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VwGH 20.02.2014, Ro 2014/09/0004

VwGH 20.02.2014, Ro 2014/09/0004

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
DMSG 1923 §1 Abs10;
RS 1
Der Tatbestand des § 1 Abs 10 DMSG 1923 ist nur dann erfüllt, wenn der Zustand des Denkmals eine denkmalgerechte Erhaltung ausschließt, und nur dann gegeben, wenn jene besonders schweren Schäden gegeben sind, die von vornherein jede denkmalgerechte Erhaltungsmöglichkeit ausschließen, sodass das Denkmal bereits de facto zerstört ist und nur durch Rekonstruktion ersetzt werden kann (vgl. E , 2008/09/0378; E , 2010/09/0230).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2009/09/0248 E RS 4
Normen
RS 2
Die Behörde hat bei einander widersprechenden Gutachten nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu prüfen, welchem von ihnen höhere Glaubwürdigkeit beizumessen ist. Dabei hat sie jene Gedankengänge aufzuzeigen, die sie veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen. Die Aussagen von Amts- und Privatsachverständigen besitzen grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert. Der Wert eines Beweismittels muss stets nach seiner Beweiskraft, dh nach der Schlüssigkeit der Aussagen, beurteilt werden (Hinweis E , 93/06/0229).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2009/09/0138 E RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Revision des FT in W, vertreten durch Mag. Dr. Irmtraud Oraz, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Goldschlagstraße 64/26, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom , Zl. BMUKK-23.133/0002-IV/3/2013, betreffend Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Revision und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Mit Bescheid vom stellte die Behörde erster Instanz fest, dass die Erhaltung des Bürgerhauses in Neusiedl am See, Hauptplatz XY, Burgenland, EZ ..., gemäß §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz (DMSG) im Sinne einer Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 DMSG (Umfang: Straßentrakt, vordere Seitentrakte samt Speicherbau; entsprechend dem angeschlossenen Katasterplan) im öffentlichen Interesse gelegen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Berufung.

Mit Bescheid vom erkannte die Behörde erster Instanz dem Bescheid vom die aufschiebende Wirkung ab.

Auch gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden beide Berufungen abgewiesen.

Die belangte Behörde gab in der Begründung zusammengefasst das im Verfahren vor der Behörde erster Instanz erstellte Amtssachverständigengutachten von Dr. CS zur Bedeutung des Objektes und den Inhalt der Berufung wieder. Sie setzte mit der zusammengefassten Wiedergabe des von der Behörde erster Instanz zur Prüfung der Vornahme einer Berufungsvorentscheidung eingeholten statischen Gutachtens des Sachverständigen DI JK vom fort, wonach der begutachtete Bereich aus statischer Sicht als standsicher zu betrachten sei. Sodann gab die belangte Behörde das dem Revisionswerber zur Kenntnis gebrachte Ergebnis des am durchgeführten Augenscheins, den Inhalt der Stellungnahme des Revisionswerbers und des mit dieser Stellungnahme vorgelegten Gutachtens von DI JD vom zur Beurteilung des statischen Zustandes hinsichtlich der technischen Abbruchreife und des bauphysikalischen Zustandes des zum Hauptplatz hin orientierten Gebäudetraktes mit seinen Anschlusstrakten bis hin zu den Schwibbögen wieder.

Die belangte Behörde folgte hinsichtlich der Bedeutung des verfahrensgegenständlichen Objektes dem erstinstanzlichen Amtssachverständigengutachten von Dr. CS sowie den amtssachverständigen Ausführungen des Landeskonservators für Burgenland Mag. PA beim Augenschein am , legte die Besonderheiten des unter Schutz gestellten Teiles des verfahrensgegenständlichen Objektes dar und stellte darauf beruhend fest, dass es sich um ein Denkmal im Sinne des DMSG handle.

Anschließend begründete die belangte Behörde, warum an der Erhaltung dieses Denkmals ein öffentliches Interesse bestehe.

Zum Vorbringen des Revisionswerbers, der Zustand des Objektes sei so schlecht, dass eine (Teil-)Unterschutzstellung nicht mehr gerechtfertigt erscheine, replizierte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 1 Abs. 10 DMSG und die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Demnach widerspreche die Feststellung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung eines Denkmals dann dem Sinn des Gesetzes, wenn der Zustand des Denkmals eine denkmalgerechte Erhaltung ausschließe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasse § 1 Abs. 10 DMSG nur jene besonders schweren Schäden, die von vornherein jede denkmalgerechte Erhaltungsmöglichkeit ausschließen, so dass das Denkmal bereits de facto zerstört sei und nur durch Rekonstruktion ersetzt werden könnte.

