 1/80 im Wesentlichen nur dann entstehen, wenn der türkische Arbeitnehmer gewisse Anwartschaftszeiten ohne Unterbrechungen aufweisen kann, war ein Befreiungsschein nach § 15 Abs. 1 AuslBG zwingend zu erteilen, sobald der Antragsteller nachweisen konnte, dass er innerhalb der vorangehenden acht Jahre in Summe 5 Jahre in legaler Beschäftigung im Inland verbracht hat, ohne dass relevant wäre, von welcher Dauer und Qualität allfällige Unterbrechungen der Arbeitsaufenthalte während dieses achtjährigen Zeitraums waren.

3.5.2. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist zu bemerken, dass der das Verfahren vor der belangten Behörde einleitende Antrag des Beschwerdeführers ausdrücklich auf die Ausstellung eines Befreiungsscheins gemäß § 15 Abs. 1 AuslBG gerichtet war, während die im Antragsformular enthaltene Rubrik betreffend § 4c leg.cit. freigelassen wurde. Der Antrag wurde im angefochtenen Bescheid auch als Antrag gemäß § 15 AuslBG interpretiert, ohne dass dies in der Berufung (nunmehr: Beschwerde) als unzutreffend gerügt worden wäre. Es ist daher unrichtig, wenn der Beschwerdeführer erstmals in seiner an das Bundesverwaltungsgericht gerichteten Stellungnahme vom den Satz äußert 'Selbstverständlich wurde der Antrag sowohl als auch gestützt', sofern damit gemeint sein sollte, dass der Beschwerdeführer bereits im Verfahren vor der belangten Behörde sowohl einen Antrag gemäß § 15 AuslBG als auch einen Antrag gemäß § 4c leg.cit. gestellt habe. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass in diesem Vorbringen des Beschwerdeführers auch keine (zulässige) Antragsänderung in dem Sinn erblickt werden kann, dass der Beschwerdeführer von seinem Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheins gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG im Stadium des Beschwerdeverfahrens nunmehr abrücken und den Prozessgegenstand dahingehend modifizieren möchte, dass nunmehr ausschließlich oder zusätzlich ein Befreiungsschein nach § 4c AuslBG Gegenstand des Verfahrens sein soll. Eine Antragserweiterung oder -änderung in diesem Sinne wäre allenfalls im Verfahren vor der belangten Behörde zulässig gewesen, ist im Stadium des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aber nicht mehr zulässig (vgl. zB die - insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren - Erkenntnisse ; ; , Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014) § 13 Rz 47 mit weiteren Judikaturnachweisen und dem Hinweis, dass 'die 'Sache' des unterinstanzlichen Verfahrens (durch die Rechtsmittelbehörde) jedenfalls durch Antragsänderungen verlassen (wird), welche die Anwendbarkeit einer anderen Norm zur Folge haben'.).

3.5.3. Verfahrensgegenstand ist daher ausschließlich die Frage, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf einen Befreiungsschein nach § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG hat.

Daran ändert auch der - im Folgenden noch näher zu erörternde - Umstand nichts, dass der Gesetzgeber die Rechtsgrundlage für einen Befreiungsschein nach § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG mit Wirkung vom außer Kraft gesetzt hat (BGBl. I Nr. 72/2013).

3.6.1. Art. 13 und 14 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom über die Entwicklung der Assoziation (kurz: ARB 1/80) sind Teil des Kapitels II, Abschnitt 1, des ARB 1/80 und haben forlgenden Wortlaut:

'Artikel 13.

Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.

Artikel 14.

(1) Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.

(2) Er berührt nicht die Rechte und Pflichten, die sich aus den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder zweiseitigen Abkommen zwischen der Türkei und den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ergeben, soweit sie für ihre Staatsangehörigen keine günstigere Regelung vorsehen.'

3.6.2. Bei Art. 13 ARB 1/80 handelt es sich um eine sogenannte Stillhalteklausel. Sie hat nach der Rechtsprechung des EuGH unmittelbare Wirkung und bewirkt, dass sich der Einzelne (sei es als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber) gegenüber einem Mitgliedstaat unmittelbar auf die Unterlassungspflicht nach der Stillhalteklausel berufen kann. Stillhalteklauseln (wie jene nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei) wirken verfahrensrechtlich, indem sie in zeitlicher Hinsicht festlegen, nach welchen Bestimmungen eines Mitgliedstaates die Situation eines türkischen Staatsangehörigen zu beurteilen ist. Es muss daher beurteilt werden, wie die Rechtslage zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Stillhalteklausel im jeweiligen Mitgliedstaat ausgestaltet war. In der Rechtssache Toprak hat der EuGH entschieden, dass einmal gewährte Rechte durch spätere Änderungen der Rechtslage nicht mehr zurückgenommen werden dürfen. Türkische Staatsangehörige dürfen in einem Mitgliedstaat keinen strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen werden, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Stillhalteklausel im betreffenden Mitgliedstaat gelten ( Toprak und Oguz, C-300/09 und C-301/09). Der Unterlassungsanspruch auf Grund der Stilhalteklausel erfasst nicht nur gesetzliche Regelungen, sondern auch die Verwaltungspraxis. Geschützt sind auch verfahrensrechtliche Vorschriften wie zB jene über die Erlangung eines Aufenthaltstitels etc. (vgl. zu all dem Zeran in Barwig/Beichel-Benedetti/Brinkmann (Hrsg.) Solidarität - Hohenheimer Tage zum Ausländerrecht 2012, 116 ff mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH).

3.7.1. § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG hatte bis 31. 12. Folgenden Wortlaut:

'Befreiungsschein

Voraussetzungen

15. (1) Einem Ausländer ist, sofern er noch keinen Niederlassungsnachweis hat, auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn er

1. während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war ...'

3.7.2. Mit einer kundgemachten Novelle des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (kundgemacht durch BGBl. I Nr. 101/2005) fügte der Gesetzgeber als zusätzliche Anspruchsvoraussetzung für die Erlangung eines Befreiungsscheins die Voraussetzung einer rechtmäßigen Niederlassung hinzu. Nach § 34 Abs. 28 AuslBG trat diese Novelle am in Kraft.

Nach dieser Novellierung hatte § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG folgenden Wortlaut (Hervorhebung durch das Bundesverwaltungsgericht):

15. (1) Einem Ausländer, der noch keinen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat (§ 17), ist auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn er

1. während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war und rechtmäßig niedergelassen ist. ...'

3.7.3. Mit einer am in Kraft getretenen Novelle, BGBl. 1 Nr. 72/2013, wurde das Instrument des Befreiungsscheins gänzlich aus dem AuslBG entfernt. Eine vergleichbare Bewilligung, die auf Grund der gleichen Anspruchsvoraussetzungen (fünf Jahre erlaubte Beschäftigung während der letzten acht Jahre) ausgestellt werden kann, ist im Gesetz nicht mehr vorgesehen.

3.7.4. Gemäß § 3 Abs. 1 und 2 AuslBG darf ein Ausländer von einem Arbeitgeber nur beschäftigt werden, wenn dem Arbeitgeber für diesen eine Beschäftigungsbewilligung (oder einer der anderen in § 3 Abs. 1 leg.cit genannten Rechtstitel) ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer einen Befreiungsschein (oder eine andere in dieser Bestimmung genannte Berechtigung) besitzt. Seit der mit in Kraft getretenen Novelle BGBl. 1 Nr. 72/2013 nimmt § 3 AuslBG nicht mehr auf 'Befreiungsscheine' (als solche) Bezug, sondern nennt nur noch Befreiungsscheine gemäß § 4c AuslBG.

