VwGH vom 31.07.2014, Ro 2014/08/0031
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision des O C in Wien, vertreten durch Dr. Michael Denis Witvoet, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Stiftgasse 15-19/15, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2013-0566-9- 003197, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegenüber dem Revisionswerber die Zuerkennung der Notstandshilfe vom bis gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und das unberechtigt Empfangene gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG in der Höhe von EUR 16.797,04 rückgefordert.
Begründend führte die belangte Behörde aus, mit dem erstinstanzlichen Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice W vom sei die für den oben genannten Zeitraum bezogene Notstandshilfe rückgefordert worden. Begründet sei diese Entscheidung damit worden, dass der Revisionswerber die Leistung in diesem Zeitraum zu Unrecht bezogen habe, da auf Grund seines Studiums Arbeitslosigkeit nicht vorläge. In seinen Anträgen auf Notstandshilfe vom und habe er diesbezüglich unwahre Angaben gemacht.
In seiner dagegen erhobenen Berufung bzw. in der Berufungsergänzung habe er angegeben, keinen Widerrufsgrund gesetzt zu haben, da er in Vorarlberg die lange Anwartschaft erfüllt und lediglich in Wien den Fortbezug geltend gemacht habe. Der Grund für den Widerruf sei gemäß § 12 Abs. 4 AlVG nicht gegeben. Keinesfalls berechtigt sei die Rückforderung, da kein Rückforderungstatbestand vorliege. Er habe sein Studium im Antrag vom sehr wohl angegeben. In den Folgeanträgen sei diese Frage von ihm gar nicht beantwortet worden, da ihm der jeweilige Arbeitsmarktservicemitarbeiter gesagt habe, dass das nur erforderlich wäre, wenn es hinsichtlich des Studiums etwas Neues gebe. Er habe jedenfalls keine falschen Angaben gemacht. Sein Studium habe er auch nicht verschwiegen, da er es bei der Erstantragstellung angegeben habe und bei den Folgeanträgen ebenfalls darüber gesprochen worden sei. Das Arbeitsmarktservice sei somit in Kenntnis seiner Ausbildung gewesen. Außerdem sei das Studium regelmäßig bei seinen Betreuungsvereinbarungen thematisiert worden und auch in diese schriftlich aufgenommen worden.
Die belangte Behörde stellte zusammengefasst fest, der Revisionswerber habe sich am beim Arbeitsmarktservice arbeitslos gemeldet und einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt. Anlässlich dieser Antragstellung habe er angegeben, dass er sich in Ausbildung (Uni Wien) befinde und auch ein eigenes Einkommen (Studiumbeihilfe) beziehe. Daraufhin sei ihm die Notstandshilfe ab zuerkannt worden. Am habe er für den wiederum bei diesem Arbeitsmarktservice einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt. Anlässlich dieser Antragstellung habe er die Frage 10: "Ich befinde mich in Ausbildung (Schule, Hochschule, Fachschule, Kurs, Lehrgang, Praktium, usw.)" mit "nein" beantwortet. Mit seiner Unterschrift auf diesem Antragsformular habe er die Wahrheit der auf diesem Formular gemachten Angaben bestätigt und gleichzeitig zur Kenntnis genommen, dass falsche Angaben oder das Verschweigen maßgebender Tatsachen die Einstellung und Rückforderung der bezogenen Leistung bewirken könne. Daher sei ihm die Notstandshilfe ab dem zuerkannt worden.
Am habe er für den wiederum beim Arbeitsmarktservice einen Antrag auf Notstandshilfe gestellt. Auch anlässlich dieser Antragstellung habe er die bereits oben zitierte Frage 10 mit "nein" beantwortet. Auch dieser Antrag sei positiv bewilligt worden und dem Revisionswerber Notstandshilfe zuerkannt worden.
