VwGH vom 14.10.2011, 2009/09/0208
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des HH in G, vertreten durch Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen den Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom , Zl. DS-D - 135/2009, betreffend Antrag auf Aufhebung der Bezugskürzung nach der Wiener Dienstordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Disziplinarkommission des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 94 Abs. 2 der Dienstordnung 1994 - DO 1994
"wegen des Verdachtes, in der Abteilung Kaufmännische Dienste und Controlling der Hauptabteilung Fahrzeugtechnik Materiallieferungen und Materialreparaturen vorgetäuscht zu haben, wodurch die W. GmbH Co KG (in der Folge: W. L.) um die Beträge der dafür ausgestellten und beglichenen Rechnungen geschädigt worden sei,"
vom Dienst suspendiert.
Mit Schreiben an die Disziplinarkommission des Magistrates der Stadt Wien vom (Datum der Postaufgabe) ersuchte der Beschwerdeführer um Fortzahlung seines Grundgehaltes bis zur Klärung der ihm vorgeworfenen Anschuldigungen. Er sei für seinen Sohn, der im gleichen Haushalt lebe, unterhaltspflichtig und es sei ihm nicht möglich, mit dem verkürzten Gehalt die Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes zu gewährleisten. Mit Schreiben an die belangte Behörde vom machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend den genannten Antrag geltend und stellte gemäß § 43 AVG einen Devolutionsantrag.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom gab die belangte Behörde dem Devolutionsbegehren statt und wies den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Aufhebung der Bezugskürzung gemäß § 73 Abs. 2 AVG iVm § 94 Abs. 4 zweiter Satz DO 1994 ab.
Der Beschwerdeführer stehe in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien und sei den W. L. zur Dienstleistung zugewiesen. Er sei mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom vorläufig und mit Bescheid der Disziplinarkommission vom endgültig vom Dienst suspendiert worden. Während der Dauer der Suspendierung verkürze sich gemäß § 94 Abs. 4 erster Satz DO 1994 der Monatsbezug des Beschwerdeführers - unter Ausschluss der Kinderzulage - um ein Drittel. Die vom Beschwerdeführer am beantragte Aufhebung der durch die Suspendierung eingetretenen Bezugsminderung sei gemäß § 94 Abs. 4 dritter Satz DO 1994 erst ab diesem Zeitpunkt zu prüfen. Dem Beschwerdeführer gebühre ab Jänner 2008 ein Monatsbezug in Höhe von insgesamt EUR 2.293,70 brutto. Die auf Grund seiner Suspendierung eingetretene Verkürzung seines Monatsbezuges um ein Drittel vermindere seinen Monatsbezug ab auf EUR 1.529,13 brutto zuzüglich der Kinderzulage in Höhe von EUR 14,53, sohin insgesamt EUR 1.543,66. Dem Beschwerdeführer sei im Jahr 2008 monatlich rund EUR 945,-- und im Jahr 2009 monatlich rund EUR 998,-- netto (unter Außerachtlassung von Sonderzahlungen) ausbezahlt worden. Eine Gegenüberstellung des sich auf Grund der Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes und der Sozialhilfe-Richtsatzverordnung ergebenden Aufwandes für den notwendigen Lebensunterhalt mit dem oben genannten Nettobezug ergebe, dass der notwendige Lebensunterhalt für den Beschwerdeführer durch die ihn gebührenden verkürzten Monatsbezüge gesichert sei und somit die Fixkosten für seinen Lebensunterhalt und - bis zum - die seines Sohnes abgedeckt werden könnten. Hinsichtlich der übrigen vom Beschwerdeführer bekannt gegebenen Fixkosten sei festzuhalten, dass es sich dabei - im Hinblick auf die Legaldefinition des § 12 WSHG - nicht um Aufwendungen zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes handle. Die Rückzahlungen des nach Angaben des Beschwerdeführers für die Schaffung seines Eigenheimes