VwGH vom 26.01.2012, 2009/09/0143
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der Dr. SS in W, vertreten durch Dr. Maria-Christina Engelhardt, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schellinggasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/A/3/162/2009, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, sie habe als Arbeitgeberin am auf der Baustelle in Wien, D-Straße, sieben näher bezeichnete polnische Staatsangehörige zur Durchführung von Maurerarbeiten an zwei Gebäuden beschäftigt, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen ausgestellt gewesen seien. Sie habe dadurch § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) übertreten, weshalb über sie gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 dritter Strafsatz AuslBG sieben Geldstrafen in der Höhe von EUR 2.000,-- (im Nichteinbringungsfall sieben Ersatzfreiheitsstrafen von je zwei Tagen) verhängt wurden.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, dass die verfahrensgegenständlichen Ausländer von der Beschwerdeführerin mit der Durchführung von Sanierungsarbeiten auf der in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft beschäftigt worden seien. Im Auftrag der Beschwerdeführerin sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine Generalsanierung der darauf befindlichen Wohnhäuser mit einem Auftragsvolumen von ca. EUR 250.000,-- durchgeführt worden. Die Beschwerdeführerin habe mit der Bauaufsicht die B. Bau GmbH (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) beauftragt, die Beauftragung der die Arbeiten ausführenden Unternehmen habe diese selbst vorgenommen. Bei einer Kontrolle der Baustelle am durch Erhebungsorgane der Finanzbehörde seien die sieben verfahrensgegenständlichen polnischen Staatsangehörigen auf dieser Baustelle bei Maurerarbeiten arbeitend angetroffen worden, ohne dass für diese Tätigkeit arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen erteilt gewesen seien. In den von ihnen selbst ausgefüllten Personenblättern und "Selbständigen-Erhebungsbögen" hätten die Ausländer übereinstimmend angegeben, für die Berufungswerberin tätig zu sein. Keiner der Ausländer habe Angaben darüber gemacht, bei einer anderen Firma beschäftigt zu sein und habe sich auf Grund der Wahrnehmungen der Erhebungsbeamten auf der Baustelle kein Hinweis für die Tätigkeit einer anderen Firma, insbesondere auch nicht einer B. Bau GmbH oder einer H. Bau GmbH ergeben. Schon der Anschein spreche also dafür, dass die Beschwerdeführerin selbst die verfahrensgegenständlichen Ausländer zur Durchführung von Maurerarbeiten im Rahmen der Generalsanierung der in ihrem Eigentum befindlichen Liegenschaft beschäftigt habe. Dies werde von der Beschwerdeführerin bestritten. Die Beschwerdeführerin und die von ihr geführten Zeugen hätten jedoch einen unglaubwürdigen Eindruck gemacht - im Unterschied zu den glaubwürdigen Kontrollbeamten des Finanzamtes. Angesichts der zweifelhaften Eignung des Zeugen Lo. sei auch in Zweifel zu ziehen, dass die B. GmbH die Bauaufsicht über die Baustelle geführt habe.
Für die Verwirklichung des Tatbildes der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen sei es unerheblich, ob die Beschwerdeführerin die verfahrensgegenständlichen Ausländer selbst angeworben habe oder dies über einen Mittelsmann erfolgt sei. Im Beweisverfahren seien keine Hinweise hervorgekommen, dass die Ausländer nach dem Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit über einfache Hilfsarbeiten hinaus jeweils ein selbständiges, unterscheidbares, abgeschlossenes Werk erbracht hätten.
Die belangte Behörde sah auch das Verschulden der Beschwerdeführerin als gegeben an und legte ihre Strafbemessungsgründe dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie nach Erstattung einer Replik durch die Beschwerdeführerin erwogen hat:
Gemäß § 60 AVG, der gemäß § 67 AVG für Berufungsbescheide gleichfalls gilt, sind in der Begründung eines Bescheides die Erkenntnisse des Ermittlungsverfahrens (§§ 37 ff AVG), die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Die genannte Zusammenfassung wird in Bezug auf die Beweiswürdigung kurz ausfallen können, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen. Bei Widersprüchen allerdings zwischen den Behauptungen und den Angaben der Verfahrenspartei und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es aber einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der Behörde auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüfen kann (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0092).
Maßgebend für die Einordnung in den Beschäftigungsbegriff des § 2 Abs. 2 lit. a und b AuslBG ist u.a., dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher (Arbeitsverhältnis) bzw. wirtschaftlicher (arbeitnehmerähnliches Verhältnis) Abhängigkeit des Arbeitenden vom Beschäftiger ausgeübt wird. Dabei ist der Beschäftiger derjenige, der gegenüber dem Arbeitnehmer bzw. dem arbeitnehmerähnlich Beschäftigten Aufträge erteilt, Arbeitsmittel zur Verfügung stellt bzw. eine Dienst- und Fachaufsicht im Sinne einer organisatorischen Eingliederung des Arbeitnehmers in seinen Betrieb ausübt. Das Tatbestandselement der Beschäftigung ist ausschließlich nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit zu beurteilen (§ 2 Abs. 4 AuslBG). Auf eine zivilrechtliche Betrachtung, ob überhaupt ein Arbeitsvertrag zustande kam, ob dieser (etwa im Hinblick auf § 879 ABGB oder mangels einer rechtsgeschäftlichen Willensübereinstimmung) Mängel anhaften, oder wie die Vertragsparteien die Tätigkeit bezeichnet haben, kommt es nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0203).
