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VwGH 27.03.2015, Ra 2014/02/0138

VwGH 27.03.2015, Ra 2014/02/0138

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
KFG 1967 §102 Abs5 litc;
KFG 1967 §45 Abs1a;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §52 lita Z13b;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 1
Ein Hinweis "Privatgrund Parken und Halten verboten" kann nichts daran ändern, dass die so gekennzeichnete Fläche zumindest befahren werden darf (vgl. E , 90/18/0182). Das Verkehrszeichen "HALTEN UND PARKEN VERBOTEN" mit der Zusatztafel "Ausgenommen Hausbewohner Zuwiderhandeln wird mit Besitzstörungsklage geahndet!" reicht nicht aus, um ein Befahren auszuschließen. Auch der Umstand, dass auf dieser Fläche nur Bewohner eines bestimmten Hauses halten und parken dürfen, kann die Möglichkeit des Begehens oder Befahrens durch jedermann weder einschränken noch hindern (vgl. - zu einer Beschränkung, die das Halten und Parken Mitarbeitern eines bestimmten Unternehmens vorbehielt - E , 2013/02/0239). Durch ein Verkehrszeichen mit Zusatztafel, womit das Halten und Parken auf einer im Privateigentum stehenden Verkehrsfläche den Bewohnern eines bestimmen Hauses vorbehalten wird, wird der Verkehrsfläche die Eigenschaft einer Straße mit öffentlichem Verkehr nicht genommen.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

Ra 2014/02/0147

Ra 2014/02/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revisionen der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung in 8021 Graz, Bahnhofgürtel 85, gegen die Erkenntnisse 1) vom , Zl. LVwG 30.28-4537/2014-2 (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2014/02/0138), 2) vom , Zl. LVwG 30.28-4538/2014-2 (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2014/02/0139), und 3) vom , Zl. LVwG 30.24-3371/2014-2 (protokolliert zur hg. Zl. Ra 2014/02/0147) des Landesverwaltungsgerichts Steiermark, betreffend Übertretungen des KFG (mitbeteiligte Partei: K in F), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnissen der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft vom , vom und vom wurde der Mitbeteiligte jeweils einer Übertretung des § 45 Abs 1a KFG schuldig erkannt. Er habe ein Kraftfahrzeug, das mit einem Probefahrtkennzeichen versehen gewesen sei, jeweils in der Gemeinde Feldkirchen bei Graz, R.-Straße 212, abgestellt, ohne die Bescheinigung über Ziel, Zweck und Dauer der Probefahrt so im Fahrzeug zu hinterlegen, dass diese hinter der Windschutzscheibe gut erkennbar ist. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Mitbeteiligten jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 40,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 8 Stunden) verhängt.

In der Beschwerde gegen diese Straferkenntnisse habe der Mitbeteiligte im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich beim Abstellplatz um ein Privatgrundstück mit als privat gekennzeichneten Parkplätzen handle, dieser daher keine öffentliche Straße sei und dass es darauf auch keinen Fußgängerverkehr geben könne.

Mit den nun angefochtenen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtes wurden die gegen den Mitbeteiligten geführten Verwaltungsstrafverfahren jeweils gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