aufgenommenen Kredites dienten nicht der Sicherung des notwendigen Lebensunterhaltes, sondern der Vermögensbildung bzw. der Vermögenserhaltung. Es stelle keine unzumutbare Härte bzw. Strafe dar, wenn sich der Beamte von Liegenschaftsvermögen trennen müsste. Dasselbe gelte für die angegebene Lebensversicherung und die mit der Anschaffung von Liegenschaftseigentum zusammenhängenden Abgabepflicht als Grundbesitzer ("Gemeindeabgaben"). Hinsichtlich der Kreditrückzahlung sei überdies zu bemerken, dass mit den Gläubigern für die Dauer der Suspendierung eine Umschuldung, eine Aussetzung des Vertrages bzw. der Rückzahlungen oder andere Vereinbarungen hätten getroffen werden können, welche die monatliche Zahlungsverpflichtung mindern oder beseitigen würden. Dasselbe gelte für die Rückzahlung der Wohnbauförderung.§ 94 Abs. 4 zweiter Satz DO 1994 bezwecke, den notwendigen Lebensunterhalt bzw. die grundlegenden Bedürfnisse zu sichern, nicht aber die Rückzahlung einer in der Vergangenheit eingegangenen Schuld zu ermöglichen. In der Regel sei es auch möglich, die Prämienzahlung für Versicherungen im Wege der Vereinbarung mit dem Versicherungsunternehmen für einen gewissen Zeitraum auszusetzen. Die vom Beschwerdeführer für Strom und Gas angeführten Kosten könnten den für seine notwendige Lebensführung errechneten Betrag nicht erhöhen, weil Kosten für Beheizung, Beleuchtung und Kochfeuer in den Sozialhilferichtsätzen bereits veranschlagt seien. Die vom Beschwerdeführer angegebenen Kosten für Telefon sowie die Rundfunkgebühr seien ebenfalls in den Richtsätzen in einem angemessenen Ausmaß als Pflege der Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben veranschlagt.
Auch die übrigen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Besitz von zwei Personenkraftfahrzeugen (Leasing-Raten, KFZ-Versicherungen) und der Haushaltsversicherung könnten nicht als für die notwendige Lebensführung erforderliche Ausgaben berücksichtigt werden. Diese Aufwendungen dienten der Vermögensschaffung bzw. Vermögenserhaltung und der Beschwerdeführer habe überdies nicht dargetan, inwiefern die Erhaltung eines Autos zu seiner Lebensführung - insbesondere für die Dauer der Suspendierung - erforderlich sei, zumal auch seine Ehegattin über ein Kraftfahrzeug verfüge. Die belangte Behörde habe auch berücksichtigt, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von ca. EUR 1.400,-- habe. Ausgehend von einem Familieneinkommen von rund EUR 2.350,-- netto könne - selbst bei Berücksichtigung der Bedienung der Kreditraten in der Höhe von maximal EUR 960,-- monatlich für diese der Befriedigung des Wohnbedürfnisses dienende Immobilie - weder von einer Gefährdung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers - und bis Februar 2009 des seines Sohnes, für den er bis zu diesem Zeitpunkt sorgepflichtig gewesen sei - noch von einem drohenden, nicht wieder gut zu machenden Schaden gesprochen werden. Die Voraussetzungen für eine Verminderung oder Aufhebung der Kürzung des Monatsbezuges seien nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde habe nicht bedacht, dass die Aufhebung der Bezugskürzung auch zur Vermeidung eines nicht wieder gut zu machenden Schadens erforderlich sein könne und
"die von mir vorzunehmenden Rückzahlungen hinsichtlich der Schaffung meines Eigenheimes für mich nicht finanzierbar sind und demnach zu befürchten ist, dass ich die Kredite nicht weiter bedienen werde können und sohin weiters zu befürchten ist, dass ich mein Eigenheim wiederum verlieren werde, also ein nicht wieder gut zu machender Schaden eintreten wird, welcher vermieden werden hätte können, indem eine Aufhebung der Bezugskürzung oder aber auch nur eine Verminderung der Bezugskürzung vorgenommen worden wäre".
