VwGH vom 15.12.2011, 2009/09/0188

VwGH vom 15.12.2011, 2009/09/0188

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes des Bundesministers für Inneres bei der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt in 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 17/8-DOK/09, betreffend Disziplinarstrafe nach dem BDG 1979 (mitbeteiligte Partei: DK in D, vertreten durch Dr. Edmund Kitzler, Rechtsanwalt in 3950 Gmünd, Stadtplatz 43), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Verhängung einer Disziplinarstrafe) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag des Disziplinaranwaltes auf Aufwandersatz zugunsten des Bundes wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom wurde der Mitbeteiligte, der als Gruppeninspektor in einer Polizeiinspektion tätig war, näher angeführter Dienstpflichtverletzungen für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

Der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde insofern Folge gegeben, als über ihn gemäß § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von fünf Monatsbezügen verhängt wurde.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift des Mitbeteiligten in einem Senat gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG erwogen:

Mit Erkenntnis vom , V 1/11, hat der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass die Verordnung "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2008 ab " der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gesetzwidrig war. Mit weiterem Erkenntnis vom , V 75/11, hat der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass die Verordnung "Zusammensetzung der Senate und Geschäftsverteilung, gültig für das Jahr 2009 ab " der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres gesetzwidrig war.

Diese Entscheidungen beruhen auf der darin näher dargelegten Auffassung, dass diese Verordnungen keinen Hinweis darauf enthielten, dass sie vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres erlassen worden seien. Die Verordnungen seien damit auf gesetzwidrige Weise kundgemacht. Dieser während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof hervorgekommene Umstand wurde den Parteien im Hinblick auf § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG zur Kenntnis gebracht und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, die keine Stellungnahmen erstattet haben.

Gemäß Art. 89 Abs. 1 B-VG sind Gerichte, einschließlich des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Art. 135 Abs. 4 B-VG) an nicht gehörig kundgemachte Verordnungen nicht gebunden und zwar unabhängig davon, ob diese vom Verfassungsgerichtshof aus diesem Grund aufgehoben wurden oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/12/0076).

§ 101 Abs. 4 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 idF BGBl. Nr. 287/1988, lautet:

"(4) Der Vorsitzende jeder Kommission hat jeweils bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr die Senate zu bilden und die Geschäfte unter diese zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Kommissionsmitglieder bei der Verhinderung eines Senatsmitgliedes als Ersatzmitglieder in die Senate eintreten. Die Zusammensetzung der Senate darf nur im Falle unbedingten Bedarfes abgeändert werden."

Kein Zweifel kann daran bestehen, dass die Geschäftseinteilung gemäß § 101 Abs. 4 BDG 1979 als Verordnung gehörig kundzumachen ist (Art. 89 Abs. 1 B-VG). Der Verwaltungsgerichtshof ist ebenso wie der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass die angeführte Geschäftseinteilungen nicht gehörig kundgemacht wurden. Die Verordnungen sind daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht anzuwenden. Es wurde auch von den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgebracht und ist nicht zu ersehen, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Behörde erster Instanz eine gültige Geschäftseinteilung bestanden hätte.

Ob im vorliegenden Fall die Anwendung der Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2008 - im Hinblick auf den Anfall der Rechtssache bei der Disziplinarkommission in diesem Jahr (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , V 2/11) - in Betracht kam, oder aber jener für das Kalenderjahr 2009, ist hier nicht entscheidend, denn in beiden Fällen bestand der dargelegte Kundmachungsmangel. Das Fehlen einer wirksamen, die Zusammensetzung und die Zuständigkeit eines Kollegialorgans regelnden - vom Gesetz, hier von § 101 Abs. 4 BDG 1979 verlangten - Norm im Zeitpunkt der Beschlussfassung hat dessen Unzuständigkeit zur Folge (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/12/0104, und vom , Zl. 2005/09/0009, mwN). Die Berufungsbehörde hat eine solche Unzuständigkeit durch Aufhebung des unterinstanzlichen Bescheides aufzugreifen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 89/17/0031, 0032, vom , Zl. 94/09/0305, vom , Zl. 2005/09/0009, und vom , Zl. 2008/09/0035, mwN). Indem die belangte Behörde dies unterließ, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Die Beschwerde richtet sich gegen den angefochtenen Bescheid nur im Umfang der mit diesem ausgesprochenen Strafe, nicht hingegen gegen den damit erfolgten Schuldspruch, weshalb der angefochtene Bescheid in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuspruch von Kosten war abzuweisen, weil die belangte Behörde funktionell für die beschwerdeführende Partei tätig geworden ist. Es erscheint gedanklich ausgeschlossen, dass ein und derselbe Rechtsträger sich selbst Kosten ersetzen kann. § 47 VwGG setzt zwei verschiedene Rechtsträger der obsiegenden und der unterlegenen Partei voraus, da nur unter dieser Voraussetzung einem solchen Rechtsträger Aufwandersatz "zufließen" kann (§ 47 Abs. 5 letzter Satz VwGG). Ein Kostenersatz, der auf eine bloße Umschichtung innerhalb des Rechenwerks desselben Rechtsträgers (wenn auch zwischen verschiedenen Budgetansätzen) hinausläuft, kann diesem Rechtsträger (hier: dem Bund) nicht "zufließen". Im Falle der Identität des Rechtsträgers, dem der Kostenersatz aufzuerlegen wäre, mit jenem Rechtsträger, dem er zuzusprechen wäre, kommt der Zuspruch von Kostenersatz daher nicht in Betracht (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0442).

Wien, am