VwGH vom 26.01.2012, 2009/09/0172
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des EB in B, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 22-24/4/9, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 12/13-DOK/09, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Disziplinarrechtsangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1942 geborene Beschwerdeführer befand sich als Polizeirevierinspektor bei der Bundespolizeidirektion Wien in einem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Am gegen Abend, außer Dienst, forderte er im Wiener Prater einen 15jährigen und einen 14jährigen "zur Vornahme einer so genannten Handonanie an ihm auf…" und wurde wegen dieses Verhaltens mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom für schuldig erkannt, mit Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gleichgeschlechtliche Unzucht zu treiben und wegen des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach den §§ 8, 129 Abs. 1 des Strafgesetzes (StG) für schuldig erkannt und hiefür nach § 130 StG unter Anwendung der §§ 54, 55 StG zu drei Monaten Kerker, verschärft durch einen Fasttag monatlich, verurteilt. Die Vollziehung dieser Freiheitsstrafe wurde auf eine Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben. Der Berufung des Beschwerdeführers gegen dieses Urteil wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien keine Folge gegeben.
Mit Bescheid der Disziplinarkommission bei der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen seines Verhaltens am für schuldig erkannt, seine Standespflichten gemäß § 24 Abs. 1 der Dienstpragmatik (DP) durch die seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Handlungen verletzt zu haben. Er habe dadurch ein Dienstvergehen gemäß § 87 DP begangen, weshalb über ihn die Disziplinarstrafe der Versetzung in den dauernden Ruhestand mit gemindertem Ruhegenuss verhängt und gemäß § 93 Abs. 1 lit. d iVm § 97 Abs. 1 DP der Abzug von dem normalmäßigen Ruhegenuss mit 25 % festgesetzt wurde. In der Begründung dieser Entscheidung wurde u. a. ausgeführt, dass "Homosexuelle in den Reihen der Sicherheitsexekutive für diese an sich schon eine arge Belastung darstellen", der Beschwerdeführer sei seiner Neigung in Form der Begehung eines als Verbrechen qualifizierten Tatbestandes nachgegangen, daher könne er in den Reihen der Sicherheitswache nicht verbleiben. Der Berufung des Disziplinaranwaltes gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde mit Erkenntnis der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für Inneres vom keine Folge gegeben.
Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer ("A") folgende Anträge:
"I. (A) (a) das Disziplinarerkenntnis der
Bundespolizeidirektion Wien vom aufzuheben und das Disziplinarverfahren gegen den A einzustellen,
in eventu,
(b) festzustellen, dass die Rechtswirkungen des Disziplinarerkenntnisses der Bundespolizeidirektion Wien vom mit erloschen sind.
(B) (a) auszusprechen, dass der A Anspruch hat auf
Bezahlung (Nachzahlung) der Bezüge vom bis gemäss der Verwendungsgruppe E2a, Gehaltsstufe 19+DAZ, Funktionszulage E2a, Funktionsstufe 4, Funktionsgruppe 7 .
(b) den A mit Wirkung vom in den Ruhestand zu versetzen und auszusprechen, dass der Ruhegenuss auf Grundlage der Verwendungsgruppe E2a, Gehaltsstufe 19+DAZ, Funktionszulage E2a, Funktionsstufe 4, Funktionsgruppe 7 bemessen wird (zu bemessen ist).
(c) auszusprechen, dass bei der Anwendung der Punkte 1. (B) (a) (b) jene Einkünfte anzurechnen sind, die der A in den jeweiligen Zeiträumen auf Grund von Erwerbsarbeit oder an Ruhegenüssen aus Erwerbsarbeit tatsächlich erhalten hat oder erhalten wird.
in eventu
II. das Disziplinarerkenntnis der
Bundespolizeidirektion Wien vom so abzuändern, dass der Abzug von dem normalmässigen Ruhegenuss mit Wirkung vom entfällt,
jedenfalls
III. auszusprechen, dass der A Anspruch auf eine
Entschädigung für die durch die bei der Festsetzung des Entgelts auf Grund der sexuellen Orientierung erlittenen Diskriminierung hat (§ 17a B-GlBG)."
