VwGH vom 25.06.2009, 2007/07/0014
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Ing. F T in N, vertreten durch Dr. Martin Eisenberger, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Bahnhofgürtel 59/7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2005/26/2920-12, betreffend Übertretung des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes (weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft K (BH) erließ gegen den Beschwerdeführer das Straferkenntnis vom mit folgendem Spruch:
"Herr (Beschwerdeführer) hat als zur Vertretung nach außen berufene Person der A GmbH & Co KG mit Sitz in …, und zwar als handelsrechtlicher Geschäftsführer der AB GmbH, zu verantworten, dass erstere laut den vorgelegten Abfallnachweisen von März 2005 bis August 2005 die bei der P Filiale in K sowie die in den B-Filialen in W, B, K, Kö und F angefallenen hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle nicht in die für diesen Einzugsbereich festgelegte öffentliche Deponie 'W-R' verbracht hat, obwohl Hausmüll nur zu der öffentlichen Behandlungsanlage oder öffentlichen Deponie des hiezu festgelegten Einzugsbereiches verbracht werden darf.
Gemäß § 7 lit. f in Verbindung mit § 8 lit e Tiroler Abfallwirtschaftskonzept, LGBl. Nr. 2004/51, ist für den Einzugsbereich sämtlicher Gemeinden der Bezirke Kitzbühel und Kufstein mit Ausnahme der Gemeinden Aurach bei Kitzbühel, Jochberg und Kitzbühel, die Mülldeponie 'Wörgl-Riederberg' als Deponiestandort festgelegt.
Er hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 27 Abs. 1 lit. a Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz, LGBl. Nr. 1990/50 in der geltenden Fassung LGBl. Nr. 2003/44 in Verbindung mit den §§ 7 lit. f und 8 lit. e der Verordnung vom mit der ein Abfallwirtschaftskonzept erlassen wird, LGBl. Nr. 2004/51, sowie § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991.
(...)"
Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von EUR 600,-
- bzw eine Ersatzfreiheitsstrafe von 156 Stunden verhängt.
Begründend führte die BH aus, die Deponie Riederberg GmbH und Co KG habe mit Schreiben vom zur Anzeige gebracht, dass die P-B AG und die B AG der Nichteinhaltung der Einzugsgebietsregelung gemäß Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz verdächtig seien. Laut dieser Anzeige seien bis Februar 2005 nicht verwertbare hausmüllähnliche Gewerbeabfälle mit der Abfallschlüsselnummer 91101 (gemäß Abfallkatalog ÖNorm S 2100) mit einer Übernahmemenge im Jahr 2004 von 19,39 Tonnen übernommen worden. Seit sei kein Müll mehr abgeführt worden. Auf Anfrage der BH sei in einem Schreiben vom durch die A GmbH & Co KG (in weiterer Folge: A) mitgeteilt worden, dass im Jahr 2005 in diesen Märkten keine hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle angefallen seien. Es seien lediglich Gewerbeabfälle angefallen, die der thermischen Verwertung zugeführt worden seien und diese unterlägen nicht der Einzugsgebietsregelung. Eine Aufstellung des im März 2005 bis August 2005 bei den betroffenen Filialen angefallenen Mülls sei der Behörde nachträglich zugeschickt worden.
Im Zuge des Ermittlungsverfahrens habe der Betriebsleiter der Deponie Wörgl-Riederberg (in weiterer Folge: Deponie R.) bei seiner Zeugeneinvernahme am vor der Behörde angegeben, dass es sich bei den Abfällen der genannten Märkte, die bis Ende 2004 angeliefert worden seien, hauptsächlich um überlagerte Lebensmittel gehandelt habe. Das belegten auch die im Akt befindlichen Fotos. Zum angelasteten Sachverhalt habe sich der Beschwerdeführer dahingehend gerechtfertigt, dass in den genannten Supermärkten kein Siedlungsabfall anfalle. Weder nach Art und Menge noch nach der Herkunft des Abfalles sei dieser "hausmüllähnlich".
Im Rahmen ihrer rechtlichen Würdigung vertrat die BH die Ansicht, dass auch die in Betrieben anfallenden Abfälle gleicher Art unter den Begriff Hausmüll zu subsumieren seien, und dass damit das Tatbild der zitierten Verwaltungsstrafbestimmung erfüllt sei. Bei den betroffenen Filialen sei der im Zeitraum März bis August 2005 angefallene Müll als Hausmüll im Sinne des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes einzustufen und unterliege somit der Einzugsgebietsregelung. Als Abfallsammler (Übernehmer) hätte die A dafür sorgen müssen, dass die genannten Abfälle zur öffentlichen Deponie des festgelegten Einzugsbereiches verbracht werden (Deponie R., Einzugsbereich 5 laut Tiroler Abfallwirtschaftskonzept). Die Verbringung der Abfälle zur thermischen Verwertung widerspreche den Regelungen des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Unter anderem brachte er vor, dass es sich bei den in Frage kommenden Abfällen nicht um überlagerte Lebensmittel handle. Diese Abfälle seien eindeutig dem Begriff des Gewerbeabfalls gemäß Abfallverzeichnisverordnung zuzuordnen. Dies lasse sich auch aus der Aufstellung, die der belangten Behörde im Zuge des Ermittlungsverfahrens übermittelt worden sei, ersehen. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass der in Frage kommende Abfall weder Hausmüll noch hausmüllähnlich sei. Es handle sich dabei auch um keine "überlagerten Lebensmittel" und auch um keinen Siedlungsabfall im Sinne der europäischen Normen und des AWG 2002, sondern zweifellos um betriebliche Abfälle iSd § 2 Abs. 3 iVm § 12 Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz (TAWG). Dem Siedlungsabfall sei immanent, dass er aus Haushalten (Siedlungen) stamme. Ein Abfall, der aus Gewerbebetrieben stamme, könne daher nicht unter den Begriff Siedlungsabfall subsumiert werden.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Unter einem nahm sie Modifizierungen im Spruch in Bezug auf die Bezeichnung der verletzten Verwaltungsvorschrift und insofern bei der als erwiesen angenommenen Tat vor, als die im Spruch des Straferkenntnisses genannten angefallenen hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle durch den Zusatz "(verpackte überlagerte Lebensmittel)" näher konkretisiert wurden.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die B-AG und die A eine vertragliche Vereinbarung über die Abholung zur Entsorgung (Beseitigung oder Verwertung) von Gewerbeabfall und biogenen Abfällen der B-Filialen abgeschlossen hätten. Aufgrund dieser Vereinbarung habe eine von der A betraute Subunternehmerin im Zeitraum März 2005 bis August 2005 den bei den im Spruch genannten P und B-Filialen angefallenen hausmüllähnlichen Gewerbeabfall von den betreffenden Betrieben abgeholt und zu ihrer Umladestation verbracht. Von dort seien die betreffenden Abfälle zur Splitting-Anlage in R bzw. A und in weiterer Folge zur Abfallverbrennungsanlage der R-GmbH verbracht worden. Bei den Abfällen habe es sich im Wesentlichen um verpackte überlagerte Lebensmittel gehandelt.
