VwGH vom 16.03.2016, Ra 2014/05/0002

VwGH vom 16.03.2016, Ra 2014/05/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lechner, über die Revision der revisionswerbenden Partei U D in W, vertreten durch Dr. Alexandra Sedelmayer, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Marxergasse 29/11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-NK-12-1134, betreffend Übertretung der NÖ Bauordnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (im Folgenden: BH) vom wurde der Revisionswerber gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der C-AG mit Sitz in der Schweiz schuldig gesprochen, im Zeitraum vom bis zum ein bewilligungspflichtiges Bauwerk (eine Reithalle mit Zuschauerraum) ohne Baubewilligung benützt zu haben. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt.

Dagegen erhob der Revisionswerber Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich, welche das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 8 B-VG als Beschwerde weiter behandelte.

Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) der Berufung insofern Folge gegeben werde, als die Geldstrafe auf EUR 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) und dementsprechend auch die Kosten herabgesetzt werden. Ferner sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision unzulässig sei.

In den Entscheidungsgründen führte das Verwaltungsgericht aus, die von der Erstbehörde herangezogenen Bestimmungen der NÖ Bauordnung enthielten keine von § 9 Abs. 1 VStG abweichenden Bestimmungen und der Revisionswerber sei nicht zum verantwortlichen Beauftragten bestellt. Er sei jedoch gemäß § 254 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG) zur gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz befugt. Der anzuwendende § 9 Abs. 1 VStG ordne die strafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen ausschließlich demjenigen zu, der zur Vertretung der juristischen Person nach außen berufen sei. Somit sei der Revisionswerber verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor und die BH erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie auf den bisherigen behördlichen Aktenlauf verwies.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der Revisionswerber bringt vor, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vorliege, ob eine gemäß § 254 Abs. 2 AktG zur ständigen gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft befugte Person, welche lediglich Prokurist der Gesellschaft sei, gemäß § 9 Abs. 1 VStG für Handlungen einer Aktiengesellschaft (AG) strafrechtlich verantwortlich sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes falle ein Prokurist nicht unter § 9 VStG. Der Revisionswerber sei Prokurist und ständiger Vertreter gemäß § 254 Abs. 2 AktG und damit kein Organ der AG. Folglich sei er nicht zur Vertretung nach außen berufen, weshalb das gegenständliche Erkenntnis im Widerspruch zur herrschenden Judikatur stehe und die bisher unbeantwortete Frage aufwerfe, ob ein Vertreter iSd § 254 Abs. 2 AktG gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei.


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2.
Die Revision ist zulässig und begründet.
3.
Die relevante Bestimmung des AktG idF BGBl. I Nr. 53/2011 lautet auszugsweise:
"Inländische Zweigniederlassungen ausländischer Aktiengesellschaften

§ 254.

...

(2) Gesellschaften, deren Personalstatut (§ 10 des IPR-Gesetzes, BGBl. Nr. 304/1978) nicht das Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über die Schaffung eines Europäischen Wirtschaftsraumes, BGBl. Nr. 909/1993, ist, haben für den gesamten Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung mindestens eine Person zu bestellen, die zur ständigen gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft befugt ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat; eine Beschränkung des Umfangs ihrer Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unwirksam. Die Vertretungsbefugnis kann jedoch an mehrere Personen gemeinschaftlich erteilt werden (Gesamtvertretung). Gesellschaften, deren Personalstatut das Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums ist, können einen solchen ständigen Vertreter bestellen."

3.1. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften (sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind) strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Damit sind nur die durch die Verfassung der juristischen Person (Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag) zur Vertretung berufenen Organe gemeint (vgl. Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahren18, § 9 VStG, 213, und Kolonovits/Muzak/Stöger , Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 1035).

3.2. Laut dem mit den Verfahrensakten vorgelegten Firmenbuchauszug ist der Revisionswerber ständiger Vertreter und Prokurist der österreichischen Zweigniederlassung der C-AG, während T.H. deren vertretungsbefugtes Organ ist.

Als Prokurist ist der Revisionswerber entsprechend der ständigen hg. Judikatur (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/02/0191, vom , Zl. 2002/05/0209, vom , Zl. 96/02/0274, oder vom , Zl. 92/18/0410, jeweils mwN) mangels Organstellung jedenfalls nicht als zur Vertretung nach außen Berufener iSd § 9 Abs. 1 VStG einzustufen. Der Revisionswerber ist jedoch - unstrittig - auch ständiger Vertreter iSd § 254 Abs. 2 AktG.

3.3. Die Stellung des ständigen Vertreters iSd § 254 Abs. 2 AktG entspricht inhaltlich jener einer Filialprokura zuzüglich Liegenschaftsklausel (§ 49 UGB), auch wenn eine solche formell nicht erteilt wurde (vgl. zur inhaltsgleichen Regelung des § 107 GmbHG Brugger in Gruber/Harrer (Hrsg), GmbHG (2014), § 107, Rz 51; vgl. weiters Jörg Zehetner , Die Eintragungsfähigkeit eines "Company Secretary" einer englischen Kapitalgesellschaft, ecolex 1999, 776;

Koppensteiner/Rüffler , GmbH Gesetz3, §§ 107, 112-114, Rz 10a; Jabornegg/Geist in Jabornegg/Strasser (Hrsg), Kommentar zum Aktiengesetz II5, § 254, Rz 30).

Seine Bestellung erfolgt durch einen Bestellungsakt der ausländischen Gesellschaft. Durch den Bestellungsakt zu einem ständigen Vertreter wird dieser nicht zum Organ der Gesellschaft, sondern zum rechtsgeschäftlichen Vertreter (vgl. Brugger in Gruber-Harrer (Hrsg), GmbHG,§ 107, Rz 50, und Jörg Zehetner , Eintragungsfähigkeit, ecolex 1999, 776). Als rechtsgeschäftlicher Vertreter haftet dieser nicht - wie ein organschaftlicher Vertreter - gemäß § 9 VStG (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse (beide) vom , Zl. 96/08/0268 und Zl. 97/08/0083, erneut Brugger, § 107, Rz 54).

3.4. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Ansicht, der Revisionswerber sei als ständiger Vertreter iSd § 254 Abs. 2 AktG gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufen, trifft daher mangels einer Organstellung in der Gesellschaft nicht zu. Da - wovon das Verwaltungsgericht ausging - die von der Erstbehörde herangezogenen Bestimmungen der NÖ Bauordnung keine von § 9 Abs. 1 VStG abweichenden Bestimmungen enthalten, erfolgte die Bestrafung somit zu Unrecht.

4. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am