3.8. Für den Beschwerdefall stellt sich daher die Frage, ob die Änderungen der Rechtslage, konkret die durch BGBl. 1 101/2005 vorgenommene 'Verschärfung' der Anspruchsvoraussetzungen für den Befreiungsschein gemäß § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG sowie die gänzliche Abschaffung dieses Rechtsinstruments durch die Novelle BGBl. 1 72/2013, von der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB erfasst sind. Sollte dies der Fall sein, dürften diese Rechtsänderungen im Fall eines türkischen Staatsangehörigen, der sich auf Art. 13 ARB 1/80 berufen kann, nicht angewendet werden und es müsste ihm jene Rechtslage zugute kommen, die vor diesen Rechtsänderungen gegolten hat.

3.9. In Beantwortung der Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts, mit Blick auf Art. 13 ARB 1/80 zur (Entwicklung) der innerstaatlichen Rechtslage Stellung zu nehmen, hat die belangte Behörde vorgebracht, dass '§ 15 AuslBG betreffend die Voraussetzungen auf Erteilung eines Befreiungsscheines mit außer Kraft getreten ist'. Sie gibt damit die Entwicklung der innerstaatlichen Rechtslage richtig wieder, geht jedoch nicht auf die Frage ein, inwiefern der Entfall von § 15 AuslBG (ebenso wie frühere gesetzgeberische Änderungen dieser Bestimmung) in Bezug auf türkische Arbeitnehmer mit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 vereinbar ist.

3.10. Die belangte Behörde setzt sich in ihrer Stellungnahme mit der Frage auseinander, ob der Beschwerdeführer die Anspruchsvoraussetzungen des § 4c AuslBG in Verbindung mit den dafür maßgeblichen Art. 6 und 7 ARB 1/80 erfüllt und verweist insbesondere auf das Erfordernis des Art. 6 ARB 1/80, wonach während der in dieser Bestimmung normierten Zeiträume 'sowohl die Beschäftigung des Arbeitnehmers mit den arbeitserlaubnisrechtlichen, als auch sein Aufenthalt im Einklang mit den nicht nur eine vorübergehende Position sichernden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften des Mitgliedstaates gestanden haben muss'.

3.11. Dazu ist vorweg zu bemerken, dass die Frage, ob der (Mitbeteiligte) die Anspruchsvoraussetzungen des § 4c AuslBG (und damit der Art. 6 und 7 ARB 1/80) erfüllt, nicht Gegenstand des Verfahrens ist, sondern allenfalls Gegenstand eines Verfahrens nach dieser Bestimmung sein könnte. Im vorliegenden Verfahren ist hingegen zu klären, ob der (Mitbeteiligte) die - von § 4c AuslBG (iVm. Art. 6 und 7 ARB 1/80) völlig unterschiedlichen - Anspruchsvoraussetzungen des § 15 AuslBG erfüllt.

Sollte die belangte Behörde mit ihrem Vorbringen gemeint haben, dass sich die Frage nach den Auswirkungen der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 deshalb erübrigt, weil der (Mitbeteiligte) die Voraussetzungen der Art. 6 und 7 ARB 1/80 nicht erfülle, kann ihrer rechtlichen Prämisse nicht vollständig gefolgt werden. Art. 13 ARB 1/80 ist nämlich nicht auf Sachverhalte beschränkt, die die Voraussetzungen der Art. 6 oder 7 ARB 1/80 erfüllen, sondern erstreckt sich auch auf Rechtsvorschriften, die ein Mitgliedstaat - zusätzlich zu seinen ohnehin aus Art. 6 und 7 ARB 1/80 resultierenden Verpflichtungen - in seiner nationalen Rechtsordnung erlassen hat. In diesem Sinne hat der EuGH ausgeführt, dass es 'der Anwendung von Art. 13 (ARB 1/80) ... in keiner Weise entgegen(steht), dass die betreffenden Arbeitnehmer nicht bereits in den Arbeitsmarkt (des betreffenden Mitgliedstaats) integriert sind, also die Voraussetzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 nicht erfüllen' ( Toprak und Oguz, C- 300/09 und C-301/09, Rn 45; vgl. auch ). Der EuGH hat dabei auf seine bisherige Rechtsprechung verwiesen, wonach 'die Stillhalteklausel in Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 nicht dazu dient, die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierten türkischen Staatsangehörigen zu schützen, sondern gerade für die türkischen Staatsangehörigen gelten soll, die noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und entsprechend auf Aufenthalt nach Art. 6 Abs. 1 dieses Beschlusses genießen' (mit Hinweisen auf Abatay u. a., C-317/01 und C-69/01, Sig. 1-12301, Rn 83, und Kommission/Niederlande, C-92/07, Sig. 1-3683, Rn 45).

Daraus folgt auch, dass es für die Anwendbarkeit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 auf den Fall des (Mitbeteiligten) nicht von Belang ist, ob die vom (Mitbeteiligten) in Österreich verbrachten Beschäftigungszeiten ohne Unterbrechungen verlaufen sind bzw. ob er die in Art. 6 und 7 ARB 1/80 festgelegten Zeiträume ohne ungerechtfertigte Unterbrechungen durchgehend in Beschäftigung verbracht hat.

3.12. Auch wenn demnach die Erfüllung der besonderen Anspruchsvoraussetzungen der Art. 6 und 7 ARB 1/80 für die Anwendbarkeit von Art. 13 ARB 1/80 nicht Voraussetzung ist, ist der belangten Behörde darin beizupflichten, dass das Kriterium der 'ordnungsgemäßen Beschäftigung' von Bedeutung ist. Art. 13 ARB 1/80 bezieht sich seinem klaren Wortlaut zufolge nur auf Arbeitnehmer 'deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind'. Die belangte Behörde verneint die Erfüllung des einschlägigen Kriteriums in ihrer Stellungnahme vom mit dem Hinweis darauf, dass der (Mitbeteiligte) ausschließlich als Saisonarbeitskraft im Rahmen von Visa zu Erwerbszwecken gemäß § 24 FPG 2005 tätig gewesen sei.

3.12.1. Ob das Kriterium im Einzelfall erfüllt ist, ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichthofes 'anhand der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates zu prüfen, die die Voraussetzungen regeln, unter denen der türkische Staatsangehörige in das nationale Hoheitsgebiet gelangt ist und dort eine Beschäftigung ausübt' (vgl. , Bozkurt). Die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats voraus (vgl. , Sevince, , Gülbahce, Rn 39 und die dort angeführte Rechtsprechung; Demir, C-225/12. Rn 46).