Im vorliegenden Fall hätten sowohl das statische Gutachten des Sachverständigen DI JK vom , das das Objekt als standsicher beurteilt habe, als auch der am durchgeführte Augenschein gezeigt, dass sich das Objekt nicht in einem der Zerstörung gleichkommenden Zustand befinde, möge es auch derzeit unbewohnt und sanierungsbedürftig sein.

Die belangte Behörde ging sodann eingehend auf das vom Revisionswerber vorgelegte Gutachten von DI JD vom ein. Dieser beurteile das Objekt als "technisch abbruchreif", ohne dass dem Gutachten die Grundlagen für diese Beurteilung und die angewendeten wissenschaftlichen Methoden zu entnehmen seien. Es enthalte zudem teilweise unschlüssige Formulierungen (Beispiele werden angeführt). Der Gutachter halte fest, dass "die erforderlichen Maßnahmen zur Abdichtung des Mauerwerkes in einem Sanierungskonzept zusammenzufassen wären." Daraus ergebe sich, dass der Gutachter prinzipiell nicht davon ausgehe, dass das Denkmal bereits de facto zerstört sei, sondern eine Sanierung möglich erscheine.

Abschließend replizierte die belangte Behörde auf das weitere Vorbringen der Berufung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1) Gegen den Bescheidspruch betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bringt der Revisionswerber nichts vor. Der Revisionswerber hat den Bescheid nur wegen der "partielle(n) Unterschutzstellung des BMUKK" angefochten. Der Spruchpunkt II. (Abweisung der Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz vom ) wird daher nicht angefochten.

2) Zu Spruchpunkt I. betreffend Teilunterschutzstellung:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des DMSG, BGBl. I Nr. 170/1999, lauten:

"§ 1. (1) Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen Bestimmungen finden auf von Menschen geschaffene unbewegliche und bewegliche Gegenstände (einschließlich Überresten und Spuren gestaltender menschlicher Bearbeitung sowie künstlich errichteter oder gestalteter Bodenformationen) von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung ('Denkmale') Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist. Diese Bedeutung kann den Gegenständen für sich allein zukommen, aber auch aus der Beziehung oder Lage zu anderen Gegenständen entstehen. 'Erhaltung' bedeutet Bewahrung vor Zerstörung, Veränderung oder Verbringung ins Ausland.

(2) Die Erhaltung liegt dann im öffentlichen Interesse, wenn es sich bei dem Denkmal aus überregionaler oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann.

...

(4) Das öffentliche Interesse an der Erhaltung im Sinne des Abs. 1 (Unterschutzstellung) wird wirksam kraft gesetzlicher Vermutung (§ 2) oder durch Verordnung des Bundesdenkmalamtes (§ 2a) oder durch Bescheid des Bundesdenkmalamtes (§ 3) oder durch Verordnung des Österreichischen Staatsarchivs (§ 25a). Bei Ensembles und Sammlungen kann das öffentliche Interesse an der Erhaltung als Einheit nur durch Bescheid des Bundesdenkmalamtes wirksam werden.

(5) Ob ein öffentliches Interesse an der Erhaltung eines Einzeldenkmals, eines Ensembles oder einer Sammlung besteht sowie ob oder wie weit es sich (auch) um eine Einheit handelt, die als einheitliches Ganzes zu erhalten ist, ist vom Bundesdenkmalamt unter Bedachtnahme auf diesbezügliche wissenschaftliche Forschungsergebnisse zu entscheiden. Bei der Auswahl der Objekte, die unter Denkmalschutz gestellt werden, ist die Bewertung in den vom Bundesdenkmalamt geführten bzw. verfassten Denkmalverzeichnissen zu berücksichtigen. Allgemein anerkannte internationale Bewertungskriterien können in die Beurteilungen mit einbezogen werden. Wenn eine ausreichende Erforschung von Denkmalen - wie insbesondere bei nicht ausgegrabenen Bodendenkmalen - noch nicht abgeschlossen ist, ist die Feststellung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmale nur dann zulässig, wenn die für die Unterschutzstellung erforderlichen Fakten auf Grund des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes wenigstens wahrscheinlich sind und die unversehrte Erhaltung der Denkmale andernfalls gefährdet wäre; eine solche Unterschutzstellung kann auch zeitmäßig begrenzt erfolgen.

(6) Die Feststellung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung eines Denkmals erfolgt stets in jenem Zustand, in dem es sich im Zeitpunkt des Rechtswirksamwerdens der Unterschutzstellung befindet.

...

(8) Werden nur Teile eines Denkmals geschützt (Teilunterschutzstellung), so umfasst dieser Schutz auch die übrigen Teile in jenem Umfang, als dies für die denkmalgerechte Erhaltung der eigentlich geschützten Teile notwendig ist.

...

