VwGH vom 21.10.2010, 2007/07/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der Wassergenossenschaft K in M L, vertreten durch den Obmann, dieser vertreten durch Dr. Manfred Schiffner und Mag. Werner Diebald, Rechtsanwälte in 8580 Köflach, Rathausplatz 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA13A - 30.40 834 - 06/3, in der Fassung des Bescheides vom , Zl. FA13A - 30.40 834 - 06/4, betreffend wasserpolizeilicher Auftrag (mitbeteiligte Parteien: 1. C B und
2. J B, beide in M L, beide vertreten durch Kaan Cronenberg Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Spruchpunktes a) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der vorliegende Sachverhalt gleicht demjenigen des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zl. 2007/07/0005, auf dessen Sachverhaltsdarstellung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am der Bescheid der BH vom dahingehend abgeändert, dass die beschwerdeführende Wassergenossenschaft gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 verhalten wird, die an der Wasserversorgungsanlage eigenmächtig vorgenommenen Neuerungen wie folgt zu beseitigen:
"a) Der Hauptsammelschacht auf Gst.Nr. 490/2, KG K., sowie der gemeinsam errichtete Quellsammelschacht für die Quellen I und II auf Gst. Nr. 490/2, KG K., sind zu beseitigen.
b) Hinsichtlich der Abänderungen der Quellfassungen I und III ist festzustellen, dass diese gemäß dem rechtlichen Bestand laut Eintragung im Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes V., Postzahl 1225, wieder herzustellen sind.
Erfüllungsfrist: ."
Mit Berichtigungsbescheid der belangten Behörde vom wurde Spruchpunkt a) des Bescheides vom wie folgt berichtigt:
"a) Der Hauptsammelschacht auf Gst. Nr. 490/2, KG K., sowie der gemeinsam errichtete Quellsammelschacht für die Quellen I und II auf Gst. Nr. 486, KG K., sind zu beseitigen."
Die vorliegende Beschwerde richtet sich erkennbar nur gegen Spruchpunkt a) des Bescheides vom in dessen berichtigter Fassung vom ; es werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Die mitbeteiligten Parteien erstatteten ebenfalls eine Gegenschrift und beantragten darin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Darüber hinaus erhoben die mitbeteiligten Parteien ebenfalls Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid betreffend Spruchpunkt b), die zur hg. Zl. 2007/07/0005 protokolliert wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof von der Trennbarkeit im Sinne des § 59 AVG hinsichtlich der Spruchpunkte a) und b) des von der belangten Behörde erteilten wasserpolizeilichen Auftrages ausgeht. Da sich die vorliegende Beschwerde nur gegen den Spruchpunkt a) des angefochtenen Bescheides wendet, erstreckt sich im vorliegenden Fall die rechtliche Prüfung nur auf diesen Spruchpunkt.
Gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.
Gemäß § 138 Abs. 6 WRG 1959 sind als Betroffene im Sinne des Abs. 1 die Inhaber bestehender Rechte (§ 12 Abs. 2), die Fischereiberechtigten sowie die Einforstungsberechtigten anzusehen.
Gemäß § 12 Abs. 2 WRG 1959 sind als bestehende Rechte im Sinne des Abs. 1 rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum anzusehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als eigenmächtige Neuerung die Errichtung von Anlagen oder die Setzung von Maßnahmen zu verstehen, für die eine wasserrechtliche Bewilligung einzuholen gewesen wäre, eine solche aber nicht erwirkt wurde. Hiebei kann es sich um völlig konsenslose, aber auch um konsensüberschreitende Veränderungen handeln (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/07/0058, m.w.N.).