3.12.2. Verneint wurde eine solche 'gesicherte und nicht nur vorläufige Position' in Fällen innerstaatlicher Erlaubnisse zum vorläufigen Aufenthalt, die rechtlich so ausgestaltet waren, dass sie nur (gleichsam mit einstweiliger Wirkung) bis zur endgültigen Entscheidung über das Aufenthaltsrecht des Betreffenden galten (, Unal, Slg. 1-9045, Rn 47). Verneint wurde eine 'gesicherte und nicht nur vorläufige' Position weiters im Fall eines Aufenthalts während des Zeitraums, in dem eine Klage des Arbeitnehmers gegen eine Entscheidung, durch die ihm eine Aufenthaltserlaubnis verweigert wurde, aufschiebende Wirkung hatte und ihm auf Grund dessen bis zum Ausgang des Rechtsstreits (nur) vorläufig der Aufenthalt und die Ausübung einer Beschäftigung im betreffenden Mitgliedstaat gestattet waren (, Sevince, Sig. 1-3461). Verneint wurde das Vorliegen einer 'gesicherten und nicht nur vorläufigen' Position auch in Fällen, in denen dem Betreffenden ein Aufenthaltsrecht nur aufgrund einer nationalen Regelung eingeräumt war, nach der der Aufenthalt während des Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Aufnahmeland erlaubt ist, da er das Recht, sich bis zu einer endgültigen Entscheidung über sein Aufenthaltsrecht in dem betreffenden Staat aufzuhalten und dort zu arbeiten, nur vorläufig erhalten hatte (, Kus, Slg. 1-6781; Ertanir Rn 48 bis 50). Darüber hinaus verneinte der EuGH die Einstufung eines Aufenthalts als 'gesichert und nicht nur vorläufig' im Fall von Beschäftigungszeiten, die aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis zurückgelegt wurden, die der Betreffende allein durch eine Täuschung, die zu seiner Verurteilung geführt hat, erwirkt hat (vgl. u. a. , Kci/, Sig. 1-3069, Rn 27, und , Savas, Sig. 1-2927, Rn 61). Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles bei Fernfahrern, die sich im Gebiet eines Mitgliedstaates aufhalten, um aus der Türkei stammende Waren dorthin einzuführen oder aufzunehmen, verneinte der EuGH die Anwendbarkeit von Art. 13 ARB 1/80 (trotz der 'ordnungsgemäßen Lage' der Betroffenen) mit der Begründung, dass sie sich 'nur für sehr kurze Zeit (im Mitgliedstaat) befinden' und daher nicht die Absicht hätten, sich im Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaats zu integrieren ( Abatay u. a., C-317/01 und C-69/01, 1- 12301, Rn 89). Hingegen bejahte der EuGH die Voraussetzung der ordnungsgemäßen Beschäftigung (wenn auch implizit, zumal im Zusammenhang mit Art. 6 ARB 1/80) im Fall eines als Seemann tätigen türkischen Arbeitnehmers, dessen Beschäftigungszeiten in einem Mitgliedstaat deshalb wiederholt unterbrochen waren, weil er 'jeweils nur befristet angeheuert hatte' ( C- 230/03, Sedef, Sig. 1-157, Rn. 56 ff).

3.12.3. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte eine 'gesicherte und nicht nur vorläufige Position' in Konstellationen, in denen der Aufenthalt des Fremden nicht im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Vorschriften stand, weil seine Niederlassungsbewilligung bloß eingeschränkt auf unselbständige Erwerbstätigkeiten, die vom sachlichen Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen sind, erteilt gewesen war (). Er verneinte sie weiters im Fall eines vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsrechtes, weil dieses mit dem zu einem ungewissen Zeitpunkt eintretenden Abschluss des Asylverfahrens endet (VwGH, , 2001/19/0035, mwN) und implizit auch für einen nach § 24 Abs. 1 lit. a des Passgesetzes 1969 erteilten Sichtvermerk, mit Hinweis auf dessen Geltungsdauer (VwGH aaO). Demgegenüber bejahte der Verwaltungsgerichthof die Anwendbarkeit der Stillhalteklausel nach Art. 13 ARB 1/80 in Fällen, in denen der Antragsteller noch keinen Aufenthaltstitel inne hatte, in denen gerade jene (innerstaatlichen) Regelungen hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Art. 13 ARB 1/80 zur Beurteilung standen, die dem beantragten Aufenthaltstitel entgegenstanden (, in Anwendung der Grundsätze des C- 256/11, Dereci).

3.12.4. Im Beschwerdefall ist daher die Frage zu beurteilen, ob die bisherigen in Beschäftigung auf Grund von befristeten Bewilligungen als 'Saisonarbeitskraft' (zuletzt) auf Grund von Visa zu Erwerbszwecken im Sinne der § 24 iVm. §§ 20 und 21 FPG 2005 dem (Mitbeteiligten) eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position im Sinne der angeführten Rechtsprechung vermittelt haben.

3.12.5. Dass dem (Mitbeteiligten) bereits infolge der rechtlichen Qualität dieser Bewilligungen eine fremden- und aufenthaltsrechtliche Unregelmäßigkeit vorzuwerfen wäre, die eine Qualifikation seiner bisherigen Aufenthalte in Österreich als im Sinne von Art. 13 ARB 1/80 nicht 'ordnungsgemäß' ('nicht 'gesichert' oder 'nur vorläufig') einstufen ließe, kann nicht gefunden werden. Es mag sein, dass sich der (Mitbeteiligte) - wie von der belangten Behörde vorgebracht - während der in Österreich als Arbeiter verbrachten Zeiträume jeweils nur befristet und 'als visumpflichtiger Saisonnier' ausschließlich aufgrund von Visa zu Erwerbszwecken iSd. § 24 iVm. §§ 20 und 21 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) in Österreich aufgehalten hat'. Allein aus den genannten innerstaatlichen Rechtsnormen lässt sich jedoch kein Hinweis darauf entnehmen, dass diese vom innerstaatlichen Gesetzgeber konstruierte Rechtsposition schon ihrem Wesen nach als 'nicht gesichert' oder nur 'vorläufig' im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH einzustufen wäre.

Vorweg lässt sich dazu feststellen, dass die Rechtsposition des (Mitbeteiligten) nicht mit jenen Berechtigungen vergleichbar war, denen die Rechtsprechung die Eigenschaft als 'gesicherte, nicht nur vorläufige' Position deswegen abspricht, weil ihnen bereits von ihrer gesetzlichen Konzeption her das Moment der 'Vorläufigkeit' bzw. der Unsicherheit innewohnt, wie es beim asylrechtliche Aufenthaltsrecht während eines Asylverfahrens (zB VwGH, , 2001/19/0035) oder bei einer im innerstaatlichen Recht explizit als vorläufiges Aufenthaltsrecht ausgestaltete Berechtigung der Fall ist (vgl. dazu jüngst , Demir, insb. Rn 15 und 43 sowie die darin genannte Rechtsprechung).

Es ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen, dass der (Mitbeteiligte) seine Berechtigungen zweckwidrig genutzt oder durch illegalen Verbleib in Österreich zeitlich überschritten hätte, so dass sich der Beschwerdefall insbesondere von jener Konstellation unterscheidet, wie sie etwa dem Erkenntnis des , zugrunde lag, in dem eine entsprechende Rechtsposition deswegen verneint wurde, weil sich der (damalige) Beschwerdeführer während bestimmter Zeiträume rechtsgrundlos in Österreich aufgehalten hatte. Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zur Frage, ob Tätigkeiten im Rahmen einer Bewilligung als Saisonarbeitskraft eine gesicherte und nicht vorläufige Position vermitteln, nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, ist zu bemerken, dass er die entsprechende (auf Grund einer mit weniger als 5 Monaten befristeten Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck 'Saisonarbeitskraft' nach dem Fremdengesetz 1997 verbrachte) Beschäftigungszeit in diesem Erkenntnis nicht schon kraft der Befristung oder der Rechtsnatur dieser Bewilligung als 'nicht gesichert' oder nur 'vorläufig' unberücksichtigt gelassen hat, sondern wegen der (nicht den Anforderungen des Art. 6 ARB 1/80 entsprechenden) Dauer dieser Tätigkeit. Aus rechtlicher Sicht ist in diesem Zusammenhang zudem daran zu erinnern, dass die Einstufung sämtlicher Zeiträume (also die gesamte Dauer) der Beschäftigung und des Aufenthalts als 'ordnungsgemäß' zwar für die Rechte nach Art 6 und 7 ARB 1/80 relevant wäre, dass es aber für den Zweck von Art. 13 ARB 1/80 nicht auf die Erfüllung solcher Anwartschaftszeiten in ordnungsgemäßer Beschäftigung ankommt (vgl. das bereits Urteil Toprak). Insofern ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, soweit sie im Zusammenhang mit Art. 6 (oder 7) ARB 1/80 auf die 'Ordnungsgemäßheit' der Beschäftigung und des Aufenthalts während bestimmter Mindestzeiträume abstellt, auf die Frage der Anwendbarkeit von Art. 13 ARB 1/80 im Beschwerdefall nicht übertragbar und erübrigt sich damit auch ein Eingehen auf die in der mündlichen Verhandlung dazu gestellten weiteren Beweisanträge. Ebenso erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem gegen den (Mitbeteiligten) geführten (für die hier zu beurteilende Frage irrelevanten) Verfahren nach dem Meldegesetz und dem Verfahren auf Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung'.

