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VwGH vom 15.10.2014, Ro 2014/08/0078

VwGH vom 15.10.2014, Ro 2014/08/0078

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter und Richterinnen, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tulln in 3430 Tulln an der Donau, Nibelungenplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W209 2008860-1/3E, betreffend Arbeitslosengeld (mitbeteiligte Partei: R F in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die 1958 geborene Mitbeteiligte stand vom bis zum in einem Dienstverhältnis zur Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB).

Mit Schreiben der VAEB als Dienstgeberin vom wurde der Mitbeteiligten mitgeteilt, dass sie gemäß § 25 Abs. 2 der Dienstordnung der Verwaltungsangestellten der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen (EDO-Ang.) mit in den zeitlichen Ruhestand versetzt werde, weil sie sich seit dem ohne Unterbrechung im Krankenstand befinde. Der Chefarzt der VAEB habe bestätigt, dass die von den behandelnden Ärzten gemeldete Dienstunfähigkeit zu Recht bestehe.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der VAEB als zuständigem Versicherungsträger vom wurde der Antrag der Mitbeteiligten vom auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gemäß § 271 ASVG abgewiesen, weil Berufsunfähigkeit nicht vorliege. Nach dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung sei ihre Arbeitsfähigkeit infolge von degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und einer "milden depressiven Episode" nicht so weit herabgesunken, dass die Ausübung ihrer bisherigen Tätigkeit oder einer Tätigkeit innerhalb der gleichen Berufsgruppe, die ihr bei Berücksichtigung der Ausbildung und bisherigen Berufslaufbahn zugemutet werden könne, nicht mehr möglich wäre.

Mit Schreiben vom erklärte die VAEB als Dienstgeberin, dass der von der Mitbeteiligten mit Schreiben vom ausgesprochenen Kündigung des Dienstverhältnisses unter gleichzeitiger Versetzung in den dauernden Ruhestand zugestimmt werde. Das Dienstverhältnis ende daher mit Ablauf des , ab befinde sie sich im dauernden Ruhestand. Mit Schreiben vom informierte die VAEB die Mitbeteiligte, dass ihre Bezüge mit Ablauf des eingestellt würden. Ab dem befinde sie sich im Ruhestand und habe Anspruch auf die Pension nach den Bestimmungen der EDO-Ang. Da sie die gesetzliche Abfertigung im Ausmaß von zwölf Monatsbezügen (EUR 56.031,24 brutto) erhalte, ruhe die Dienstgeberpension gemäß § 127 Abs. 2 EDO-Ang für die Zeit von bis .

Am beantragte die Mitbeteiligte die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Diesem Antrag wurde mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tulln (der revisionswerbenden Behörde) keine Folge gegeben, weil die Mitbeteiligte einen Anspruch auf Pension gemäß § 22 AlVG habe. Laut Speicherung des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden: Hauptverband) beziehe sie seit einen Ruhegenuss.

Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte vor, dass sie keine Bezüge oder Pension von ihrem ehemaligen Arbeitgeber erhalte, weil die Auszahlung der Pension erst mit anfalle. Beim Hauptverband sei der falsche Eintrag "Ruhegenuss" vorgenommen worden, was erst korrigiert werde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die revisionswerbende Behörde der Beschwerde teilweise Folge und sprach aus, dass das Arbeitslosengeld für die Zeit vom bis gebühre. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Schreiben der VAEB vom betreffend die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand die Dienstunfähigkeit der Mitbeteiligten festgestellt werde. Gemäß § 8 Abs. 1 AlVG sei nicht arbeitsfähig, wer eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit beziehe. Dies liege im Fall der Mitbeteiligten nicht vor. Jedoch sei arbeitsfähig weiters nicht, wer die Anspruchsvoraussetzungen für eine derartige Leistung erfülle. Dem Schreiben vom sei klar zu entnehmen, dass die Mitbeteiligte dienstunfähig sei, sodass sie mit in den zeitlichen Ruhestand versetzt worden sei. Der grundsätzlich bestehende Anspruch auf Ruhegenuss ruhe jedoch für die Zeit von bis auf Grund des Erhalts der Abfertigung. Auf Grund dieses Ruhens beziehe die Mitbeteiligte keinen Ruhegenuss im Sinn des § 22 AlVG, sodass dem Beschwerdevorbringen auf Grund der bis bestehenden Rechtslage teilweise gefolgt werden könne. Auf Grund der Neuregelung des § 8 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2013 bestehe jedoch ab kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil arbeitsfähig weiters nicht sei, wer die Anspruchsvoraussetzungen für eine derartige Leistung erfülle. Die Mitbeteiligte erfülle die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund von Dienstunfähigkeit (diese sei der Arbeitsunfähigkeit gleichzuhalten) für die Dienstgeberpension ab , der Anspruch ruhe lediglich auf Grund der Abfertigung im Ausmaß von zwölf Monaten.

