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VwGH vom 18.06.2014, Ro 2014/09/0037

VwGH vom 18.06.2014, Ro 2014/09/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Revision des HH in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Hochsteger, Dr. Dieter Perz, Dr. Georg Wallner und Dr. Markus Warga, Rechtsanwälte in 5400 Hallein, Salzgasse 2, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 36/9-DOK/13, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe (weitere Parteien: Bundesministerin für Inneres, Bundeskanzler), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Revisionswerber steht als dienstführender Kriminalbeamter der Landespolizeidirektion S in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Revisionswerber gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 schuldig erkannt, er habe "am eine um 7.51 Uhr erteilte und um 8.22 Uhr und 8.55 Uhr wiederholte schriftliche Weisung seines Vorgesetzten Oberstleutnant R, nämlich zu sechs Fragen Stellung zu nehmen, nicht befolgt".

Er habe dadurch seine Dienstpflichten nach § 44 Abs. 1 BDG 1979, nämlich die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen, gemäß § 91 BDG schuldhaft verletzt.

Es wurde gegen den Revisionswerber die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von EUR 1.000,-- verhängt.

Die belangte Behörde ging von folgendem, vom Revisionswerber in der Revision bestätigtem Sachverhalt aus:

"Der dem Beamten angelastete Sachverhalt gründet sich auf die Selbstanzeige nach § 111 BDG 1979 des (Revisionswerbers) vom bzw. auf die Stellungnahme der Dienstbehörde samt Beilagen, die dem Beamten gemäß § 109 Abs. 3 BDG 1979 zugestellt worden sind. Daraus ergibt sich folgender Sachverhalt:

In den Morgenstunden des nahm die Beamtin einer Sonderstreife, Bezlnsp NS, zwei Personen wegen des Verdachts einer schweren Körperverletzung fest. Bei einer der Personen wurden bei der Durchsuchung neben einem Geldbetrag auch Suchtmittel sichergestellt. Bezlnsp NS verständigte daraufhin den Journaldienst des Kriminalreferates, AbtInsp HA, und ersuchte diesen um Vermittlung eines Beamten des Fachbereichs 03 - Suchtgift. Bezlnsp NS gab bei ihrer Einvernahme an, der (Revisionswerber) habe ihr geantwortet, dass er nicht in seinem Büro sei, sondern in einer kleinen Kammer, weshalb er die Nummer dieses Fachbereichs nicht zur Verfügung habe. Sie solle Kollegen GK über Eingabe seines Namens ins Telefon anrufen. Dieser habe aber nicht abgehoben, weshalb sie wieder den (Revisionswerber) angerufen habe. Der (Revisionswerber) habe ihr daraufhin erklärt, sie solle die Nummer 3301 wählen. Da weder auf dieser Nummer noch auf 3302 jemand abgehoben habe, habe sie wieder den Journaldienst (Anm.: (Revisionswerber)) verständigt. Dieser habe ihr folgendes geantwortet: ' Was willst du, ich habe dir schon gesagt, dass ich keine Nummer habe. Ruf 3301 oder ansonsten 3302 an, da musst du halt probieren, irgendwo wird schon jemand abheben'. Daraufhin habe sie ihm erklärt, dass sie dies bereits mit negativem Erfolg versucht habe. Auf ihr Ersuchen, den Beamten der Suchtgiftgruppe im Haus zu suchen, habe der (Revisionswerber) in aufgebrachtem Ton geantwortet: ' Meinst du, ich renne jetzt im Haus umher und suche? Da musst du halt noch ein paar Mal probieren, ich habe jetzt etwas anderes zu tun!'.

Kurze Zeit später sei sie von Kollegen GK zurückgerufen worden.