Im Erkenntnis des (=VwSlg. 17.130 A/2007) ließ es der VwGH sodann ausdrücklich dahingestellt, ob ein Arbeitnehmer, auf Grundlage von auf § 5 AuslBG gestützten Saisonbewilligungen in Österreich arbeitet 'als dem regulären Arbeitsmarkt zugehörig' angesehen werden kann. In dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Verfahren war unstrittig, dass der (damalige) Zweitbeschwerdeführer ausschließlich aufgrund von Beschäftigungsbewilligungen im Rahmen von Kontingentverordnungen für die befristete Zulassung von Ausländern gemäß § 5 AuslBG beschäftigt gewesen ist. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte die Qualifikation als 'ordnungsgemäße Beschäftigung' nicht deswegen, weil derartige Bewilligungen bereits dem Grunde nach nicht in Betracht kommen könnten, sondern weil der damalige Zweitbeschwerdeführer sich auf die in § 7 Abs. 7 AuslBG geregelte Fiktion der Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung berufen hatte, jedoch über die Geltungsdauer der Verlängerung der (fingierten) Beschäftigungsbewilligung hinaus (also ohne ausländerbeschäftigungsrechtliche Grundlage) weiter gearbeitet hatte.

Zu bemerken ist, dass das zitierte Erkenntnis des VwGH, in dem die rechtliche Qualifikation von Beschäftigungen im Rahmen befristeter Saisonbewilligungen im Lichte der Kriterien des ARB 1/80 ausdrücklich offen gelassen wurde, zeitlich vor der Erlassung des Urteils des EuGH in der Rechtssache Payir () ergangen ist. Im Urteil Payir hat der EuGH ausgesprochen, dass weder die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bzw. einer Aufenthaltserlaubnis (aaO Rn 42 und 44) noch eine spezifische Zweckbindung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung, auf deren Grundlage eine Beschäftigung (zulässigerweise) ausgeübt wird (aaO, Rn 35), dazu führen können, dass die Rechtsposition des Arbeitnehmers als 'nicht gesichert' oder 'nur vorläufig' anzusehen und daher vom Anwendungsbereichs der einschlägigen Bestimmungen des ARB 1/80 ausgeschlossen wäre. Bezug nehmend (unter anderem) auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Payir entschied der Verwaltungsgerichtshof in weiterer Folge, dass es für die Qualifikation der Tätigkeit als 'ordnungsgemäß' im Sinne des ARB 1/80 nicht schädlich ist, wenn eine Tätigkeit auf Grundlage von befristeten (aber wiederkehrend verlängerten) Aufenthaltsbewilligungen mit dem Zweck 'Sonderfälle unselbständige Erwerbstätigkeit' als Seelsorger verrichtet wird, auch wenn diese Tätigkeit insofern (vgl. § 1 Abs. 2 lit. d leg.cit) vom Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen war ().

Eine sachliche Rechtfertigung für die Annahme, dass jene Schlussfolgerungen, die der EuGH im Urteil in der Rechtssache Payir für den Fall von Au-Pair-Kräften und Studenten (und der VwGH für den Fall von Seelsorgern) aus dem ARB 1/80 gezogen hat, gerade im Fall von Arbeitern auf Grundlage von befristeten Saisonbewilligungen nicht gelten sollten, ist nicht zu sehen (vgl. zur Qualifikation von Saisonarbeitnehmern idS auch M. Akyürek, Das Assoziationsabkommen EWG-Türkei, 89-91). Die Lage des (Mitbeteiligten) ist auch nicht mit jener eines Fernfahrers vergleichbar, der sich nur für Lieferungen im Mitgliedstaat aufhielt, um diesen sodann gleich wieder zu verlassen (vgl. Abatay u. a., 0-317/01 und C-69/01, Sig. 1-12301), abgesehen davon, dass der EuGH den Anwendungsbereich von Art. 13 ARB 1/80 im zitierten Urteil nur wegen der extremen Kurzfristigkeit der Aufenthalte bei internationalen Lieferungsfahrten verneinte (aaO, Rn. 89 und 90), eine 'ordnungsgemäße Situation' der Betroffenen aber ausdrücklich bejahte (aaO, Rn. 87). Der Fall des (Mitbeteiligten) gleicht vielmehr jenem, der dem Urteil Sedef zugrunde lag, in dem der EuGH die Anwendbarkeit des ARB 1/80 für einen Arbeitnehmer bejaht hat, obwohl dieser - bedingt durch die Natur seiner jeweils befristeten Beschäftigungsverhältnisse - den Mitgliedstaat immer wieder verlassen hat (, Sedef, Sig. 1-157).

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdefall vom Anwendungsbereich des Art. 13 ARB 1/80 erfasst ist und sich der (Mitbeteiligte) darauf berufen kann.

3.13. Nach der Rechtslage bis hatte eine Person wie der (Mitbeteiligte) bei Erfüllung der (damaligen) Anspruchsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG Anspruch auf Ausstellung eines Befreiungsscheins, ohne dass sie (im Verfahren zur Erlangung des Befreiungsscheines) nachzuweisen hatte, dass sie bereits rechtmäßig niedergelassen war. Eine solche Person konnte daher auf Basis des Befreiungsscheines weiterhin als Saisonarbeitskraft tätig werden und war dadurch insofern begünstigt, als sie nicht mehr davon abhängig war, ob ein Kontingent für Saisoniers zur Verfügung stand und ob ihr eine Beschäftigungsbewilligung (gemäß § 5 AuslBG) im Rahmen eines solchen Kontingents erteilt wird. Nach der seit geltenden Rechtslage war die Erlangung eines solchen Befreiungsscheins ohne Vorliegen einer Niederlassungsbewilligung hingegen nicht mehr möglich.

Nach der Rechtslage seit werden Befreiungsscheine überhaupt nicht mehr ausgestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht zweifelt nicht daran, dass die oben dargestellten Rechtsänderungen als 'neue Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt' im Sinne von Art. 13 ARB 1/80 angesehen werden müssen.

3.14. Der (Mitbeteiligte) hat - unstrittig - die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für einen Befreiungsschein erfüllt, zumal er innerhalb der letzten acht Jahre jedenfalls in Summe während einer Dauer von 5 Jahren rechtmäßig als Saisonnier beschäftigt war. Die Stattgabe seines Antrags auf Ausstellung eines Befreiungsscheines scheiterte ausschließlich daran, dass er die Voraussetzung einer 'rechtmäßigen Niederlassung' in Österreich nicht erfüllt. Da diese Voraussetzung erst im Jahr 2006 als zusätzliche Bedingung hinzugetreten ist, war sie auf Grund der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 unangewendet zu lassen. Das Gleiche gilt für die durch Bundesgesetz BGBl. 1 72/2013 vorgenommene gänzliche Beseitigung der Berechtigung des Befreiungsscheins nach § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG.

3.15. Folglich war dem (Mitbeteiligten) ein Befreiungsschein nach § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2004 (dh in der Fassung vor der Änderung durch BGBl. I 101/2005) zu gewähren."

Zur Frage der Zulässigkeit der Erhebung einer ordentlichen Revision führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme, weil es an einer (jedenfalls einheitlichen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Der Verwaltungsgerichtshof habe zwar mit Erkenntnis vom , Zl. 2011/09/0186, über eine Beschwerde eines türkischen Staatsangehörigen wegen eines Befreiungsscheines gemäß der nach 2006 geltenden Rechtslage entschieden. Dass im damaligen Verfahren eine Verletzung der Stillstandsklausel des Art. 13 ARB 1/80 releviert worden wäre, sei jedoch nicht ersichtlich. Darüber hinaus sei dieses Erkenntnis zu einer Rechtslage ergangen, nach der das Rechtsinstitut des Befreiungsscheines zumindest noch vorhanden gewesen sei. Das Erkenntnis sei für den Beschwerdefall daher nicht einschlägig. Andere Erkenntnisse zu der hier relevanten Fragestellung seien nicht ersichtlich.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gemäß Art. 133 Abs. 6 Z. 2 B-VG erhobene Revision der Leiterin der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Schwaz.