Die Feststellungen zur Art der abgeholten Abfälle ergäben sich einerseits aufgrund der im erstinstanzlichen Akt einliegenden Lichtbilder sowie andererseits aufgrund der Angaben näher genannter Zeugen. Die namentlich genannten Filialleiter hätten bei ihrer Einvernahme im Wesentlichen übereinstimmend angegeben, dass bei den von ihnen geleiteten Märkten vor allem überlagerte, verpackte Lebensmittel als in die Restmüllcontainer eingebrachte Abfälle anfielen. An der Richtigkeit dieser Aussagen hätten sich keine Zweifel ergeben. Die Zeugen hätten einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Außerdem sei nicht erkennbar, welche Umstände die Zeugen dazu veranlasst haben sollten, trotz der ihnen im Falle einer falschen Zeugenaussage drohenden Konsequenzen unrichtige Angaben zu machen. Nachdem die Aussagen der Filialleiter zur Art der angefallenen Abfälle im Wesentlichen inhaltsgleich seien, stehe für die Berufungsbehörde fest, dass die Zusammensetzung des 'Restmülls' bei allen im Spruch angeführten Einkaufsmärkten dieselbe sei. Dies habe im Übrigen auch die Aussage des Zeugen F. S. bestätigt, welcher laut seinen glaubwürdigen Angaben Lichtbilder bei den betreffenden Filialen angefertigt habe. Diese im erstinstanzlichen Akt befindlichen Lichtbilder zeigten ebenfalls, dass in die Restmüllcontainer überlagerte verpackte Lebensmittel eingebracht worden seien. Schließlich zeigten auch die durch die A mit Eingabe vom vorgelegten Lichtbilder, dass es sich bei den in die Restmüllcontainer eingebrachten Abfällen um verpackte Lebensmittel (Speiseöl in Flaschen, Hartwürste in Plastikverpackung) gehandelt habe. Die Aussage des Zeugen M. H. habe demgegenüber zu keiner anderen Beurteilung führen können. Dieser habe die in Müllsäcken zur Umladestation transportierten Abfälle offenkundig nicht genauer untersucht. Seine Angaben hätten daher letztlich keinen wesentlichen Beitrag zur Feststellung des Sachverhalts liefern können. Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der A und zur Funktion des Beschwerdeführers als handelsrechtlicher Geschäftsführer der 'Komplementär-GmbH' der A ergäben sich aus den im erstinstanzlichen Akt einliegenden Firmenbuchauszügen.
Im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, die in Rede stehenden überlagerten Lebensmittel stammten zwar aus Gewerbebetrieben, entsprächen aber hinsichtlich ihrer Beschaffenheit den in Haushalten anfallenden Abfällen, da auch in Haushalten überlagerte Lebensmittel in Verpackungen als Abfall anfielen. Die Abfallmenge selbst habe keine Relevanz, da nämlich weder § 2 Abs. 1 TAWG noch § 2 Abs. 4 Z. 2 AWG 2002 eine Mengenbeschränkung enthielte. Somit sei für die Qualifikation als Siedlungsabfall und damit als Hausmüll einzig und allein die Beschaffenheit bzw. Zusammensetzung der Abfälle, nicht aber die Abfallmenge ausschlaggebend. Dies entspreche auch den europarechtlichen Vorschriften. Laut Abfallverzeichnis gemäß Art. 1 Buchstabe a) der Richtlinie 75/442 EWG über Abfälle und Artikel 1 Abs. 4 der Richtlinie 91/689/EWG über gefährliche Abfälle, ABl Nr. L 47 vom , Seite 1 ff, seien unter Siedlungsabfällen neben Haushaltsabfällen auch diesen ähnliche gewerbliche und industrielle Abfälle zu verstehen. Dies ergebe sich aus dem Klammerausdruck zum im Verzeichnis angeführten Herkunftsbereich "Siedlungsabfälle". In Einkaufsmärkten anfallende überlagerte Lebensmittel seien nach Ansicht der belangten Behörde auch keinem im betreffenden Abfallverzeichnis der Kommission angeführten spezielleren Herkunftsbereich zuzuordnen.
Da es sich sohin gegenständlich um Hausmüll und nicht - wie vom Beschwerdeführer vermeint - um betriebliche Abfälle gehandelt habe, unterlägen diese nach § 10 Abs. 1 TAWG der Abfuhrpflicht und wären vom Abfallsammler bei sonstiger Strafandrohung in die öffentliche Deponie des nach § 5 Abs. 3 TAWG festgelegten Einzugsbereiches zu verbringen gewesen. Den Bestimmungen der §§ 7 lit. f und § 8 lit. e TAWK folgend hätten daher diese Abfälle ihrem Einzugsbereich entsprechend zur Deponie R. verbracht werden müssen.
