VwGH vom 28.02.2012, 2009/09/0128
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2010/09/0050 E
2012/09/0009 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des HO c/o M GmbH Co KG in W, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/A/57/9876/2008-10, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a erster Strafsatz in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für schuldig erkannt und mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.900,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von einem Tag und zwanzig Stunden) bestraft, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der M. GmbH (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof), die persönlich haftender Gesellschafter der MZ GmbH Co KG sei, zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin im Ortsgebiet von K. den näher bezeichneten nigerianischen Staatsangehörigen P. am mit dem Aufhängen von Zeitungsständern beschäftigt habe, obwohl für diesen Arbeitnehmer keine der im Einzelnen aufgezählten, nach dem AuslBG erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen ausgestellt gewesen seien.
In der Begründung dieses Bescheides traf die belangte Behörde folgende Feststellungen:
Der nigerianische Staatsangehörige P. sei am von der MZ GmbH Co KG mit dem Aufhängen von Zeitungstaschen beschäftigt gewesen, obwohl für ihn keine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung vorgelegen sei. Dies sei unbestritten geblieben.
Nach dem vorliegenden Vertrag zwischen der MZ GmbH Co KG und P. habe die hier gegenständliche Tätigkeit des P. für die genannte Gesellschaft am begonnen. Vertragsgegenstand sei demnach das "Aufstellen der Selbstbedienungsgeräte (d.h. Aufstellen der Ständer, Anbringen der Taschen, Einholen und Abliefern der Kassen und der nicht verkauften Zeitungen usw.) für die Sonn- und Feiertagsausgaben der Vertriebsobjekte" der MZ GmbH Co KG. Das Vertragsverhältnis sei auf "unbestimmte Zeit" abgeschlossen worden. P. habe vom Stützpunktleiter einen bestimmten Rayon zur Verteilung der Wochenend- und Feiertagsausgaben zugeteilt erhalten. Er sei berechtigt gewesen, vertretungsweise eine andere Person mit der ihm übertragenen Tätigkeit zu beauftragen. Eine Kontrolle seiner Tätigkeit sei nicht erfolgt; er sei lediglich dazu angehalten gewesen, bei seinem Ausfall seine Auftraggeberin, die MZ GmbH Co KG zu verständigen. Insbesondere seien ihm hinsichtlich der Art der Erfüllung des Vertrages keine Weisungen erteilt worden. Die Tourenliste, welche er vom Stützpunktleiter erhalten habe, habe lediglich als Hilfe für den Fahrer gedient und habe gesichert, dass alle Standorte am kürzesten Wege angefahren werden und keine vergessen werden, bzw. stelle die Tourenliste eine Hilfe für die vom Fahrer besorgten Vertreter dar. Es sei dem Ausländer freigestanden, eine andere Reihenfolge innerhalb dieser Tour zu wählen.
Die vertragsgemäße Leistungsverpflichtung habe darin bestanden, die frisch gedruckten Zeitungen ab etwa 0.00 Uhr von einem vereinbarten Verteilort abzuholen, die Zeitungstaschen an bestimmten Orten anzubringen, diese Zeitungstaschen bis 7.00 Uhr mit jeweils einer bestimmten Anzahl von Zeitungen zu befüllen, die Zeitungstaschen ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder abzunehmen und die darin erliegenden Zeitungen nach Verzeichnung der Anzahl der an einem Standort zurückgebliebenen Zeitungen wieder abzuliefern.
Das Entgelt für die Tätigkeit des Ausländers sei nicht nach Stunden berechnet worden, sondern habe sich aus dem Liefervolumen errechnet. Die der Tätigkeit zugrunde liegende Vereinbarung sei auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Der Ausländer habe sich bei seiner Tätigkeit vertreten lassen können und diesfalls sei das Honorar an ihn und nicht an seinen Vertreter ausbezahlt worden.
Eine Konkurrenzklausel (Konkurrenzverbot) sei ihm nicht überbunden worden, d.h. es sei dem Ausländer möglich gewesen, zeitgleich auch für andere Auftraggeber tätig zu werden. P. sei auch nur an Wochenenden und Feiertagen für die MZ GmbH Co KG im Rahmen des vorgelegten Werkvertrages tätig geworden.
Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass aufgrund der Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände davon auszugehen gewesen sei, dass ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis zwischen der MZ GmbH Co KG und dem Ausländer P. vorgelegen sei. Die belangte Behörde bejahte auch das Vorliegen eines Verschuldens auf Seite des Beschwerdeführers und legte ihre Strafzumessungsgründe dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über welche der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, dass gegenständlich ein arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis vorliege. Mit diesem Vorbringen ist er im Ergebnis im Recht.