Die Revisionswerberin macht geltend, dass sich die vom belangten Verwaltungsgericht herangezogenen Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) Payir und Sedef nicht auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 bezögen, sondern auf die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Die Judikatur des EuGH zu Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 könne aber nicht ohne Weiteres für die Stillhalteklausel herangezogen werden. Der diesen Urteilen zugrunde liegende Sachverhalt unterscheide sich überdies vom hier zu beurteilenden in einem wesentlichen Punkt dadurch, dass in diesen Fällen den betreffenden türkischen Staatsangehörigen ein ununterbrochenes Aufenthaltsrecht eingeräumt gewesen sei. Diese Urteile seien daher für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 im Fall eines Saisonarbeiters, dessen Beschäftigung und das daran geknüpfte Aufenthaltsrecht immer wieder nur befristet erlaubt gewesen sei, von vornherein nicht maßgeblich.

Das Bundesverwaltungsgericht übersehe auch, dass Art. 13 (anders als Art. 6 Abs. 1) ARB 1/80 ausdrücklich nicht nur die Beschäftigung, sondern auch den Aufenthalt als ordnungsgemäß voraussetze. Ein Saisonarbeiter könne sich daher mangels eines ununterbrochenen Aufenthaltsrechtes nicht auf einen (insgesamt) ordnungsgemäßen Aufenthalt berufen. Für diese Auslegung spreche, dass nach der Judikatur des EuGH die "ordnungsgemäße Beschäftigung" im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 und damit die Anwendbarkeit der Stillhalteklausel - entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes - zusätzlich zu einer gesicherten und nicht nur vorläufigen Position auf dem Arbeitsmarkt auch ein damit verbundenes "nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht" voraussetze. Angesichts des jeweils befristeten und auch unterbrochenen Aufenthaltsrechts des Mitbeteiligten könne seine Position in aufenthaltsrechtlicher Sicht aber nur jeweils als vorläufig und sein Recht auf einen dauernden Aufenthalt als bestritten angesehen werden.

Die somit verfügte Ausstellung eines Befreiungsscheines erscheine daher auch im Hinblick auf den Umstand, dass die dabei angeführte rechtliche Grundlage des § 15 Abs. 2 Z. 1 AuslBG am entfallen sei, rechtswidrig. Im Gegensatz zu anderen, von der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 erfassten Fällen, in denen bloß die strengeren Bestimmungen einer neuen Regelung nicht anzuwenden gewesen seien, habe das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis eine zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits außer Kraft getretene Norm weiterhin als gültig erachtet.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er ausführte, dass die Revisionswerberin verkenne, dass die "Abschaffung des § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG keinesfalls bedeute, dass diese Bestimmung nicht mehr anwendbar" sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe zu Recht erkannt, dass die nach dem Beitritt eingeführte Bedingung, "Vorliegen/Nachweis einer Niederlassungsbewilligung", für die Erteilung und Ausstellung eines Befreiungsscheines aufgrund der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 unangewendet bleiben müsse und die Frage der Ausstellung eines Befreiungsscheines nach der alten Rechtslage beurteilt werden müsse.

Das Bundesverwaltungsgericht legte dem Verwaltungsgerichtshof die gegenständliche Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens zur Entscheidung sowie einer Revisionsbeantwortung des Mitbeteiligten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die vorliegende Revision erweist sich schon deshalb als zulässig, weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Anwendbarkeit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 auf türkische Staatsangehörige, die einen Befreiungsschein nach § 15 AuslBG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 72/2013 beantragt haben, fehlt. Von der Lösung dieser Rechtsfrage hängt aber das rechtliche Schicksal der Revision ab. Schon aus diesem Grund liegt daher eine Rechtsfrage vor, der gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Zunächst ist die von der Revisionswerberin verneinte Frage zu prüfen, ob der Mitbeteiligte sich auf Art. 13 ARB 1/80 stützen kann.

Die Revisionswerberin bestreitet nicht die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes, dass der Mitbeteiligte seine bisherige Beschäftigung aufgrund von befristeten Beschäftigungsbewilligungen für Tätigkeiten, die dem Geltungsbereich des AuslBG unterliegen, ausgeübt hat und als "Saisonarbeitskraft" (zuletzt) auf Grund von Visa zu Erwerbszwecken im Sinne der § 24 iVm §§ 20 und 21 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) in Österreich aufhältig gewesen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat ebenso festgestellt - dem wurde in der Revision ebenfalls nicht entgegengetreten - dass im Verfahren nicht hervorgekommen sei, dass der Mitbeteiligte seine Berechtigungen zweckwidrig genutzt oder durch illegalen Verbleib in Österreich zeitlich überschritten hätte. Dass der Mitbeteiligte in der Vergangenheit ein Verhalten gesetzt hätte, das ihm als Verstoß gegen fremden- und aufenthaltsrechtliche Vorschriften oder gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz anzulasten wäre, könne nicht festgestellt werden, so das Bundesverwaltungsgericht.

Auch dies wird von der revisionswerbenden Partei nicht bestritten. Sie geht jedoch davon aus, dass angesichts des jeweils befristeten und auch unterbrochenen Aufenthaltsrechtes des Mitbeteiligten dessen Position in aufenthaltsrechtlicher Sicht nur jeweils als vorläufig und sein Recht auf einen dauernden Aufenthalt als bestritten und somit als nicht ordnungsgemäß angesehen werden könne.

Art. 13 des Assoziationsratsbeschlusses (ARB) 1/80 lautet:

"Artikel 13. Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen."

In den verbundenen Rechtssachen Eran Abatay u.a. C-317/01 und Nadi Sahin, C-369/01 vom hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu Art. 13 ARB 1/80 zum Begriff "Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind" in Art. 13 ARB 1/80, Folgendes ausgeführt:

"77. Die sozialen Bestimmungen des Beschlusses Nr. 1/80 bilden nämlich - im Anschluss an den Beschluss Nr. 2/76 des Assoziationsrats vom über die Durchführung von

Artikel 12 des Assoziationsabkommens - einen weiteren, durch die Artikel 48, 49 und 50 EWG-Vertrag, später die Artikel 48 und 49 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG und Artikel 40 EG) sowie 50 EG-Vertrag (jetzt Artikel 41 EG) geleiteten Schritt zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (vgl. u. a. Urteile vom in der Rechtssache C-1/97, Birden, Slg. 1998, I-7747, Randnr. 52, und vom in der Rechtssache C-188/00, Kurz, Slg. 2002, I-10691, Randnr. 40).

78. Insbesondere Artikel 6 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 verleiht den türkischen Wanderarbeitnehmern, die seine Bedingungen erfüllen, präzise Rechte auf dem Gebiet der Ausübung einer Beschäftigung. Diese Rechte, die abgestuft nach der Dauer einer ordnungsgemäßen Beschäftigung als Arbeitnehmer erweitert werden und die bezwecken, die Situation des Betroffenen im Aufnahmemitgliedstaat schrittweise zu festigen, werden unmittelbar durch das Gemeinschaftsrecht verliehen; die Mitgliedstaaten sind nicht befugt, diese Rechte Bedingungen zu unterwerfen oder ihre Ausübung einzuschränken, weil dies die praktische Wirksamkeit dieses Beschlusses beeinträchtigen würde (vgl. u. a. Urteil vom in der Rechtssache C-36/96, Günaydin, Slg. 1997, I-5143, Randnrn. 37 bis 40 und 50).