Das Verwaltungsgericht führte aus, dass es sich bei dem Abstellplatz, auf dem das Fahrzeug jeweils abgestellt worden war, nicht um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 StVO gehandelt habe. Nach dem erstinstanzlichen Ermittlungsergebnis sei die Abstellfläche mit Straßenverkehrszeichen beschildert gewesen. Die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft sei - wie auch das Verwaltungsgericht - davon ausgegangen, dass das aufgestellte Verbotszeichen gemäß § 52 lit. a Z 13b StVO samt Zusatztafel nicht der Kundmachung einer Verordnung gedient habe. Die belangte Behörde habe lediglich ausgeführt, dass ein solches Zeichen angebracht gewesen sei. Der Parkplatz sei baulich von jener Verkehrsfläche getrennt, die der Überwindung des Raumes (dem fließenden Verkehr) diene. Durch Bodenmarkierungen seien die Abstellflächen gewidmet. Es handle sich somit um eine vom Straßenerhalter dem ruhenden Verkehr gewidmete Fläche. Ein Anspruch oder die Möglichkeit zum durchgehenden Begehen der dem ruhenden Verkehr gewidmeten Fläche sei für niemand gegeben. Ein solcher Anspruch oder die Möglichkeit dazu sei nämlich durch parkende Fahrzeuge von vornherein ausgeschlossen. Das Begehen dieser Landfläche werde nur zum Abstellen oder Wiederaufsuchen des Fahrzeugs ermöglicht. Mit dem vom Straßenerhalter verwendeten Verkehrszeichen "HALTEN UND PARKEN VERBOTEN" samt der Zusatztafel, wonach das Abstellen von Fahrzeugen den Hausbewohnern des Hauses R.-Straße 212 vorbehalten sei und Zuwiderhandeln mit Besitzstörungsklage verfolgt werde, sowie mit den Markierungen zur Parkordnung sei für jedermann ausreichend erkennbar, dass die betroffene Verkehrsfläche eine Straße ohne öffentlichen Verkehr im Sinne des § 1 Abs 2 StVO sei (das Verwaltungsgericht verweist dazu auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 387/61). Es bleibe daher weder Raum für das Befahren dieser Landfläche außer zum Halten oder Parken der berechtigten Fahrzeuge noch für das Begehen durch jedermann. Das Tatbild des § 45 Abs 1a KFG sei demnach nicht erfüllt worden.

Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei. Die Entscheidungen würden nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichen, noch fehle es an solcher Rechtsprechung; die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Gegen diese Erkenntnisse richten sich die außerordentlichen Revisionen, mit dem Antrag, die Erkenntnisse wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben. Der Mitbeteiligte erstattete eine Äußerung, mit der er der Sache nach die Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:

1. Die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft macht - unter näher ausgeführtem Hinweis insbesondere auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/18/0182, und vom , Zl. 2013/02/0239 - geltend, dass das Verwaltungsgericht von der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinen Erkenntnissen festgestellt, dass lediglich der Hinweis "Privatgrund Halten und Parken verboten" nichts daran ändern könne, dass jene Fläche, auf welcher ein Fahrzeug stehe, zumindest befahren oder durch Fußgänger benützt werden dürfe, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass jegliche Benützung derselben durch die Allgemeinheit verboten sei und es sich objektiv gesehen um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO handle. Unter Benützung für jedermann unter den gleichen Bedingungen sei zu verstehen, dass irgendeine denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs jedermann offen stehen müsse.

2. Die Revision ist aus den von der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft dargelegten Gründen zulässig und berechtigt:

2.1. Gemäß § 45 Abs. 1a KFG muss, wenn ein Fahrzeug mit Probekennzeichen im Zuge einer Probefahrtunterbrechung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr abgestellt wird, der Lenker oder der Besitzer der Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten die Bescheinigung gemäß § 102 Abs. 5 lit. c so im Fahrzeug hinterlegen, dass diese bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut erkennbar ist.

§ 1 Abs. 1 KFG verweist zur Bestimmung des Begriffs der Straßen mit öffentlichem Verkehr auf § 1 Abs. 1 StVO. Demnach sind Straßen mit öffentlichem Verkehr solche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.

2.2. Im Revisionsfall ist nicht strittig, dass das gegenständliche Fahrzeug mit Probekennzeichen auf dem Parkplatz vor dem Haus R.-Straße 212 abgestellt war, ohne dass die Bescheinigung gemäß § 102 Abs.5 lit c KFG hinter der Windschutzscheibe erkennbar war. Die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft wendet sich jedoch gegen die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach es sich bei dieser Abstellfläche um keine Straße mit öffentlichem Verkehr gehandelt habe.

