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VwGH 16.01.2015, Ra 2014/06/0044

VwGH 16.01.2015, Ra 2014/06/0044

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
BauRallg;
VwGG §30 Abs2;
RS 1
Nichtstattgebung - Einwendungen gegen ein Bauvorhaben - Soweit die Beschwerdeführer sich auf die Entwertung ihrer Liegenschaft beziehen, ist dieses Vorbringen schon deshalb nicht zielführend, weil sie damit kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im baurechtlichen Bereich geltend machen (vgl. zB. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2013/05/0053).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie AW 2013/06/0060 B RS 1 (hier Revisionswerberin statt Beschwerdeführer)
Normen
32011L0092 UVP-RL;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
BauO Tir 2001 §26;
UVPG 2000 §3 Abs7;
RS 1
Die (Fach)Behörde ist verpflichtet, ihre Zuständigkeit von Amts wegen unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen im angefochtenen Bescheid darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht (Hinweis E vom , 2015/04/0002, mwN).
Normen
32011L0092 UVP-RL Art1 Abs2;
32011L0092 UVP-RL Art11;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
EURallg;
GewO 1994 §74 Abs2;
UVPG 2000 §3 Abs7;
RS 2
Dem C- 570/13, "Gruber" lässt sich entnehmen, dass der EuGH die Entscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Richtlinie 2011/92 durchzuführen, als Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 wertet (Rn. 44). Nach Auffassung des EuGH gehören Personen, die unter den Begriff "Nachbar" nach der GewO 1994 fallen, unionsrechtlich zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92 (vgl. den Tenor und Rn. 42 des Urteils).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2015/04/0002 E RS 4
Normen
32011L0092 UVP-RL Art1 Abs2;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
AVG §8;
BauO Tir 2011 §26;
EURallg;
UVPG 2000 §3 Abs7;
RS 3
Auch die unter den Begriff "Nachbar" nach der Tir BauO 2011 fallenden Personen gehören zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92, weil sich gewerberechtliche und baurechtliche Bewilligungsverfahren sowohl in Bezug auf den Schutzzweck der Nachbarrechte als auch hinsichtlich des aus der Parteistellung ergebenden Rechts auf Einhaltung der gesetzlich normierten Zuständigkeiten im hier wesentlichen Bereich gleichen (Hinweis E vom , 2015/04/0002). Die revisionswerbende Partei ist als Nachbarin im Sinne der Tir BauO 2011 im Verfahren zur Genehmigung einer baulichen Anlage nach Tir BauO 2011 Teil der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne der Richtlinie 2011/92 und erfüllt darüber hinaus nach den Kriterien des nationalen Rechts die Anforderung des ausreichenden Interesses, um gegen eine Entscheidung, dass keine UVP durchzuführen ist, einen Rechtsbehelf einlegen zu können.
Normen
32011L0092 UVP-RL Art11;
62013CJ0570 Gruber VORAB;
BauO Tir 2011 §26;
EURallg;
UVPG 2000 §3 Abs7;
RS 4
Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen die Bestimmungen des Art. 11 der Richtlinie 2011/92 über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten der Mitglieder der Öffentlichkeit, die von unter diese Richtlinie fallenden Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen betroffen ist, nicht restriktiv ausgelegt werden. Vielmehr ist das Ziel zu berücksichtigen, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren (Hinweis E vom , 2015/04/0002).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der M, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2014/22/1264-13, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: H GmbH, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ist auf Antrag des Revisionswerbers der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die Revisionswerberin bringt zur Begründung ihres Antrages vor, ohne aufschiebende Wirkung würde eine erhebliche Beeinträchtigung der Revisionswerberin gegeben sein. Sie würde in ihrer Rechtsposition eine negative Einschränkung erfahren. Sie wäre erheblichen gesundheitlichen Lärm- und Geruchsimmissionen ausgesetzt. Zugleich hätte die Umsetzung der verfahrensgegenständlichen Maßnahme die erhebliche Wertminderung der im Miteigentum der Revisionswerberin stehenden Liegenschaft zur Folge, was einer Enteignung gleichkomme. Dies sei für die Revisionswerberin mit nicht unbeträchtlichen Kosten, also wirtschaftlichen Nachteilen sowie (gesundheitlichen) Folgen verbunden. Weiters hätte es die Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums der Revisionswerberin zur Folge. Mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werde die Rechtskraft des angefochtenen Erkenntnisses suspendiert. Die rechtliche Position der Antragstellerin gestalte sich dann folglich günstiger als vor der Erlassung des das Baubewilligungsansuchen abweisenden Erkenntnisses. Die mit der Rechtskraft des angefochtenen Erkenntnisses einhergehende Vollstreckbarkeit bzw. Fortführung des Verfahrens auf Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes würde zu einer beträchtlichen Verletzung der Rechte der Revisionsweberin führen. Der sofortige Vollzug hätte einen schweren, nicht wieder gutzumachenden Schaden für die Interessen der Revisionswerberin zufolge. Es wären beträchtliche Gefahren für Leib und Leben und finanzielle Einbußen sowie ein nicht wiedergutzumachender Eigentumseingriff gegeben. Für die Revisionswerberin würde ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen.

