VwGH vom 12.07.2011, 2009/09/0123
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des AL, vertreten durch Mag. Christian Grasl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gluckgasse 2, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. LGSW/Abt.3/08117/ABA 1508201/2009, betreffend Feststellung gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG die Feststellung, dass er als Gesellschafter einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der L. OG ausübe. Er brachte vor, über einen Aufenthaltstitel "Niederlassungsbewilligung beschränkt" zu verfügen. Unternehmensgegenstand der L. OG sei das Schwarzdeckergewerbe. Dem Gesellschafteraufnahmevertrag vom zufolge seien nach außen alle drei Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft gleichzeitig berechtigt und verpflichtet. Es sei geplant, "die Verwaltungsaufgaben arbeitsteilig je nach Fähigkeit des Einzelnen zu erledigen, wobei ihm als neu eintretenden Gesellschafter insbesondere die Aufgabe zufallen werde, die Belege für die Buchhaltung so aufzubereiten, dass eine Buchung durch den Steuerberater erfolgen könne und sämtliche Belege in der Buchhaltung erfasst würden. Darüber hinaus würde er für die fristgerechte Überweisung der Abgaben an die jeweiligen Behörden sorgen. In der L. OG könnten Beschlüsse nur einstimmig gefasst werden. Daher würden "sämtliche Gesellschafter ihre Arbeitsleistung für die Gesellschaft somit nicht in einem bewilligungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis" erbringen. (In der im Verwaltungsakt erliegenden Niederschrift vom bezeichnete sich der Beschwerdeführer als Arbeitsgesellschafter).
Mit Bescheid vom wies die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien diesen Antrag ab. Jeder der drei Gesellschafter der L. OG vertrete die Gesellschaft gemeinsam mit zwei anderen Gesellschaftern. Daher fehle es an dem Erfordernis, dass der Beschwerdeführer einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausübe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hob der Beschwerdeführer hervor, er sei in der Lage, Beschlüsse der L. OG zu blockieren. Ihm komme daher eine tatsächliche aktive Entscheidungskompetenz zu. Ausschlaggebend für seinen Einfluss auf die Geschäftsführung der L. OG sei auch, dass er geschäftliche Kontakte zu albanischen oder albanisch-stämmigen österreichischen Staatsangehörigen pflege. Es sei davon auszugehen, dass zahlreiche Aufträge durch die Kontakte und Werbetätigkeiten des Beschwerdeführers lukriert werden könnten.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Der Beschwerdeführer werde durch Schwarzdeckerarbeiten zur Erreichung des Unternehmensziels beitragen. Es handle es sich um Tätigkeiten, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet würden. Der Beschwerdeführer habe keine Nachweise über eine besondere Ausbildung vorgelegt, die ihn zur Geschäftsführung qualifiziere. Er sei am als Gesellschafter in die L. OG aufgenommen worden. Diese sei bis dahin von A. (dem Vater des Beschwerdeführers) und B. als selbständig vertretungsbefugte Gesellschafter geführt worden. Gewerberechtlicher Geschäftsführer sei A. Dem Gesellschaftsvertrag vom zufolge solle der Kläger durch eine Einlage auf das Gesellschaftskonto und eine Abgeltung für die Übernahme der Gesellschaftsanteile als dritter Gesellschafter in die L. OG eintreten, die er nun gleichzeitig mit den beiden anderen Gesellschaftern vertrete. Von einer Beteiligung durch die Einbringung von Arbeitsleistungen sei in diesem Vertrag nicht die Rede. (Aus dem im Verwaltungsakt erliegenden Gesellschafteraufnahmevertrag vom geht hervor, dass der Beschwerdeführer mit Unterfertigung des Firmenbuchgesuches eine Einlage von EUR 1.000,-- auf das Gesellschaftskonto der L. OG zu leisten habe. Ferner zahle er für die Übernahme der Gesellschaftsanteile an jeden bisherigen Gesellschafter einen Kaufpreis von je EUR 500,--. Gemäß Punkt VII. des genannten Vertrages wird die L. OG "nur durch alle drei Gesellschafter gleichzeitig vertreten".) Der Beschwerdeführer wolle Verwaltungstätigkeiten (Aufbereiten von Belegen für die Buchhaltung) und Schwarzdeckerarbeiten für die L. OG verrichten. Es lägen keine Nachweise über eine berufliche Qualifikation als Bürokraft/Buchhalter oder Schwarzdecker bzw. als Geschäftsführer vor. Er habe sich seit 2005 (bis 2007 als Asylwerber) in Österreich aufgehalten. Es hätte wenigstens eine einschlägige Vorbeschäftigung in einem der genannten Bereiche behauptet und belegt werden müssen. Aus dem Gesellschaftsaufnahmevertrag vom gehe nicht hervor, worin der nach § 2 Abs. 4 AuslBG erforderliche maßgebliche Einfluss auf die Geschäftsführung der L. OG - trotz Erbringung von Arbeitsleistungen - bestehen soll.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift erwogen hat:
§ 2 Abs. 4 AuslBG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 101/2005 lautet:
"(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn
1. ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder
2. ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25%
Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag binnen drei Monaten fest, daß ein wesentlicher Einfluß auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen. Nach Ablauf dieser Frist darf die Tätigkeit auch ohne den erforderlichen Feststellungsbescheid aufgenommen werden. Wird der Antrag nach Ablauf der Frist abgewiesen, ist die bereits begonnene Tätigkeit umgehend, spätestens jedoch binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheides, zu beenden."