Zur Begründung führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sicherheitsbehördliche Ermittlungen, strafgerichtliche Verfahren, Haft, Anklagen und strafgerichtliche Verurteilungen auf Grund des mit seiner Vorgängerbestimmung, dem § 129 Abs. 1 StG idF des StRÄG 1971 inhaltlich identen § 209 StGB die Art. 8 und 14 EMRK verletzten ("L. V. gg. Österreich 2003, S.L. gg. Österreich 2003;
Woditschka Wilfling gg. Österreich 2004; F.L. gg. Österreich 2005; Thomas Wolfmeyer gg. Österreich 2005; G.B. H.G. gg. Österreich 2005; R.H. gg. Österreich 2006;
http://www.echr.coe.intl"). § 209 StGB sei vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 6/02, aufgehoben worden. Die gegen den Beschwerdeführer verhängte Disziplinarstrafe sei jedoch nach wie vor aufrecht und der Beschwerdeführer leide unter deren Auswirkungen noch heute. Auf Grund seiner frühen Pensionierung habe der Beschwerdeführer nur einen äußerst geringen Ruhegenuss gehabt, der noch weiter mit 25 % reduziert worden sei. Nach der EMRK hätten die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, aktiv jene negativen Effekte zu beseitigen, die gegenwärtig als Folge früherer, heute als menschenrechtswidrig erkannter Anschauungen eintreten.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurden die Anträge des Beschwerdeführers als an die belangte Behörde gerichtet qualifiziert, die in den Punkten I. (A) (a), I. (A) (b), I. (B) (a) sowie II. angeführten Anträge als verspätet zurückgewiesen und die in den Punkten I. (B) (b), I. (B) (c) und III. angeführten Anträge mangels Zuständigkeit der belangten Behörde zurückgewiesen. Dies wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit begründet, dass unabhängig von der Frage, ob die gegenständlichen Anträge die formalen und inhaltlichen Erfordernisse von Wiederaufnahme-Anträgen gemäß § 69 AVG erfüllten (so sei etwa der Zeitpunkt der Kenntnisnahme eines geltend gemachten Wiederaufnahmegrundes nicht angegeben und somit die Einhaltung der subjektiven Frist nicht glaubhaft gemacht worden), die zehnjährige Frist des § 116 Abs. 2 BDG 1979 iVm § 69 Abs. 2 und 3 AVG offenkundig nicht gewahrt sei, da seit Zustellung des Erkenntnisses der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für Inneres vom am nunmehr bereits mehr als 33 Jahre vergangen seien. Die vorliegend gestellten Anträge, sollten sie auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens gemäß § 69 AVG iVm § 116 BDG 1979 gerichtet sein, seien jedenfalls objektiv verfristet. Schon aus diesem Grund seien die verfahrensgegenständlichen Anträgepunkte I. (A) (a), I. (A) (b), I. (B) (a) und II. als verspätet zurückzuweisen.
Zu der von der belangten Behörde weiters geprüften Frage einer allfälligen amtswegigen Aufhebung oder Abänderung des in Rede stehenden rechtskräftigen Disziplinarerkenntnisses vom sei darauf hinzuweisen, dass die für die belangte Behörde als vom Antragsteller angerufene Behörde in diesem Zusammenhang in Frage kommende Verfahrensbestimmung gemäß § 105 BDG 1979 ausschließlich jene des § 68 AVG sei. Gemäß § 105 Z. 1 BDG 1979 finde § 68 Abs. 2 und 3 AVG im Disziplinarverfahren keine Anwendung. Aber auch eine Nichtigerklärung gemäß § 68 Abs. 4 Z. 1 bis 4 AVG komme im vorliegenden Fall schon deshalb nicht in Betracht, weil die belangte Behörde im Verhältnis zu der im Entscheidungszeitpunkt, dem , zuständig gewesenen Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für Inneres nicht sachlich in Betracht kommende Oberbehörde sei. Eine amtswegige Aufhebung bzw. Abänderung des in Rechtskraft erwachsenen Disziplinarerkenntnisses aus dem Jahre 1976 im Grunde des § 68 AVG sei im vorliegenden Fall daher schon aus den genannten Gründen ausgeschlossen.
