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VwGH vom 24.04.2013, 2011/17/0156

VwGH vom 24.04.2013, 2011/17/0156

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2010/17/0214 E

2010/17/0051 E

2010/17/0186 E

2013/01/0092 E

2011/17/0297 E

2013/01/0081 E

2013/01/0083 E

2009/17/0193 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des M L in Wien, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3/6, gegen den Bescheid der Datenschutzkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. DSK-K121.698/0011-DSK/2011, betreffend Verletzung im Recht auf Auskunft gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 iVm §§ 26, 50e und 31 Abs 1 DSG 2000 (mitbeteiligte Partei:

W GmbH Co KG in Wien, vertreten durch die Fellner Wratzfeld Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde des Beschwerdeführers wegen Verletzung im Recht auf Auskunft ab. Der Beschwerdeführer behaupte eine Verletzung im Recht auf Auskunft nach § 1 Abs. 3 Z. 1 iVm § 26 iVm § 50e des Bundesgesetzes über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 - DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009, dadurch, dass ihm auf sein Auskunftsbegehren vom 7. bzw. von der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Partei am mitgeteilt worden sei, dass keine Auswertung der Daten erfolgt sei (gemeint aus der Videoüberwachung in den Fahrzeugen der mitbeteiligten Partei); er halte dies aber nicht für glaubwürdig, weil es zum Zeitpunkt seiner Beförderung in den Fahrzeugen der mitbeteiligten Partei zu einem (in der Administrativbeschwerde näher beschriebenen) Raufhandel zwischen zwei Personen gekommen sei, im Zuge dessen eine Person verletzt worden sei, und auch die Sicherheitsbehörden verständigt worden seien. Im Übrigen halte er die Ausführungen der mitbeteiligten Partei in der Auskunft zur Auslegung des § 50e DSG 2000, wobei die mitbeteiligte Partei auf die Rechtsprechung der belangten Behörde Bezug genommen habe, mit näherer Begründung für nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer begehre daher, der mitbeteiligten Partei die vollständige und gesetzeskonforme Auskunftserteilung aufzutragen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung zugrunde, der Beschwerdeführer habe am zunächst per Mail, nach Urgenz seitens der mitbeteiligten Partei am gleichlautend postalisch, unter Hinweis auf § 26 Abs. 7 DSG 2000 im Wesentlichen folgendes Auskunftsbegehren gestellt:

"Sehr geehrte Damen! Sehr geehrte Herren!

Sie führen personenbezogene Datenverarbeitung(en) und Datenanwendungen.

Ich ersuche Sie unter Hinweis auf § 1 DSG 2000 und alle weiteren anwendbaren Bestimmungen des DSG 2000 um Beantwortung der folgenden Fragen:


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-
Welcher Art sind die Daten, die Sie über mich speichern?
-
Welchen Inhalt haben diese Daten, woher stammen sie, wozu werden sie verwendet, an wen wurden sie übermittelt?
-
Zu welchem Zweck werden die Datenanwendungen betrieben?
-
Auf Grund welcher Vertrags- bzw. Rechtsgrundlage werden die Daten verwendet?
-
Sie werden ersucht, auch alle anfallenden Daten zu beauskunften, die sich in anderen Dateien befinden, jedoch über Schlüssel-, Such- und Referenzbegriffe mit meinen personenbezogenen Daten direkt oder indirekt verknüpft werden können (§ 4 DSG 2000).
Da ich im Zeitraum vom ungefähr 20.30 bis ungefähr 21.00 von einer Ihrer Videoüberwachungen betroffen war, ersuche ich sie gemäß § 50e DSG 2000 um die Übersendung einer Kopie der zu meiner Person verarbeiteten Daten. Im Sinne der Mitarbeit gebe ich Ihnen folgende Angaben bekannt durch welche es möglich ist meine Person zu identifizieren:
Ich befand mich während der genannten Zeit in einem neuen (durchgängigen) U-Bahn Zug der Linie U4, Fahrtrichtung Hütteldorf, welcher in dem Zeitraum in der Station Spittelau stand. Innerhalb des Zuges befand ich mich hauptsächlich im Eingangsbereich der
4.
Türen - vom Zugende gezählt. Ich war bekleidet mit braunen Lederhalbschuhen, einer anthrazitfarbenen Hose, einem braunen Pullover sowie einer grünen Jacke. Meine Haarfarbe ist braun.
Als … Nachweis meiner Identität lege ich eine Kopie des Führerscheins bei.
…"

