VwGH vom 07.04.2016, Ro 2014/08/0066
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätinnen Dr. Julcher und Mag. Rossmeisel sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Mag. M H in W, vertreten durch Mag. Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , 2013-0566-9- 002922, betreffend Zuerkennung von Weiterbildungsgeld gem. § 26 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (kurz: AMS) vom wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung von Weiterbildungsgeld abgewiesen. Begründend führte die regionale Geschäftsstelle des AMS aus, dass der Revisionswerber ab Beginn der Bildungskarenz bis zum Ende lediglich Lernzeiten für die Prüfungen nachgewiesen habe.
2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Berufung und machte insbesondere geltend, dass es sich bei der absolvierten Bildungsmaßnahme um die Rechtsanwaltsprüfung gehandelt habe. Diese bestehe aus einer schriftlichen und einer mündlichen Prüfung. Insgesamt umfasse die Rechtsanwaltsprüfung laut Rechtsanwaltsgesetz eine zeitliche Belastung von 26 Stunden. Zur Vorbereitung und Durchführung der Rechtsanwaltsprüfung sei ein Übungs- und Lernaufwand im Ausmaß von weit mehr als 20 Wochenstunden über einen Zeitraum von drei Monaten erforderlich.
3 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend führte sie aus, der Revisionswerber habe eine Bescheinigung der Dr. E Partner Rechtsanwälte OG zum Nachweis einer vereinbarten Bildungskarenz nach § 11 AVRAG für den Zeitraum vom 1. September bis vorgelegt. Er habe aber weder den Beginn der Vorbereitung auf die Anwaltsprüfung noch Nachweise über den Umfang der seminaristischen Ausbildung vorgelegt, so dass von Seiten des AMS deren zeitlicher Umfang auch nicht abgeklärt werden habe können.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der er eventualiter auch Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhob und diese ausführte. Mit Beschluss vom , B 94/2014-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 Das in das Verfahren eingetretene Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Es verwies auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Hat der Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG nach dem Ablauf des an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten, ist in sinngemäßer Anwendung des § 4 VwGbk-ÜG vorzugehen. Für die Behandlung der Revision sind in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
7 Der Revisionswerber macht geltend, dass es sich bei der Rechtsanwaltsprüfung entgegen der Ansicht der belangten Behörde um eine Weiterbildungsmaßnahme im Sinn des § 26 AlVG handle; diese Gesetzesbestimmung enthalte keinen Hinweis darauf, dass die Weiterbildungsmaßnahme ausschließlich durch die Belegung von Kursen oder Seminaren ("seminaristisch") nachgewiesen bzw. abgelegt werden müsse.
Zur Vorbereitung und Durchführung der Rechtsanwaltsprüfung sei ein Übungs- und Lernaufwand im Ausmaß von weit mehr als 20 Wochenstunden über einen Zeitraum von drei Monaten erforderlich, lebensnah und durch die Praxis gedeckt. Laut Rechtsanwaltsprüfungsgesetz umfasse die Rechtsanwaltsprüfung eine zeitliche Belastung von 26 Stunden. Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits in seinem Erkenntnis 2012/08/0044 Prüfungszeiten bei der Berechnung der Mindeststundenanzahl anerkannt. Insgesamt würden sich daher Prüfungs- bzw. Lernzeiten, sohin Ausbildungszeiten, im beantragten Zeitraum 1. September bis von weit mehr als 186 Stunden ergeben. Die belangte Behörde habe daher § 26 Abs. 1 Z 1 3. Satz AlVG zu Unrecht nicht angewendet.
