VwGH vom 16.05.2011, 2011/17/0099

VwGH vom 16.05.2011, 2011/17/0099

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde des J und der G G in S, vertreten durch Dr. Gerald Haas, Dr. Anton Frank, Mag. Ursula Schilchegger-Silber, Mag. Dr. Andreas Rabl, LL.M. und Dr. Andreas Auer M.B.L., Rechtsanwälte in 4600 Wels, Bauernstraße 9/WDZ 3, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens über die Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Sattledt in 4642 Sattledt, Marktplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit zwei Bescheiden des Bürgermeisters der Marktgemeinde Sattledt als Abgabenbehörde erster Instanz je vom wurden den beschwerdeführenden Parteien für näher bezeichnete Grundstücke Aufschließungsbeiträge für die öffentliche Verkehrsfläche der Gemeinde sowie für die gemeindeeigene Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlage gemäß den §§ 25 ff des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1994 vorgeschrieben. Eine dagegen erhobene Berufung wurde nach fruchtlosem Ablauf der Mängelbehebungsfrist mit Bescheid vom durch den Bürgermeister der Marktgemeinde Sattledt gemäß § 204 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung 1996 als zurückgezogen beurteilt. Einem Rechtsmittel gegen diesen Bescheid gab der Gemeinderat mit Bescheid vom keine Folge.

Später richteten die beschwerdeführenden Parteien ein mit datiertes Schreiben an das "Land OÖ., Baurechtsabteilung":

"Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages

Sehr geehrter Herr Mag. ...!

Uns wurde mit Bescheid der Marktgemeinde Sattledt vom der Aufschließungsbeitrag für die Grundstücke ... je KG

Sattledt ... vorgeschrieben.

Wir ersuchen um Aufrollung des Verfahrens, da im Ermittlungsverfahren zum oben genannten Bescheid gravierende Mängel vorherrschen, wobei z.B. nicht festgestellt wurde, dass es sich um eine wirtschaftliche Einheit handelt (z.B. der Gasversorgungstank, der Kanalanschluss und der Hausgarten für das

Wohnhaus ... befinden sich auf diesen Parzellen).

Ebenso wurde bereits mittels Bescheid der Erhaltungsbeitrag vorgeschrieben.

Mit der Bitte um positive Erledigung verbleiben wir

Mit freundlichen Grüßen ..."

Dieses Anbringen wurde von der Abteilung Raumordnung mit Erledigungen vom sowie vom behandelt.

Mit Schreiben vom sowie vom erklärten die beschwerdeführenden Parteien, dass sie eine bescheidmäßige Erledigung ihres oben wiedergegebenen Schreibens vom erwarteten, da dieses als ein Antrag auf Wiederaufnahme des Aufschließungsbeitragsverfahrens zu verstehen gewesen wäre.

Mangels Zuständigkeit wies das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom diesen Antrag ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig zurück, da gemäß § 69 Abs. 4 AVG die Entscheidung über eine Wiederaufnahme eines Verfahrens der Behörde zustehe, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen habe.

Daraufhin übermittelten die beschwerdeführenden Parteien (unter Anschluss des Textes des oben wiedergegebenen Schreibens vom ) ein mit datiertes Schreiben an die Marktgemeinde Sattledt in dem sie unter anderem die sofortige ersatzlose Aufhebung eines (mittlerweile als Grundlage einer Zwangsvollstreckung dienenden) Rückstandsausweises beantragten und ausführten, dass sie den Antrag auf Wiederaufnahme mit Schreiben vom beim Land Oberösterreich gestellt hätten. Wenn das Amt der Landesregierung damals die unzuständige Behörde gewesen sein sollte, wäre nach § 6 AVG der Wiederaufnahmeantrag unverzüglich der Marktgemeinde Sattledt weiterzuleiten gewesen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Sattledt vom wurde der Antrag vom auf Wiederaufnahme des Aufschließungsbeitragsverfahrens als unbegründet abgewiesen. Hiezu führte die Abgabenbehörde erster Instanz aus, dass gemäß § 303 Abs. 2 BAO der Antrag auf Wiederaufnahme binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt habe, bei der Abgabenbehörde einzubringen sei, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen habe. Die von den beschwerdeführenden Parteien als Wiederaufnahmswerber geltend gemachten Gründe seien diesen bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters der Marktgemeinde Sattledt vom bekannt gewesen. Der Wiederaufnahmeantrag sei von den Wiederaufnahmswerbern daher verspätet gestellt und schon aus diesem Grunde abzuweisen gewesen. Die Abgabenbehörde erster Instanz wies ergänzend daraufhin, dass der Wiederaufnahmeantrag auch deshalb unberechtigt sei, weil die Verjährungsfrist für die verfahrensgegenständliche Abgabe bereits abgelaufen sei; dem Wiederaufnahmsantrag stehe daher auch die Vorschrift des § 304 BAO entgegen.

Die dagegen von den beschwerdeführenden Parteien erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Berufungsbehörde vom als unbegründet abgewiesen.

Mit ihrem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Vorstellung, gestützt auf die §§ 303, 303a und 304 der Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet ab.