1.2. Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er regt weiters an, die Sache allenfalls im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, und zwar hinsichtlich der Frage, ob § 29 DSG 2000 iVm § 50e DSG 2000, wenn diese Bestimmungen so zu interpretieren seien, dass ein gesetzliches Auskunftsrecht Betroffener ausschließlich hinsichtlich bereits ausgewerteter Daten einer Videoüberwachung zustünde, mit Art. 12 der Richtlinie 95/46/EG vereinbar sei.

1.3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Der Gerichtshof der Europäischen Union (in der Folge: EuGH) sprach mit Urteil vom in der Rechtssache C- 614/10 betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am , aus, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 28 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr verstoßen habe, dass sie nicht alle Vorschriften erlassen habe, die erforderlich seien, damit die in Österreich bestehende Rechtslage in Bezug auf die Datenschutzkommission dem Kriterium der Unabhängigkeit genüge, und zwar im Einzelnen dadurch, dass sie eine Regelung eingeführt habe, wonach


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-
das geschäftsführende Mitglied der Datenschutzkommission ein der Dienstaufsicht unterliegender Bundesbediensteter sei,
-
die Geschäftsstelle der Datenschutzkommission in das Bundeskanzleramt eingegliedert sei und
-
der Bundeskanzler über ein unbedingtes Recht verfüge, sich über alle Gegenstände der Geschäftsführung der Datenschutzkommission zu unterrichten.
Begründend führte der EuGH unter anderem aus wie folgt (Rn. 36 ff):
"36 Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 schreibt den Mitgliedstaaten vor, eine oder mehrere Kontrollstellen für den Schutz personenbezogener Daten einzurichten, die die ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen. Das Erfordernis, die Einhaltung der Unionsvorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine unabhängige Stelle zu überwachen, ergibt sich auch aus dem Primärrecht der Union, insbesondere aus Art. 8 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und aus Art. 16 Abs. 2 AEUV.
37 Die Einrichtung unabhängiger Kontrollstellen in den Mitgliedstaaten ist somit ein wesentliches Element der Wahrung des Schutzes der Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Urteil vom , Kommission/Deutschland, C-518/07, Slg. 2010, I-1885, Randnr. 23).
38 Zur Beurteilung der Begründetheit der vorliegenden Klage ist zu prüfen, ob, wie die Kommission geltend macht, nach der in Österreich bestehenden Regelung die DSK (Anmerkung des Verwaltungsgerichtshofes: Datenschutzkommission) nicht in der Lage ist, ihre Aufgaben 'in völliger Unabhängigkeit' im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 wahrzunehmen.
39 In diesem Zusammenhang ist zunächst das Vorbringen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zurückzuweisen, dass die DSK in dem nach Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 erforderlichen Maß unabhängig sei, weil sie das Unabhängigkeitskriterium erfülle, das Art. 267 AEUV im Zusammenhang mit der Einstufung als Gericht eines Mitgliedstaats innewohne.
40 Aus dem Urteil Kommission/Deutschland geht nämlich hervor, dass der Ausdruck 'in völliger Unabhängigkeit' in Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 autonom, und damit unabhängig von Art. 267 AEUV, ausgehend vom Wortlaut dieser Bestimmung der Richtlinie 95/46 sowie von deren Zielen und Systematik auszulegen ist (vgl. Urteil Kommission/Deutschland, Randnrn. 17 und 29).