Die mitbeteiligte Partei hat sich in einer Stellungnahme vom gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen.

Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hat in einer Stellungnahme vom auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , E 1597/2014-7, verwiesen, mit dem einer Beschwerde der Revisionswerberin vor dem Verfassungsgerichtshof gegen das auch hier angefochtene Erkenntnis keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

Soweit sich die Revisionswerberin auf die Entwertung ihrer Liegenschaft bezieht, ist dieses Vorbringen schon deshalb nicht zielführend, weil sie damit kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im baurechtlichen Bereich geltend macht (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2013/06/0060, mwN).

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem, die aufschiebende Wirkung der Revision betreffenden Verfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu prüfen. Angesichts dessen, dass es lediglich um die Auswirkungen eines möglichen sofortigen Vollzuges des Erkenntnisses geht, ist davon auszugehen, dass das Landesverwaltungsgericht die vom Bauvorhaben ausgehenden Gefahren geprüft hat. Die für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung genannten Gründe der Revisionswerberin stellen sich in dieser Hinsicht als nicht nachvollziehbare Behauptungen dar, die auch nicht durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden.

Im Fall des Obsiegens der Revisionswerberin hätte im Übrigen allein die mitbeteiligte Bauwerberin die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit eines inzwischen ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen. Hingegen ist nicht erkennbar, dass durch die Ausübung der Berechtigung ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf Seiten der Revisionswerberin zu erwarten wäre.

Dass ein allfälliger späterer Abbruch bzw. eine Rückgängigmachung von Baumaßnahmen tatsächlich undurchführbar wäre, behauptet die Revisionswerberin nicht konkret. Während grundsätzlich die Interessen der Bauwerberin an der Umsetzung der Baubewilligung auf der Hand liegen, hat die Revisionswerberin somit nicht substantiiert dargelegt, weshalb die Bauführung irreversible Veränderungen mit sich brächte. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, weshalb der durch die Ausübung der Berechtigung zu erwartende Nachteil der Revisionswerberin unverhältnismäßig sein sollte (vgl. auch zu diesen Ausführungen den zitierten hg. Beschluss vom , mwN).

Dem Antrag musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision der revisionswerbenden Partei M G in L, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2014/22/1264-13, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Stadtgemeinde L; weitere Partei: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei: H GmbH in L, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Die Stadtgemeinde L hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde gemäß § 3 Abs. 7 iVm §§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 1, 2 sowie Anhang 1 Z 19 lit. b, Z 20 und Z 21 lit. b des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) festgestellt, dass für das Bauvorhaben "Kaufhaus- und Hotelprojekt L" (nach der Bescheidbegründung auf den Grundstücken Nr. 2020, 541/4 und 1920, alle KG L) keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen ist. Dieser Bescheid erging nicht an die Revisionswerberin, der in diesem Verfahren auch keine Parteistellung eingeräumt worden war.

Mit Bescheid vom erteilte die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde L der mitbeteiligten Partei nach Maßgabe der eingereichten Planunterlagen sowie unter Vorschreibung von Auflagen gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit § 27 Abs. 6 und Abs. 7 Tiroler Bauordnung 2011 (TBO 2011) die baurechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Einkaufszentrums, eines Gebäudes mit Mischnutzung (Dienstleistung/Hotel) sowie einer Tiefgarage mit zwei Ein- und Ausfahrten auf den Grundstücken Nr. 2020, 541/4, 2207, 2210 und 2211, alle KG L.