Die Mitbeteiligte richtete einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde Folge und erkannte der Mitbeteiligten von bis Arbeitslosengeld im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß zu.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Mitbeteiligte infolge Dienstunfähigkeit und Erreichen des 55. Lebensjahres von der VAEB (ihrem Arbeitgeber) gemäß § 37 EDO-Ang. in den dauernden Ruhestand versetzt worden sei. Die VAEB sei ein Sozialversicherungsträger, der für die Bereiche Kranken- und Pensionsversicherung und für einen Teil der Versicherten auch für die Unfallversicherung zuständig sei. Als solcher sei die VAEB eine Körperschaft öffentlichen Rechts.

Gemäß § 8 Abs. 1 AlVG in der seit geltenden Fassung BGBl. I Nr. 3/2013 gelte nicht als arbeitsfähig, wer invalid oder berufsunfähig im Sinne des ASVG sei. Gemäß § 8 Abs. 1

2. und 3. Satz AlVG gelte darüber hinaus jedenfalls nicht als arbeitsfähig, wer eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit beziehe oder die Anspruchsvoraussetzungen für eine derartige Leistung erfülle.

Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2000 BlgNR 24. GP) sei zu entnehmen, dass § 8 Abs. 1 2. und 3. Satz AlVG (lediglich) der Klarstellung diene, dass auch Personen nicht als arbeitsfähig gälten, die eine einschlägige Pensionsleistung bezögen oder beanspruchen könnten, da andernfalls Personen, deren Arbeitslosigkeit auf Grund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht beendet werden könne, Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen könnten.

Daraus folge, dass sich durch den nunmehr allgemeinen Verweis des § 8 Abs. 1 1. Satz AlVG auf das ASVG grundsätzlich keine Änderung der gesetzlichen Definition der Arbeitsunfähigkeit im Arbeitslosenversicherungsrecht ergeben habe und diese weiterhin nur bei Invalidität und Berufsunfähigkeit iSd §§ 255, 273 bzw. 280 ASVG vorliege.

Der Antrag der Mitbeteiligten vom auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension sei von der VAEB als zuständigem Pensionsversicherungsträger mit Bescheid vom mit der Begründung abgelehnt worden, dass keine Berufsunfähigkeit iSd § 273 ASVG vorliege. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen.

Gemäß § 8 Abs. 3 AlVG habe das Arbeitsmarktservice Bescheide der Pensionsversicherungsträger zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit anzuerkennen und seiner weiteren Tätigkeit zugrunde zu legen.

Dementsprechend sei der rechtskräftige Bescheid der VAEB über das Nichtvorliegen einer Berufsunfähigkeit im gegenständlichen Verfahren bindend und daher - entgegen der Ansicht des Arbeitsmarktservice - trotz Dienstunfähigkeit von der Arbeitsfähigkeit der Mitbeteiligten iSd § 8 AlVG auszugehen.

Im Fall der Mitbeteiligten komme mangels Berufsunfähigkeit grundsätzlich auch eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit in Betracht, wodurch die Arbeitslosigkeit in ihrem Fall jederzeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung beendet werden könnte. Die Dienstunfähigkeit der Mitbeteiligten schließe daher die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes nicht aus.