Für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (§ 2 Abs. 2 lit. a AuslBG) ist entscheidend, dass die persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber vorliegt, die sich in der Eingliederung in und die Unterwerfung unter die betriebliche Organisation des Arbeitgebers manifestiert. Daraus resultiert dann auch die wirtschaftliche Abhängigkeit. Wesentlich sind dabei die persönliche Dienstpflicht (Ausschluss einer Vertretung), die Weisungsunterworfenheit hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsdurchführung und die damit verbundene Ausschaltung jeglicher Bestimmungsfreiheit, ferner die Kontrolle durch den Dienstgeber. Für die selbständige Tätigkeit spricht hingegen die Tragung des unternehmerischen Risikos oder die Arbeit mit eigenen Betriebsmitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0069).
Aus § 2 Abs. 2 und Abs. 3 AuslBG folgt, dass der Begriff "Beschäftigung" im AuslBG nicht nur Arbeitsvertragsverhältnisse umfasst, und dass unter Arbeitgeber nicht nur der Vertragspartner eines (schriftlichen oder mündlichen) Arbeitsvertrages zu verstehen ist. Die Verpflichtung zur Einholung einer Beschäftigungsbewilligung vor der Beschäftigung eines Ausländers trifft aber vielmehr nach § 3 Abs. 1 AuslBG auch den Inhaber eines Betriebes, der Leistungen einer als arbeitnehmerähnlich zu qualifizierenden Arbeitskraft entgegen nimmt. Bei der Qualifikation einer Tätigkeit als arbeitnehmerähnlich im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG ist unter anderem zu bedenken, dass das Rechtsverhältnis der arbeitnehmerähnlichen Person zu ihrem Auftraggeber ein Werkvertragsverhältnis, aber auch ein so genannter "freier Dienstvertrag" sein kann. Gegenstand der Verpflichtung im Rahmen eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses kann demgemäß jede Art von Arbeitsleistung sein. Entscheidend für die Frage der Arbeitnehmerähnlichkeit ist die wirtschaftliche Unselbständigkeit, derentwegen eine Person, die im Auftrag und für Rechnung einer anderen Person Arbeit leistet, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, sich in einer einem Arbeitnehmer ähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit befindet. Der "Arbeitnehmerähnliche" ist jedenfalls nicht persönlich vom Empfänger der Arbeitsleistung abhängig. Seine wirtschaftliche Unselbständigkeit, derentwegen er als arbeitnehmerähnlich zu qualifizieren ist, muss eher darin erblickt werden, dass er unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer tätig und daher insofern vom Empfänger der Arbeitsleistung wirtschaftlich abhängig ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/09/0187, sowie vom , Zl. 2005/09/0074).
Typische Merkmale wirtschaftlicher Unselbständigkeit sind:
1. die Verrichtung der Tätigkeit nicht in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte des Verpflichteten, sondern in einem Betrieb des Unternehmers; 2. eine gewisse Regelmäßigkeit und längere Dauer der Tätigkeit; 3. die Verpflichtung zur persönlichen Erbringung der geschuldeten Leistung; 4. Beschränkungen der Entscheidungsfreiheit des Verpflichteten hinsichtlich der Verrichtung der Tätigkeit (Weisungsgebundenheit, "stille" Autorität); 5. die Berichterstattungspflicht; 6. die Arbeit mit Arbeitsmitteln des Unternehmers; 7. das Ausüben der Tätigkeit für einen oder eine geringe Anzahl, nicht aber für eine unbegrenzte Anzahl ständig wechselnder Unternehmer; 8. die vertragliche Einschränkung der Tätigkeit des Verpflichteten in Bezug auf andere Personen (Unternehmerbindung, Konkurrenzverbot); 9. die Entgeltlichkeit und
10. die Frage, wem die Arbeitsleistung zu Gute kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/09/0012).
Bei der Beurteilung des konkret erhobenen Sachverhaltes geht es nicht darum, dass lückenlos alle rechtlichen und faktischen Merkmale festgestellt sind, sondern darum, die vorhandenen Merkmale zu gewichten und sodann das Gesamtbild daraufhin zu bewerten, ob wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliegt oder nicht. Ausgehend von dem - von der belangten Behörde festgestellten - Sachverhalt kann im vorliegenden Fall im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nicht von einem Überwiegen der für eine Arbeitnehmerähnlichkeit sprechenden Merkmale ausgegangen werden.