Die Feststellungen der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin Liegenschaftseigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft; auf der die Ausländer arbeitend angetroffen wurden, und ihr die Ergebnisse der Arbeitsleistungen daher zu Gute kamen, und dass sie von den Ausländern als Beschäftigerin genannt wurde, und dass einzelne Ausländer als Mieter in Wohnungen der Beschwerdeführerin gewohnt haben, lassen die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung, die Beschwerdeführerin habe als Beschäftigerin der sieben Ausländer den ihr vorgeworfenen Straftatbestand erfüllt, nicht ohne Weiteres zu.
Die belangte Behörde hat es vielmehr unterlassen, die dafür notwendigen Feststellungen zu treffen. So wurde nicht festgestellt, wer die Arbeitskräfte rekrutierte und weshalb dies der Beschwerdeführerin zurechenbar wäre, oder ob die Beschwerdeführerin ihnen Arbeitsaufträge erteilte. Dem angefochtenen Bescheid ist auch nicht zu entnehmen, wer die Arbeitsmittel, Werkzeuge oder das Material zur Verfügung stellte und dass und auf welche Weise eine Dienst- und Fachaufsicht über die Arbeitskräfte durch die Beschwerdeführerin geführt worden wäre und wer den Erwartungen der Arbeitskräfte zufolge den Arbeitslohn zu entrichten hatte.
Die belangte Behörde führte in Begründung ihres Bescheides aus, es sei für die Verwirklichung des Tatbildes der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen unerheblich, ob die Beschwerdeführerin oder ein Mittelsmann für sie die verfahrensgegenständlichen Ausländer angeworben habe. Dem angefochtenen Bescheid ist aber weder zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin die Ausländer angeworben hätte, noch dass dies für sie ein Mittelsmann getan hätte. Der in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde einvernommene Ausländer R.K. gab an, von einem "Mann" an der Herbststraße angeworben zu sein, J.S. sagte aus, er habe von einem Kollegen eine Telefonnummer bekommen, durch die er in Kontakt zu jenem "Mann" getreten sei, der ihm angeboten habe, auf der gegenständlichen Baustelle zu arbeiten. Die belangte Behörde hat keine Verbindung zwischen der Beschwerdeführerin und diesem "Mann" aufgezeigt. Ihre diesbezüglichen Ausführungen zu einem von der Beschwerdeführerin eingeschalteten "Mittelsmann" sind durch den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten nicht belegt.
Lediglich daraus, dass die Ausländer in den von ihnen selbst anlässlich der Kontrolle der Finanzbehörde ausgefüllten Personenblättern und "Selbständigen-Erhebungsbögen" auf die Frage, für wen sie tätig seien, übereinstimmend den Namen der Beschwerdeführerin angegeben haben, und dem Umstand, dass sie Hauseigentümerin war, kann unter den vorliegend gegebenen, oben aufgezeigten Umständen nicht ohne Weiteres genügen, die Beschwerdeführerin als Beschäftigerin der Ausländer anzusehen. Dies auch deshalb nicht, weil die in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde vernommenen Ausländer - wie es der Verhandlungsleiter selbst protokollierte - "nach neuerlicher eindringlicher Ermahnung die Wahrheit zu sagen" angaben, dass der oben genannte die Arbeiter anwerbende "Mann" einen Zettel mit dem Namen der Beschwerdeführerin ausgehändigt habe (J.S.) bzw. den Namen der Beschwerdeführerin gesagt habe (R.K.), mit der Aufforderung, diesen anzugeben, falls sie nach einem Beschäftiger gefragt würden.
Wenn die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 28 Abs. 7 AuslBG hinweist, wonach "wenn Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen eines Unternehmens angetroffen (werden), die im allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind, das Vorliegen einer nach diesem Bundesgesetz unberechtigten Beschäftigung von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Beschäftiger nicht glaubhaft macht, dass eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliegt." beruft, so ist dies nicht überzeugend, weil hier eben noch nicht ausreichend erwiesen war, dass es sich um eine Arbeitsstelle der Beschwerdeführerin handelte.
Darüber hinaus entbindet auch die Gesetzesstelle des § 28 Abs. 7 AuslBG die Behörde nicht von ihrer - angesichts der im Grunde des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG gegebenen - Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen festzustellen, die dafür notwendigen Beweise aufzunehmen und ein dem Art. 6 EMRK entsprechendes Verfahren durchzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0065).
Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung die Einvernahme des Geschäftsführers der H. Bau GmbH beantragt. Dass dieser zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes beitragen hätte können, ist vor allem im Hinblick darauf gegeben, dass nach den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen, nämlich dem Kostenvoranschlag vom sowie der Rechnung vom , auf der auch der Erhalt des Rechnungsbetrages bestätigt wurde, es durchaus möglich erscheint, dass die Aussagen dieses Zeugen zur Klärung des gegenständlichen Sachverhaltes etwas beitragen können. Die von der belangten Behörde gegebenen Gründe für die Unterlassung der Einvernahme des Zeugen sind daher nicht überzeugend.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 EMRK wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal iSd EMRK, Genüge getan.
Im fortzusetzenden Verfahren wird im Falle der Aufrechterhaltung des Schuldspruches bei Bemessung der zu verhängenden Strafen im Übrigen auch auf die lange Verfahrensdauer Bedacht zu nehmen sein.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf den zusätzlichen Ersatz von Kosten für die Replik vom gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.
Wien, am