79. Daraus ergibt sich, dass der Schutz der Rechte türkischer Staatsangehöriger auf dem Gebiet der Ausübung einer Beschäftigung nicht Gegenstand von Artikel 13 des Beschlusses Nr. 1/80 sein kann, da diese Rechte bereits von Artikel 6 dieses Beschlusses vollständig erfasst sind.

80. Vielmehr verbietet dieser Artikel 13, wie sich schon aus seinem Wortlaut ergibt, den Mitgliedstaaten, den Zugang türkischer Staatsangehöriger zu einer Beschäftigung durch neue Maßnahmen einzuschränken. Diese Bestimmung erklärt sich aus dem - in den Randnummern 63 und 65 des vorliegenden Urteils angesprochenen - Umstand, dass die Mitgliedstaaten die Befugnis behalten haben, die Einreise türkischer Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet und dort die erstmalige Aufnahme einer Beschäftigung zu genehmigen.

81. Auch wäre die in Randnummer 75 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Auslegung paradox und könnte Artikel 13 des Beschlusses Nr. 1/80 inhaltsleer machen, da ein türkischer Staatsangehöriger, der in einem Mitgliedstaat bereits ordnungsgemäß eine Beschäftigung ausübt, nicht mehr durch eine Stillhalteklausel in Bezug auf den Zugang zu einer Beschäftigung geschützt zu werden braucht, da dieser Zugang bereits erfolgt ist und der Betroffene für seine weitere berufliche Laufbahn im Aufnahmemitgliedstaat ausdrücklich nach Artikel 6 dieses Beschlusses Rechte genießt. Vielmehr soll die Stillhalteklausel hinsichtlich der Voraussetzungen für den Zugang zu einer Beschäftigung die Mitgliedstaaten davon abhalten, Bestimmungen, die die Verwirklichung des Zieles des Beschlusses Nr. 1/80, nämlich die Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, beeinträchtigen, zu erlassen, auch wenn während eines ersten Abschnitts der schrittweisen Herstellung dieser Freizügigkeit bereits bestehende innerstaatliche Einschränkungen auf dem Gebiet des Zugangs zu einer Beschäftigung beibehalten werden können (vgl. entsprechend Urteil vom in der Rechtssache 77/82, Peskeloglou, Slg. 1983, 1085, Randnr. 13).

82. Aus dem Wortlaut des Artikels 13 ergibt sich ferner, dass dieser nicht nur für die türkischen Arbeitnehmer, sondern auch für deren Familienangehörige gilt. Deren Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zum Zweck der Familienzusammenführung mit einem türkischen Arbeitnehmer, der sich bereits rechtmäßig in diesem Staat befindet, hängt aber nach dem Beschluss Nr. 1/80 nicht von der Ausübung einer Beschäftigung als Arbeitnehmer ab.

83. Nach alldem ist Artikel 13 des Beschlusses Nr. 1/80 nicht nur auf türkische Staatsangehörige anzuwenden, die bereits in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integriert sind.

84. Artikel 13 des Beschlusses Nr. 1/80 findet somit zwar nicht nur auf bereits in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierte türkische Staatsangehörige Anwendung, bezieht sich aber doch nur auf Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, 'deren Aufenthalt und Beschäftigung in (seinem) Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind'. Aus dieser Klausel ergibt sich, dass sich ein türkischer Staatsangehöriger nur dann auf diese Stillhalteklausel berufen kann, wenn er die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und gegebenenfalls der Beschäftigung beachtet hat und sich dementsprechend rechtmäßig im Hoheitsgebiet dieses Staates befindet (vgl. in Bezug auf den in mehreren Artikeln des Kapitels II Abschnitt 1 des Beschlusses Nr. 1/80 verwendeten Begriff der 'ordnungsgemäßen Beschäftigung' Urteile Birden, Randnr. 51, vom in der Rechtssache C-340/97, Nazli, Slg. 2000, I-957, Randnr. 31, und Kurz, Randnr. 39)."

Der Anwendung von Art. 13 ARB 1/80 steht also nicht entgegen, dass die betreffenden Arbeitnehmer nicht bereits in den Arbeitsmarkt integriert sind, also die Voraussetzungen gemäß Art. 6 Abs. 1 des ARB 1/80 nicht erfüllen. Art. 13 ARB 1/80 soll vielmehr gerade für jene türkischen Staatsangehörigen gelten, die noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und entsprechend auf Aufenthalt nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 genießen (vgl. auch das in den verbundenen Rechtssachen, F. Toprak, C-300/09, und I. Oguz, C-301-09 Rz 45, vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/09/0016, mwN).

Was den Begriff "ordnungsgemäß" im Sinne von Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 betrifft, so bedeutet dieser nach der Rechtsprechung des EuGH, dass der türkische Arbeitnehmer oder sein Familienangehöriger die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und gegebenenfalls die Beschäftigung beachtet haben muss, so dass seine Lage im Hoheitsgebiet dieses Staates rechtmäßig ist. Demnach kann diese Bestimmung einem türkischen Staatsangehörigen, dessen Lage rechtswidrig ist, nicht zugutekommen (vgl. das C. Demir, C-225/12, Rz 35). Der genannte Begriff wurde vom EuGH unter Verweis auf den verwandten Begriff "ordnungsgemäße Beschäftigung" in Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erläutert, wobei der Begriff "ordnungsgemäß" im Sinne von Art. 13 ARB 1/80 eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, die ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht voraussetzt und Aufenthalts- oder gegebenenfalls Beschäftigungszeiten im Rahmen einer vorläufigen Aufenthaltserlaubnis, die nur bis zur endgültigen Entscheidung über das Aufenthaltsrecht gelten, nicht als "ordnungsgemäß" im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 eingestuft werden können (vgl. das Urteil vom , Demir C-225/12, Rz 45ff), oder eine Aufenthaltserlaubnis, die nur aufgrund einer Täuschung, die zu einer Verurteilung geführt hat, nicht als Grundlage für einen ordnungsgemäßen Aufenthalt gewertet werden kann (vgl. das Urteil vom , Suat Kol, C-285/95, Rz 27; EuGH Abdulnair Savas, , C-37/98 Rz 61, EuGH Baris Unal, , C-187/10, Rz 45 f., vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0060, mwN).

Es stellt nach den Urteilen des Günaydin, C-36/96, Rz 61, und vom , Payir, C- 294/06, Rz 42f., keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn ein türkischer Arbeitnehmer seinen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat verlängern will, obwohl er sich zunächst ausdrücklich mit der Beschränkung seines Aufenthaltes einverstanden erklärt hatte. Diesem Fall lag eine Konstellation zu Grunde, in welcher dem türkischen Arbeitnehmer jeweils eine befristete und vorübergehende Arbeits- bzw. Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war (vgl. auch sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/19/0035, und vom , Zl. 2010/09/0185).

Die Ordnungsmäßigkeit einer während eines bestimmten Zeitraumes ausgeübten Beschäftigung sowohl im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 als auch im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 ist anhand der Rechtsvorschriften des Aufnahmestaates zu prüfen, die die Voraussetzungen regeln, unter denen der türkische Staatsangehörige in das nationale Hoheitsgebiet gelangt ist und dort eine Beschäftigung ausübt (zu Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 vgl. EuGH Ahmet Bozkurt, C-434/93, , beispielsweise auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0031, mwN).

Im vorliegenden Fall ist es nicht rechtswidrig, wenn das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung gelangte, dass die Beschäftigung des Mitbeteiligten, der nach den unbestrittenen Feststellungen nicht gegen die Vorschriften über die Einreise oder den Aufenthalt verstoßen hat, durch arbeitsmarktbehördliche Bewilligungen gesetzlich gedeckt war und dass er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen seiner Einreisetitel nicht überschritten hat (vgl. den unbestritten festgestellten Beschäftigungszeitraum " - laufend").