41 Der Gerichtshof hat in seinem Urteil Kommission/Deutschland (Randnr. 30) bereits entschieden, dass der Ausdruck 'in völliger Unabhängigkeit' in Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass die für den Schutz personenbezogener Daten zuständigen Kontrollstellen mit einer Unabhängigkeit ausgestattet sein müssen, die es ihnen ermöglicht, ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme wahrzunehmen. Im gleichen Urteil hat der Gerichtshof klargestellt, dass diese Kontrollstellen jeder äußeren Einflussnahme, sei sie unmittelbar oder mittelbar, entzogen sein müssen, die ihre Entscheidungen steuern könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, Randnrn. 19, 25, 30 und 50).
42 Dass die DSK insofern funktionell unabhängig ist, als ihre Mitglieder gemäß § 37 Abs. 1 DSG 2000 'in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden' sind, ist zwar eine notwendige Voraussetzung dafür, dass diese Stelle das Kriterium der Unabhängigkeit im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 erfüllen kann. Doch reicht eine solche funktionelle Unabhängigkeit entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich für sich allein nicht aus, um diese Kontrollstelle vor jeder äußeren Einflussnahme zu bewahren.
43 Die gemäß Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 erforderliche Unabhängigkeit soll nämlich nicht nur die unmittelbare Einflussnahme in Form von Weisungen ausschließen, sondern auch, wie in Randnr. 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt, jede Form der mittelbaren Einflussnahme, die zur Steuerung der Entscheidungen der Kontrollstelle geeignet wäre.
44 Die verschiedenen Elemente der österreichischen Regelung, auf die sich die drei Rügen in der Klageschrift der Kommission beziehen, stehen aber der Annahme entgegen, dass die DSK bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben jedem mittelbaren Einfluss entzogen ist.
45 Zunächst ist zur ersten, die Stellung des geschäftsführenden Mitglieds innerhalb der DSK betreffenden Rüge festzustellen, dass dieses Mitglied gemäß § 36 Abs. 3 DSG 2000 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 DSG 2000 und § 4 Abs. 1 der Geschäftsordnung der DSK ein Bundesbediensteter ist.
46 Dieser Bundesbedienstete führt gemäß § 38 Abs. 1 DSG 2000 die laufenden Geschäfte der DSK.
47 Zwar muss, wie die Republik Österreich ausführt, nach der bestehenden Regelung das geschäftsführende Mitglied der DSK nicht notwendigerweise ein Beamter des Bundeskanzleramts sein, auch wenn diese Stelle unstreitig stets mit einem solchen Beamten besetzt war.
48 Unabhängig davon, welcher Bundesbehörde das geschäftsführende Mitglied der DSK angehört, steht jedoch fest, dass zwischen ihm und dieser Bundesbehörde ein Dienstverhältnis besteht, das es dem Vorgesetzten des geschäftsführenden Mitglieds ermöglicht, dessen Tätigkeiten zu überwachen.
49 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass § 45 Abs. 1 BDG 1979 dem Vorgesetzten eine weitreichende Befugnis zur Überwachung der Beamten seines Ressort gewährt. Nach dieser Bestimmung ist der Vorgesetzte nämlich nicht nur befugt, darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen, sondern er hat auch seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, aufgetretene Fehler und Missstände abzustellen, für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen, das dienstliche Fortkommen seiner Mitarbeiter nach Maßgabe ihrer Leistungen zu fördern und ihre Verwendung so zu lenken, dass sie ihren Fähigkeiten weitgehend entspricht.