8 § 26 AlVG idF BGBl. I Nr. 138/2013 lautet (auszugsweise):
"(1) Personen, die eine Bildungskarenz gemäß § 11 oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, gebührt für die vereinbarte Dauer ein Weiterbildungsgeld in der Höhe des Arbeitslosengeldes, mindestens jedoch in der Höhe des Kinderbetreuungsgeldes gemäß § 3 Abs. 1 KBGG, bei Erfüllung der nachstehenden Voraussetzungen:
1. Bei einer Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG muss die Teilnahme an einer im Wesentlichen der Dauer der Bildungskarenz entsprechenden Weiterbildungsmaßnahme nachgewiesen werden. Das Ausmaß der Weiterbildungsmaßnahme muss mindestens 20 Wochenstunden, bei Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum vollendeten siebenten Lebensjahr, für die keine längere Betreuungsmöglichkeit besteht, mindestens 16 Wochenstunden betragen. Umfasst die Weiterbildungsmaßnahme nur eine geringere Wochenstundenanzahl, so ist nachzuweisen, dass zur Erreichung des Ausbildungszieles zusätzliche Lern- und Übungszeiten in einem Ausmaß erforderlich sind, dass insgesamt eine vergleichbare zeitliche Belastung besteht. Eine praktische Ausbildung darf nicht beim karenzierenden Arbeitgeber stattfinden, es sei denn, dass die Ausbildung nur dort möglich ist.
2. Bei einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG muss die Einstellung einer nicht nur geringfügig beschäftigten Ersatzarbeitskraft, die zuvor Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen hat, nachgewiesen werden.
3. Innerhalb einer Rahmenfrist von vier Jahren kann, unabhängig davon ob eine Bildungskarenz oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts vorliegt, insgesamt längstens ein Jahr Weiterbildungsgeld bezogen werden. Wenn die Weiterbildungsmaßnahme in Teilen stattfindet, kann das Weiterbildungsgeld innerhalb einer Rahmenfrist von vier Jahren fortbezogen werden. Wurde innerhalb der Rahmenfrist bereits Bildungsteilzeitgeld (§ 26a) bezogen, so ist der Zeitraum, in dem Bildungsteilzeitgeld bezogen wurde, zur Hälfte auf die Bezugsdauer für Weiterbildungsgeld anzurechnen. Bruchteile von Tagen bleiben außer Betracht. Die Anwartschaft ist nur bei der ersten Inanspruchnahme von Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld innerhalb des Vierjahreszeitraumes zu erbringen. Wurde innerhalb der Rahmenfrist zuerst Bildungsteilzeitgeld bezogen, so ist das Weiterbildungsgeld zum Zeitpunkt der ersten Geltendmachung des Weiterbildungsgeldes innerhalb des Vierjahreszeitraumes zu bemessen.
4. Vor Inanspruchnahme der Bildungskarenz muss die karenzierte Person aus dem nunmehr karenzierten Arbeitsverhältnis ununterbrochen sechs Monate arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein; bei einem befristeten Arbeitsverhältnis in einem Saisonbetrieb muss sie ununterbrochen drei Monate arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Zeiten, die gemäß § 14 Abs. 4 und 5 auf die Anwartschaft anzurechnen sind, sind wie Zeiten arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung zu werten.
5. Erfolgt die Weiterbildung in Form eines Studiums an einer im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 (StudFG), BGBl. Nr. 305/1992, genannten Einrichtung, so ist nach jeweils sechs Monaten (nach jedem Semester) ein Nachweis über die Ablegung von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern im Gesamtumfang von vier Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von acht ECTS-Punkten oder ein anderer geeigneter Erfolgsnachweis (wie beispielsweise Ablegung der Diplomprüfung oder des Rigorosums oder Bestätigung des Fortschrittes und zu erwartenden positiven Abschlusses einer Diplomarbeit oder sonstigen Abschlussarbeit) zu erbringen. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 StudFG genannten Einrichtungen zu erbringen. Wer den Nachweis nicht erbringt, verliert den Anspruch auf Weiterbildungsgeld für die weitere mögliche Bezugsdauer innerhalb der Rahmenfrist gemäß Z 3. Das Arbeitsmarktservice hat nach Anhörung des Regionalbeirates den Anspruchsverlust nachzusehen, wenn berücksichtigungswürdige Gründe für die Nichterbringung der erforderlichen Nachweise vorliegen, insbesondere wenn diese auf unvorhersehbare und unabwendbare Ereignisse oder Umstände zurückzuführen sind."