2.3. Festzuhalten ist zunächst, dass das Verwaltungsgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht festgestellt hat (unter der Zwischenüberschrift "Sachverhalt" des angefochtenen Erkenntnisses wird lediglich der Verfahrensgang dargelegt, darauf folgen die Wiedergabe der relevanten Rechtsvorschriften und die rechtlichen Erwägungen).

Soweit das Verwaltungsgericht im Zuge der rechtlichen Erwägungen implizit von bestimmten Sachverhaltsannahmen ausgeht, lassen sich diese mit den im Akt befindlichen Unterlagen nicht durchgängig in Einklang bringen. So geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Parkplatz baulich von der dem fließenden Verkehr gewidmeten Verkehrsfläche getrennt gewesen sei, was sich auf den im Akt erliegenden Lichtbildern, die keine bauliche Trennung zeigen, nicht nachvollziehen lässt.

2.4. Das Verwaltungsgericht hat sich zur Begründung seiner Entscheidung - obgleich es im Ausspruch zur Zulässigkeit festhielt, dass die Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, noch eine solche Rechtsprechung fehle - lediglich auf Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gestützt. Das dabei zitierte Erkenntnis vom , B 387/61, betrifft jedoch einen Sachverhalt, bei dem der Abstellplatz "vom öffentlichen Gehsteig mit einer niederen Mauer abgetrennt" war. Eine derartige Abtrennung hat das Verwaltungsgericht im hier vorliegenden Fall jedoch weder festgestellt, noch ist sie auf den im Akt erliegenden oder auf den vom Mitbeteiligten vorgelegten Lichtbildern zu erkennen.

2.5. Wie die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft zutreffend dargelegt, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl 90/18/0182, ausgesprochen, dass ein Hinweis "Privatgrund Parken und Halten verboten" nichts daran ändern kann, dass die so gekennzeichnete Fläche zumindest befahren werden durfte.

Im vorliegenden Fall ging das Verwaltungsgericht erkennbar davon aus, dass die Abstellfläche - wie auf den im Akt vorhandenen Lichtbildern ersichtlich - mit dem Verkehrszeichen "HALTEN UND PARKEN VERBOTEN" sowie der Zusatztafel "Ausgenommen Hausbewohner (R.-Straße 212) Zuwiderhandeln wird mit Besitzstörungsklage geahndet!" gekennzeichnet war. Im Sinne des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes reicht diese Kennzeichnung jedoch nicht aus, um ein Befahren auszuschließen. Auch der Umstand, dass auf dieser Fläche nur Bewohner des Hauses R.-Straße 212 halten und parken durfte, kann die Möglichkeit des Begehens oder Befahrens durch jedermann weder einschränken noch hindern (vgl. - zu einer Beschränkung, die das Halten und Parken Mitarbeitern eines bestimmten Unternehmens vorbehielt - das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/02/0239).

3. Das Verwaltungsgericht hat damit - ungeachtet der fehlenden Sachverhaltsfeststellungen, die zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Erkenntnisse nach § 42 Abs 2 Z 3 VwGG führen - seinen Entscheidungen jedenfalls erkennbar die unzutreffende, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichende Rechtsansicht zugrunde gelegt, dass schon durch ein Verkehrszeichen mit Zusatztafel, womit das Halten und Parken auf einer im Privateigentum stehenden Verkehrsfläche den Bewohnern eines bestimmen Hauses vorbehalten wird, der Verkehrsfläche die Eigenschaft einer Straße mit öffentlichem Verkehr genommen wird. Die angefochtenen Erkenntnisse waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen vorrangig aufzugreifender Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

Wien, am

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Normen
KFG 1967 §102 Abs5 litc;
KFG 1967 §45 Abs1a;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §52 lita Z13b;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Sammlungsnummer
VwSlg 19096 A/2015
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014020138.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
EAAAE-90732