Die verfahrensgegenständlichen überlagerten verpackten Lebensmittel seien aber im Anlastungszeitraum unstrittig nicht zu dieser öffentlichen Deponie, sondern strafrechtswidrig zur Behandlungsanlage in R bzw. A bzw. sodann zur Verbrennungsanlage in L verbracht worden.
Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass Umstände vorgelegen seien, die ein fehlendes Verschulden aufzeigen hätten können. Bei der Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht bedürfe es einer Objektivierung der Rechtsansicht durch geeignete Erkundigungen. Wer dies verabsäume, trage das Risiko des Rechtsirrtums.
Im Hinblick auf die Bedenken des Beschwerdeführers betreffend den Andienungszwang im TAWK verwies die belangte Behörde auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , B 3550/05-10. Darin habe das Höchstgericht im Hinblick auf umweltpolitische Zielsetzungen gegen das durch Verordnung geschaffene, überflüssige Abfallentsorgungswege vermeidende Entsorgungssystem keine rechtlichen Bedenken geäußert. Auch mit dem Hinweis auf die in § 4 TAWG genannten Grundsätze der Abfallwirtschaft sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen bzw. könne keine Rechtswidrigkeit des TAWK aufgezeigt werden. Der Verordnungsgeber habe im Einklang mit umweltpolitischen Zielsetzungen (so insbesondere das vom Verfassungsgerichtshof im zitierten Beschluss erwähnte Prinzip der Nähe bzw. dem in Artikel 5 der Richtlinie 75/442/EWG enthaltenen Grundsatz der Entsorgungsautarkie) entschieden, dass die in Tirol anfallenden Abfälle grundsätzlich im eigenen Bundesland behandelt werden sollten. Nachdem nun in Tirol keine Verbrennungsanlage zur Verfügung stehe, stelle es nach Ansicht der belangten Behörde keinen Widerspruch zu den in § 4 TAWG enthaltenen Grundsätzen der Abfallwirtschaft dar, wenn mangels entsprechender Verwertungsmöglichkeiten im Land eine Deponierung des Hausmülls in den in Tirol vorhandenen öffentlichen Deponien vorgesehen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer regt weiters eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG an.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Beschwerdeführer replizierte mit Schriftsatz vom auf die Gegenschrift der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer erachtet sich eingangs seiner Beschwerde in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, da die belangte Behörde unzuständig gewesen sei, festzustellen, welcher Abfallart der konkrete Abfall (verpackte überlagerte Lebensmittel) zuzuordnen sei. Er meint, nach den Bestimmungen des AWG (§ 15 AWG 2002), der ÖNorm S 2100, der Entscheidung der Kommission vom (Abfallverzeichnis) und den Zuordnungskriterien der Abfallverzeichnisverordnung (AVV, BGBl. II Nr. 2003/570) sei der Abfall vom Abfallersterzeuger/-besitzer jener Abfallart zuzuordnen, die den Abfall in seiner Gesamtheit am besten beschreibe. Gemäß AVV, Anlage 1 Punkt I.2 "Zuordnung" müsse die konkretest mögliche Abfallbezeichnung verwendet werden, die einer Abfallart entspreche. Bestünden begründete Zweifel, welcher Abfallart die Sache gegebenenfalls zuzuordnen sei, habe die Bezirksverwaltungsbehörde in einem Verfahren gemäß § 6 AWG 2002 entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen, welcher Abfallart eine Sache zuzuordnen sei. Die BH habe in ihrem Straferkenntnis jedoch, ohne "dies zu überprüfen und ohne dies in einem Verfahren gemäß § 6 AWG 2002 festzustellen", den in Frage kommenden Abfall einer falschen Abfallart (hausmüllähnliche Gewerbeabfälle) zugeordnet. In weiterer Folge habe die belangte Behörde den Spruch abgeändert und die Abfälle als "verpackte, überlagerte Lebensmittel" dem "hausmüllähnlichen Gewerbeabfall", also dem Hausmüll gemäß TAWG und damit dem Siedlungsabfall gemäß § 2 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 zugeordnet. Es sei der belangten Behörde in diesem Verfahren jedoch nicht oblegen, festzustellen, ob die vom Abfallersterzeuger getroffene Zuordnung der Abfälle zu den betrieblichen Abfällen gemäß § 2 Abs. 3 (Gewerbeabfall), die nicht "hausmüllähnlich" seien und damit nicht dem Siedlungsabfall unterlägen, richtig sei oder nicht. Die belangte Behörde hätte die Angelegenheit an die Behörde erster Instanz mit der Aufforderung zurückverweisen müssen, ein Feststellungsverfahren gemäß § 6 AWG 2002 einzuleiten.
2. Ein Feststellungsverfahren nach § 6 AWG 2002 kam im Beschwerdefall von vornherein nicht in Betracht, weil es sich um ein Verfahren nach dem TAWG handelt und es nicht darum geht, wie der in Rede stehende Abfall nach dem AWG 2002 einzustufen ist, sondern darum, ob der Abfall "Hausmüll" im Sinne des TAWG ist.
Eine dem § 6 AWG 2002 vergleichbare Bestimmung enthält aber auch das TAWG in seinem § 3. Dieser lautet:
"§ 3 Feststellungsverfahren
Bei Streitigkeiten darüber, welcher der im § 2 Abs. 1, 2 oder 3 genannten Abfallarten ein Abfall zuzuordnen ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies auf Antrag des Inhabers der Sache oder der Gemeinde oder von Amts wegen mit schriftlichem Bescheid festzustellen."