KontrInsp NE, der Einsatzleiter der Sonderstreife, gab bei seiner Befragung an, dass er sich von Bezlnsp NS den Inhalt des mit dem (Revisionswerber) geführten Telefongesprächs habe mitteilen lassen. Daraufhin habe er den (Revisionswerber) angerufen, um von diesem zu erfahren, welche Probleme er haben würde. Dieser habe ihm aber lediglich erklärt, er solle mit seinem Rechtsanwalt reden. Auf seinen Vorschlag, er werde bei ihm vorbeikommen, um den Sachverhalt zu klären, habe dieser lediglich wiederholt, dass er mit seinem Rechtsanwalt reden solle. Daraufhin habe er das Gespräch beendet und den Vorfall dem diensthabenden Leitenden des SPK, Oberstleutnant SC, gemeldet. Oberstleutnant SC nahm diese Beschwerde vorerst zur Kenntnis und übermittelte am um 7:51 nachfolgendes Mail an (den Revisionswerber):

Guten Morgen (Revisionswerber)!

Ich habe soeben einen Anruf von KI NE und BI NS erhalten. Die beiden sind mit einem gröberen Vorfall im Lokal 'N' in G beschäftigt, wo es um eine Haft- und Giftsache geht. Beide haben mir erzählt, dass sie von Dir nicht die Unterstützung erhalten haben, die erwartet werden darf. Konkret geht es darum, dass Du Dich zunächst nicht wirklich ernsthaft darum gekümmert hast, die Beamtin zu unterstützen, indem Du einen zuständigen Beamten des KrimRef im Haus gesucht hast. Insbesondere die Aussage, Du wärst in Deinem Büro (und damit offensichtlich nicht im JD-Raum) und würdest nicht im Haus herumlaufen einen Kollegen zu suchen traf auf Unverständnis. Letztendlich dürftest Du dann GK erreicht haben, der sich dann mit BI NS in Verbindung gesetzt hat. Nach den Aussagen der beiden hättest Du sie mehrmals auf verschiedene Nebenstellen verwiesen (nicht verbunden).

Meine Fragen an Dich:

a) Wie sieht der Vorfall aus Deiner Sicht aus?

b) Welchen Dienst hast (hattest) Du (Einser,

Zweier, Dreier)?

c) Wo warst Du bei den Anrufen der Beamten?

d) Wie lautet eure JD-Anweisung bezüglich

Aufenthalt der einzelnen Journaldienste?

e) Definiere bitte den Begriff 'kooperative

Fallbearbeitung'.

f) Welche Rolle hat aus Deinem Verständnis heraus

der Dauerdienst des KrimRef in Bezug zur Tätigkeit der

Polizeiinspektionen?

Bitte um rasche schriftliche Antwort.

Mfg

Der (Revisionswerber) antwortete auf diese Weisung mit Mail

vom , 7.58 Uhr mit folgendem Wortlaut:

Guten Morgen,

ich fordere auf, dass sich Kollege NE bei mir für sein Verhalten entschuldigt, da es sich um Unterstellungen handelt. Seine Angaben sind FALSCH.

Obstlt SC wiederholte seine Weisung mit Mail vom ,

8.22 Uhr folgendermaßen:

Die Aufforderung zu einer Stellungnahme ist eine schriftliche Weisung eines zuständigen Vorgesetzten (Stadtleitender), die Du zu befolgen hast. Widrigenfalls muss ich disziplinäre Maßnahmen ergreifen.

Darauf antwortete der (Revisionswerber) mit Mail vom , 8.43 Uhr folgendes:

Stellungnahme:

Antwort zu Punkt a-f:

ich (Revisionswerber) habe richtig und den Dienstvorschriften gemäß gehandelt.

(Revisionswerber)

Obstlt SC wiederholte seine Weisung mit Mail vom ,

8.55 Uhr ein weiteres Mal.

Lieber (Revisionswerber)!

Ich glaube, Du willst mich pflanzen. Nochmals:

Ich erwarte von Dir bis 11:00 Uhr eine detaillierte und ausführliche Stellungnahme zu allen angefragten Punkten. Alle anderen Antworten werden nicht zur Kenntnis genommen und als Weisungsverweigerung bewertet. Wenn Du aus disziplinarrechtlicher Sicht eine andere Meinung hast, so wird Dein Verhalten mir gegenüber von der Disziplinarbehörde zu beurteilen sein.