Der verfahrensgegenständliche Antrag falle im Umfang seines Punktes I. (B) (b) erster Teil (Antrag auf Versetzung in den Ruhestand mit Wirkung vom ) in die Zuständigkeit der Dienstbehörde erster Instanz. Die in Punkt I. (B) (b) zweiter Teil (Antrag auf Ausspruch, dass der Ruhegenuss auf Grundlage der Verwendungsgruppe E2a, Gehaltsstufe 19+DAZ, Funktionszulage E2a, Funktionsstufe 4, Funktionsgruppe 7, bemessen werde (zu bemessen sei)) sowie I. (B) (c) (Antrag auf Ausspruch, dass bei der Anwendung der Punkte I. (B) (a) und (b) jene Einkünfte anzurechnen seien, die der Beschwerdeführer in den jeweiligen Zeiträumen auf Grund von Erwerbsarbeit oder an Ruhegenüssen aus Erwerbsarbeit tatsächlich erhalten habe oder erhalten werde) dem Kompetenzbereich der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter (PVA) als Rechtsnachfolgerin des Bundespensionsamtes zuzurechnen.
Weiters vertrete die belangte Behörde die Auffassung, dass der Antragspunkt III. (Geltendmachung eines Anspruches auf Entschädigung für die durch die bei der Festsetzung des Entgelts auf Grund der sexuellen Orientierung erlittene Diskriminierung) den Zuständigkeitsbereich der Zivilgerichte betreffe; eine diesbezügliche Zuständigkeit der angerufenen Kommission zur inhaltlichen Behandlung sei keinesfalls gegeben.
Der Beschwerdeführer verwehre sich in seiner Stellungnahme vom ausdrücklich gegen eine Weiterleitung seiner Anträge an die jeweils zuständige Behörde gemäß § 6 AVG iVm § 105 BDG 1979. Der belangten Behörde ermangle es jedoch an der Zuständigkeit zur inhaltlichen Behandlung und Erledigung der genannten Anträge, weshalb die Anträge I. (B) (b), I. (B) (c) und III. zurückzuweisen gewesen seien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde und einer Anregung des Beschwerdeführers auf Befassung des EuGH erwogen:
Die §§ 105 und 116 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 333/1979 idF BGBl. Nr. 362/1991, lauten:
"§ 105. Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Disziplinarverfahren
1. das AVG mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 12, 42 Abs. 1 und 2, 51, 51a, 57, 62 Abs. 3, 63 Abs. 1, 64 Abs. 2, 64a, 67a bis 67h, 68 Abs. 2 und 3 und 75 bis 80 sowie
2. das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, anzuwenden.
…
Außerordentliche Rechtsmittel
§ 116. (1) Vor der Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens oder über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind die Parteien zu hören.
(2) § 69 Abs. 2 und 3 des AVG ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß die mit drei Jahren festgesetzten Fristen im Disziplinarverfahren zehn Jahre betragen.
(3) Die Wiederaufnahme eines Verfahrens zum Nachteil des Beschuldigten ist nur innerhalb der im § 94 festgelegten Fristen zulässig. Im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag des Beschuldigten und im Falle der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darf über den Beschuldigten keine strengere als die bereits verhängte Strafe ausgesprochen werden.
(4) Nach dem Tod des Beamten können auch Personen die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, die nach dem bestraften Beamten einen Versorgungsanspruch nach dem Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, besitzen. Hat das Erkenntnis auf Entlassung gelautet, so steht dieses Recht den Personen zu, die bei Nichtvorliegen dieser Strafe einen Versorgungsanspruch besäßen.
(5) Durch die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens und die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird der frühere Bescheid nicht aufgehoben."
"Abänderung und Behebung von Amts wegen
§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Andere Bescheide kann in Wahrung des öffentlichen Wohles die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, dieser, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des
Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden
Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer
nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3. tatsächlich undurchführbar ist oder
4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich
mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.