Der Mitbeteiligte, der in Österreich nunmehr offenkundig die Aufnahme einer ununterbrochenen unselbständigen Erwerbstätigkeit beabsichtigt, hat sich unbestritten auch während eines für den Erwerb eines Befreiungsscheines hinreichend langen Zeitraums in Österreich aufgehalten und hier gearbeitet. Er hat sich den unbestrittenen Feststellungen zufolge über einen Zeitraum von 13 Jahren, jährlich jeweils über mehrere Monate in Österreich rechtmäßig aufgehalten und war während dieser Perioden rechtmäßig beschäftigt. Nicht zuletzt aufgrund der in den letzten Jahren gesteigerten jährlichen Beschäftigungsdauer in Österreich - so war der Mitbeteiligte in den Jahren 2012 und 2013 jeweils etwa acht Monate im Inland beschäftigt - manifestierte sich daher seine Absicht, sich in den Arbeitsmarkt der Republik Österreich als Aufnahmemitgliedstaat zu integrieren. Folglich kann seine Situation nicht als nicht ordnungsgemäß eingestuft werden, weshalb dem Bundesverwaltungsgericht nicht entgegen getreten werden kann, wenn es zum Schluss gelangte, dass Art. 13 ARB 1/80 auf den gegenständlichen Fall anwendbar ist.

Wenn die revisionswerbende Behörde einwendet, der Mitbeteiligte weise keinen ununterbrochen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt sei vielmehr immer wieder unterbrochen gewesen, so ist zum einen nicht festgestellt, dass sich der Mitbeteiligte unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hätte, und zeigt die Revisionswerberin deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf, weil der Aufenthalt des Mitbeteiligten bei und vor seiner Antragstellung und bis zur Entscheidung unbestritten rechtmäßig und damit ordnungsgemäß war und Art. 13 - wie dargelegt - nach der Rechtsprechung des EuGH nicht voraussetzt, dass der berechtigte türkische Arbeitnehmer im Mitgliedstaat bereits gearbeitet oder sich einen gewissen Zeitraum ununterbrochen rechtmäßig im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaates aufgehalten haben muss.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtsprechung zur Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 etwa in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0304, wie folgt zusammengefasst:

"Dabei hätte die belangte Behörde aber darauf Bedacht nehmen müssen, dass der Beschwerdeführer türkischer Staatsangehöriger ist und in Österreich offenkundig die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit beabsichtigt hat (eine Beschäftigungsbewilligung für ihn war bereits beantragt worden). Es ist daher die Stillhalteklausel nach Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom (im Folgenden: ARB 1/80) zu beachten, derzufolge die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (und die Türkei) für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen dürfen.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ist diese Klausel nicht nur auf die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierten türkischen Staatsangehörigen anzuwenden (vgl. grundlegend das Urteil vom , C 317/01 - Abatay u.a. und C-369/01 - N. Sahin (in der Folge kurz 'Urteil Abatay'), Randnr. 73 ff (insb. Randnr. 83), sowie aus jüngerer Zeit etwa das Urteil vom , C-300/09 - Toprak, und C-301/09 - Oguz, Randnr. 45); allerdings muss die Absicht vorhanden sein, sich in den Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaates zu integrieren (vgl. abermals das Urteil Abatay, Randnr. 89 ff; s. auch das Urteil vom , C-92/07 - Europäische Kommission gegen Niederlande, Randnr. 49, wonach Art. 13 ARB 1/80 der Einführung neuer Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit einschließlich solchen entgegensteht, die die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme jener türkischen Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats betreffen, die dort von dieser Freiheit Gebrauch machen wollen). Ferner kann sich auf die Stillhalteklausel nur berufen, wer die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und gegebenenfalls der Beschäftigung beachtet hat; sie steht hingegen nicht einer Verstärkung der Maßnahmen entgegen, die gegenüber türkischen Staatsangehörigen getroffen werden können, die sich in einer nicht ordnungsgemäßen Situation befinden (vgl. das Urteil Abatay, Randnr. 84 f). Die Klausel entfaltet unmittelbare Wirkung und schließt bezüglich der in ihren Geltungsbereich fallenden türkischen Staatsangehörigen die Anwendbarkeit aller neu eingeführten Beschränkungen aus (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0180, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union)."

In seinem Urteil vom , in der Rechtssache Dereci, u.a. C-256/11, hat der Europäische Gerichtshof zu den Stillhalteklauseln der Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei vom und Art. 13 ARB 1/80 wie folgt ausgeführt:

"84 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Aufenthaltsgesetz und dem Fremdengesetz, die in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils erwähnt werden, um die Rechtsvorschriften handelt, die die Bedingungen für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch türkische Staatsangehörige in Österreich regelten, als dieser Mitgliedstaat am der Europäischen Union beitrat und damit das Zusatzprotokoll in seinem Hoheitsgebiet in Kraft trat.

...

92 In Bezug auf eine nationale Bestimmung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an türkische Arbeitnehmer hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass daher gewährleistet sein muss, dass sich die Mitgliedstaaten nicht von dem verfolgten Ziel entfernen, indem sie von Bestimmungen abgehen, die sie nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 in ihrem Gebiet zugunsten der Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer erlassen haben (Urteil vom , Toprak und Oguz, C-300/09 und C-301/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55).

93 Überdies hat der Gerichtshof die Ansicht vertreten, dass Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 dahin auszulegen ist, dass eine Verschärfung einer Bestimmung, die eine Erleichterung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats für die Bedingungen der Ausübung der Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer geltenden Bestimmung vorsah, eine 'neue Beschränkung' im Sinne dieses Artikels darstellt, auch wenn diese Verschärfung die genannten Bedingungen im Vergleich zu denen, die sich aus der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses Nr. 1/80 im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats geltenden Bestimmung ergeben, nicht verschlechtert (vgl. in diesem Sinne Urteil Toprak und Oguz, Randnr. 62).

94 Angesichts der übereinstimmenden Auslegung des mit Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls und Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 verfolgten Ziels ist davon auszugehen, dass sich die Tragweite der in diesen Bestimmungen enthaltenen Stillhalteverpflichtung entsprechend auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs oder der Freizügigkeit der Arbeitnehmer erstreckt, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Toprak und Oguz, Randnr. 54), so dass gewährleistet sein muss, dass sich die Mitgliedstaaten nicht von dem mit den Stillhalteklauseln verfolgten Ziel entfernen, indem sie Bestimmungen ändern, die sie nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 oder des Zusatzprotokolls in ihrem Gebiet zugunsten der genannten Freiheiten türkischer Staatsangehöriger erlassen haben."

Im angeführten Erkenntnis hat der EuGH ausgesprochen, dass es sich bei dem erst durch § 21 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) mit eingeführten Erfordernis, einen Antrag auf Aufenthaltsgewährung im Allgemeinen außerhalb des österreichischen Hoheitsgebietes zu stellen, um eine "neue Beschränkung" im Sinne der Stillhalteklausel handelt. Eine solche Beurteilung hat der EuGH etwa auch in seinem Urteil vom in der Rechtssache Dogan gegen Deutschland, C-138/13 hinsichtlich eines neu eingeführten Erfordernisses des Nachweises von Deutsch-Kenntnissen für die Ermöglichung des Familiennachzuges für Ehegatten von in Deutschland lebenden türkischen Staatsangehörigen gesehen. Der EuGH hat in beiden Fällen erkannt, dass die Stillhalteklausel der Anwendung von derartigen neuen Beschränkungen entgegen steht.