In ihrer Bescheidbegründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Antrag auf Wiederaufnahme nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Frist des § 303 Abs. 2 BAO und sohin als verspätet anzusehen sei. Der Berufungsbehörde sei beizustimmen, wenn sie zu dem Schluss gelange, dass die im gegenständlichen Verfahren relevierten Wiederaufnahmsgründe bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (der Bescheide) über die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages vom bekannt gewesen seien. Es erscheine "unwahrscheinlich und unglaubwürdig", dass die beschwerdeführenden Parteien nicht bereits im Rahmen der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages gewusst hätten, auf welchem Grundstück der Gasversorgungstank genau situiert sei und erst sechs Jahre nach Vorschreibung davon Kenntnis erlangt haben wollten. Laut dem im Vorstellungsakt aufliegenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels vom "müsste" sich der Standort des Flüßiggaslagers ohnehin auf dem bebauten Grundstück befinden. Auf welchem Grundstück nun tatsächlich der Gasversorgungstank situiert sei, sei im nunmehrigen Verfahren jedoch nicht prüfungsrelevant. Es sei nämlich auf Grund des Akteninhaltes widerlegt, dass die beschwerdeführenden Parteien erst im Jahr 2006 vom Gasversorgungstank Kenntnis erlangt hätten. Demnach habe der Umstand, welcher nunmehr als Basis für die beantragte Wiederaufnahme geltend gemacht werde, den beschwerdeführenden Parteien jedenfalls weit länger als drei Monate vor der Antragstellung bekannt sein müssen, weshalb die Prüfung der Frage, ob es sich bei den vorgebrachten überhaupt um taugliche Wiederaufnahmsgründe handle oder nicht, habe unterbleiben können.

Da der Antrag auf Wiederaufnahme des Aufschließungsbeitragsverfahrens "offensichtlich" außerhalb der vom Gesetz festgelegten und auch nicht verlängerbaren Frist von drei Monaten gestellt worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Die beschwerdeführenden Parteien bekämpfen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die Beschwerde wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, die beschwerdeführenden Parteien hätten von den als Wiederaufnahmsgrund herangezogenen Tatsachen bereits vor dem Sommer 2006 Kenntnis erlangt gehabt. Es kann indes dahingestellt bleiben, ob das Verfahren insoweit - wie die Beschwerde behauptet -

mangelhaft geblieben ist oder nicht, erweist sich doch der angefochtene Bescheid bereits aus anderen Erwägungen als nicht rechtswidrig.

Der zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Antragstellung hier noch anwendbare § 225 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung 1996, LGBl. Nr. 107/1996, lautet wie folgt (auszugsweise):

"(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

2. Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

3. der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der dafür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 ist binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

(3) ..."

Unbestritten ist, dass die beschwerdeführenden Parteien ihr mit datiertes Schreiben an das "Land OÖ, Baurechtsabteilung" gerichtet haben. Nach der Bestimmung des § 225 Abs. 2 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung 1996 ist jedoch der Antrag auf Wiederaufnahme bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Dies war - gleichfalls unbestritten - der Bürgermeister der Marktgemeinde Sattledt. Die beschwerdeführenden Parteien haben sich sohin - geht man davon aus, dass das Schreiben vom tatsächlich als Wiederaufnahmsantrag zu verstehen ist - an die unzuständige Behörde gewandt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bei fristgebundenen Anträgen - und um einen solchen handelt es sich bei dem vorliegenden Antrag auf Wiederaufnahme - in ständiger Rechtsprechung judiziert, trägt derjenige, der sich mit seinem Anbringen an eine unzuständige Behörde wendet, die damit verbundenen rechtlichen Nachteile, wenn auch der unzuständigen Behörde die Pflicht zur Weiterleitung des Anbringens auferlegt ist. Die Pflicht der unzuständigen Behörde zur unverzüglichen Weiterleitung bedeutet aber nicht, dass das Risiko des Einschreiters dann ausgeschaltet und daher seine an eine Frist gebundene Eingabe als rechtzeitig anzusehen wäre, wenn nach dem gegebenen Sachverhalt die sofortige Weiterleitung möglicherweise zur Folge gehabt hätte, dass das Schriftstück noch innerhalb der Frist bei der zuständigen Behörde eingelangt oder noch durch die - noch rechtzeitige - Übergabe des Schriftstücks an die Post zur Beförderung die Frist gewahrt geblieben wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/17/0348, mit weiteren Nachweisen; ähnlich etwa aus letzter Zeit der hg. Beschluss vom , Zl. 2010/07/0221).

Auch nach dem Beschwerdevorbringen erfuhr die Abgabenbehörde erster Instanz (der Bürgermeister der Marktgemeinde Sattledt) erst mit Schreiben vom vom gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag vom . Damit steht aber fest, dass jedenfalls die Frist von drei Monaten des § 225 Abs. 2 Oberösterreichische Landesabgabenordnung 1996 versäumt wurde.

Bei diesem Ergebnis war nicht weiter zu prüfen, ob die Wiederaufnahme etwa gemäß § 226 leg. cit. überhaupt zulässig gewesen wäre. Ebensowenig war zu prüfen, ob die als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachten Tatsachen überhaupt geeignet waren, einen im Spruch anders lautenden Bescheid im wiederaufzunehmenden Verfahren herbeizuführen (vgl. zur Frage des Vorliegens einer "untrennbaren wirtschaftlichen Einheit" näher etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/17/0210, mit weiteren Nachweisen).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von den beschwerdeführenden Parteien behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am