Es kann dahingestellt bleiben, ob das im § 3 TAWG vorgesehene Feststellungsverfahren bewirkt, dass die Abfallzuordnung in allen anderen Verwaltungsverfahren, also auch in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem TAWG, für die Behörde zur Vorfrage wird oder ob § 3 TAWG lediglich einen Behelf außerhalb von sonstigen Verwaltungsverfahren zur Verfügung stellt, um die Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart zu ermöglichen, aber nichts daran ändert, dass Behörden in anderen Verfahren, wenn sie vor die Notwendigkeit gestellt sind, die Zuordnungsfrage zu beantworten, dies als Hauptfrage zu tun haben.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Zuordnungsfrage für die Verwaltungsstrafbehörde auf Grund des § 3 TAWG zu einer Vorfrage geworden ist, ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Der gemäß § 24 VStG im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende § 38 AVG berechtigt die Behörde, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
§ 3 TAWG enthält keine Bestimmung des Inhalts, dass die Verwaltungsstrafbehörde keine eigenständige Beurteilung der Abfallzuordnung vornehmen dürfte. Die vom Beschwerdeführer behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde liegt daher nicht vor.
3. Der Beschwerdeführer meint weiters, es seien die Ziele und Grundsätze des innerstaatlichen und des EU-Abfallrechtes verletzt worden. Der Beschwerdeführer führt dazu aus, § 1 Abs. 1 und 2 AWG 2002 normierten die Ziele und Grundsätze der Abfallwirtschaft. Oberstes Prinzip des AWG 2002 sei es, die Abfallwirtschaft im Sinne des Vorsorgeprinzipes und der Nachhaltigkeit auszurichten. Unter anderem sollten Ressourcen (Rohstoffe, Wasser, Energie, Landschaft, Flächen, Deponievolumen) geschont werden. Diese Ziele sollten durch Einhaltung eines der primären Grundsätze des Abfallrechtes, der Abfallhierarchie ("Vermeidung vor Verwertung vor Beseitigung") erreicht werden. Dieser Grundsatz finde sich sowohl im EU-Recht (Art. 3 Abs. 3 Buchstabe a) Abfallrahmenrichtlinie) als auch im nationalen Abfallrecht (§ 1 Abs. 2 AWG 2002 und § 4 TAWG). An erster Stelle stünde dabei die Verhinderung - wenn dies nicht möglich sei, zumindest die Verringerung - des Entstehens von Abfall. Sei eine Verhinderung oder Verringerung von Abfall nicht möglich, sei der Abfall zumindest einer Verwertung oder Wiederverwendung zuzuführen. Erst wenn auch diese Maßnahme nicht möglich sei, sollten nicht verwertbare Abfälle nach ihrer größtmöglichen Reduktion beseitigt werden.
Diese vom AWG übernommene Hierarchie werde durch die allgemeinen Behandlungspflichten für Abfallbesitzer gemäß § 15 Abs. 1 AWG 2002, der auf die Ziele und Grundsätze des § 1 Abs. 1 und 2 AWG 2002 verweise, bekräftigt.
Der Verweis der belangten Behörde auf den am unter Zl. B 3550/05-10 ergangenen Beschluss des Verfassungsgerichtshofes gehe ins Leere. Das vom EuGH in einer Vielzahl von Entscheidungen (etwa C-324/99, C-209/98 sowie C- 203/96) herausgebildete "Prinzip der Nähe" und der in Art. 5 der Richtlinie 75/442/EWG enthaltene Grundsatz der Entsorgungsautarkie gelte nur für zur "Beseitigung" vorgesehene Abfälle. Für Abfälle, die verwertet würden, würden diese beiden Prinzipien nicht gelten.
Eine Einschränkung des freien Warenverkehres innerhalb eines Mitgliedstaates mit dem Hinweis auf das von der EU herausgebildete Nähe- und Autarkieprinzip für zur Verwertung bestimmte Abfälle würde nicht nur EU-rechtlichen Grundsätzen widersprechen, sondern auch dem im Art. 4 B-VG normierten Verbot der territorialen Behinderung des Wirtschaftsverkehrs. Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Beschluss B 359/04 nur deshalb keine Verletzung des in Art. 4 B-VG normierten Gebotes der Einheit des Wirtschaftsgebietes und auch keine Verletzung des in Art. 6 StGG verankerten Grundrechtes der Erwerbsausübungsfreiheit ausgesprochen, weil das Prinzip der Autarkie und der Nähe und damit eine Einschränkung des Mülltourismus für zur Beseitigung vorgesehene Abfälle über das Gebot der Einheit des Wirtschaftsgebietes und des Grundrechtes der Erwerbsausübungsfreiheit zu stellen sei. Im vorliegenden Fall seien die Abfälle jedoch nicht zur Beseitigung, sondern in ein anderes Bundesland zur Verwertung verbracht worden.
Der Grundsatz, Abfälle primär einer Verwertung und erst, wenn dies nicht möglich sei, einer Beseitigung zuzuführen, stehe jedoch als fundamentaler Grundsatz der europäischen und der österreichischen Abfallwirtschaft jedenfalls über dem Prinzip der Nähe und der Entsorgungsautarkie. Das Einhalten des Grundsatzes der vorrangigen Verwertung könne niemals zu einer Verwaltungsübertretung führen.