Die Zuerkennung sei auch nicht gemäß § 22 AlVG ausgeschlossen. Gemäß § 22 AlVG führten zwar u.a. (alle) Ruhegenüsse von öffentlich-rechtlichen Körperschaften zum Ausschluss des Arbeitslosengeldes. Allerdings setze dies voraus, dass bereits eine Leistung bezogen werde, da die bloße Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nur bei den in § 22 Abs. 1 AlVG ausdrücklich genannten Leistungen aus einem der Versicherungsfälle des Alters zum Ausschluss führe. Dies ergebe sich auch aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1194 BlgNR 18. GP, wonach die Erfüllung der Anwartschaft auf eine Pension vor allem die Überleitung älterer Notstandshilfebezieher in die Alterspension bei Erreichen der Altersgrenze sicherstellen solle. Da Personen mit Anspruch auf einen Ruhegenuss einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft idR nicht zu diesem Personenkreis zählten, liege es nahe, dass der Halbsatz "oder die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfüllen" in § 22 Abs. 1 AlVG - entsprechend seinem Wortlaut - nicht auch Anwartschaften auf einen Ruhegenuss einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft erfasse.

Da im vorliegenden Fall der Leistungsbezug gemäß § 127 Abs. 2 EDO-Ang. auf Grund der der Mitbeteiligten gewährten Abfertigung bis ruhe, sei der Leistungsbezug für die Dauer des Ruhens des Ruhegenusses nicht ausgeschlossen.

Da im Fall der Mitbeteiligten in den letzten 15 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld am mindestens 468 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung vorlägen und sie bereits das 50. Lebensjahr überschritten habe, betrage die Bezugsdauer gemäß § 18 Abs. 1 lit. b AlVG 52 Wochen. Weil die Mitbeteiligte ab einen Ruhegenuss beziehe, sei die Leistung mit zu befristen.

Das Bundesverwaltungsgericht sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei, weil es zur Frage, ob eine Pensionsleistung gemäß EDO-Ang. bzw. bereits ein Anspruch darauf zum Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes führe, an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision samt den Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Revision enthält keine ausdrückliche Anfechtungserklärung (§ 28 Abs. 2 VwGG), richtet sich aber nach ihrem eindeutigen Inhalt nur dagegen, dass der Mitbeteiligten das Arbeitslosengeld im Zeitraum bis zuerkannt wurde (und nicht etwa dagegen, dass für davor und/oder danach liegende Zeiträume kein Arbeitslosengeld zuerkannt wurde).

2. Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob eine Pension nach der EDO-Ang. (oder eine vergleichbare Leistung) ein "Ruhegenuss aus einem Dienstverhältnis zu einer öffentlichrechtlichen Körperschaft" bzw. eine "Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters" im Sinn des § 22 Abs. 1 AlVG ist, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.

Sie ist aber nicht berechtigt.

3.1 Gemäß § 8 Abs. 1 AlVG in der bis zum geltenden Fassung BGBl. Nr. 17/1962 ist arbeitsfähig, wer nicht invalid beziehungsweise nicht berufsunfähig im Sinne der für ihn in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 255, 273 beziehungsweise 280 ASVG ist.

Gemäß § 8 Abs. 3 AlVG in der bis zum geltenden Fassung BGBl. I Nr. 62/2010 sind ärztliche Gutachten von Personen zur Beurteilung ihrer Arbeitsfähigkeit, die im Wege der Pensionsversicherungsanstalt nach § 351b ASVG erstellt werden, vom Arbeitsmarktservice anzuerkennen und dessen weiterer Tätigkeit zu Grunde zu legen.

Die Abs. 1 und 3 des § 8 AlVG in der gemäß § 79 Abs. 129 am in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 3/2013 lauten wie folgt:

"(1) Arbeitsfähig ist, wer nicht invalid und nicht berufsunfähig im Sinne des ASVG ist. Arbeitsfähig ist jedenfalls nicht, wer eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit bezieht. Arbeitsfähig ist weiters nicht, wer die Anspruchsvoraussetzungen für eine derartige Leistung erfüllt.