Die verfahrensgegenständlich vorgenommenen Maßnahmen der mitbeteiligten Wassergenossenschaft - wie sie von der belangten Behörde unter Zugrundelegung der Gutachten der Amtssachverständigen festgestellt wurden - haben zu einer Mehrinanspruchnahme fremder Grundstücke (Eigentum der mitbeteiligten Parteien) geführt; dies wurde auch von der beschwerdeführenden Wassergenossenschaft nicht bestritten. Für die über den bisherigen wasserrechtlichen Konsens hinausgehenden Änderungen durch die beschwerdeführende Partei fehlt es jedoch an einer entsprechenden rechtlichen Deckung, weshalb insofern eine eigenmächtige Neuerung im Umfang der Mehrinanspruchnahme der Grundstücke der mitbeteiligten Parteien vorliegt.
Die beschwerdeführende Wassergenossenschaft bringt in ihrer Beschwerde vor, dass ihr in Spruchpunkt a) nicht die (gänzliche) Beseitigung des Hauptquellsammelschachtes auf Grundstück Nr. 490/2, KG K., aufgetragen hätte werden dürfen, sondern nur die Wiederherstellung des konsensgemäßen Zustandes. Der von der Behörde beigezogene wasserbautechnische Amtssachverständige sowie der hydrologische Amtssachverständige hätten in der Berufungsverhandlung am in ihrem Gutachten u. a. festgestellt, dass die Errichtung und der Betrieb der Entsäuerungsanlage im Hauptsammelschacht sowie die Herstellung des gemeinsamen Quellsammelschachtes für die Quellen I und II als bewilligungspflichtige Anlagenerweiterungen anzusprechen und von einem Beseitigungsauftrag bedroht seien. Die belangte Behörde habe diese Ausführungen auch der Begründung des angefochtenen Bescheides zugrunde gelegt. Die belangte Behörde hätte daher nur den Ausbau des Hauptsammelschachtes um die Entsäuerungsanlage und nicht - wie im Spruchteil a) des angefochtenen Bescheides erfolgt sei - den gesamten Hauptsammelschacht auf Grundstück Nr. 490/2, KG K., einem Beseitigungsauftrag zugrunde legen dürfen.
Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend.
Die belangte Behörde hat in ihrer Begründung dargelegt, dass die den Akten beiliegenden Bescheide der Bezirkshauptmannschaft V. (BH), wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid vom sowie Kollaudierungsbescheid vom , als der maßgeblich heranzuziehende Rechtsbestand der Wasserversorgungsanlage anzusehen seien, die im Wasserbuch des Verwaltungsbezirkes V., Postzahl 1225, eingetragen worden sei.
Die Beseitigung einer eigenmächtigen Neuerung gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 darf nur in dem Umfang angeordnet werden, in dem die Rechte des Betroffenen, der die Beseitigung verlangt hat, berührt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/07/0090, m.w.N.). Die Herstellung eines anderen als des konsensgemäßen Zustandes können die Betroffenen nicht fordern (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom ).
Unbestritten ist, dass es teilweise zu einer erweiterten Grundinanspruchnahme des betroffenen Grundstückes der mitbeteiligten Parteien gekommen ist. Jedoch ist auch in der von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides vom wiedergegebenen ergänzenden Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen (Seite 8 dieses Bescheides) nur die Rede davon, dass der "Ausbau
des Hauptsammelschachtes ... als Erweiterung anzusprechen und von
einem Beseitigungsauftrag bedroht" sei. Auch in der von der beschwerdeführenden Partei wiedergegebenen Passage des Gutachtens der beiden Amtssachverständigen (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am ) ist lediglich die Rede davon, dass die Errichtung und der Betrieb der Entsäuerungsanlage im Hauptsammelschacht "jedenfalls" als bewilligungspflichtige Anlagenerweiterung anzusprechen sei. Offen blieb jedoch, ob auch der übrige Teil des Hauptsammelschachtes nicht mehr der von der wasserrechtlichen Bewilligung erfassten Grundinanspruchnahme entspricht und ob dieser selbständig - also bei Beseitigung der zusätzlich errichteten Entsäuerungsanlage - bestehen könnte.
