VwGH vom 30.05.2011, 2009/09/0053

VwGH vom 30.05.2011, 2009/09/0053

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des M S in W, vormals vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 3/08114/312 7274, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom (bei der Behörde erster Instanz eingelangt am ) beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für A., einen Staatsangehörigen von Bangladesch, für eine Tätigkeit als Taxilenker. Er führte aus, A. halte sich seit dem mit einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich auf und habe früher als Zeitungsverkäufer gearbeitet. Für die Tätigkeit seien spezielle Kenntnisse bzw. eine Ausbildung erforderlich, nämlich ein Taxilenkerausweis. Die formularmäßig gestellte Frage, ob die Vermittlung von Ersatzkräften erwünscht sei, wurde vom Beschwerdeführer mit "ja" beantwortet.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom wurde dieser Antrag gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG abgewiesen. Der vom Arbeitsmarktservice Österreich veröffentlichten Statistik über die Arbeitsmarktdaten und über die bewilligungspflichtig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer und Ausländerinnen zufolge sei die für das Bundesland Wien geltende Landeshöchstzahl von 66000 "zum letzten Statistikstichtag" um 19198 überschritten worden. Der Regionalbeirat habe die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht einhellig befürwortet. Voraussetzungen iSd § 4 Abs. 6 AuslBG, die trotz Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung ermöglichen würden, seien nicht erfüllt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass die Überschreitung der Landeshöchstzahl zur Kenntnis genommen werde. Allerdings sei der Statistikstichtag nicht bekanntgegeben worden. Die erstinstanzliche Behörde habe keine Ersatzkräfte angeboten. Darüber hinaus habe sich A. zum Zeitpunkt der Antragstellung über sieben Jahre lang in Österreich bewilligt aufgehalten. Seine Integration sei gegeben, zumal er die erforderliche Qualifikation, nämlich einen österreichischen Führerschein sowie einen Taxilenkerausweis als Befähigungsnachweis besitze und bereits kranken- und sozialversichert sei. Sein Asylverfahren sei noch nicht abgeschlossen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen. Sie führte begründend aus, A. weise keine Merkmale einer fortgeschrittenen Integration auf. Der Aufenthalt in einem laufenden Asylverfahren stelle keinen arbeitsrechtlichen Aufenthaltstitel dar. Für das Kalenderjahr 2009 seien vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit gemäß § 13 Abs. 1 Z. 3 AuslBG zur Sicherung der im § 12a Abs. 1 AuslBG definierten Bundeshöchstzahl mit Verordnung vom , BGBl. II Nr. 416/2008, die Höchstzahl für die beschäftigten und arbeitslosen Ausländer für das Bundesland Wien unter Bedachtnahme auf die regionale Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und auf die Anzahl der im betreffenden Bundesland beschäftigten und arbeitslosen Ausländer zahlenmäßig mit 66000 festgesetzt worden. Nach der vom Arbeitsmarktservice Österreich für Jänner 2009 mit Statistikstichtag - dieser sei stets der letzte Arbeitstag des Vormonats - veröffentlichten Statistik seien auf diese Höchstzahl 87.278 Ausländer anzurechnen, was eine Überschreitung der Landeshöchstzahl von 30,7 % bedeute. A. werde hinsichtlich seiner beabsichtigten Verwendung als Taxilenker keinem der im § 4 Abs. 6 AuslBG genannten Kriterien gerecht. Er weise als Asylwerber keine fortgeschrittene Integration im Bundesgebiet auf. Der von A. im Jahr 2001 gestellte Asylantrag sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom rechtskräftig abgewiesen worden. Die dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde sei abgewiesen worden. A. habe erst mit Ausstellung der Aufenthaltsberechtigungskarte vom wieder über den Status eines Asylwerbers verfügt. Er werde keinem der im § 4 Abs. 6 AuslBG genannten Kriterien gerecht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 101/2005, ist eine Beschäftigungsbewilligung, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulässt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen. Nach § 4b Abs. 1 AuslBG lässt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 4 Abs. 1) die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu, wenn für die vom beantragten Ausländer zu besetzende offene Stelle weder ein Inländer noch ein am Arbeitsmarkt verfügbarer Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, die beantragte Beschäftigung zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen auszuüben. Unter den verfügbaren Ausländern sind jene mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, Inhaber einer Arbeitserlaubnis, eines Befreiungsscheines oder eines Niederlassungsnachweises sowie EWR-Bürger (§ 2 Abs. 6) und türkische Assoziationsarbeitnehmer zu bevorzugen. Der Prüfung ist das im Antrag auf Beschäftigungsbewilligung angegebene Anforderungsprofil, das in den betrieblichen Notwendigkeiten eine Deckung finden muss, zu Grunde zu legen. Den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikationen hat der Arbeitgeber zu erbringen. Der Vorgang der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen nach dieser Bestimmung, ob eine zum Arbeitsmarkt zugelassene Arbeitskraft zur Verfügung steht, wird als Ersatzkraftprüfung bezeichnet.

Gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG dürfen nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen gemäß § 13 weitere Beschäftigungsbewilligungen nur dann erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 des § 4 leg. cit. vorliegen und

1. der Regionalbeirat die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung einhellig befürwortet oder

2. die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf seine fortgeschrittene Integration geboten erscheint oder

3. die Beschäftigung im Rahmen eines Kontingents gemäß § 5 ausgeübt werden soll oder


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4.
der Ausländer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 erfüllt oder
4a.
der Ausländer Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind (einschließlich Stief- und Adoptivkind) eines auf Dauer rechtmäßig niedergelassenen und beschäftigten Ausländers ist oder
5.
die Beschäftigung auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung ausgeübt werden soll oder
6.
der Ausländer einer Personengruppe angehört, die auch nach Überziehung der Bundeshöchstzahl zu einer Beschäftigung zugelassen werden darf (§ 12a Abs. 2).
Nach § 2 Abs. 5 AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 101/2005, gelten Ausländer als Schlüsselkräfte, die über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung oder über spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung verfügen und für die beabsichtigte Beschäftigung eine monatliche Bruttoentlohnung erhalten, die durchwegs mindestens 60 v.H. der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zuzüglich Sonderzahlungen zu betragen hat. Überdies muss mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
1.
Die beabsichtigte Beschäftigung hat eine besondere, über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung für die betroffene Region oder den betroffenen Teilarbeitsmarkt oder
2.
die beabsichtigte Beschäftigung trägt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze oder zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze bei oder
3.
der Ausländer übt einen maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Betriebes (Führungskraft) aus oder
4.
die beabsichtigte Beschäftigung hat einen Transfer von Investitionskapital nach Österreich zur Folge oder
5.
der Ausländer verfügt über einen Abschluss einer Hochschul- oder Fachhochschulausbildung oder einer sonstigen fachlich besonders anerkannten Ausbildung.
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren die Überschreitung der Landeshöchstzahl nicht bestritten und lediglich die Nichtangabe des Stichtags bemängelt. Dem hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid Rechnung getragen und festgestellt, dass es sich um den Statistikstichtag gehandelt habe. Das nunmehrige Beschwerdevorbringen, mit dem erstmals bestritten wird, dass die Landeshöchstzahl überschritten worden sei, verstößt gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot.
Die Tatsache der nicht einhelligen Befürwortung der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für die beantragte Arbeitskraft durch den Regionalbeirat iSd § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG wird in der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. A. verfügt über keine Niederlassungsbewilligung. Sein Aufenthalt in Österreich war seit dem Jahr 2001 nur auf Grund eines (am rechtskräftig abgewiesenen) Asylantrages rechtmäßig. Er hat in Österreich keine (unterhaltsberechtigten) Familienangehörigen. Es liegen weder eine besondere Eingliederung in die österreichische Gesellschaft noch familiäre Sorgepflichten vor. Seine Zulassung zu einer Beschäftigung ist nicht im Hinblick auf den Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten. Die belangte Behörde hat daher zutreffend verneint, dass die Beschäftigung des A. iSd § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG geboten erscheint (vgl. zu den Voraussetzungen für eine fortgeschrittene Integration im Sinne dieser Gesetzesstelle das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0234).
Ein möglicher Anwendungsfall von § 4 Abs. 6 Z. 4 AuslBG scheidet schon mangels einer Behauptung bzw. mangels Hinweisen aus dem Akt bezüglich des Vorliegens einer der im § 2 Abs. 5 Z. 1 bis 5 AuslBG genannten Voraussetzungen aus. Dass im Übrigen eine der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Z. 3, 4a, 5 oder 6 AuslBG vorgelegen sei, wurde vom Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde konkret behauptet und ist auch aus dem Akt nicht zu entnehmen.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerde war im vorliegenden Fall keine Prüfung der Arbeitsmarktlage gemäß § 4b Abs. 1 AuslBG (Ersatzkraftstellungsverfahren) erforderlich (vgl. zur Reihenfolge der Prüfung das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/09/0199), weil ein negativer Ausgang des Ersatzkraftstellungsverfahrens am Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Beschäftigungsbewilligung für A. nichts ändern würde.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am