VwGH vom 15.12.2011, 2009/09/0164

VwGH vom 15.12.2011, 2009/09/0164

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes bei der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt Mag. Franz Eigner Bundesministerium für Inneres in Wien, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 9/8-DOK/09, betreffend Unzuständigkeitsentscheidung in einer Disziplinarangelegenheit (mitbeteiligte Partei: C M in W, vertreten durch Gradischnig Gradischnig, Rechtsanwälte GmbH in 9500 Villach, Moritschstraße 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Mitbeteiligte war als Bezirksinspektor in einer Polizeiinspektion tätig. Am erstattete das Landespolizeikommando Kärnten gegen ihn Disziplinaranzeige, die am bei der Diziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 3 (der Erstbehörde), einlangte. Mit Bescheid der Erstbehörde vom wurde der Mitbeteiligte für schuldig erkannt, er habe durch (näher umschriebene) geschlechtsbezogene Verhaltensweisen Kolleginnen belästigt (Spruchpunkte I. 1. a und b sowie 2. des erstinstanzlichen Bescheides). Über ihn wurde gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 die Disziplinarstrafe des Verweises ausgesprochen. Hingegen wurde der Mitbeteiligte vom Vorwurf, er habe durch sein Verhalten Frauen, insbesondere O., sexuell belästigt, gemäß § 126 Abs. 2 iVm § 118 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 freigesprochen (Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses).

Nur gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses erhob der Mitbeteiligte Berufung, in der er insbesondere geltend machte, die in der mündlichen Verhandlung vor der Erstbehörde am anwesende Gleichbehandlungsbeauftragte Tanja D. habe auch an der nichtöffentlichen Beratung des erstinstanzlichen Disziplinarsenates teilgenommen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie dabei auf dessen Entscheidungsfindung Einfluss genommen habe.

Mit Spruchpunkt 1. des in Beschwerde gezogenen Bescheides hat die belangte Behörde der Berufung Folge gegeben und den Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses ersatzlos behoben. Mit Spruchpunkt 2. des in Beschwerde gezogenen Bescheides hat die belangte Behörde den (mangels Bekämpfung in der Berufung in Rechtskraft erwachsenen) Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses (den Freispruch) gemäß § 68 Abs. 4 Z 1 AVG iVm § 105 BDG von Amts wegen für nichtig erklärt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, sowohl bei der nichtöffentlichen Beratung des Senates erster Instanz als auch bei dessen Beschlussfassung sei mit der Gleichbehandlungsbeauftragten Tanja D. eine Person anwesend gewesen, die gemäß § 124 Abs. 4 BDG 1979 an dieser Sitzung nicht habe teilnehmen dürfen. Dadurch sei gegen diese zwingende Verfahrensvorschrift verstoßen worden. Das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis sei daher von einem unrichtig zusammengesetzten Kollegialorgan und demnach von einer unzuständigen Behörde erlassen worden. Die Schuldsprüche Spruchpunkte I.1a, I.1b und I.2. sowie die Strafbemessung seien wegen Unzuständigkeit (unrichtiger Zusammensetzung) der erstinstanzlichen Behörde ersatzlos zu beheben.

Hinsichtlich des in Rechtskraft erwachsenen Freispruchs (Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses) habe die dargestellte unrichtige Zusammensetzung des erstinstanzlichen Disziplinarsenates zur Folge, dass von der belangten Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde diesbezüglich im Weg des § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG iVm § 105 BDG von Amts wegen mit Nichtigerklärung vorzugehen gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Disziplinaranwaltes des Bundesministers für Inneres hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift des Mitbeteiligten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob - wie die Beschwerde meint - die erstinstanzliche Disziplinarkommission trotz Beiziehung der Gleichbehandlungsbeauftragten Tanja D. richtig zusammengesetzt war, weil sich die Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Disziplinarkommission schon aus den im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/09/0188, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, genannten Gründen ergibt. Die belangte Behörde hat diese Unzuständigkeit im Ergebnis jedenfalls zu Recht gemäß § 105 Z. 1 BDG 1979 iVm § 66 Abs. 4 AVG durch ersatzlose Aufhebung des unterinstanzlichen Bescheides aufgegriffen. Aus den dargelegten Gründen war auch der Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses von der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit betroffen, womit die Voraussetzungen für die Nichtigerklärung durch die belangte Behörde gemäß § 105 BDG 1979 iVm § 68 Abs. 4 Z. 1 AVG vorlagen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am