Eine Beschäftigung nach dem AuslBG kann zwar - wie die belangte Behörde richtig ausführt - durchaus auch dann vorliegen, wenn die Person, die Arbeitsleistungen erbringt, ihre Arbeitskraft noch anderweitig für Erwerbszwecke einsetzen kann, zumal ja auch kurzfristige Tätigkeiten als Arbeitsleistungen im Rahmen einer dem AuslBG unterliegenden Beschäftigung zu qualifizieren sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/09/0070). Allerdings wurde der Ausländer gegenständlich lediglich mit dem Aufstellen der Selbstbedienungsgeräte (d.h. Aufstellen der Ständer, Anbringen der Taschen, Einholen und Abliefern der Kassen und der nicht verkauften Zeitungen usw.) für die Sonn- und Feiertagsausgaben der Vertriebsobjekte der MZ GmbH Co KG beauftragt, sodass in Zusammenschau mit der dem Ausländer eingeräumten Möglichkeit, sich bei seiner Tätigkeit vertreten zu lassen und dem Umstand, dass er nicht nur an den übrigen Werktagen, sondern sogar zeitgleich (vgl. dazu die Feststellungen der belangten Behörde) in Erfüllung seiner Aufträge für die MZ GmbH Co KG auch für andere Auftraggeber tätig zu werden berechtigt, sodass er sich nicht in einer einem Arbeitnehmer ähnlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit befand.
Die rechtliche Einschätzung der belangten Behörde, die MZ GmbH Co KG habe die Arbeit des Ausländers organisiert und dieser sei im Rahmen der Erfüllung der Aufgaben der Gesellschaft, in diese eingegliedert gewesen, kann in Anbetracht des von ihr festgestellten Sachverhalts - eine Kontrolle seiner Tätigkeit (Anmerkung: des Ausländers) sei nicht erfolgt, er sei lediglich dazu angehalten gewesen, bei seinem Ausfall seine Auftraggeberin, die MZ GmbH Co KG zu verständigen, hinsichtlich der Art der Erfüllung des Vertrages seien ihm keine Weisungen erteilt worden - vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden.
Die dem Ausländer übergebene "Tourenliste", welche er vom Stützpunktleiter erhalten hat, hat nach den Feststellungen der belangten Behörde lediglich als Hilfe für den Fahrer gedient und gesichert, dass alle Standorte auf dem kürzesten Wege angefahren werden und keine vergessen werden, bzw. stellt die Tourenliste eine Hilfe für die vom Fahrer besorgten Vertreter dar. Dem Ausländer ist weiterhin freigestanden, eine andere Reihenfolge innerhalb dieser Tour zu wählen. Auch war der Ausländer, der die Zeitungen um 0.00 Uhr von einem vereinbarten Verteilort abholen, die Zeitungstaschen an bestimmten Orten anbringen, diese Zeitungstaschen bis 7.00 Uhr mit jeweils einer bestimmten Anzahl von Zeitungen zu befüllen musste, innerhalb dieses vorgegebenen siebenstündigen Zeitrahmens in seiner Disposition einigermaßen frei, sodass er auch eine gewisse zeitliche Flexibilität in Anspruch nehmen konnte. Insgesamt lag eine organisatorische Eingliederung des Ausländers in das vom Beschwerdeführer vertretene Unternehmen nicht vor.
Wenn auch in derartigen "Tourenlisten" u.A. die Stückzahl der jeweils in die Selbstbedienungszeitungstaschen zu gebenden Exemplare festgehalten wird, handelt es sich dabei nicht um von der vom Beschwerdeführer vertretenen KG zur Verfügung gestellte Betriebsmittel, sondern um Aufzeichnungen mit denen die Leistungspflicht des Ausländers konkretisiert wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/09/0187). Der Beschwerdeführer weist auch zutreffend darauf hin, dass die vom P. anzubringenden Taschen nicht Arbeitsmittel gewesen sind, es handelte sich vielmehr um Objekte der Tätigkeit.
Dass der Ausländer ein Fahrzeug - das gegenständlich als wesentliches Betriebsmittel im engeren Sinne anzusehen war - selbst bereitstellen musste, stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf Seite 20 fest. Anders als durch die Beistellung und den Betrieb eines Kraftfahrzeuges konnte die Aufgabe des P. offensichtlich nicht erfüllt werden. Dieser Umstand ist im vorliegenden Fall von der belangten Behörde nicht ausreichend berücksichtigt worden und als ein wesentliches, gegen das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG sprechendes Moment anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0011, dem ein ähnlicher Sachverhalt zu Grunde liegt, vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/09/0095.)
Dass das Vertragsverhältnis auf "unbestimmte Zeit" abgeschlossen wurde, vermag an der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände, nichts daran zu ändern, dass die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis ausging und damit ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht - im Rahmen des Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am