VwGH vom 15.10.2014, Ro 2014/08/0042
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision der E S in Wien, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2013-0566-9- 003176, betreffend Verlust der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/08/0265, verwiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Verlust der Notstandshilfe vom 19. Juli bis abgewiesen hat.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass die Revisionswerberin den Anspruch auf Notstandshilfe vom 1. bis 14. November und vom 15. November bis gemäß § 10 iVm § 38 AlVG verliere.
Die Revisionswerberin beziehe seit mit Unterbrechungen Notstandshilfe. Sie habe mit der regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse (im Folgenden: AMS Huttengasse) am einen Betreuungsplan vereinbart. Demnach suche sie eine Voll- /Teilzeitstelle in Wien. Das AMS sei ihr bei der Suche nach einer Stelle als Bauschlosserin bzw. Schweißerin oder in jedem anderen zumutbaren Bereich behilflich.
Am sei der Revisionswerberin folgender Vermittlungsvorschlag zugewiesen worden:
"Unser Kunde, ein Profi mit langjähriger Erfahrung bei Planung und Einrichtung von Schul- und Semiarräumen mit Sitz in 1150 Wien sucht ab sofort
Hilfsarbeiter/in
Anforderungen:
Pflichtschulabschluss und Praxis im Bereich Metall (Schlosser etc.), Deutschkenntnisse unbedingt in Wort und Schrift, Führerschein B von Vorteil, körperliche Robustheit.
Tätigkeit:
Wartung, Montage und Demontage von Schultafeln (kräftig)
Arbeitszeit:
40 Wochenstunden Montag bis Donnerstag 7:00-16:00 Uhr,
Freitag 7:00-13:00 Uhr
Entlohnung:
monatliches Grundgehalt 1.170,00 brutto zuzüglich Störzulage.
Arbeitsort: 1150 Wien und Raum Wien *********************************************************** Bewerbung
Bewerben Sie sich bitte *persönlich* mit aktuellem Lebenslauf
und Foto (idealerweise auf USB-stick!)
bei Frau F.
- Arbeitsmarktservice Wien - Service für Unternehmen, Laxenburger Straße (...)
****Dienstag oder Donnerstag in der Zeit von 9:00 bis 11:00 Uhr****
Keine Terminvereinbarung in der Infozone des AMS Laxenburgerstraße/Erdgeschoß notwendig!
***********************************************************" Diesem Vermittlungsvorschlag sei unter dem Punkt "Bewerbung"
zu entnehmen, dass sich die Revisionswerberin bei Frau F., AMS-Service für Unternehmen, Laxenburger Straße, hätte bewerben sollen.
Die Revisionswerberin habe sich jedoch am (nicht persönlich, sondern) per e-Mail beim AMS Huttengasse beworben. Am 16. Oktober und am habe sie die Serviceline des AMS Huttengasse angerufen und um Rückruf ersucht. Am sei beim AMS Huttengasse die Mitteilung des AMS-Service für Unternehmen eingegangen, dass sich die Revisionswerberin nicht im Rahmen der Vorauswahl beworben habe. Möglicher Arbeitsantritt wäre der gewesen.
Die Revisionswerberin habe am niederschriftlich angegeben, dass auf dem Vermittlungsvorschlag auf der 1. Seite Folgendes angegeben sei:
"Eine Rückmeldung zur Bewerbung hat beim AMS (Huttengasse) innerhalb von 14 Tagen zu erfolgen! Wie: In der Infozone oder Serviceline 01/87871. E-Mail-Bewerbungen können an ams.huttengasse@ams.at weitergeleitet werden."
Die Revisionswerberin habe angegeben, sie hätte ihre Bewerbung auf Grund dieser Angabe an das AMS Huttengasse gesendet. Es habe sich um ein Missverständnis gehandelt. Sie sei nicht entsprechend aufgeklärt worden.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, in dem Vermittlungsvorschlag sei darauf hingewiesen worden, dass sich die Revisionswerberin persönlich beim AMS-Service für Unternehmen bewerben solle. Die Bewerbungsmodalitäten seien im Vermittlungsvorschlag klar und deutlich artikuliert worden. Die von der Revisionswerberin angesprochenen Angaben auf der ersten Seite des Vermittlungsvorschlages würden sich nur auf die Rückmeldemodalitäten beziehen. Es sei nicht nachvollziehbar, wie es (in Bezug auf die Notwendigkeit der persönlichen Bewerbung) bei der Revisionswerberin zu einem Missverständnis habe kommen können. Das Verhalten der Revisionswerberin stellte eine Vereitelung dar, die gegenständliche zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Die Unterlassung der Einhaltung der im Vermittlungsvorschlag angeführten Bewerbungsmodalitäten sei nach allgemeiner Erfahrung geeignet, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen. Berücksichtigungswürdige Gründe iSd § 10 Abs. 3 AlVG lägen nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Revision. Der angefochtene Bescheid wurde am zugestellt. Gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz VwGbk-ÜG konnte gegen ihn vom 1. Jänner bis zum Ablauf des in sinngemäßer Anwendung des Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Für die Behandlung der Revision gelten gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß.
Das Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Die Revision bringt vor, der Tatbestand der Vereitelung liege nur bei Vorsatz vor. Ein bloß fahrlässiges Handeln reiche nicht aus. Die Revisionswerberin habe den Inhalt des Schreibens des AMS missverstanden. Auch die Formulierung des Textes des Stellenangebotes sei geeignet, fehlinterpretiert zu werden. Ihr könne daher kein vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden.
2. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
§ 10 Abs. 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 104/2007 lautet auszugsweise:
"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person
1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,
so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. (...)"
Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG ist der Verlust des Anspruchs in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen. Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
3. Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte bzw. eine sonst sich bietende zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.
Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden:
Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichtemacht.
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/08/0020, uva).
4. Die Revision bestreitet die Verwirklichung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG. Die Revisionswerberin sei einem Missverständnis unterlegen und habe keine vorsätzliche Vereitelung vorgenommen.
Dem steht die im Rahmen der Zuweisung der Beschäftigung erfolgte eindeutige Mitteilung des AMS Laxenburger Straße an die Revisionswerberin entgegen, sich beim potentiellen Dienstgeber bzw. bei dem für diesen als Dienstleister einschreitenden AMS Unternehmensservice persönlich um den Arbeitsplatz zu bewerben, und zwar bei Frau F. in der Laxenburger Straße 18, 1100 Wien, Dienstag oder Donnerstag in der Zeit von 9 bis 11 Uhr. Statt dieser Aufforderung nachzukommen, wendet sich die Revisionswerberin am per Mail an das AMS Huttengasse mit dem Ersuchen, ihr per mail oder auf dem Postweg zu antworten.
Der Revisionswerberin musste klar sein, dass ihr Verhalten im Rahmen der Vorauswahl des AMS iSd §§ 9 und 10 AlVG gleichbedeutend ist mit jenem im Rahmen einer Vorstellung unmittelbar beim potenziellen Dienstgeber (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0209). Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Unterlassung einer (persönlichen) Bewerbung um eine Arbeitsstelle beim Dienstgeber bzw. dem von ihm beauftragten Dienstleister als kausal für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung angesehen hat, zumal es ausreicht, dass die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses durch das Verhalten des Arbeitslosen verringert wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0243, mwN). Die belangte Behörde ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Revisionswerberin durch ihr Verhalten das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zumindest in Kauf genommen und daher mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat.
5. Die Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß §§ 3 und 4 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Übergangsfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am