(3) Das Arbeitsmarktservice hat Bescheide der Pensionsversicherungsträger und Gutachten des Kompetenzzentrums Begutachtung der Pensionsversicherungsanstalt zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit anzuerkennen und seiner weiteren Tätigkeit zu Grunde zu legen."

Gemäß § 22 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 25/2011 haben Arbeitslose, die eine Leistung aus einem der Versicherungsfälle des Alters aus der Pensionsversicherung nach dem APG, dem ASVG, dem GSVG, dem BSVG oder dem FSVG, ein Sonderruhegeld nach dem Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz oder einen Ruhegenuss aus einem Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft beziehen oder die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfüllen, keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

3.2 Für das Dienstverhältnis der Mitbeteiligten zur VAEB galten u.a. - soweit hier von Bedeutung - die Regelungen der - auf vor dem eingetretene Bedienstete anwendbaren - Dienstordnung der Verwaltungsangestellten der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen (EDO-Ang.), die von der Rechtsvorgängerin der VAEB (der VAE) als Kollektivvertrag abgeschlossen und zusätzlich als Richtlinie des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger kundgemacht worden war (SozSi, Amtl. Verlautb. Nr. 2/1969, Heft 5/1969, 174).

Gemäß § 35 Abs. 2 EDO-Ang. sind unkündbare Angestellte in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen, wenn die Dienstunfähigkeit ununterbrochen ein Jahr andauert, die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit aber zu gewärtigen ist. Durch die Versetzung in den zeitlichen Ruhestand wird gemäß § 35 Abs. 3 EDO-Ang. das Dienstverhältnis nicht aufgelöst; die Bezüge des in den zeitlichen Ruhestand Versetzten sind in der gleichen Höhe wie der im Fall der Versetzung in den dauernden Ruhestand gebührende Ruhegenuss zu bemessen. Gemäß § 35 Abs. 4 EDO-Ang. ist der Vorstand berechtigt, in den zeitlichen Ruhestand versetzte Angestellte wieder in den aktiven Dienst einzustellen. Die in den zeitlichen Ruhestand Versetzten müssen sich auf einem ihrer letzten Verwendung mindestens gleichwertigen Dienstposten wiederverwenden lassen, sofern sie das 55. Lebensjahr nicht überschritten oder das Höchstmaß des Ruhegenusses noch nicht erreicht haben.

Gemäß § 36 Abs. 1 EDO-Ang. wird das Dienstverhältnis von unkündbaren Angestellten u.a. durch Versetzung in den dauernden Ruhestand nach vorheriger Kündigung gemäß § 37 EDO-Ang. aufgelöst.

Gemäß § 37 Abs. 1 EDO-Ang. hat ein unkündbarer Angestellter nach Erfüllung der Voraussetzungen gemäß § 102 EDO-Ang. u.a. wegen dauernder Dienstunfähigkeit (lit. b) und sobald ihm die volle Pension gebührt (lit. c) Anspruch auf Versetzung in den dauernden Ruhestand.

Gemäß § 38 Abs. 1 EDO-Ang. liegt Dienstunfähigkeit im Sinn des § 37 Abs. 1 lit. b EDO-Ang. vor, wenn der Angestellte infolge geistiger oder körperlicher Krankheit oder eines Gebrechens dauernd unfähig ist, den bisherigen oder einen anderen Dienst zu versehen, der von ihm mit Rücksicht auf die bisherige Beschäftigung oder seine Vorbildung billigerweise verlangt werden kann. Die Dienstunfähigkeit wird nach § 38 Abs. 2 EDO-Ang. durch das übereinstimmende Zeugnis zweier von der Anstalt bestimmter Vertrauensärzte festgestellt. Gemäß § 38 Abs. 3 EDO-Ang. gilt der Angestellte jedenfalls als dienstunfähig, wenn er vom zuständigen Pensionsversicherungsträger als berufsunfähig anerkannt ist.