Anlässlich seiner persönlichen Vorsprache am habe er niederschriftlich angegeben, dass er seit ein Studium als ordentlicher Hörer an der Uni Wien absolviere. Diese Ausbildung werde er voraussichtlich 2016 abschließen. Weiters habe er sein Studienblatt sowie ein Sammelzeugnis vorgelegt. Aus diesem Studienblatt sei ersichtlich gewesen, dass er seit laufend zum Bachelorstudium internationale Betriebswirtschaft gemeldet sei.
Vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei der Revisionswerber zur Erstattung einer Stellungnahme im Hinblick auf einen möglichen Widerruf und Rückforderung Notstandshilfe aufgefordert worden. Darin habe er angegeben, dass er beim Antrag vom das Studium inklusive des Stipendiums angegeben habe. Bei den Folgenanträgen in den Jahren 2011 und 2012 habe er das laufende Studium nicht mehr angekreuzt, da die Ausbildung seinen zuständigen Beratern beim Arbeitsmarktservice ohnehin bekannt gewesen sei und auch in den Betreuungsplänen laufend dokumentiert worden sei. Er habe bei den Antragsrückgaben seinen Berater explizit auf das Studium hingewiesen und die Auskunft erhalten, dass es sich um nichts Neues handle und somit nicht erforderlich sei, den Punkt 10 im Antrag mit "ja" anzukreuzen. Er sei sich daher keiner Meldepflichtverletzung bewusst.
In der Folge sei von jenen Mitarbeitern des Arbeitsmarktservice, die die Anträge in den Jahren 2011 und 2012 entgegengenommen hätten, Stellungnahmen zu den Behauptungen des Revisionswerbers angefordert worden. Beide Mitarbeiterinnen hätten in ihren Stellungnahmen angegeben, dass die Aussagen des Revisionswerbers, es wäre gesagt worden, dass es nicht erforderlich sei, den Punkt 10 mit "Ja" auszufüllen bzw. einzelne Punkte im Antrag mit unwahren Angaben auszufüllen oder eben mit "nein" zu beantworten, nicht richtig seien. Daraufhin sei der erstinstanzliche Bescheid erlassen worden.
Unbestritten sei, dass in sämtlichen Betreuungsvereinbarungen das Studium angeführt sei.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass im Hinblick darauf, dass der Revisionswerber seit ein Studium als ordentlicher Hörer an der Uni Wien absolviere, er gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht als arbeitslos gelte. Die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelungen des § 12 Abs. 4 AlVG lägen im vorliegenden Fall aber nicht vor, da die lange Anwartschaft für die Arbeitslosigkeit nicht erfüllt sei. Somit sei die Notstandshilfe mangels Arbeitslosigkeit zu widerrufen.
Unstrittig sei, dass der Revisionswerber sein Studium in den Anträgen vom und vom nicht angegeben habe, sondern die Frage "Ich befinde mich in Ausbildung" mit "nein" beantwortet habe. Es sei dabei nicht von Relevanz, ob er davon ausgegangen sei, dass seine Betreuerin ohnehin von seinem Studium gewusst habe. Maßgeblich sei vielmehr, ob der fragliche Umstand in Beantwortung der Fragen im Antragsformular richtig und vollständig einbekannt oder dem Arbeitsmarktservice gleichzeitig oder durch rechtzeitig vor Anweisung des jeweiligen Leistungsanspruches in einer zumindest gleichwertigen Weise (z.B. durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung) mitgeteilt worden sei. Aus dem Leistungsakt sei nicht ersichtlich, dass er anlässlich seiner Antragstellungen eine Bestätigung seines Studiums vorgelegt habe. Daraus folge, dass der Rückforderungstatbestand für die Notstandshilfe gemäß § 25 Abs. 1 AlVG im Zeitraum bis erfüllt sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Das Bundesverwaltungsgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erklärte, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten.