9 Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung von Weiterbildungsgeld vor allem darauf gestützt, dass die Absolvierung der Rechtsanwaltsprüfung keine Weiterbildungsmaßnahme darstelle und auch keine Nachweise über den Umfang einer seminaristischen Ausbildung vorgelegt worden seien.
10 Nachdem der Revisionswerber die Absolvierung von Kursen oder Schulungen weder im engeren noch weiteren Sinn im verfahrensgegenständlichen Zeitraum behauptet, ist vorliegend die Frage zu klären, ob Lern- und Übungszeiten außerhalb einer Institution bzw. die Rechtsanwaltsprüfung selbst eine Weiterbildungsmaßnahme iSd § 26 Abs. 1 AlVG darstellen.
11 Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Weiterbildungsgeld ist neben der vertraglichen Vereinbarung einer Bildungskarenz (§ 11 AVRAG) u.a. die nachweisliche Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme im Ausmaß von mindestens 20 bzw. in bestimmten Fällen 16 Wochenstunden oder einer vergleichbaren zeitlichen Belastung während dieser Zeit (§ 26 Abs. 1 Z 1 AlVG).
12 Schon der Wortlaut dieser Bestimmung " Teilnahme an einer im Wesentlichen der Dauer der Bildungskarenz entsprechenden Weiterbildungsmaßnahme nachgewiesen ", erhellt, dass als Voraussetzung für die Zuerkennung des Weiterbildungsgeldes im Allgemeinen eine Bestätigung eines Bildungsträgers oder einer sonstigen dafür zuständigen Stelle über das notwendige Stundenausmaß an Ausbildungszeiten während der Bildungskarenz vorliegen muss. Ausschließliche Lernzeiten und Prüfungsvorbereitung im Rahmen eines Selbststudiums außerhalb von Ausbildungseinrichtungen können diese Voraussetzungen daher nicht erfüllen.
13 Auch der Verweis des Revisionswerbers auf die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Z 1 3. Satz AlVG, wonach bei Nichterreichung der Mindestwochenstundenanzahl zur Erreichung des Ausbildungszieles zusätzliche Lern- und Übungszeiten erforderlich sind, führt nicht zu dem von ihm gewünschten Ergebnis. Diese Regelung sieht - im Gegenteil - nichts anderes vor, als dass eine Ergänzung der erforderlichen Kursstunden durch Lern- und Übungszeiten erfolgen kann und diese in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen (vgl. Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz (11. Lfg.) § 26 Rz 562). Aber auch hier wird an das Vorliegen eines Seminarteils angeknüpft.
Wenn sich der Revisionswerber auf das hg. Erkenntnis vom , 2012/08/0044, beruft und vorbringt, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits Prüfungszeiten bei der Berechnung der Mindeststundenanzahl anerkannt habe, ist darauf hinzuweisen, dass im dortigen Fall der abgelegten Prüfung als Küchenmeister eine berufsspezifische Ausbildung durch Absolvierung von Lehrgängen bzw. Kursen während der Bildungskarenz voranging; ein Umstand, den der Revisionswerber mit dem von ihm zitierten Fall gerade nicht teilt.
14 Als Verfahrensmangel macht der Revisionswerber noch geltend, dass das AMS dem Antrag auf Gewährung von Weiterbildungsgeld von Mag. LM, welche ebenfalls die Rechtsanwaltsprüfung absolviert habe, stattgegeben habe und daher der Bescheid erster Instanz den Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG verletzt habe und daher verfassungswidrig sei. Mit diesem Vorbringen in der Berufung habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt.
Dazu ist auszuführen, dass der Revisionswerber Anspruch darauf hat, dass der vorgebrachte Sachverhalt nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt wird. Der Verweis auf andere Rechtssachen in diesem Zusammenhang ist unerheblich.
15 Letztlich erfüllt der Revisionswerber die in § 26 Abs. 1 AlVG postulierten Voraussetzungen nicht, so dass die Nichtzuerkennung von Weiterbildungsgeld durch die belangte Behörde frei von Rechtsirrtum war.
16 Die Revision erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
17 Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK steht daher der Abstandnahme von einer mündlichenVerhandlung nicht entgegen. Im Hinblick darauf konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013. Wien, am