In der Begründung des Bescheides vom wird lediglich allgemein ausgeführt, dass es durch die neu errichteten Anlagenteile für die mitbeteiligten Parteien "zu einer anderen Grundinanspruchnahme" gekommen und diese im Zuge des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens zu klären sei. Ferner wird dort allgemein darauf hingewiesen, dass die Dimension der einzelnen Schächte (sohin auch des Hauptsammelschachtes) verändert worden sei. Mit dieser Begründung wird gerade im Hinblick auf die vorstehend wiedergegebenen Ausführungen der Amtssachverständigen jedoch nicht hinreichend schlüssig dargelegt, weshalb eine Beseitigung des gesamten Hauptsammelschachtes geboten war. Es liegt daher ein wesentlicher Verfahrensmangel in diesem Zusammenhang vor.
In der Beschwerde wird ferner eingewendet, die E. GmbH habe anlässlich der Erstellung des Lageplanes die Lage der Quellfassungen mittels GPS-Koordinaten ermittelt und umgerechnet. Aus dem Lageplan ergebe sich, dass die oberen beiden Quellen, also die Quellen I und II - in diesem Lageplan als Quellfassungen 2 und 3 bezeichnet - sowie der gemeinsame Quellsammelschacht für die Quellen I und II sich nicht - wie von der belangten Behörde festgestellt und auch in den Spruch des Bescheides vom aufgenommen - auf dem Grundstück Nr. 486, sondern auf dem Grundstück Nr. 472 befänden. Abgesehen davon, dass der Beseitigungsauftrag im Spruchteil a) des Bescheides vom betreffend den gemeinsamen Quellsammelschacht für die Quellen I und II auf dem Grundstück Nr. 486, KG K., damit ins Leere gehe und ein Vollzug desselben daher unmöglich wäre, werde aus diesem Umstand deutlich, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, entsprechende Erhebungen bezüglich der genauen Lage der verfahrensgegenständlichen Quellfassungen bzw. Sammelschächte durchzuführen bzw. durch qualifizierte Sachverständige durchführen zu lassen. Es liege daher ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.
Dieses Vorbringen stellt hinsichtlich der behaupteten Lage der genannten Quellen auf einem anderen Grundstück der mitbeteiligten Parteien eine nach § 41 VwGG unzulässige Neuerung dar, zumal erstmals am gegenüber der BH als Wasserrechtsbehörde erster Instanz im Zuge der Antragstellung auf wasserrechtliche Bewilligung der gegenständlichen geänderten Anlage durch die beschwerdeführende Partei ein Hinweis erfolgte, dass sich diese Quellen tatsächlich auf Grundstück Nr. 472 befinden dürften.
Der Berichtigungsbescheid gemäß § 62 Abs. 4 AVG bildet mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit, wobei die Berichtigung eines Bescheides auch nach der Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band I, 2. Auflage, S. 1136 unter E. 233 und S. 1139 unter E. 253 zu § 62 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist daher der angefochtene Bescheid vom in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom . Der gerügte Verfahrensmangel der unterlassenen Erhebungen liegt daher in Bezug auf den gegenständlichen Quellsammelschacht nicht vor.
Der rechtmäßige Zustand einer Wasserbenutzungsanlage ergibt sich zwar auch, aber nicht nur aus dem Bewilligungsbescheid, sondern auch aus dem Kollaudierungsbescheid. Gegenstand eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 können Maßnahmen, die als Abweichungen vom bewilligten Projekt anzusehen sind, bei Verabsäumung der Veranlassung ihrer Beseitigung im Kollaudierungsbescheid nicht mehr sein, es sei denn, dass kein technischer Zusammenhang zum bewilligten Projekt besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/07/0087, ua).
Es wäre daher Sache der belangten Behörde gewesen, festzustellen was bewilligt wurde und welcher Zustand dem Kollaudierungsbescheid zugrunde lag. Das ist nicht geschehen, daher kann derzeit nicht festgestellt werden, ob nicht der zur Beseitigung vorgeschriebene Zustand durch den rechtskräftigen Kollaudierungsbescheid gedeckt ist. Es liegt daher schon aus diesem Grund ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, weshalb sich auch ein näheres Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich des Spruchpunktes a) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am