Für den Stadtpolizeikommandanten:

SC, Obstlt

Darauf antwortete der (Revisionswerber) mit Mail vom , 10.21 Uhr:

S.g. Herr Obstlt. SC,

könnten sie mir bitte die schriftliche Ausfertigung der Vorwürfe des Koll. NE bzw. der Kollegin NS übermitteln, damit ich hierzu Stellung nehmen kann.

in welcher Weise liegt eine disziplinare Verfehlung vor? Liegt hier offensichtlich ein Kollegenmobbing vor?

Bis dato ist mir die dienstliche Verfehlung nicht bekannt, da die Kollegin zurückgerufen wurde und zwar von CI KK (gemeint wohl: GK) und das unmittelbar nach Verständigung des Journaldienstes. Offensichtlich ist ihnen der Ablauf der Sonderstreife mit Überprüfung des illegalen Lokales 'N' nicht bekannt bzw. wurde falsch interpretiert (falsche Namen von Kollegen etc.).

Sollte ich nunmehr als Beschuldigter behandelt werden so

bestehe ich auf meinen Rechten.

(Revisionswerber)

Mail von Oberstleutnant SC von 10:31 Uhr:

Lieber (Revisionswerber)!

Es gibt keine disziplinären Vorwürfe der beiden. Es geht um die Aufklärung des Kontaktes zwischen Dir und Bezlnsp NS. Dabei geht es grundsätzlich darum, wie das Gespräch zwischen Dir und ihr verlaufen ist. Siehe Punkte a) bis d) meiner Fragen. Sie fühlte sich einfach von dir nicht unterstützt und im Stich gelassen. Dies habe sie beim letzten Gespräch mit Dir, laut ihren Angaben, auch durch die (zynisch gemeinten) Worte 'Danke für die Unterstützung' zum Ausdruck gebracht. Es geht nicht um das Gespräch zwischen Dir und KI NE. Meine Fragen dienen nur dazu, allfällige Unstimmigkeiten bzw. unterschiedliche Auffassungen über das Gespräch zwischen Dir und BI NS auf den Tisch zu bringen und nach Möglichkeit zu klären. Die disziplinären Androhungen beziehen sich nur auf deine bisherige Weigerung die Fragen, die zur Klärung (siehe oben) ordnungsgemäß zu beantworten.

MfG

SC. Obstit (gemeint: Obstlt)

Diesem Mail folgten noch weitere Mails, in denen der (Revisionswerber) nach Befragung seiner Rechtsvertretung unter anderem erklärte, dass er richtig und den Dienstvorschriften gemäß gehandelt habe.

In der Folge wurde der (Revisionswerber) davon in Kenntnis gesetzt, dass gegen ihn eine Disziplinaranzeige wegen Missachtung einer Weisung erstattet werden würde, worauf er am eine Selbstanzeige vorlegte. Aus dieser geht lediglich hervor, dass er sich gegen den Vorwurf der Nichtbefolgung einer Weisung wehren wolle. Der Inhalt der Weisung und der Ablauf des Geschehens wurde erst aus der übersendeten Stellungnahme der Dienstbehörde zur Selbstanzeige ersichtlich."

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss ihre Behandlung ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Revision macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Das in das Verfahren eintretende Verwaltungsgericht legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Revisionswerber beruft sich wie schon im Disziplinarverfahren auf das in § 124 Abs. 7 BDG 1979 geregelte Recht auf Auskunftsverweigerung. Er hätte sich bei Beantwortung der durch den Vorgesetzten gestellten Fragen selbst belasten müssen, was unzulässig sei.