(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.
(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden.
Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde,
falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung
herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die
im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem."
Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass die in § 116 Abs. 2 BDG 1979 iVm § 69 Abs. 2 AVG mit zehn Jahren bemessene Frist zur Stellung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens bereits verstrichen war, als er den dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellte. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschriften konnte seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens keine Folge gegeben werden.
Der Beschwerdeführer meint aber, dass eine Verpflichtung der Republik Österreich zur Rücknahme seiner Disziplinierung im Jahr 1976 bestehe, weil diese infolge seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen Verletzung einer Bestimmung erfolgt sei, die nunmehr vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als mit Art. 8 iVm 14 EMRK nicht vereinbar erkannt worden sei. Art. 14 EMRK verpflichte aber dazu, den Beschwerdeführer anders zu behandeln als Personen, die auch rechtskräftig, aber grundrechtskonform disziplinar bestraft worden seien, und der Republik Österreich sei es verwehrt, an seine disziplinäre Bestrafung auch heute noch fortgesetzt negative Folgen zu knüpfen. Der Beschwerdeführer beruft sich insofern auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom , Thlimmenos vs. Greece, Nr. 34369/97, insb. Par. 44, und vom , Wessels-Bergervoet vs. The Netherlands, vom , Nr. 34462/97, und meint, § 69 Abs. 2 und 3 AVG sei im Lichte dieser Rechtsprechung dergestalt auszulegen, dass in seinem Fall ungeachtet des erfolgten Fristablaufs eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewilligen gewesen wäre. Aus diesen Urteilen ergebe sich die Verpflichtung der Republik Österreich, aktiv negative Folgen aus seiner seinerzeitigen disziplinären Bestrafung zu beseitigen.
Mit diesen Argumenten zeigt der Beschwerdeführer jedoch nicht auf, dass die von ihm begehrte Wiederaufnahme entgegen dem Gesetzeswortlaut zu bewilligen gewesen wäre. Zunächst wurde der Beschwerdeführer nicht in den dauernden Ruhestand versetzt, weil er wegen des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht verurteilt worden war, sondern wegen seines am gesetzten Verhaltens. Auch ist im Übrigen nicht zu ersehen, dass der Beschwerdeführer eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens etwa im Grunde des § 364a StPO und der dazu ergangenen, dessen Anwendungsbereich ausdehnenden Rechtsprechung des OGH (vgl. , 13 Os 135/06m) erwirkt hätte.
Auch wenn man aber davon ausgeht, dass die disziplinarrechtliche Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand im Jahr 1976 - aus heutiger Sicht - diskriminierend erfolgte, vermag der Beschwerdeführer eine Grundlage für die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens auch in der EMRK nicht aufzuzeigen. Die beiden vom Beschwerdeführer genannten Urteile des EGMR hatten keinen Fall einer beantragten Wiederaufnahme des Verfahrens zum Gegenstand, sie betrafen vielmehr eine unerlaubte Diskriminierung aus Gründen der Religion (Nichtzulassung zum Beruf des Buchhalters wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion im Fall Thlimmenos) bzw. wegen des Geschlechts (geringere Pensionsleistungen an eine Frau wegen Berufstätigkeit des Mannes im Fall Wessels-Bergervoet).
Zwar ist es Rechtsprechung des EGMR, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens in einem Fall, in welchem der Gerichtshof eine Verletzung der EMRK festgestellt hat, insbesondere dann ein geeignetes Mittel darstellt, den aus der Verurteilung folgenden Verpflichtungen im Grunde des Art. 46 Abs. 1 EMRK zu entsprechen, wenn derart eine "restitutio in integrum" möglich ist (vgl. etwa das Urteil der Großen Kammer des EGMR vom , Case of Verein gegen Tierfabriken Schweiz (VgT) vs. Switzerland, Nr. 32772/02, par. 84 ff). Im Fall des Beschwerdeführers liegt aber kein Urteil des EGMR vor, mit welchem dieser Gerichtshof eine Verletzung der EMRK wegen seiner im Jahr 1975 erfolgten Versetzung in den Ruhestand ausgesprochen hätte und auch kein Ausspruch des EGMR über eine allgemeine Verpflichtung Österreichs wegen einer "systemic violation" im Sinne etwa des Urteils der Großen Kammer des EGMR im Fall Hutten-Capska v. Poland, Nr. 35014/97.