50 Angesichts der Stellung des geschäftsführenden Mitglieds innerhalb der DSK steht Punkt 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 der Dienstaufsicht, der dieses Mitglied kraft § 45 Abs. 1 BDG 1979 unterliegt, entgegen. Zwar zielt § 37 Abs. 1 DSG 2000 darauf ab, den Vorgesetzten des geschäftsführenden Mitglieds daran zu hindern, diesem Weisungen zu erteilen, doch weist § 45 Abs. 1 BDG 1979 dem Vorgesetzten eine Überwachungsbefugnis zu, die geeignet ist, die Unabhängigkeit der DSK bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinträchtigen.
51 Insoweit genügt der Hinweis, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beurteilung des geschäftsführenden Mitglieds der DSK durch den Vorgesetzten, mit der das dienstliche Fortkommen dieses Beamten gefördert werden soll, bei diesem zu einer Form von 'vorauseilendem Gehorsam' führen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 36).
52 Im Übrigen ist die DSK auf Grund der Bindungen ihres geschäftsführenden Mitglieds an das ihrer Kontrolle unterliegende politische Organ nicht über jeden Verdacht der Parteilichkeit erhaben. In Anbetracht der Rolle der Kontrollstellen als Hüter des Rechts auf Privatsphäre verlangt Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 aber, dass ihre Entscheidungen, und damit sie selbst, über jeden Verdacht der Parteilichkeit erhaben sind (vgl. Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 36).
53 Die Republik Österreich wendet jedoch ein, dass der gemäß § 36 Abs. 3 DSG 2000 bestellte Bundesbedienstete das Amt des geschäftsführenden Mitglieds kraft § 4 Abs. 1 der Geschäftsordnung der DSK versehe. Da der Umstand, dass ihr geschäftsführendes Mitglied ein Beamter des Bundeskanzleramts sei, auf einer autonomen Entscheidung dieser Behörde beruhe, werde dadurch ihre Unabhängigkeit als Kontrollstelle nicht berührt.
54 Dem ist nicht zu folgen.
55 Wie aus den Randnrn. 48 bis 52 des vorliegenden Urteils hervorgeht, berührt das zwischen dem geschäftsführenden Mitglied der DSK und der Bundesbehörde, der es angehört, bestehende Dienstverhältnis die Unabhängigkeit der DSK, und diese Feststellung wird im vorliegenden Fall durch die Art und Weise der Bestellung dieses Mitglieds nicht in Frage gestellt. Es ist jedoch Sache der Republik Österreich, die rechtlichen Regelungen zu erlassen, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass diese Kontrollstelle ihre Aufgaben 'in völliger Unabhängigkeit' im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 wahrnehmen kann.
56 Sodann ist hinsichtlich der zweiten Rüge der Kommission darauf hinzuweisen, dass gemäß § 38 Abs. 2 DSG 2000 das Bundeskanzleramt die notwendige Sach- und Personalausstattung für die Geschäftsstelle der DSK bereitstellt. Es ist unstreitig, dass das Personal der Geschäftsstelle der DSK aus Beamten des Bundeskanzleramts besteht.
57 Wie die Kommission ausführt, lässt auch die Eingliederung der Geschäftsstelle der DSK in das Bundeskanzleramt nicht den Schluss zu, dass die DSK ihre Aufgaben frei von jedem Einfluss des Bundeskanzleramts wahrnehmen kann.
58 Zwar muss die DSK, wie die Republik Österreich hervorhebt, nicht über eine eigene Haushaltslinie, wie sie Art. 43 Abs. 3 der Verordnung Nr. 45/2001 für den EDSB vorsieht, verfügen, um das Unabhängigkeitskriterium des Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 erfüllen zu können. Die Mitgliedstaaten sind nämlich nicht verpflichtet, in ihr innerstaatliches Recht ähnliche Vorschriften wie die des Kapitels V der Verordnung Nr. 45/2001 aufzunehmen, um für ihre Kontrollstelle(n) völlige Unabhängigkeit zu gewährleisten, und können somit die Kontrollstelle haushaltsrechtlich einem bestimmten Ressort zuordnen. Allerdings darf die Zuweisung der von einer solchen Stelle benötigten personellen und sachlichen Mittel diese Stelle nicht daran hindern, ihre Aufgaben 'in völliger Unabhängigkeit' im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 wahrzunehmen.