Die Revisionswerberin ist Miteigentümerin der Grundstücke Nr. 401/2 sowie Nr. .411, beide KG L, und aufgrund der unstrittigen Lage der Grundstücke als Nachbarin Partei im Baubewilligungsverfahren.

Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom als unbegründet abgewiesen und begründend im Wesentlichen ausgeführt, einem Nachbarn komme in Bezug auf die Vorschreibung von Auflagen, die sich als bedingte Polizeibefehle ausschließlich an den Bauwerber richteten, grundsätzlich kein Mitspracherecht zu (wurde näher ausgeführt). Die vorgebrachte Mangelhaftigkeit und Unvollständigkeit des Bauansuchens sei nicht konkret dargelegt worden. Der Einwand, wonach die Auflagen insgesamt projektändernd seien, sei als unzulässig zurückzuweisen. Auch hinsichtlich der einheitlichen Widmung des Bauplatzes komme der Revisionswerberin kein Mitspracherecht zu (wurde näher ausgeführt). Da alle Flächenwidmungen "parzellenscharf" erfolgt seien, könnten die Ausführungen der Revisionswerberin hinsichtlich einer Aufsplitterung in einzelne Bauvorhaben nicht nachvollzogen werden. Hinsichtlich des Brandschutzes liege ein eingehendes brandschutztechnisches Konzept vor (wurde näher ausgeführt). Die Revisionswerberin sei weder im erst- noch im zweitinstanzlichen Verfahren den eingeholten Sachverständigengutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) schließe sich den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen an. Die Übereinstimmung des gegenständlichen Projekts mit dem maßgeblichen Bebauungsplan habe der hochbautechnische Amtssachverständige sowohl im Rahmen der gutachterlichen Stellungnahme vom als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt. Da dies unwidersprochen geblieben sei, seien die diesbezüglichen Einwendungen unbegründet.

Das weitere Vorbringen erweise sich mangels Mitspracherechts als unzulässig. Hinsichtlich der von der Revisionswerberin monierten UVP-Pflicht habe die ergänzende Stellungnahme der mitbeteiligten Partei vom gezeigt, dass sich die für die Feststellung nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 maßgeblichen Parameter, wie etwa die Stellplatzanzahl, seit Erlassung des Bescheides der Tiroler Landesregierung vom in ihrer Auswirkung sogar reduziert hätten, weshalb dieser Bescheid nach wie vor maßgeblich sei.

Ferner sprach das LVwG aus, dass gegen sein Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis kostenpflichtig wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, eventualiter wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben oder in der Sache selbst dahin zu entscheiden, dass das gegenständliche Bauansuchen einer Baubewilligung nicht zugänglich sei.

Das LVwG legte die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurück- oder abzuweisen.

Die Tiroler Landesregierung erstattete ebenfalls eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 26 TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011, lautet auszugsweise:

"§ 26. (1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

...

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

b)

der Bestimmungen über den Brandschutz,

c)

der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,

d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,

e)

der Abstandsbestimmungen des § 6,

f)

das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.

(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.

..."

§ 3 UVP-G 2000 in der Fassung BGBl. I Nr. 77/2012 lautet

auszugsweise:

"§ 3. (1) ...

...

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese

Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. ... Parteistellung

haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. ..."

Die Revision ist in Bezug auf die Frage der Bindungswirkung eines über die UVP-Pflicht absprechenden, rechtskräftigen Bescheides für die an diesem Verfahren nicht beteiligten Nachbarn in einem nachfolgenden Bauverfahren zulässig. Sie ist im Ergebnis auch begründet.

