VwGH vom 23.06.2010, 2007/06/0263

VwGH vom 23.06.2010, 2007/06/0263

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des HS in W, vertreten durch Dr. Christine Wolf, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Bräuhausgasse 63/7-8, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Linz vom , Vk 176/07-5, betreffend Ordnungswidrigkeit nach dem StVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 107 Abs. 1 Z. 10 StVG iVm §§ 26, 109 Z. 2 und 111 StVG die Ordnungsstrafe der Entziehung aller Vergünstigungen für die Dauer von drei Monaten verhängt. Begründend wurde ausgeführt, in seiner Beschwerde an die Vollzugskammer habe der Beschwerdeführer dargelegt, ihm stünde als gemäß § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachter der Vollzug in der Maßnahmenabteilung zu, sodass seine Weigerung, an einer gegen seine Person gerichteten ungerechtfertigten Maßnahme mitzuwirken, nicht strafwürdig sei. Mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Y vom sei der Beschwerdeführer des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15 Abs. 1 und 75 StGB schuldig erkannt worden. Hiefür sei er nach § 75 StGB zu einer zwölfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs. 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden. Seit werde er in der Justizanstalt X angehalten, zuletzt sei er im Haftraum 4 der Abteilung I/Gemeinschaft untergebracht gewesen. Am habe er sich geweigert, diesen ihm zugeteilten Haftraum zu beziehen, weil er auf der Unterbringung in einem Einzelhaftraum der Abteilung Maßnahmenvollzug beharrt habe, was aber auf Grund der Anzahl von Haftplätzen und der derzeit 50 auf Grund von Maßnahmen Untergebrachten nicht möglich sei. Bei seiner Weigerung habe der Beschwerdeführer, aufgeklärt über die Folgen einer Belagsverweigerung und auch nach Abmahnung, erklärt, er habe keine andere Möglichkeit, einen Einzelhaftraum zu erhalten. Er habe daher wissentlich und willentlich entgegen den Bestimmungen des StVG die Anordnung, den ihm zugewiesenen Haftraum zu beziehen, nicht befolgt. Insoweit sei der Sachverhalt unstrittig. Es bestehe kein allgemeines Recht auf Selbsthilfe durch Verweigerung des Gehorsams. Wenn Strafgefangene der Meinung seien, durch die Befolgung einer Anordnung in Rechten verletzt oder beeinträchtigt zu werden, stehe es ihnen frei, eine Beschwerde nach § 120 StVG zu erheben. Eine Selbsthilfe in dem Sinn stehe ihnen jedoch nicht zu. Die Nichtbefolgung begründe eine Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs. 1 Z. 10 StVG. Dem Untergebrachten stehe zur Durchsetzung seines Rechtes auf Vollzug in einer besonderen Abteilung gemäß § 158 Abs. 5 StVG das Ansuchen bzw. Beschwerderecht gemäß §§ 119 und 120 StVG zu, nicht aber das Recht, durch Verweigerung des Gehorsams sein Recht zu erzwingen. Die Entziehung von Vergünstigungen stelle eine der mildesten Ordnungsstrafen dar, eine Abmahnung gemäß § 108 Abs. 2 StVG bzw. ein Verweis schieden aus spezialpräventiven Gründen infolge der Beharrlichkeit des Beschwerdeführers in seiner Verweigerungshaltung aus, um ihn von künftigen Verfehlungen abzuhalten. Gleichfalls aus den genannten Gründen käme auch eine bedingte Nachsicht nicht in Frage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, ein normaler Strafvollzug sei vom Maßnahmenvollzug zu trennen. Anderenfalls wäre er in seinen Rechten verletzt und würde ein Widerspruch zu den materiellen Bestimmungen des Strafgesetzbuches vorliegen. Er habe bereits mehrere Male darauf hingewiesen und gebeten, ihn in eine Zelle, die den Voraussetzungen des Maßnahmenvollzuges entspreche, zu verlegen. Das sei ihm nicht gewährt worden. Durch die Nichttrennung der Vollzüge würde gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen und außerdem die Menschenwürde verletzt.