Gemäß § 102 Abs. 1 EDO-Ang. gebührt dem Angestellten nach seiner Ruhestandsversetzung ein monatlicher Ruhegenuss, wenn seine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit mindestens zehn Jahre beträgt.

Gemäß § 127 Abs. 2 EDO-Ang. ruht für jeden vollen Monatsbezug einer gemäß § 23 des Angestelltengesetzes gebührenden Abfertigung ein Monatsbezug des Ruhegenusses.

Gemäß § 149 EDO-Ang. sind Leistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung auf die entsprechenden nach der EDO-Ang. zustehenden Leistungen anzurechnen.

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat richtig ausgeführt, dass der Anspruch der Mitbeteiligten auf Arbeitslosengeld jedenfalls nicht schon nach § 8 AlVG wegen fehlender Arbeitsfähigkeit ausgeschlossen war.

Die Definition der Arbeitsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 AlVG - in der Fassung sowohl vor als auch nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 3/2013 - knüpft, soweit hier von Bedeutung, an das Nichtvorliegen von Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit im Sinn des ASVG an. Im Fall der Mitbeteiligten wurde ein Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension gemäß § 271 ASVG mit Bescheid der VAEB vom mangels Berufsunfähigkeit im Sinn des § 273 ASVG rechtskräftig abgewiesen. Damit war auch im kurz danach eingeleiteten Verfahren betreffend die Zuerkennung von Arbeitslosengeld davon auszugehen, dass die Mitbeteiligte nicht berufsunfähig - und daher arbeitsfähig im Sinn des § 8 AlVG - war (vgl. auch § 8 Abs. 3 AlVG idF BGBl. I Nr. 3/2013, wonach Bescheide der Pensionsversicherungsträger zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit vom Arbeitsmarktservice "anzuerkennen und seiner weiteren Tätigkeit zu Grunde zu legen" sind).

Dienstunfähigkeit, wie sie etwa in der EDO-Ang. definiert wird, schließt die Möglichkeit einer zumutbaren Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht aus (auch wenn umgekehrt aus der Berufsunfähigkeit nach dem ASVG jedenfalls die Dienstunfähigkeit nach der EDO-Ang. folgt).

5. Zu prüfen bleibt noch, ob der Arbeitslosengeldanspruch der Mitbeteiligten nach § 22 Abs. 1 AlVG ausgeschlossen war. Es ist zu klären, ob es sich beim Ruhegenuss nach der EDO-Ang. um einen "Ruhegenuss aus einem Dienstverhältnis zu einer öffentlichrechtlichen Körperschaft" handelt und ob er trotz Ruhens dem Arbeitslosengeldanspruch entgegenstünde.

5.1 § 22 Abs. 1 erster Satz AlVG geht im Wesentlichen auf die Novelle BGBl. Nr. 179/1974 zurück. Die Neuregelung wurde wie folgt erläutert (1032 BlgNR 13. GP, 7):

"Nach den derzeit geltenden Bestimmungen des § 22 ist jedes Einkommen des Arbeitslosen, das den Betrag von 2000 S monatlich erreicht oder übersteigt, zur Gänze auf das Arbeitslosengeld anzurechnen. Sofern das Einkommen des Arbeitslosen diesen Betrag nicht erreicht, sind Rentenleistungen aus der Sozialversicherung und Bezüge aus öffentlichen Mitteln zur Hälfte auf das Arbeitslosengeld anzurechnen; dem Arbeitslosen muß jedoch in diesem Fall die Hälfte des Arbeitslosengeldes verbleiben.