59 Der letztgenannten Voraussetzung genügt die in Österreich bestehende Regelung jedoch nicht. Das der Geschäftsstelle der DSK zur Verfügung gestellte Personal besteht nämlich aus Beamten des Bundeskanzleramts, das über diese Beamten die Dienstaufsicht nach § 45 Abs. 1 BDG 1979 ausübt. Wie aus den Randnrn. 49 bis 52 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist eine solche Dienstaufsicht des Staates aber nicht mit dem Unabhängigkeitserfordernis in Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 vereinbar, dem die für den Schutz personenbezogener Daten zuständigen Kontrollstellen genügen müssen.
60 Dem Argument der Republik Österreich, die Organisation der Geschäftsstelle könne die Unabhängigkeit der DSK nicht berühren, weil die Geschäftsstelle nur die Entscheidungen der DSK vollziehe, ist nicht zu folgen.
61 Angesichts der Arbeitsbelastung einer für den Schutz personenbezogener Daten zuständigen Kontrollstelle sowie der Tatsache, dass die Mitglieder der DSK ihre Tätigkeit gemäß § 36 Abs. 3a DSG 2000 neben anderen beruflichen Tätigkeiten ausüben, ist davon auszugehen, dass die Mitglieder einer solchen Stelle bei der Ausübung ihres Amtes weitgehend auf die Unterstützung durch das ihnen zur Verfügung gestellte Personal angewiesen sind. Dass die Geschäftsstellen aus Beamten des Bundeskanzleramts besteht, das selbst der Kontrolle der DSK unterliegt, birgt die Gefahr einer Beeinflussung der Entscheidungen der DSK. Eine solche organisatorische Verzahnung der DSK mit dem Bundeskanzleramt verhindert jedenfalls, dass die DSK über jeden Verdacht der Parteilichkeit erhaben ist und ist damit nicht mit dem Erfordernis der 'Unabhängigkeit' im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 vereinbar.
62 Zur dritten Rüge der Kommission ist festzustellen, dass der Bundeskanzler gemäß Art. 20 Abs. 2 B-VG und § 38 Abs. 2 DSG 2000 das Recht hat, sich beim Vorsitzenden und beim geschäftsführenden Mitglied der DSK jederzeit über alle Gegenstände ihrer Geschäftsführung zu unterrichten.
63 Ein solches Unterrichtungsrecht ist ebenfalls dazu angetan, die DSK einem mittelbaren Einfluss seitens des Bundeskanzlers auszusetzen, der nicht mit dem Unabhängigkeitskriterium des Art. 28 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/46 vereinbar ist. Insoweit genügt der Hinweis, dass das Unterrichtungsrecht zum einen sehr weit gefasst ist, da es sich auf 'alle Gegenstände der Geschäftsführung der (DSK)' erstreckt, und dass es zum anderen unbedingt ist.
64 Unter diesen Umständen steht das in Art. 20 Abs. 2 B-VG und § 38 Abs. 2 DSG 2000 vorgesehene Unterrichtungsrecht einer Einstufung der DSK als Stelle entgegen, deren Handlungen unter allen Umständen über jeden Verdacht der Parteilichkeit erhaben sind."
Zu prüfen ist im Hinblick auf das erwähnte Urteil des EuGH - und zwar noch vor Eingehen auf das konkrete Vorbringen im hier zu beurteilenden Fall - welche Auswirkungen die vom EuGH festgestellte mangelhafte Umsetzung des Art. 28 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/46 auf subjektiv-öffentliche Rechte des Beschwerdeführers hat.