§ 2 Abs. 4 zweiter Satz AuslBG soll die Umgehung des AuslBG durch Vortäuschen von Gesellschaftsverhältnissen verhindern (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/09/0174, und vom , Zl. 2006/09/0023). Die Bestimmung zieht jene Grenze nach, die für die Unterscheidung von Gesellschaftsverhältnis und Arbeitsverhältnis auch sonst maßgebend ist. Es ist eine Prognoseentscheidung auf Grund der vorgelegten Vereinbarung und den gegebenen objektiven Begleitumständen zu treffen. Bei solchem genaueren Zusehen entpuppt sich der angebliche Gesellschaftsvertrag gegebenenfalls als ein verkappter Arbeitsvertrag oder es erscheint neben dem Gesellschaftsverhältnis eben auch ein Arbeitsverhältnis (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 15.099). Die am Gesamtbild (den tatsächlichen Gesamtumständen) und den wirtschaftlichen Verhältnissen orientierte Abgrenzung des Gesellschaftsvertrages zum Dienstvertrag stellt im Wesentlichen auf die zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter bestehende Abhängigkeit ab. Dabei wird etwa eine zwischen Arbeitsleistung und Entlohnung bestehende (vom Gesellschaftsanteil unabhängige) Äquivalenz in der Regel für ein Dienstverhältnis sprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/09/0174).
§ 2 Abs. 4 AuslBG enthält eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Beschäftigung iSd § 2 Abs. 2 AuslBG, die nur dann nicht Platz greift, wenn mittels Feststellungsbescheides ausgesprochen wird, dass der Gesellschafter, von dessen Angaben auszugehen ist, nach der wahren Absicht der Parteien einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausübt. Nach dem letzten Satz des § 2 Abs. 4 AuslBG obliegt abweichend von der sonst im Verwaltungsverfahren herrschenden Offizialmaxime hier dem Antragsteller die Beweislast, dass die Voraussetzungen für einen Feststellungsbescheid vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/09/0141).
Ein Feststellungsbescheid gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG zur Widerlegung der Vermutung des Vorliegens einer nach dem AuslBG bewilligungspflichtigen Beschäftigung stellt aber lediglich die Bestätigung darüber dar, dass der Ausländer im Hinblick auf Arbeitsleistungen für die Gesellschaft, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, nach der auf Basis der Angaben des Antragstellers anzustellenden Prognose einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich persönlich ausübt, woraus folgt, dass Tätigkeiten von Ausländern, die nicht in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der leistungsempfangenden Gesellschaft oder nicht für diese Gesellschaft erbracht werden, nicht automatisch bewilligungsfrei sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0135, mwN). Die Voraussetzung des wesentlichen Einflusses auf die Geschäftsführung ist konsequenterweise nur dann zu prüfen, wenn es sich bei den vom Gesellschafter für die Gesellschaft beabsichtigten Tätigkeiten um Arbeitsleistungen handelt, die "typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden" - weshalb etwa bloße (beabsichtigte) Geschäftsführungstätigkeiten nicht darunter fallen (vgl. wieder das hg. Erkenntnis Zl. 2006/09/0023).