Auch wenn man davon ausgeht, dass die Vertragsstaaten der EMRK im Grunde des Art. 1 EMRK eine "positive Verpflichtung" trifft, nach der Feststellung einer Verletzung von Rechten der EMRK durch den EGMR gleichartige Verletzungen in Hinkunft zu vermeiden (vgl. etwa das bereits angeführte Urteil im Fall Tierfabriken, par. 78 ff, das Urteil vom , im Fall United Macedonian Organisation Ilinden and Ivanov v. Bulgaria, Nr. 44079/98, und vom im Fall Singartiyski und others vs. Bulgaria, Nr. 48284/07, par. 46), besteht eine solche Verpflichtung zu einer auf Grund der festgestellten Konventionsverletzung gegebenenfalls erforderlichen Änderung oder Nichtanwendung von Rechtsnormen - dem Prinzip der Rechtssicherheit folgend - nicht rückwirkend im Sinne der Verpflichtung zur Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend eine weit in der Vergangenheit getroffene Entscheidung.
Aus diesen Gründen wurde der Beschwerdeführer durch die Zurückweisung seines Antrages auf Wiederaufnahme des mit dem Erkenntnis der Disziplinaroberkommission beim Bundesministerium für Inneres vom abgeschlossenen Disziplinarverfahrens als verspätet nicht in seinen subjektivöffentlichen Rechten verletzt und sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, die Aufhebung der in dieser Hinsicht dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Vorschriften des AVG oder BDG 1979 beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen.
Soweit sich der Beschwerdeführer in seinen Rechten auf Grund der Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vom (Gleichbehandlungsrichtlinie) verletzt erachtet, ist nicht zu ersehen, inwiefern durch den angefochtenen Bescheid eine derartige Diskriminierung erfolgt wäre. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde nämlich nicht aus den in Art. 1 dieser Richtlinie angeführten Gründen (wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten) als verfristet erachtet. Auch sieht die angeführte Richtlinie ein Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich behaupteter, in der Vergangenheit erfolgter Diskriminierungen nicht vor. Eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu anderen im Ruhestand befindlichen Beamten wird vom Beschwerdeführer ebenfalls nicht behauptet.
Die belangte Behörde ist aus den von ihr zutreffend angeführten Gründen auch damit im Recht, dass sie in § 68 AVG, auf dessen Anwendung im Übrigen kein subjektives Recht besteht, keine gesetzliche Basis erblickte, eine amtswegige Aufhebung bzw. Abänderung des in Rechtskraft erwachsenen Disziplinarerkenntnisses aus dem Jahr 1976 auszusprechen.
Die belangte Behörde hat auch zutreffend erkannt, dass sie keine Zuständigkeit besaß, über den Antrag des Beschwerdeführers auf Versetzung in den Ruhestand mit Wirkung vom einen Ausspruch zu tätigen, ebenso wenig für den vom Beschwerdeführer begehrten Ausspruch, dass sein Ruhegenuss auf einer bestimmten Grundlage zu bemessen sei, auch insoferne sind die von der belangten Behörde gegebenen Gründe zutreffend.
Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung der belangten Behörde für unzutreffend hält, wonach die Zuständigkeit für die Festsetzung eines vom Beschwerdeführer begehrten Entgelts wegen einer auf Grund seiner sexuellen Orientierung erlittenen Diskriminierung in die Zuständigkeit der Zivilgerichte falle, so kann auch die Auffassung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erachtet werden, dass jedenfalls die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt für die Festsetzung und Zuerkennung einer derartigen Entschädigung - und auch zu Erlassung eines diesbezüglichen Feststellungsbescheides - eine Zuständigkeit nicht besitzt.
Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid sohin nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am