Gemäß § 107 Abs. 1 Z. 10 StVG begeht jener Strafgefangene eine Ordnungswidrigkeit, der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorsätzlich sonst den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 StVG zuwiderhandelt.

Gemäß § 26 Abs. 1 StVG haben die Strafgefangenen den Anordnungen der im Strafvollzug tätigen Personen Folge zu leisten. Sie dürfen die Befolgung von Anordnungen nur ablehnen, wenn die Anordnung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt oder die Befolgung dagegen verstoßen oder offensichtlich die Menschenwürde verletzen würde.

Das Recht, die Befolgung von Anordnungen gemäß § 26 Abs. 1 StVG abzulehnen, wenn sie gegen strafgesetzliche Vorschriften verstießen, wurde dem Art. 20 B-VG nachgebildet (vgl. dazu die Gesetzesmaterialien, abgedruckt bei Kunst , Strafvollzugsgesetz, 1979, S. 64).

Gemäß § 167 StVG gelten, soweit die §§ 164 bis 166 StVG nichts anderes bestimmen, die §§ 20 bis 129, 131 bis 135, 146 bis 150 und 152 für die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher dem Sinne nach.

Gemäß § 158 Abs. 1 StVG ist die Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher in den dafür besonders bestimmten Anstalten zu vollziehen, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird.

§ 158 Abs. 5 StVG sieht vor, dass die Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB auch in besonderen Abteilungen der Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen vollzogen werden darf.

Gemäß § 21 Abs. 1 StGB hat das Gericht jemanden, der eine Tat begeht, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und der nur deshalb nicht bestraft werden kann, weil er sie unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen hat, welcher auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, dass er sonst unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

Liegt eine solche Befürchtung vor, so ist gemäß § 21 Abs. 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher auch einzuweisen, wer, ohne zurechnungsunfähig zu sein, unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad eine Tat begeht, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist. In einem solchen Fall ist die Unterbringung zugleich mit dem Ausspruch über die Strafe anzuordnen.

Ein im Maßnahmenvollzug nach § 21 Abs. 2 StGB Untergebrachter hat ein subjektives Recht auf Unterbringung in einer dem Gesetz entsprechenden Vollzugsanstalt, das nicht davon abhängt, ob derartige Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/01/0018, und vom , Zl. 85/01/0118). In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde dementsprechend auch aus, dass sie mit Bescheid vom der Beschwerde des Beschwerdeführers, er werde seit entgegen § 158 Abs. 5 StVG im Normalvollzug angehalten, Folge gegeben und dem Anstaltsleiter aufgetragen habe, die Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB in einer besonderen Abteilung der Justizanstalt zu vollziehen, sowie festgestellt habe, dass der Untergebrachte bis zum in diesem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden sei.

Wie von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend dargelegt wurde, kann der Betreffende sein Recht auf einen Haftraum in einer Maßnahmenabteilung mit Beschwerde gemäß §§ 119 f StVG geltend machen. Eine darüber hinausgehende Möglichkeit der Weigerung, der hier gegenständlichen Anordnung Folge zu leisten, bestand im vorliegenden Fall nicht, da die Ausnahmen des § 26 Abs. 1 StVG nicht vorliegen: Weder verstößt die Anhaltung in einem Haftraum im Normalvollzug gegen die Menschenwürde, würde dies doch ansonsten für jeden Normalvollzug gelten. Noch stellt eine andere Anhaltung als eine dem § 21 StGB entsprechende einen Verstoß gegen das Kriminalstrafrecht dar, der unter gerichtlicher Strafdrohung stünde. Nur ein solcher Verstoß würde aber den Ausnahmetatbestand des § 26 Abs. 1 StVG verwirklichen (vgl. zu Art. 20 Abs. 1 B-VG, dem, wie dargelegt, § 26 Abs. 1 StVG insofern nachgebildet ist, Mayer , B-VG, 4. Auflage, S. 158, mwN).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am