Angesichts der übereinstimmenden Auslegung des mit Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls und Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 verfolgten Ziels ist davon auszugehen, dass sich die Tragweite der in diesen Bestimmungen enthaltenen Stillhalteverpflichtung entsprechend auf sämtliche neuen Hindernisse für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs oder der Freizügigkeit der Arbeitnehmer erstreckt, die eine Verschärfung der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Bedingungen darstellen, so dass gewährleistet sein muss, dass sich die Mitgliedstaaten nicht von dem mit den Stillhalteklauseln verfolgten Ziel entfernen, indem sie Bestimmungen ändern, die sie nach Inkrafttreten des Beschlusses Nr. 1/80 (für Österreich: ) oder des Zusatzprotokolls in ihrem Gebiet zugunsten der genannten Freiheiten türkischer Staatsangehöriger erlassen haben. Auch eine Verschärfung einer nach dem Zeitpunkt des Inkrafttetens des ARB 1/80 eingeführten Bestimmung, die eine Erleichterung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ARB 1/80 im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats für die Bedingungen der Ausübung der Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer geltenden Bestimmung vorsah, stellt daher eine "neue Beschränkung" im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 dar, auch wenn diese Verschärfung die genannten Bedingungen im Vergleich zu denen, die sich aus der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ARB 1/80 im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats geltenden Bestimmung ergeben, nicht verschlechtert (vgl. zum Ganzen die Veli Tum, Mehmet Dari, C-16/05, Rz 55, vom , Toprak, C-300, und Oguz, C-301/09, Rzlen 54 und 62, sowie vom , Dereci u.a., C-256/11, Rz 94).

Im Hinblick auf diese Stillhalteklausel hat auch der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0313, die Außerachtlassung der mit durch das NAG eingeführten Verschärfungen der Bedingungen für den Familiennachzug (insb. hinsichtlich des Nachweises von Unterhaltsmitteln) verlangt, mit Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0304, die Missachtung dieser Klausel hinsichtlich eines in § 20 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes normierten - und im Fremdengesetz 1997 noch nicht vorgesehenen - Erlöschen eines unbefristet erteilten Aufenthaltstitels gerügt, die durch das FrÄG 2009 bewirkte Verschiebung einer Altersgrenze für die Familienzusammenführung von Ehegatten auf 21 Jahre mit Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0216, für türkische Staatsangehörige für nicht anwendbar gesehen, oder in seinem Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/09/0016, das durch das BGBl. I Nr. 25/2011 in § 4 AuslBG eingeführte Erfordernis der Zustimmung des Regionalbeirates oder des Vorliegens besonderer Sachverhalte oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe als Voraussetzung für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung als nicht anzuwendende Verschärfung gewertet.

Ein Befreiungsschein gemäß § 15 AuslBG berechtigt zur Aufnahme einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet und bescheinigt das Recht des Zuganges zum gesamten Arbeitsmarkt. Er war nach § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002 einem Ausländer auf Antrag für fünf Jahre auszustellen, wenn dieser "1. während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet mit einer dem Geltungsbereich diesen Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war". Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 101/2005 wurde diese Rechtslage dahingehend verändert, dass das Erfordernis hinzugefügt wurde, dass der Ausländer "rechtmäßig niedergelassen ist".

Wenn nun die revisionswerbende Partei den Antrag des Mitbeteiligten allein mit der Begründung abwies, dass der Mitbeteiligte nach dem NAG nicht rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen sei, so hat sie verkannt, dass die mit erfolgte Einfügung des Erfordernisses einer rechtmäßigen Niederlassung in § 15 Abs. 1 Z 1 AuslBG eine "neue Beschränkung" im Sinne der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 darstellte, welche sie außer Acht lassen hätte müssen.

Mit Wirkung vom wurde mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 72/2013 die Rechtslage neuerlich geändert und das Rechtsinstitut des Befreiungsscheines aus dem AuslBG entfernt. Die Bundesregierung hat dies in den Erläuterungen zu ihrem Gesetzesvorschlag damit begründet, dass der Befreiungsschein mit der sich aus der Richtlinie 2011/98/EU ergebenden Verpflichtung zur Einführung einer kombinierten Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung nicht mehr vereinbar sei (2163 BlgNR 24 GP, 4). In § 32 Abs. 11 AuslBG wurde allerdings die Weitergeltung bisher erteilter Befreiungsscheine angeordnet, Übergangsvorschriften für anhängige Verfahren aber nicht für notwendig gesehen.

In § 15 Abs. 1 des nunmehrigen Gesetzes wurde normiert, dass "Ausländern, die im Besitz einer 'Niederlassungsbewilligung' oder einer 'Niederlassungsbewilligung - Angehöriger' sind, ... im Rahmen eines Zweckänderungsverfahrens zur Erteilung einer 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' unbeschränkter Arbeitsmarktzugang eingeräumt (§ 17) (wird), wenn sie ... 2. im Besitz einer gültigen Arbeitserlaubnis oder eines gültigen Befreiungsscheines sind".

Kein Zweifel kann im vorliegenden Fall darin bestehen, dass das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache zu entscheiden und seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hatte (vgl. zu § 28 VwGVG das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/03/0076, und zum AuslBG das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/09/0089).

Das Bundesverwaltungsgericht hatte über einen Antrag auf Erteilung eines Befreiungsscheines, sohin einer Bescheinigung zu befinden, mit welchem dem Mitbeteiligten für die Dauer von fünf Jahren der unbeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt bescheinigt wird.

Bei der Beurteilung des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen für die Ausstellung einer solchen Bescheinigung hatte das Bundesverwaltungsgericht alle "neuen Beschränkungen", welche in der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung seit der ab bestehenden günstigsten Rechtslage in Kraft getreten waren, außer Acht zu lassen. Auch die durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 72/2013 bewirkte Entfernung des Befreiungsscheines aus dem AuslBG ist als eine solche "neue Beschränkung" zu betrachten, die Kraft der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 für türkische Staatsangehörige im Sinne des Art. 13 ARB 1/80 keine Wirkung hat. Bisher erteilte Befreiungsscheine gelten gemäß § 32 Abs. 11 AuslBG ohnehin ausdrücklich weiter.

§ 32 Abs. 11 AuslBG idF BGBl. I Nr. 72/2013 normiert, dass vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 72/2013 ausgestellte Arbeitserlaubnisse und Befreiungsscheine bis zum Ablauf ihrer jeweiligen Geltungsdauer gültig bleiben. Schon aufgrund der unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität bleiben Befreiungsscheine, die zwar nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 72/2013, aber in Anwendung der Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 aufgrund früherer Fassungen des AuslBG ausgestellt wurden, ebenfalls bis zum Ablauf ihrer jeweiligen Geltungsdauer gültig.

Eine Umdeutung des Antrages des Mitbeteiligten in einen Antrag auf Zweckänderung in einen in § 15 Abs. 1 AuslBG angeführten Aufenthaltstitel kam im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil das Bundesverwaltungsgericht auf den Gegenstand der von ihm zu entscheidenden Verwaltungsrechtssache, nämlich auf den Antrag des Mitbeteiligten auf Erteilung eines Befreiungsscheines beschränkt war, sohin der Ausstellung einer Bescheinigung über den unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt auf fünf Jahre, und die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht Gegenstand des Verfahrens war. Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Zweifel daran, dass die Richtlinie 2011/98/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom der Erteilung eines Befreiungsscheines an den Mitbeteiligten nicht entgegenstand, weil die Berufung auf die Umsetzung einer Richtlinie nur zu Lasten eines einzelnen oder zur Vorenthaltung von Rechten eines einzelnen nicht in Frage kommt (vgl. etwa die Kolpinghuis Nijmwegen, BV, Rs 80/86, Rz 13, und vom , Berlusconi, Rs. C-387/02, Rz 73 f).

Die Revision war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Arbeitsmarktservice wurde gemäß § 1 Abs. 1 Arbeitsmarktservicegesetz (BGBl. Nr. 313/1994; AMSG) als Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechtes mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet. Gemäß § 41 Abs. 1 leg. cit. bestreitet das Arbeitsmarktservice die Personal- und Sachausgaben für die Vollziehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Solcherart war die Verpflichtung zur Begleichung des Aufwandersatzes dem Arbeitsmarktservice als Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG aufzuerlegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/09/0261).

Wien, am