In seiner Replik zur Gegenschrift führt der Beschwerdeführer die Abfallverbringungsverordnung (VO 93/259/EWG des Rates vom ) ins Treffen. Diese unterscheide zwischen Abfällen zur Verwertung und solchen zur Beseitigung. Sowohl der EuGH (Rs C- 324/99, Rs C-209/98, Rs C-203/96) als auch der VfGH (B 359/04) machten in ihren Entscheidungen ebenfalls einen grundlegenden Unterschied zwischen Abfällen, die zur Verwertung gingen und solchen, die beseitigt werden sollten. Eine "Andienungspflicht" für zur Verwertung bestimmte Abfälle, die auf die Prinzipien der Nähe und der Entsorgungsautarkie gestützt worden sei, entspreche nicht dem EU-Recht und verstoße damit auch gegen die österreichische Rechtsordnung. Wenn der Gesetzgeber eines Mitgliedstaates der EU gemäß Art. 13 Abs. 4 Verbringungsverordnung die Regelungen für die Verbringung zwischen den Mitgliedsstaaten auch in seinem Zuständigkeitsbereich anwende - wie dies der Gesetzgeber in Tirol offensichtlich tue - habe sich der Landesgesetzgeber jedenfalls auch an diese Grundsätze zu halten. Die Verbringung von Abfällen zur Verwertung in ein anderes Bundesland könne daher, egal ob es sich um Siedlungsabfall oder um eine andere Art von Abfall handle, niemals als Verstoß gegen eine auf den Prinzipien der Nähe und Entsorgungsautarkie basierenden "Andienungspflicht" gewertet werden, weil diese beiden Prinzipien und damit die Andienungspflicht insgesamt für alle zur Verwertung bestimmten Abfälle schlicht nicht gelte.
4. Die Beschwerdeausführungen und die Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde scheinen darauf hinauszulaufen, dass der Beschwerdeführer meint, aus den von ihm angeführten gemeinschafts- , bundes- und landesrechtlichen Bestimmungen ergebe sich, dass das ihm angelastete Verhalten nicht strafbar sei.
Diese Auffassung ist unzutreffend.
§ 10 Abs. 1 TAWG unterwirft alle Abfälle, also auch Hausmüll im Sinne des § 2 Abs. 1 TAWG, der Abfuhrpflicht. Die Ausnahmen des § 10 Abs. 2 TAWG spielen im Beschwerdefall keine Rolle.
§ 5 Abs. 3 lit. c TAWG verpflichtet die Landesregierung, im Abfallwirtschaftskonzept die zur gesonderten Beseitigung der im Land anfallenden Abfälle erforderlichen Behandlungsanlagen und öffentlichen Deponien und die Standorte und die Entsorgungsbereiche dieser Anlagen festzulegen.
Durch § 7 lit. e und § 8 lit. e TAWK wurde das Gebiet, aus dem die in Rede stehenden Abfälle stammen, dem Einzugsbereich einer bestimmten Deponie zugeordnet.
§ 14 Abs. 2 lit. c TAWG verpflichtet die öffentliche Müllabfuhr zur Abfuhr des der Abholung nach § 10 Abs. 1 TAWG unterliegenden Hausmülls zu jener Behandlungsanlage oder Deponie, in deren Einzugsbereich die Gemeinde liegt.
§ 27 Abs. 1 lit. a TAWG schließlich bedroht den Abfallsammler (Übernehmer), der die der Abfuhrpflicht nach § 10 TAWG unterliegenden Abfälle nicht zu der öffentlichen Behandlungsanlage oder öffentlichen Deponie des nach § 5 Abs. 3 TAWG festgelegten Einzugsbereiches verbringt, mit einer Verwaltungsstrafe.
Aus einer Zusammenschau dieser Bestimmungen ergibt sich, dass Hausmüll zwingend auf die Deponie zu verbringen ist, in deren Einzugsbereich er angefallen ist.
Unbestritten ist, dass der in Rede stehende Abfall aus dem Einzugsgebiet der Deponie R. stammt und dass er nicht zu dieser Deponie angeliefert wurde. An der Strafbarkeit dieser Nichtanlieferung können die vom Beschwerdeführer genannten gemeinschafts-, bundes- und landesrechtlichen Regelungen bzw. die daraus abgeleiteten Grundsätze nichts ändern.
Die §§ 1 und 15 AWG 2002 kommen im Beschwerdefall, in dem es um die Vollziehung des TAWG geht, von Vornherein nicht zur Anwendung. Aus Art. 3 der im Tatzeitraum geltenden Richtlinie 75/442/EWG (Abfall-RL) ist für den Beschwerdeführer schon deswegen nichts zu gewinnen, weil diese Richtlinienbestimmung nicht unmittelbar anwendbar ist und sie daher nicht zur Verdrängung der im Beschwerdefall anzuwendenden Vorschriften des TAWG führen kann.
Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom , Rs C- 236/92, Sammlung der Rechtsprechung 1994, S I-00483 (Comitato di Coordinamento per la Difesa della Cava und andere gegen Regione Lombardia und andere) mit der Frage auseinander gesetzt, ob sich ein einzelner vor dem nationalen Gericht auf Art. 4 der Richtlinie 75/442/EWG berufen könne. Diese Bestimmung lautete:
"Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Abfälle beseitigt werden, ohne die menschliche Gesundheit zu gefährden oder die Umwelt zu schädigen und insbesondere ohne
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- | Wasser, Luft, Boden sowie Tier- und Pflanzenwelt zu gefährden; | |||||||||
- | Geräusch- oder Geruchsbelästigungen zu verursachen; | |||||||||
- | die Umgebung und das Landschaftsbild zu beeinträchtigen." | |||||||||
Der EuGH kam in seinem Urteil zu folgendem Ergebnis: | ||||||||||
"Artikel 4 der Richtlinie 75/442 über Abfälle, wonach die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, um sicherzustellen, dass die Abfälle beseitigt werden, ohne die menschliche Gesundheit zu gefährden oder die Umwelt zu schädigen, begründet für die einzelnen keine Rechte, die die nationalen Gerichte zu schützen haben. Diese Bestimmung, in der die Ziele genannt sind, die die Mitgliedstaaten bei der Erfüllung der konkreteren, sich aus anderen Bestimmungen der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen zu beachten haben, hat nämlich nur programmatischen Charakter. Sie steckt den Rahmen ab, in dem die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Behandlung der Abfälle stattfinden soll, und schreibt für sich allein nicht den Erlass konkreter Maßnahmen oder diese oder jene Methode der Abfallbeseitigung vor. Sie ist weder unbedingt noch hinreichend genau und damit nicht geeignet, Rechte zu verleihen, die die einzelnen gegenüber dem Staat geltend machen können." | ||||||||||