(10) Die Erhaltung kann nicht im öffentlichen Interesse gelegen sein, wenn sich das Denkmal im Zeitpunkt der Unterschutzstellung in einem derartigen statischen oder sonstigen substanziellen (physischen) Zustand befindet, dass eine Instandsetzung entweder überhaupt nicht mehr möglich ist oder mit so großen Veränderungen in der Substanz verbunden wäre, dass dem Denkmal nach seiner Instandsetzung Dokumentationswert und damit Bedeutung als Denkmal nicht mehr in ausreichendem Maße zugesprochen werden könnte. Ausgenommen sind Denkmale, denen auch als Ruinen Bedeutung im obigen Sinn zukommt.

..."

In der Revision wird allgemein gehalten vorgebracht, dass das Gebäude die "technische Abbruchreife" erreicht habe. Der Revisionswerber beabsichtige, den "gesamten Gebäudekomplex abzubrechen und das auf der Liegenschaft neu zu errichtende Gebäude einer zeitgemäßen Nutzung zuzuführen".

Als Verfahrensmängel rügt der Revisionswerber, es sei auf seine Anträge "auf Erneuerung und Ergänzung der Gutachten" nicht eingegangen worden. Es sei "unzulässig", die Beurteilung aufgrund "der im Akt befindlichen Unterlagen, insbesondere der 'alten' Gutachten", vorzunehmen.

Den Inhalten der von der belangten Behörde verwerteten Sachverständigengutachten tritt der Revisionswerber nicht konkret und nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Die Begründung der belangten Behörde, sogar aus dem Gutachten von DI JD gehe hervor, dass dieser eine Sanierung für möglich halte, bleibt unbekämpft.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 1 Abs. 1 iZm § 3 DMSG, dass im Unterschutzstellungsverfahren die im öffentlichen Interesse stehende Erhaltungswürdigkeit ausschließlich nach der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des Gegenstandes zu prüfen ist, während die technische Möglichkeit der (weiteren) Erhaltung des Gegenstandes auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, die Kosten einer solchen Erhaltung und die Wirtschaftlichkeit der Aufwendung solcher Kosten in diesem Verfahren - anders als im Verfahren nach § 5 DMSG - grundsätzlich noch unbeachtlich sind; und ebenso auch eine Abwägung möglicherweise widerstreitender öffentlicher Interessen an der Erhaltung des Denkmales wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung gegenüber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Interessen noch nicht stattfindet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0248, mwN). Die in der Revision vorgebrachten wirtschaftlichen Erwägungen des Revisionswerbers sind daher unbeachtlich.

Der Tatbestand des § 1 Abs. 10 DMSG ist nur dann erfüllt, wenn der Zustand des Denkmals eine denkmalgerechte Erhaltung ausschließt, und nur dann gegeben, wenn jene besonders schweren Schäden gegeben sind, die von vornherein jede denkmalgerechte Erhaltungsmöglichkeit ausschließen, sodass das Denkmal bereits de facto zerstört ist und nur durch Rekonstruktion ersetzt werden kann (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0248, mwN). Auf die "technische Abbruchreife", auf die sich der Revisionswerber beruft, kommt es daher nicht an. Dass es sich aber um keine Ruine im Sinne des § 1 Abs. 10 DMSG handelt, hat die belangte Behörde unter anderem unter Bezugnahme auf das vom Revisionswerber vorgelegte Gutachten DI JD schlüssig dargelegt. Dem ist der Revisionswerber durch sein unsubstanziiertes Vorbringen inhaltlich nicht entgegengetreten.

Die Behörde hat bei einander widersprechenden Gutachten nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu prüfen, welchem von ihnen höhere Glaubwürdigkeit beizumessen ist. Dabei hat sie jene Gedankengänge aufzuzeigen, die sie veranlasst haben, von den an sich gleichwertigen Beweismitteln dem einen einen höheren Beweiswert zuzubilligen als dem anderen. Die Aussagen von Amts- und Privatsachverständigen besitzen grundsätzlich den gleichen verfahrensrechtlichen Beweiswert. Der Wert eines Beweismittels muss stets nach seiner Beweiskraft, d.h. nach der Schlüssigkeit der Aussagen, beurteilt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/09/0113).

Diesen Grundsätzen hält die Begründung des angefochtenen Bescheides stand. Die in der Revision vorgebrachten allgemeinen Ausführungen betreffend "alte Gutachten" sind inhaltsleer und zeigen nicht auf, warum die verwerteten Gutachten unschlüssig sein sollten. Die Einholung "neuer Gutachten" war entbehrlich.

Da der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
DMSG 1923 §1 Abs10;
Schlagworte
Gutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende
Privatgutachten Rangordnung
freie Beweiswürdigung
Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel
Beweismittel Sachverständigenbeweis
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel
Sachverständigenbeweis
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2014:RO2014090004.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAE-90886