Im Zusammenhalt mit dem Gebot, nicht auf die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes, sondern auf seinen wahren Gehalt zu sehen (§ 2 Abs. 4 erster Satz leg. cit.), bringt das Erfordernis einer "tatsächlichen" Ausübung eines Einflusses auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter nur die Voraussetzung zum Ausdruck, dass die beabsichtigte Tätigkeit nicht nur nach den formellen rechtlichen Gegebenheiten des (vielleicht nur vorgeschobenen) Gesellschaftsvertrages, sondern nach der wahren Absicht der Parteien wirklich als Ausfluss der Gesellschafterstellung in Verbindung mit der hiefür typischen Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung ausgeübt werden soll. Bei der Prüfung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes einer vorgelegten und der Arbeitsleistung eines Ausländers zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarung ist eine Prognoseentscheidung auf Grund derselben unter Einbeziehung der tatsächlich gegebenen objektiven Begleitumstände zu treffen. Ein wesentlicher Einfluss des Ausländers auf die Geschäftsführung einer Gesellschaft iSd § 2 Abs. 4 AuslBG kann etwa dann in Frage gestellt werden, wenn konkrete Umstände für eine dem Gesellschaftsvertrag zuwiderlaufende tatsächliche Praxis sprechen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2006/09/0023). Die rechtliche Möglichkeit eines wesentlichen Einflusses auf die Geschäftsführung etwa auf Grund eines Gesellschaftsvertrages allein ist nicht geeignet, den Nachweis eines wesentlichen Einflusses auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zu erbringen, weil nach § 2 Abs. 4 AuslBG gerade der bestimmende (gestaltende, positive) tatsächliche Einfluss auf die (laufende) Geschäftsführung das maßgebende Element zur Abgrenzung bildet (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2003/09/0141).
Voraussetzung dafür, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft die genannte Vermutung widerlegt, ist zunächst, dass die Personengesellschaft (§ 2 Abs. 4 Z. 1 AuslBG) Dienstleistungen an Dritte erbringt, die nicht selbst lediglich als Beschäftigung ihrer Gesellschafter bei diesem Dritten iSd § 2 Abs. 2 lit. a, b oder e AuslBG zu qualifizieren sind (vgl. zum sog. Gruppenarbeitsvertrag die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/08/0264, vom , Zl. 99/08/0157, und vom , Zl. 2007/08/0053). Auf Grund der ihn treffenden Beweislast hätte der Beschwerdeführer initiativ darlegen müssen, welche Umstände dafür sprechen, dass die Gesellschaft in diesem Sinne tätig ist und er tatsächlich persönlich einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausübt. Wie aus dem vorgelegten Verwaltungsakt hervorgeht, wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Schreiben vom aufgefordert, Nachweise über eine bestehende Betriebsanlage (Lager etc.) zu erbringen bzw. mitzuteilen, welche Werkzeuge und Materialien für die Erfüllung von Werkverträgen erforderlich sind. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, Angebote und Abrechnungen der letzten drei Monate vorzulegen, aus denen die Geschäftstätigkeit der L. OG ersichtlich ist, sowie allenfalls seit 2007 gefasste Gesellschafterbeschlüsse der L. OG in Kopie vorzulegen.
Den vom Beschwerdeführer daraufhin vorgelegten Nachweisen ist zu entnehmen, dass die L. OG in den Jahren 2006 und 2007 jeweils Werkzeug im Wert von ca. EUR 1.000,-- erworben hat. Aus einem vorgelegten "Kontoblatt des Kontos 4000" sowie aus den vorgelegten Rechnungen ergibt sich, dass die L. OG praktisch nur einen Auftraggeber hat, nämlich eine D. GmbH, einen Dachdecker- und Spenglerbetrieb. In ihrem Geschäftspapier bezeichnet sich die L. OG dementsprechend als "D. Qualitätspartner". Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass die L. OG die Dienstleistungen, die den vorgelegten Rechnungen zu Grunde liegen, durch andere Mitarbeiter als die Gesellschafter erbracht hätte. Der vorgelegten Liste beschäftigter Mitarbeiter ist auch nicht zu entnehmen, dass die L. OG in den Jahren 2007 und 2008 (andere) Schwarzdecker beschäftigt hätte. Den Gesamtumständen der vom Beschwerdeführer behaupteten Tätigkeit ist sohin zu entnehmen, dass bei der L. OG die Verwertung der eigenen Arbeitskraft der Gesellschafter im Vordergrund steht und darüber hinausgehende unternehmerische Entscheidungen, auf die der Beschwerdeführer einen wesentlichen Einfluss ausüben will und aus denen seine Selbständigkeit abgeleitet werden soll, nicht anfallen bzw. nicht erforderlich sind. Der Beschwerdeführer hat eine weitergehende Geschäftstätigkeit der L. OG weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet.
Im vorliegenden Fall kann der Beschwerdeführer überdies ohne die Zustimmung der beiden anderen Gesellschafter die L. OG weder nach außen vertreten noch sonstige Maßnahmen der Geschäftsführung eigenständig treffen. Er vermochte keinerlei nennenswerte unternehmerische Dispositionsfreiheit der L. OG und damit auch keine eigenen wesentlichen Gestaltungs- bzw. Einflussnahmemöglichkeiten auf die Geschäftsführung der L. OG aufzuzeigen. Von daher kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Schwarzdeckerarbeiten die Vermutung des Vorliegens einer nach dem AuslBG bewilligungspflichtigen Beschäftigung nicht als widerlegt angesehen und daher den Feststellungsantrag des Beschwerdeführers abgewiesen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/09/0175).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am