Die Aufhebung dieser Anrechnungsbestimmung wird immer wieder verlangt. Diesem Begehren konnte jedoch bisher nicht entsprochen werden, weil damit der große Personenkreis der Alterspensionisten in den Bezug des Arbeitslosengeldes gelangen und dies einen enormen Aufwand in der Arbeitslosenversicherung verursachen würde.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung sieht nun eine Lösung des Problems dahingehend vor, daß der Personenkreis der Alterspensionisten von den übrigen Personen, die allenfalls ein Einkommen in Form einer Rente, einer Alimentation u. dgl. beziehen, getrennt und bestimmt wird, daß die Bezieher von Alterspensionen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Durch diese Trennung des Personenkreises der Alterspensionisten von allen übrigen Personen, die derzeit einer Einkommensanrechnung unterliegen (Kriegsopfer, Opferbefürsorgte, Unfallrentner usw.) erscheint es möglich, von der seinerzeit aus finanziellen Gründen eingeführten Einkommensanrechnung Abstand nehmen zu können, zumal nach den Erhebungen der Landesarbeitsämter 80 bis 90% der Fälle, in denen eine Einkommensanrechnung nach § 22 vorgenommen wird, Fälle sind, in denen jemand eine Alterspension bezieht.

Im Hinblick auf den Zweck der Arbeitslosenversicherung erscheint es auch sachlich gerechtfertigt, wenn vom Bezug des Arbeitslosengeldes Personen ausgeschlossen werden, die aus Altersgründen aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden sind und als Ersatz für das verlorengegangene Arbeitseinkommen eine Pension bzw. einen Ruhegenuß erhalten. Da die Existenzsicherung bereits durch die Gewährung einer Leistung aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfolgt, erscheint es sachlich nicht gerechtfertigt, durch die zusätzliche Gewährung von Arbeitslosengeld eine doppelte Existenzsicherung herbeizuführen."

Mit der Novelle BGBl. Nr. 502/1993 wurde in § 22 Abs. 1 erster Satz AlVG die Wortfolge "bzw. (nunmehr: oder) die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfüllen" eingefügt. Dies wurde in den Erläuterungen (1194 BlgNR 18. GP, 13) damit begründet, dass so die "Überleitung der älteren Notstandshilfebezieher in die Alterspension bei Erreichen der Altersgrenze sichergestellt" werde.

5.2 Die VAEB ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, und der Ruhegenuss nach der EDO-Ang. wird auf Grund von Dienstverhältnissen zur VAEB gewährt. Zwar tritt dieser Ruhegenuss nicht an die Stelle der gesetzlichen Alterspension, sondern ergänzt sie in der Art einer Betriebspension; er dient aber, indem er - abhängig von der Zahl der Dienstjahre - ein an den Aktivbezügen orientiertes Einkommen sicherstellt, ebenfalls dem Ausgleich des Verlusts des Arbeitseinkommens und wird insoweit, als er nicht durch Beiträge der Bediensteten gedeckt ist, aus dem sonstigen Budget der VAEB - also letztlich aus öffentlichen Mitteln - finanziert. Das rechtfertigt es, den Ruhegenuss nach der EDO-Ang. als eine Leistung anzusehen, deren Bezug nach § 22 Abs. 1 AlVG den Anspruch auf Arbeitslosengeld ausschließt.

5.3 Im Revisionsfall ist allerdings unstrittig, dass die Mitbeteiligte im ersten Jahr ihres Ruhestandes nach der EDO-Ang. noch keinen Ruhegenuss bezogen hat. Sie hätte auch keinen Anspruch auf den Bezug eines Ruhegenusses geltend machen können, weil er gemäß § 127 Abs. 2 EDO-Ang. im Hinblick auf die ihr gebührende Abfertigung ruhte. Dem Arbeitslosengeldanspruch der Mitbeteiligten stand daher weder der Bezug eines Ruhegenusses noch die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für einen solchen Bezug entgegen, selbst wenn man die Wortfolge "... oder die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus einem der Versicherungsfälle des Alters erfüllen" auch auf Ruhegenüsse wie den hier in Rede stehenden beziehen wollte. Die Verwehrung des Arbeitslosengeldes in der vorliegenden Konstellation würde bedeuten, die Mitbeteiligte zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts auf die Abfertigung zu verweisen, was nicht im Sinne des Gesetzes ist, weil die Auszahlung einer Abfertigung (mangels Nennung in einem Ruhens- oder Ausschlusstatbestand) auch in anderen Fällen nicht dem Bezug von Arbeitslosengeld entgegensteht.

6. Die Revision der belangten Behörde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am