Der allgemeine Grundsatz, dass niemand gezwungen ist, gegen sich selbst auszusagen, verbietet seinem Wesen und seiner Bedeutung nach eine Beschränkung seines Geltungsbereiches auf ein bestimmtes Verfahren. Wenn der Beamte in jedem Stadium des Disziplinarverfahrens seine Aussage verweigern darf, zuvor aber zur wahrheitsgemäßen Auskunft auch dann verpflichtet sein soll, wenn er sich dadurch der Gefahr einer strafrechtlichen oder disziplinarrechtlichen Verfolgung aussetzt, so wird er gezwungen, die Tatsachen und Beweismittel für ein gegen ihn einzuleitendes Disziplinarverfahren zu liefern, nach dessen Einleitung er dann jede Aussage verweigern darf. Ein Aussageverweigerungsrecht innerhalb des Disziplinarverfahrens scheint wenig sinnvoll, wenn vor Einleitung des Disziplinarverfahrens eine unbeschränkte Offenbarungspflicht bestünde. Daher kann aus § 124 Abs. 7 BDG 1979 kein Umkehrschluss für das dem Disziplinarverfahren vorgelagerte Stadium gezogen werden. Aus diesen Gründen folgt, dass die Auskunftspflicht des Beamten außerhalb eines Disziplinarverfahrens ihre Grenzen dort hat, wo der Beamte sich selbst durch eine wahrheitsgemäße Aussage belasten würde. Dieser Zusammenhang wird im Einzelfall bei objektiver Betrachtung erkennbar sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/09/0152).

Im ersten mail des Oberstleutnant SC an den Revisionswerber (, 7.51 Uhr) sind bereits Passagen enthalten, die den Vorwurf disziplinarrechtlicher Verfehlungen des Revisionswerbers nahelegen ("... nicht die Unterstützung erhalten

haben, die erwartet werden darf. ... wärst in Deinem Büro (und

damit offensichtlich nicht im JD-Raum) und würdest nicht im Haus herumlaufen einen Kollegen zu suchen traf auf Unverständnis. ... mehrmals auf verschiedene Nebenstellen verwiesen (nicht verbunden)"). Die daran anknüpfenden Fragen waren daher geeignet, dass sich der Revisionswerber durch eine wahrheitsgemäße Aussage belasten würde.

Die folgenden Aufforderungen des Vorgesetzten standen in untrennbarem Bezug zu diesem ersten mail.

Der Revisionswerber ist daher mit seinem Vorbringen im Recht, er durfte die nähere Beantwortung der ihm gestellten, bereits Vorwürfe enthaltenden Fragen schon in diesem Verfahrensstadium verweigern. Sohin hat er die ihm angelastete Nichtbefolgung einer Weisung zur Auskunftserteilung nicht als Dienstpflichtverletzung zu verantworten.

Im gegenständlichen Fall kommt noch Folgendes hinzu:

Wenn in einem Disziplinarerkenntnis der Vorwurf der Missachtung einer Weisung entgegen § 44 Abs. 1 BDG 1979 erhoben wird, muss sowohl der Inhalt der Weisung, deren Verletzung Gegenstand des Verfahrens ist, als auch das vorgeworfene, der Weisung zuwiderlaufende Verhalten des Beschuldigten auf präzise Weise dargestellt werden, sodass der Beschuldigte dadurch in die Lage versetzt ist, sich im Rechtsmittelverfahren sowohl mit auf den konkreten Tatvorwurf bezogenen rechtlichen Argumenten als auch mit Beweisanboten zur Wehr zu setzen, und davor geschützt wird, wegen desselben Vorwurfes nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0009).

Dem Revisionswerber wurde nach dem oben wiedergegebenen Schuldspruch lediglich vorgeworfen, er habe die wiederholt erteilte Weisung seines Vorgesetzten "nämlich zu sechs Fragen Stellung zu nehmen, nicht befolgt". Im Spruch wird aber nicht dargetan, welche konkreten Fragen gestellt wurden.

Der Spruch entspricht daher nicht den obigen Anforderungen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben dem

pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht.

Wien, am