Art. 3 Abs. 1 der Abfall-RL lautete: |
(1) Die Mitgliedstaaten treffen Maßnahmen, um folgendes zu fördern:
a ) in erster Linie die Verhütung oder Verringerung der Erzeugung von Abfällen und ihrer Gefährlichkeit, insbesondere durch
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- | die Entwicklung sauberer Technologien, die eine sparsamere Nutzung der natürlichen Ressourcen ermöglichen; | |||||||||
- | die technische Entwicklung und das Inverkehrbringen von Produkten, die so ausgelegt sind, daß sie aufgrund ihrer Herstellungseigenschaften, ihrer Verwendung oder Beseitigung nicht oder in möglichst geringem Ausmaß zu einer Vermehrung oder einem erhöhten Risikopotential der Abfälle und Umweltbelastungen beitragen; | |||||||||
- | die Entwicklung geeigneter Techniken zur Beseitigung gefährlicher Stoffe in Abfällen, die für die Verwertung bestimmt sind; | |||||||||
b ) in zweiter Linie | ||||||||||
i ) die Verwertung der Abfälle im Wege der Rückführung, der Wiederverwendung, des Wiedereinsatzes oder anderer Verwertungsvorgänge im Hinblick auf die Gewinnung von sekundären Rohstoffen oder | ||||||||||
ii ) die Nutzung von Abfällen zur Gewinnung von Energie." | ||||||||||
Art. 3 Abs. 1 der Abfall-RL weist somit die selbe Struktur auf wie Art. 4 dieser Richtlinie. Auch in Art. 3 Abs. 1 der Abfall-RL werden die Mitgliedstaaten angehalten, bestimmte Maßnahmen zu treffen. Für Art. 3 Abfall-RL gilt daher dasselbe, was der EuGH in seinem Urteil vom , Rs C-236/92, zu Art. 4 der Richtlinie 75/442/EWG ausgesprochen hat, dass diese Bestimmung nämlich weder unbedingt noch hinreichend genau und damit nicht geeignet ist, Rechte zu verleihen, die die einzelnen gegenüber dem Staat geltend machen können. | ||||||||||
§ 4 Abs. 1 TAWG in der Fassung LGBl. Nr. 44/2003 lautete: | ||||||||||
"§ 4 Grundsätze für die Abfallwirtschaft |
(1) Für die Abfallwirtschaft gelten folgende Grundsätze:
a) die Abfallmengen und deren Schadstoffgehalte sind so gering wie möglich zu halten (Abfallvermeidung);
b) Abfälle sind zu verwerten, soweit dies ökologisch zweckmäßig und technisch möglich ist und die dabei entstehenden Mehrkosten im Vergleich zu anderen Verfahren der Abfallbehandlung nicht unverhältnismäßig sind und ein Markt für die gewonnenen Stoffe oder die gewonnene Energie vorhanden ist oder geschaffen werden kann (Abfallverwertung);
c) nach Maßgabe der lit. b nicht verwertbare Abfälle sind je nach ihrer Beschaffenheit durch biologische, thermische, chemische oder physikalische Verfahren zu behandeln. Feste Rückstände sind möglichst reaktionsarm und ordnungsgemäß abzulagern (Abfallbeseitigung)."
Auch aus dieser Bestimmung ist für den Beschwerdeführer für seinen Standpunkt, sein Verhalten sei wegen des Vorranges der Verwertung von Abfällen vor deren Beseitigung nicht strafbar, nichts zu gewinnen. Die Verpflichtung, Hausmüll abzuliefern, ergibt sich aus den §§ 10 Abs. 1 und 27 Abs. 1 lit. a TAWG. Diese Bestimmungen stellen eine Konkretisierung der im § 4 TAWG verankerten Grundsätze der Abfallwirtschaft dar. Die Verpflichtung zur Ablieferung von Hausmüll kann daher nicht gegen § 4 TAWG verstoßen.
Die Auffassung des Beschwerdeführers, die von ihm angeführten gemeinschafts-, bundes- und landesrechtlichen Regelungen führten dazu, dass sein Verhalten nicht strafbar sei, ist daher unzutreffend.
Der Beschwerdeführer scheint aber auch eine Verfassungswidrigkeit des TAWG bzw. eine Gesetzwidrigkeit des TAWK anzudeuten, wobei diese Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeit offenbar aus einem Verstoß gegen das Prinzip des Vorranges der Verwertung vor dem Prinzip der Beseitigung abgeleitet wird.
Es braucht nicht näher untersucht werden, wie weit das im § 1 AWG 2002 und im § 4 TAWG enthaltene Prinzip des Vorranges der Verwertung vor der Beseitigung überhaupt reicht. Eine Verfassungswidrigkeit des TAWG kann daraus schon deswegen nicht abgeleitet werden, weil § 1 AWG 2002 auf den Beschwerdefall nicht anwendbar ist und außerdem auf einfachgesetzlicher Ebene steht.
Auch § 4 TAWG stellt nur eine einfachgesetzliche Vorschrift dar.
Die Regelungen des TAWK können sich auf Bestimmungen des TAWG
stützen.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom
, B 139/01-13, wie auch in seinem Beschluss vom , B 3550/05-10, gegen die Regelungen des TAWG über einen Andienungszwang keine Bedenken gehabt. Im erstgenannten Beschluss hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, die Festsetzung verpflichtender Versorgungsbereiche zwecks Vermeidung überflüssiger Abfallentsorgungswege und zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen Ausnutzung der für die einzelnen Entsorgungsbereiche eingerichteten Deponien sei im öffentlichen Interesse gelegen, diesem adäquat und daher auch sonst sachlich zu rechtfertigen.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers lässt sich den genannten Beschlüssen keine Differenzierung zwischen Abfällen, für die der Abfallbesitzer eine Beseitigung vorsieht und solchen, die er einer Verwertung zuführen will, entnehmen. Abgesehen davon kann die subjektive Absicht des Abfallbesitzers, Abfälle einer Verwertung zuzuführen, nicht das allein entscheidende Kriterium für die Zulässigkeit eines Andienungszwanges sein. Umstände, die verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Andienungszwang hervorrufen könnten, sind in Bezug auf den Beschwerdefall nicht hervorgekommen. Unter dem Aspekt des Beschwerdefalles bestehen daher von Seiten des Verwaltungsgerichtshofes keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die den Andienungszwang regelnden Normen.
