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VwGH vom 29.04.2015, Ro 2014/08/0030

VwGH vom 29.04.2015, Ro 2014/08/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision des nach deren Einbringung verstorbenen F F, nunmehr Verlassenschaft nach F F, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Mag. Markus Schlager, Notarsubstitut in 2620 Neunkirchen, Fabriksgasse 6, gegen den vom Ausschuss für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2013, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid widerrief die belangte Behörde gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG gegenüber dem Revisionswerber die Zuerkennung der Notstandshilfe für die Zeit vom bis , vom bis , vom bis und vom bis ; unter einem wurden gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG EUR 1.588,32 an unberechtigt empfangener Notstandshilfe zurückgefordert.

Begründend führte die belangte Behörde - nach Zitierung insbesondere des § 33 Abs. 2 und 3 AlVG, der §§ 2 und 5 der Notstandshilfeverordnung, des § 36a Abs. 1 bis 3 AlVG sowie der §§ 2 Abs. 3 und 29 EStG - aus, das zuständige Finanzamt habe dem Arbeitsmarktservice mit Schreiben vom bekannt gegeben, dass der Revisionswerber am EUR 10.000,-- und am EUR 25.000,-- von Herrn P. (dem Vermieter seines Geschäftslokals) "lukriert" habe. Dieser Betrag scheine auch in der Buchhaltung des Vermieters auf. Aus den vorgelegten Empfangsbestätigungen gehe hervor, dass der Revisionswerber von Herrn P. am einen Betrag in der Höhe von EUR 10.000,-


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und am einen Betrag in der Höhe von EUR 25.000,-
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an Ablösezahlungen erhalten habe, und zwar auf Grund der einvernehmlichen Auflösung des Mietvertrages im Juli 2009. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, gemäß § 4 Abs. 1 erster Satz VwGbk-ÜG erhobene Revision.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der durch einen Verfahrenshelfer vertretene Revisionswerber ist nach Einbringung der Revision verstorben. Der vom Bezirksgericht Baden mit Beschluss vom bestellte Verlassenschaftskurator hat dem Verwaltungsgerichtshof auf Anfrage mit Schreiben vom bekannt gegeben, dass er namens der Verlassenschaft in das Verfahren eintrete.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat nicht begründet, worauf sie den Widerruf der Notstandshilfe gestützt hat. Nur aus der Zitierung des § 33 Abs. 2 und 3 AlVG und der §§ 2 und 5 der Notstandshilfeverordnung lässt sich ableiten, dass der angenommene Widerrufsgrund offenbar das Nichtvorliegen einer Notlage war.

Notlage liegt gemäß § 33 Abs. 3 AlVG vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist.

Gemäß § 36 Abs. 1 AlVG hat der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nach Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Richtlinien über das Vorliegen einer Notlage im Sinn des § 33 Abs. 3 AlVG zu erlassen.

Das Einkommen des Arbeitslosen ist dabei gemäß § 36 Abs. 3 Abschnitt A. AlVG insoweit zu berücksichtigen, als das in einem Kalendermonat erzielte und ohne Auswirkung auf den Leistungsanspruch in diesem Kalendermonat gebliebene Einkommen im Folgemonat nach Abzug der zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwendungen auf die Notstandshilfe anzurechnen ist. Ausgenommen ist ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, das den der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat entsprechenden Betrag nicht übersteigt.

Diese Bestimmungen werden durch die Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, konkretisiert. Nach § 5 Abs. 1 erster Satz dieser Verordnung ist das Einkommen des Arbeitslosen, das er innerhalb eines Monats erzielt, nach Abzug der Steuern und sozialen Abgaben sowie des zur Erwerbung dieser Einkommen notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe, die im Folgemonat gebührt, anzurechnen.

Gemäß § 36a Abs. 2 AlVG ist Einkommen im Sinn dieses Bundesgesetzes das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG zuzüglich bestimmter Hinzurechnungen nach § 36a Abs. 3 AlVG und eines Pauschalierungsausgleichs nach § 36a Abs. 4 AlVG. Das Einkommen ist gemäß § 36a Abs. 5 Z 1 AlVG bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im Nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise nachzuweisen. Als monatliches Einkommen gilt gemäß § 36a Abs. 7 AlVG bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag.

Die Behörde ist bei ihrer Entscheidung über den Widerruf und die Rückforderung eines Notstandshilfebezugs an den Spruch des Einkommensteuerbescheides gebunden, wobei diese Regelung der Erleichterung des praktischen Vollzugs des AlVG in Bezug auf die dort geregelten Geldleistungen dient (vgl. das hg Erkenntnis vom , Zl 2008/08/0210, mwN).

Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid nicht vorliegt, kommt eine endgültige Bemessung der Notstandshilfe (sohin auch deren Berichtigung bzw. Widerruf und die Rückforderung des Überbezuges) grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. auch dazu das soeben zitierte Erkenntnis vom ).

Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides nicht festgestellt. Sie hat sich in ihrer tragenden Begründung lediglich auf eine Mitteilung des Finanzamtes berufen, ohne auch nur anzugeben, welcher Einkunftsart die darin genannten Zahlungen zuzuordnen wären. Es kann daher nicht beurteilt werden, ob diese Zahlungen überhaupt ein Einkommen im Sinn des § 36a AlVG bzw. des § 5 der Notstandshilfeverordnung dargestellt haben, was der Revisionswerber bestreitet (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0036).

Schon im Hinblick auf diesen Begründungsmangel war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Übergangsfälle" gemäß § 4 iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014 weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die "Pauschalgebühr" in Höhe von EUR 240,-- , da eine solche auf Grund der Gewährung der Verfahrenshilfe nicht zu entrichten war.

Wien, am