Er habe im Verwaltungsverfahren mehrfach darauf hingewiesen, "dass eine Stilllegung meiner Lebensversicherung nicht
möglich ist, da es sich dabei um eine so genannte Er- und Ablebensversicherung zur Begleichung der Kreditsumme nach Ablauf des Kreditvertrages handelt, welche also so lange zu laufen hat, so lange der Kredit selbst besteht".
Dasselbe gelte für die Lebensversicherungen seiner Ehefrau. Bei dem kreditfinanzierten Eigenheim handle es sich um die einzige Unterkunft seiner Familie. Eine Änderung des Kreditvertrages hinsichtlich der Ratenhöhe bzw. der Laufzeit sei "auf Grund der derzeitigen Finanzkrise und der seitens der Bank verschärften Vorschriften zur Besicherung" nicht möglich. Die belangte Behörde habe es unterlassen, "entsprechende Erhebungen" durchzuführen.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Gemäß § 94 Abs. 4 der Dienstordnung für Wien 1994 (DO Wien 1994) verkürzt sich der Monatsbezug des Beamten - unter Ausschluss der Familienzulage - während der Dauer einer Suspendierung um ein Drittel. Der Magistrat kann auf Antrag des Beamten die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, oder zur Vermeidung eines nicht wieder gut zu machenden Schadens erforderlich ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Verminderung oder Aufhebung der Bezugskürzung nicht in Betracht, wenn und soweit sie zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, nicht unbedingt erforderlich ist. An die zweite alternative Voraussetzung des § 94 Abs. 4 zweiter Satz DO Wien 1994
("... Vermeidung eines nicht wieder gut zu machenden Schadens
erforderlich") ist ein vergleichbar strenger Maßstab anzulegen. Die Aufhebung bzw. Verminderung der Bezugskürzung ist nur als letzter Ausweg zu sehen, einen nicht wieder gut zu machenden Schaden abzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0117, mwN).
Des Weiteren entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einer suspendierten Beamtin, die keinen Dienst leistet, eine Einschränkung der bisherigen Lebenshaltung durchaus zugemutet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0238).
Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 95/09/0186, dargelegt, er halte eine Berechnungsmethode nicht für rechtswidrig, bei der das Einkommen des Ehegatten zum Einkommen der Beschwerdeführerin hinzugerechnet werde und dieses Familieneinkommen mit den Sozialhilferichtsätzen verglichen werde.
Des Weiteren ist auch das Vermögen zur Deckung des Lebensunterhaltes heranzuziehen und zu verwerten (vgl. mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/09/0118; vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0142).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die erste alternative Voraussetzung des § 94 Abs. 4 zweiter Satz DO Wien 1994 ("Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist") in Anbetracht seines Einkommens und des seiner Ehegattin (zur Maßgeblichkeit des Familieneinkommens vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0142) nicht erfüllt ist.
Im Übrigen - also in Bezug auf der zweiten alternativen Voraussetzung iSd § 94 Abs. 4 zweiter Satz DO Wien 1994 - wäre es dem Beschwerdeführer oblegen, die konkrete Gefahr eines nicht wieder gut zu machenden Schadens darzulegen und insbesondere nachzuweisen, dass es ihm trotz entsprechender Anstrengungen nicht gelungen sei, diese Gefahr abzuwenden. Die bloße Behauptung, eine Verminderung von Ratenzahlungen wäre "auf Grund der Finanzkrise" nicht möglich, reicht hiezu nicht aus (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2007/09/0142). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, warum der Beschwerdeführer in Anbetracht eines Familieneinkommens von rund EUR 2.350,-- netto bei sparsamer Lebensführung nicht in der Lage sein sollte, die von ihm angegebenen Kreditraten für das Eigenheim in Höhe von (aktuell) monatlich EUR 860,-- zu begleichen, zumal der Beschwerdeführer auch nicht dargelegt hat, wieso die Familie zwei Kraftfahrzeuge halten müsse (wobei für eines der Kraftfahrzeuge bis Juli 2009 Raten iHv monatlich EUR 413,83 aufgewendet wurden).
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am