Eine Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit der im Beschwerdefall anzuwendenden Normen ergibt sich auch nicht aus dem Gemeinschaftsrecht. Verstöße gegen die Bestimmungen des primären und des sekundären Gemeinschaftsrechts sind keine "Gesetzwidrigkeit" im Sinne von Art. 139 B-VG oder "Verfassungswidrigkeit" im Sinne von Art. 140 B-VG (vgl. Öhlinger/Potacs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht3, 176 f, unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 15.753/2000).
Auch auf die Verbringungsverordnung kann sich der Beschwerdeführer nicht berufen, da diese die Verbringung von Abfällen über die Grenzen von Mitgliedstaaten hinaus regelt und ein solcher Sachverhalt nicht vorliegt. Die Auffassung des Beschwerdeführers, der Tiroler Landesgesetzgeber habe die Verbringungsverordnung auch für solche Fälle übernommen, hat im Gesetz keine Grundlage.
5. Der Beschwerdeführer meint, die Abfälle seien rechtlich nicht richtig zugeordnet worden. So habe die belangte Behörde bei der Zuordnung der Abfälle weder das europäische Abfallverzeichnis noch die AVV oder die ÖNorm S 2100 berücksichtigt. Hätte die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung diese Normen berücksichtigt, wäre sie zu dem Schluss gekommen, dass die in Frage kommenden Abfälle nicht der Schlüsselnummerngruppe 20 (Siedlungsabfälle) sondern der Gruppe 15 (Verpackungsabfälle) des Europäischen Abfallverzeichnisses zuzuordnen seien.
Auch nach dem österreichischen Abfallkatalog der ÖNorm S 2100 seien überlagerte Lebensmittel der Gruppe 111 - Abfälle aus der Nahrungsmittelproduktion - zuzuordnen und nicht etwa der Gruppe 91 - Siedlungsabfälle. Nur die Zuordnung zur Gruppe 91 würde eine Zuordnung zur Abfallgruppe der Siedlungsabfälle gemäß § 2 Abs. 4 Z. 2 AWG 2002 und damit zur Gruppe 21 (wohl Gruppe 20) des Europäischen Abfallverzeichnisses rechtfertigen.
Selbst wenn man jedoch zur Ansicht gelangen würde, dass es sich bei den fraglichen Abfällen um Verpackungsabfälle gemäß ÖNorm S 2100 und damit um Abfälle der Schlüsselnummer 91201 - Verpackungsmaterial und Kartonagen - handeln sollte, unterlägen diese Abfälle trotzdem nicht der Andienungspflicht gemäß TAWG. In der Frage der Zuordnung der Abfälle vertritt der Beschwerdeführer in der Replik weiters die Ansicht, dass nach den Rechtsvorschriften der Abfallerzeuger/-besitzer für die Zuordnung der Abfälle verantwortlich sei. Im vorliegenden Fall seien die Abfälle vom Auftraggeber (Abfallerzeuger) des Beschwerdeführers der Schlüsselnummerngruppe 111 und hier insbesondere der Schlüsselnummerngruppe 11102 - überlagerte Lebensmittel - zugeordnet worden.
Für die Zuordnung eines Abfalles zu einer Abfallschlüsselnummer gemäß Abfallverzeichnisverordnung, ÖNorm S 2100 und dem Europäischen Abfallverzeichnis komme es darauf an, welche Abfallschlüsselnummer den Abfall in seiner Gesamtheit am besten beschreibe, und wo der Abfall entstehe bzw. anfalle. Es könne wohl nicht ernsthaft behauptet werden, dass der Begriff "Hausmüll" des TAWG die gegenständlichen überlagerten Lebensmittel besser beschreibe, als der Begriff "überlagerte Lebensmittel" unter der Schlüsselnummer 11102 der ÖNorm S 2100. Der Begriff Hausmüll/Siedlungsabfall und damit der Verweis auf das Abfallverzeichnis komme damit gar nicht zum Tragen, sondern es sei die ÖNorm S 2100 für die Zuordnung des Abfalles heranzuziehen. Hauptanfallsort für überlagerte Lebensmittel seien Supermärkte, bei denen üblicherweise Abfälle anfielen, die aus verpackten Lebensmitteln bestehen, deren Ablaufdatum überschritten wurde. Ausschließlicher Anfallsort für die bezughabenden Abfälle seien Supermärkte. Sie fielen also in Betrieben an.
Es könne daher gar kein Zweifel bestehen, dass die verpackten, überlagerten Lebensmittel als betriebliche Abfälle im Sinne des TAWG zu werten seien und nicht als "Siedlungsabfälle". Damit fielen sie jedenfalls unter die Ausnahmebestimmung des § 12 TAWG, wenn sie einer Verwertung zugeführt würden.
6. § 2 Abs. 1 TAWG lautete:
"Begriffsbestimmungen
(1) Hausmüll sind alle nicht gefährlichen Siedlungsabfälle im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002.
(...)
(3) Betriebliche Abfälle sind alle diesem Gesetz unterliegenden Abfälle mit Ausnahme des Hausmülls."
§ 2 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 lautet:
"Begriffsbestimmungen
§ 2. (...)
(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind
(...)