Mit Urteil vom in der Rechtssache C-570/13, "Gruber", sprach der EuGH hinsichtlich der Frage der Bindungswirkung eines Bescheides, mit dem festgestellt wird, dass bei einem bestimmten Projekt keine UVP durchzuführen ist, auch für Nachbarn, denen im vorangegangenen Feststellungsverfahren keine Parteistellung zukam, Folgendes aus:

"Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen - wonach eine Verwaltungsentscheidung, mit der festgestellt wird, dass für ein Projekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, Bindungswirkung für Nachbarn hat, die vom Recht auf Erhebung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung ausgeschlossen sind - entgegensteht, sofern diese Nachbarn, die zur 'betroffenen Öffentlichkeit' im Sinne von Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie gehören, die Kriterien des nationalen Rechts in Bezug auf das 'ausreichende Interesse' oder die 'Rechtsverletzung' erfüllen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob diese Voraussetzung in der bei ihm anhängigen Rechtssache erfüllt ist. Ist dies der Fall, muss das vorlegende Gericht feststellen, dass eine Verwaltungsentscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, gegenüber diesen Nachbarn keine Bindungswirkung hat."

In den Entscheidungsgründen führte der EuGH (unter anderem) aus:

"30 Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2011/92 stellen die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der 'betroffenen Öffentlichkeit', die entweder ein ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaates dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen der Richtlinie 2011/92 gelten.

31 Nach der Definition in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92 gehört zur 'betroffenen Öffentlichkeit' die von Entscheidungsverfahren in Bezug auf Umweltverträglichkeitsprüfungen betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran.

41 Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass Frau Gruber eine 'Nachbarin' im Sinne von § 75 Abs. 2 der Gewerbeordnung ist, wobei unter den Begriff 'Nachbar' alle Personen fallen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten.

42 Angesichts des Wortlautes dieser Bestimmung ist ersichtlich, dass die Personen, die unter den Begriff 'Nachbar' fallen, zur 'betroffenen Öffentlichkeit' im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92 gehören können. ..."

Nach der hg. Rechtsprechung ist die (Fach)Behörde verpflichtet, ihre Zuständigkeit von Amts wegen unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen im angefochtenen Bescheid darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2015/04/0002, mwN).

Verfahrensgegenständlich verwies das LVwG hinsichtlich der Frage der UVP-Pflicht auf den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, wonach keine UVP durchzuführen sei. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen der Revisionswerberin sei mangels eines Mitspracherechts unzulässig.

Dem Urteil des EuGH in der Rechtssache "Gruber" ist zu entnehmen, dass der EuGH die Entscheidung, keine UVP nach der Richtlinie 2011/92 durchzuführen, als Entscheidung, Handlung oder Unterlassung im Sinne von Art. 11 der Richtlinie 2011/92 wertet, und Personen, die unter den Begriff "Nachbar" nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) fallen, unionsrechtlich zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92 gehören (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom ).

Auch die unter den Begriff "Nachbar" nach der TBO 2011 fallenden Personen gehören zur "betroffenen Öffentlichkeit" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92, weil sich gewerberechtliche und baurechtliche Bewilligungsverfahren sowohl in Bezug auf den Schutzzweck der Nachbarrechte als auch hinsichtlich des aus der Parteistellung ergebenden Rechts auf Einhaltung der gesetzlich normierten Zuständigkeiten im hier wesentlichen Bereich gleichen.

Die revisionswerbende Partei ist als Nachbarin im Sinne der TBO 2011 im Verfahren zur Genehmigung einer baulichen Anlage nach TBO 2011 Teil der betroffenen Öffentlichkeit im Sinne der Richtlinie 2011/92 und erfüllt darüber hinaus nach den Kriterien des nationalen Rechts die Anforderung des ausreichenden Interesses, um gegen eine Entscheidung, dass keine UVP durchzuführen ist, einen Rechtsbehelf einlegen zu können.

Hinzu tritt, dass nach der Rechtsprechung des EuGH die Bestimmungen des Art. 11 der Richtlinie 2011/92 über die Rechtsbehelfsmöglichkeiten der Mitglieder der Öffentlichkeit, die von unter diese Richtlinie fallenden Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen betroffen ist, nicht restriktiv ausgelegt werden dürfen. Vielmehr ist das Ziel zu berücksichtigen, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom ).

Da die Revisionswerberin keine Parteistellung im Verfahren zur Erlassung des UVP-Feststellungsbescheides nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 hatte, ist somit davon auszugehen, dass der UVP-Feststellungsbescheid gegenüber der Revisionswerberin im nachfolgenden Baubewilligungsverfahren keine Bindungswirkung hat (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom ).

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauRallg;
VwGG §30 Abs2;
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche
Rechte BauRallg5/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014060044.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAE-91033