2.2. Zur diesbezüglich heranzuziehenden Rechtslage kann zunächst auf deren Darstellung in dem eben erwähnten verwiesen werden. Zusätzlich ist insbesondere auf die dort angesprochenen, jedoch nicht dem Wortlaut nach zitierten Bestimmungen des Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie die Art. 1 Abs. 1 und 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46/EG hinzuweisen. Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2007/C 303/01, konsolidierte Fassung ABl. 2012/C 326, Seite 391 ff, im Folgenden:

GRC), lautet wie folgt:

"Artikel 8

Schutz personenbezogener Daten

(1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.

(3) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht."

Die erwähnten Bestimmungen der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, Seite 31ff), lauten wie folgt:

"Artikel 1

Gegenstand der Richtlinie

(1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten nach den Bestimmungen dieser Richtlinie den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

Artikel 3

Anwendungsbereich

(1) …

(2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten,


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-
die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Tätigkeiten gemäß den Titeln V und VI des Vertrages über die Europäische Union, und auf keinen Fall auf Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn die Verarbeitung die Sicherheit des Staates berührt) und die Tätigkeit des Staates im strafrechtlichen Bereich;
-
die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird."
Nach § 59 DSG 2000 wird mit diesem Bundesgesetz (dem Datenschutzgesetz 2000) die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. Nr. L 281 vom , Seite 31, umgesetzt.
Die Vollziehung von durch die Mitgliedstaaten in innerstaatliches Recht umgesetztem Richtlinienrecht gehört jedenfalls und ohne jeden Zweifel zum zentralen Teil des Anwendungsbereichs des Unionsrechts (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/15/0196, mwN aus der Rechtsprechung des EuGH sowie des VwGH). Durch das Unionsrecht ist jedes Gericht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, also auch der Verwaltungsgerichtshof, verpflichtet, uneingeschränkt die Wahrung der unionsrechtlichen Grundrechte, insbesondere der Grundrechte der GRC, sicherzustellen (vgl. wiederum das zitierte hg. Erkenntnis vom mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. nur die in der Folge des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2011/22/0097, ergangene Rechtsprechung) sind unionsrechtliche Vorgaben etwa im Hinblick auf eine in einer Richtlinie vorgesehene Rechtschutzgarantie - bereits ab Ablauf der Umsetzungsfrist zu beachten. So hat der Verwaltungsgerichtshof in dem eben erwähnten Erkenntnis vom ausgesprochen, es sei daher davon auszugehen, dass schon seit dem Ablauf der Umsetzungsfrist die Einrichtung der Sicherheitsdirektionen als Berufungsinstanz in dem von der Rückführungsrichtlinie erfassten Bereich den unionsrechtlich gebotenen Verfahrensgarantien nicht ausreichend Rechnung getragen habe und es an deren Stelle auf der Basis unmittelbar anwendbaren Unionsrechtes, dem Vorrang zukomme, der Einschaltung von Tribunalen bedürfe.
Der Verwaltungsgerichtshof geht nun - bezogen auf den hier zu entscheidenden Beschwerdefall - davon aus, dass - wie der EuGH in seinem Urteil vom festgestellt hat - die Republik Österreich die in Art. 28 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/46/EG angeordnete Einführung einer Stelle, die die ihr zugewiesenen Aufgaben "in völliger Unabhängigkeit" wahrzunehmen hat, auch nach Ablauf der dreijährigen Umsetzungsfrist nicht (ausreichend) nachgekommen ist. Die Einrichtung einer derartigen Stelle ist aber zweifellos als eine Rechtschutzgarantie, vergleichbar der Anordnung der Entscheidung durch ein unabhängiges Tribunal, aufzufassen. Im Sinne der oben erwähnten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erweist sich daher die belangte Behörde, die im Entscheidungszeitpunkt jedenfalls den Vorgaben der Richtlinie nicht entsprochen hat, als unzuständig. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der dort normierten Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46/EG insbesondere etwa im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Staates im strafrechtlichen Bereich liegt im Beschwerdefall nicht vor.
Sohin erweist sich der angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde inhaltlich über die Administrativbeschwerde des Beschwerdeführers abgesprochen hat, als mit Rechtswidrigkeit infolge ihrer Unzuständigkeit belastet. Er war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

2.3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der in der Verordnung festgelegte Pauschalbetrag (zuzüglich der Eingabegebühr) alle im Falle des Obsiegens des Beschwerdeführers (ohne mündliche Verhandlung) abzudeckenden Kosten (einschließlich der Umsatzsteuer) umfasst.

2.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit diesem Erkenntnis nur der Rechtsanschauung des EuGH in dem erwähnten Urteil vom und damit seiner Verpflichtung zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts Rechnung getragen, sodass es keiner Befassung eines verstärkten Senates infolge des Abgehens von einer früheren Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0322 = VwSlg. 17.287 A/2007) bedurfte.

Wien, am