2. "Siedlungsabfälle" Abfälle aus privaten Haushalten und andere Abfälle, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder Zusammensetzung den Abfällen aus privaten Haushalten ähnlich sind; bei der Zuordnung ist das Europäische Abfallverzeichnis im Sinne des Art. 1 der Richtlinie 75/442/EWG über Abfälle, ABl. Nr. L 194 vom S 39, geändert durch die Richtlinie 91/156/EWG, ABl. Nr. L 78 vom S 32, und die Entscheidung 96/350/EG, ABl. Nr. L 135 vom S 32, zu berücksichtigen.
(...)"
Aus der Definition der Siedlungsabfälle im § 2 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 ergibt sich zunächst, dass auch Abfälle, die nicht aus privaten Haushalten, sondern etwa aus Gewerbebetrieben stammen, Siedlungsabfälle sein können. Der Gesetzgeber stellt ausschließlich auf die Zusammensetzung der Abfälle ab. Ob diese Abfälle in Haushaltsmengen anfallen oder nicht, ist für die Zuordnung zur Kategorie der Siedlungsabfälle irrelevant.
Hinsichtlich der Zuordnung von Abfällen verweist § 2 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 auf das Europäische Abfallverzeichnis, nicht aber auf die Ö-Norm S 2100 oder die Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003 (AVV). Das Beschwerdevorbringen, das sich auf die Ö-Norm S 2100 und die AVV stützt, geht daher von vornherein ins Leere.
Die verfahrensgegenständlichen Abfälle sind den Siedlungsabfällen zuzuordnen. Das ergibt sich schon aus der Überlegung, dass es sich bei Lebensmittelabfällen - wie dies überlagerte verpackte Lebensmittel sind - um Abfälle handelt, wie sie typischerweise auch in Haushalten anfallen und daher als Siedlungsabfälle einzustufen sind.
Ein Blick auf das Europäische Abfallverzeichnis bestätigt dieses Ergebnis.
Kapitel 15 und 20 des Abfallverzeichnisses lauten:
"15 VERPACKUNGSABFALL, AUFSAUGMASSEN, WISCHTÜCHER, FILTERMATERIALIEN UND SCHUTZKLEIDUNG (a. n. g.)
15 01 Verpackungen (einschließlich getrennt gesammelter kommunaler Verpackungsabfälle)
Verpackungen aus Papier und Pappe
Verpackungen aus Kunststoff
Verpackungen aus Holz
Verpackungen aus Metall
Verbundverpackungen
gemischte Verpackungen
Verpackungen aus Glas
Verpackungen aus Textilien
* Verpackungen, die Rückstände gefährlicher Stoffe enthalten oder durch gefährliche Stoffe verunreinigt sind
* Verpackungen aus Metall, die eine gefährliche feste poröse Matrix (z.B. Asbest) enthalten, einschließlich geleerter Druckbehältnisse
15 02 Aufsaug- und Filtermaterialien, Wischtücher und Schutzkleidung
* Aufsaug- und Filtermaterialien (einschließlich Ölfilter a. n. g.), Wischtücher und Schutzkleidung, die durch gefährliche Stoffe verunreinigt sind
Aufsaug- und Filtermaterialien, Wischtücher und Schutzkleidung mit Ausnahme derjenigen, die unter fallen
….
20 SIEDLUNGSABFÄLLE (HAUSHALTSABFÄLLE UND ÄHNLICHE
GEWERBLICHE UND INDUSTRIELLE ABFÄLLE SOWIE ABFÄLLE AUS
EINRICHTUNGEN), EINSCHLIESSLICH GETRENNT GESAMMELTER FRAKTIONEN
20 01 Getrennt gesammelte Fraktionen (außer 15 01) Papier und Pappe/Karton
Glas
(...)
biologisch abbaubare Küchen- und Kantinenabfälle
(...)
Speiseöle und -fette
(...)
Kunststoffe
(...)
sonstige Fraktionen a. n. g.
(...)
20 03 Andere Siedlungsabfälle
gemischte Siedlungsabfälle
(...)"
Dass eine Zuordnung der Abfälle zum Kapitel 15 des Abfallverzeichnisses nicht in Frage kommt, ist offensichtlich, da es sich nicht um (bloßen) Verpackungsabfall handelt, sondern um verpackte überlagerte Lebensmittel.
Aus dem angefochtenen Bescheid und dem Akt ergibt sich, dass sich die verpackten überlagerten Lebensmittel aus Stoffen zusammensetzen, die im Kapitel 20 des Abfallverzeichnisses angeführt sind (z.B. Glas, Pappe/Karton, Speiseöle und -fette, Kunststoffe) oder solchen Stoffen ähnlich sind (z.B. Wurstwaren, die den biologisch abbaubaren Küchen- und Kantinenabfällen vergleichbar sind).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2005/07/0135, ausgesprochen hat, ist dann, wenn ein zu beurteilender Abfall aus Stoffen besteht, die einem oder mehreren Abfallcodes des Kapitels (Gruppe) 20 (z.B. , und ) des Europäischen Abfallverzeichnisses zuzuordnen sind, dieser Abfall als Siedlungsabfall anzusehen. Der Umstand, dass diese Stoffe nicht getrennt gesammelt wurden, hindert nur ihre Zuordnung zu den genannten Abfallcodes, ändert aber nichts an der Einstufung dieser Stoffe als Siedlungsabfälle. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Stoffe, die bei getrennter Sammlung als Siedlungsabfälle anzusehen sind, bei Vereinigung zu einem Abfallgemisch diese Eigenschaft nicht mehr aufweisen sollten. Ein solches Gemisch ist auch unschwer dem Abfallcode ("gemischte Siedlungsabfälle") zuzuordnen.
Daraus folgt, dass keine Bedenken dagegen bestehen, die gegenständlichen Abfälle der Kategorie Siedlungsabfall zuzuordnen.
Somit handelt es sich um Hausmüll im Sinne des § 2 Abs. 1 TAWG.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde
als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die
§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-
Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am