Vorauszuschicken ist, dass für die Behandlung der vorliegenden Revision gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß gelten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gegen diesen Bescheid, inhaltlich aber nur gegen die Verpflichtung zur Rückzahlung der bereits empfangenen Zuschüsse gemäß § 25 AlVG, wendet sich die vorliegende Beschwerde.
2. Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Diese Bestimmung ist gemäß § 38 AlVG auch auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
3. Die sich aus der in § 25 Abs. 1 AlVG vorgesehenen Sanktionierung ergebende Verpflichtung von Antragstellern auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe, hinsichtlich maßgebender Tatsachen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, soll sicherstellen, dass der Behörde, die zahlreiche gleichartige Verfahren relativ rasch abzuwickeln hat, grundsätzlich die für den Leistungsanspruch maßgebenden Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zur Kenntnis gelangen. Der Rückforderungstatbestand "unwahre Angaben" liegt daher jedenfalls dann vor, wenn die Behörde in einem Antragsformular eine rechtserhebliche Frage stellt und diese Frage unrichtig oder unvollständig beantwortet wird. Da die Angaben zur Geltendmachung einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Antragsformular die Behörde in die Lage versetzen sollen, ihrerseits zu beurteilen, ob ein Anspruch besteht, ist das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem ein Antragsteller meint, die darin gestellten Fragen nicht vollständig oder richtig beantworten zu müssen, von ihm zu tragen (vgl. aus der wiederholt ergangenen hg. Rechtsprechung z.B. das Erkenntnis vom , 2011/08/0388, mwN). Es kommt daher beim Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz Fall 1 und 2 AlVG (unwahre Angaben, Verschweigen maßgebender Tatsachen) nach dem offenkundigen Zweck der Norm nicht darauf an, dass ein die Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde hätte leicht festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben im Antragsformular ohne Belang ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/08/0178, mwN).
Auch vom Revisionswerber unbestritten ist, dass er bei den verfahrensgegenständlichen Anträgen zur Geltendmachung seines Anspruches auf Notstandshilfe in den jeweiligen Antragsformularen die Absolvierung seines Studiums nicht angegeben bzw. die entsprechende Frage "Ich befinde mich in Ausbildung (... Hochschule ...) mit "nein" beantwortet hat.
Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass die "Betreuer" (der Revisionswerber legt nicht dar, ob es sich dabei um jene Betreuer handelt, die den Antrag entgegengenommen haben oder jene im Rahmen des weiteren Betreuungsverhältnisses) ihm zugesichert hätten, dass eine Beantwortung der Frage nach dem Studium nicht notwendig sei, da sich an seiner Situation nichts geändert habe, entfernt sich der Revisionswerber vom festgestellten Sachverhalt. Abgesehen davon lautete die Frage 10 auch nicht nach einer allfälligen Änderung seiner Situation, sondern ob er sich aktuell in Ausbildung befinde oder nicht.
Letztlich will der Revisionswerber darauf hinaus, dass seine Betreuer ohnehin von seinem Studium gewusst hätten und dieser Umstand auch in den Betreuungsvereinbarungen ihren Niederschlag gefunden habe. Dies ist, worauf der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur wiederholt verwiesen hat, jedoch unerheblich. Maßgeblich ist vielmehr, ob der fragliche Umstand in Beantwortung der Fragen im Antragsformular richtig und vollständig einbekannt oder dem Arbeitsmarktservice gleichzeitig oder doch rechtzeitig vor Anweisung des jeweiligen Leistungsanspruches in einer zumindest gleichwertigen Weise (z.B. durch Vorlage einer entsprechenden Bestätigung) mitgeteilt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/08/0388, mwN). Dass solches erfolgt wäre, behauptet der Revisionswerber indes nicht, weshalb die von der belangten Behörde ausgesprochene Rückforderung gemäß § 25 Abs. 1 AlVG nicht zu beanstanden ist.
Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der gemäß §§ 3 und 4 der VwGH-Aufwandersatzverordenung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014, auf "Übergangsfälle" weiter anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-90693