VwGH vom 24.03.2011, 2009/09/0040
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2009/09/0052
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2009/09/0041 E
2009/09/0038 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden des E, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen die Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg 1. vom , Zl. LGSV/3/08115/2008, betreffend Versagung der Verlängerung eines Befreiungsscheines gemäß § 15a AuslBG (Zl. 2009/09/0040), 2. vom , Zl. LGSV/3/08115/2008 (Zl. 2009/09/0052), betreffend Versagung der Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c AuslBG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von je EUR 610,60 zuzüglich EUR 691,50 an Verhandlungsaufwand sowie an anteiligen Aufenthalts- und Fahrtkosten EUR 183,30, sohin insgesamt EUR 2.096,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen erstangefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Verlängerung eines Befreiungsscheines gemäß § 15a Abs. 1 AuslBG abgelehnt und ausgesprochen (Spruchpunkt 1), dass die Wirkung der Nichtverlängerung gemäß § 15a Abs. 2 AuslBG mit in Kraft trete.
Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice B (in der Folge: AMS) habe dem Beschwerdeführer im Jahr 2003 zwar einen Befreiungsschein ausgestellt, diesen jedoch nicht auf den Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80, sondern auf § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG gestützt. Für die Verlängerung seines Befreiungsscheines gemäß § 15a AuslBG sei entscheidend, ob der Beschwerdeführer rechtmäßig niedergelassen sei. Er sei bisher noch nie im Besitz einer Niederlassungsbewilligung gewesen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen zweitangefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Ausstellung eines Befreiungsscheines nach § 4c Abs. 2 AuslBG iVm Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich, und Art. 7 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Beschlusses des Assoziationsrates Nr. 1/80 vom über die Entwicklung der Assoziation (EWG-Türkei - Assoziationsabkommen) abgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei vom bis zum in einem Gasthof in L. und vom bis zum bei einem Gastronomieunternehmen in B. als Arbeiter beschäftigt gewesen. Ihm sei im Jahr 2003 gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG ein vom bis zum gültiger Befreiungsschein ausgestellt worden. Er sei noch nie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gewesen. Gegen ihn bestehe seit dem eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung. Hinsichtlich der Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz (Gedankenstrich) ARB Nr. 1/80 sei von Bedeutung, dass er zwar während der oben genannten Versicherungszeiten auf Grund eines gültigen Befreiungsscheines gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG beschäftigt, jedoch noch nie im Besitz eines Aufenthaltstitels für das Bundesgebiet gewesen sei. Er befinde sich bis zum heutigen Zeitpunkt ohne gesichertes Aufenthaltsrecht in Österreich. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung iSd Art. 6 ARB Nr. 1/80 liege nur vor, wenn alle für die Berufsausübung erforderlichen Genehmigungen - sowohl arbeitsrechtlich als auch aufenthaltsrechtlich - vorhanden seien. Da der Beschwerdeführer weder als Familienangehöriger die Genehmigung erhalten habe, zu seinem in Österreich dem regulären Arbeitsmarkt angehörenden Vater zu ziehen, noch jemals im Besitz eines Aufenthaltstitels gewesen sei, könne ihm auch Art. 7 ARB Nr. 1/80 keinen freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung ermöglichen. Er sei weder nach Art. 6 noch nach Art. 7 ARB Nr. 1/80 assoziationsintegriert. Daher sei auf die von ihm abgeleiteten und auf das Gemeinschaftsrecht bezogenen Schlussfolgerungen nicht einzugehen. Sein Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung sei abgewiesen worden. Gemäß § 10 Abs. 1 NAG würden Aufenthaltstitel und Dokumentationen des Aufenthalts- und Niederlassungsrechts ungültig, wenn gegen Fremde ein Aufenthaltsverbot oder eine Ausweisung durchsetzbar oder rechtskräftig werde. Solche Fremde würden ihr Recht auf Aufenthalt verlieren. Da gegen den Beschwerdeführer seit dem eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung vorliege, sei ein Aufenthaltstitel - selbst wenn der Beschwerdeführer über einen solchen verfügt hätte - ungültig geworden. Er sei nicht befugt, eine unselbständige Beschäftigung in Österreich aufzunehmen und auszuüben.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit dem Begehren, den jeweils angefochtenen Bescheid als rechtswidrig aufzuheben. Am teilte der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof unter Wiederholung seiner Anträge mit, dass ihm die Bezirkshauptmannschaft Bregenz am in Anerkennung seines Aufenthaltsrechtes eine Niederlassungsbewilligung - beschränkt erteilt habe.
Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie die Abweisung der Beschwerden beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges wegen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass die "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" (§ 8 Abs. 2 Z. 4 NAG) für die Zeit ihrer Gültigkeit vom bis zum die Möglichkeit eröffnet hätte, dem Beschwerdeführer bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 iVm § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG einen Befreiungsschein auszustellen. Der genannte Titel verschafft ihm jedoch keinen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, der nach § 17 AuslBG zur Ausübung einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet berechtigen würde. Die vorliegenden Verfahren sind daher nicht gegenstandslos geworden.
§ 4c AuslBG in der hier maßgeblichen Fassung
BGBl. I Nr. 78/1997 lautet:
"Türkische Staatsangehörige
§ 4c. (1) Für türkische Staatsangehörige ist eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei - ARB - Nr. 1/1980 erfüllen.
(2) Türkischen Staatsangehörigen ist von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen.
(3) Die Rechte türkischer Staatsangehöriger auf Grund der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben unberührt. Für die Verfahrenszuständigkeit und die Durchführung der Verfahren gemäß Abs. 1 und 2 gelten, soweit dem nicht Bestimmungen des ARB Nr. 1/1980 entgegenstehen, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."
Art. 6 und 7 des ARB Nr. 1/1980 lauten:
"Artikel 6
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat
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- | nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt; |
- | nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben; |
- | nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis. |
(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.
(3) Die Einzelheiten der Durchführungen der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.
Artikel 7
Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben; |
- | haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. |
Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war." | |
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe als Sohn eines "assoziationsintegrierten türkischen Staatsbürgers" in Österreich die Schule besucht. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice B habe ihm mit Bescheid vom "in Anerkennung seiner Assoziationsintegration und Aufenthaltsverfestigung nach Art. 7 ARB 1/80 einen Befreiungsschein (...) ausgestellt". Die durch den Assoziationsratsbeschluss verliehenen Rechte stünden unabhängig davon zu, ob die Behörden des Aufnahmemitgliedstaates ein spezielles Verwaltungsdokument wie eine Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis ausgestellt haben." Der Befreiungsschein wäre daher ohne Weiteres zu verlängern gewesen. | |
Diese Auffassung steht mit der Rechtslage nicht im Einklang. Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/1980 spricht den türkischen Arbeitnehmer an, der dem "regulären Arbeitsmarkt" angehört. Die Verleihung der in Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/1980 verankerten Rechte setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaates über die Einreise in das Hoheitsgebiet und die Ausübung einer Beschäftigung beachtet hat (vgl. das (Birden), Rz 48). Dass ein solcher Arbeitnehmer im Aufnahmestaat eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Nr. 1/1980 ausgeübt hat, setzt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus (vgl. nochmals EuGH C-1/97 (Birden), Rz 55, und das (Akmann), Rz 50; vgl. weiters die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/21/0195, und vom , 2004/21/0328). | |
Art. 7 ARB Nr. 1/1980 sieht vor, dass türkische Staatsangehörige, die sich rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, das Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung haben. Dies gilt für alle Familienangehörigen, die dort seit einer bestimmten Zeit aufgrund der Zusammenführung mit einem türkischen Arbeitnehmer ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben (Satz 1), und für die Kinder eines solchen Arbeitnehmers unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts, sofern sie eine Berufsausbildung in dem Staat abgeschlossen haben, in dem ein Elternteil für eine bestimmte Zeit beschäftigt war (Satz 2). Die in Art. 7 ARB Nr. 1 /1980 genannten ordnungsgemäßen Wohnsitzzeiten von bestimmter Dauer setzen zwangsläufig voraus, dass die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, im Aufnahmemitgliedstaat zu ihm zu ziehen, während dieser Zeit ein Aufenthaltsrecht haben (vgl. das (Kadiman), Rz 29). | |
Der Beschwerdeführer hat bisher weder unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/1980 noch unter dem des Art. 7 ARB Nr. 1/1980 ein Aufenthaltsrecht besessen. Seine Beschwerde gegen den rechtskräftigen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , mit dem sein Antrag auf Erteilung einer (Erst | )Niederlassungsbewilligung abgewiesen worden ist, wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2004/21/0187 bis 0190, als unbegründet abgewiesen. Mit rechtskräftigem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom wurde er gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 rechtskräftig ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/21/0030, als unbegründet abgewiesen. Mit der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung stand auch bindend fest, dass der Beschwerdeführer auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0094, mwN). Entgegen der Beschwerdeauffassung ist die belangte Behörde nicht "verpflichtet gewesen über das Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers eigene Überlegungen anzustellen", denn wurde ein Aufenthaltsrecht rechtskräftig verneint, so kann die Frage nach seinem Bestehen auch dann nicht neuerlich aufgeworfen werden (§ 38 AVG), wenn es sich unmittelbar (konstitutiv) aus dem Unionsrecht ergeben würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0008, mwN). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, rechtskräftig ausgewiesen worden zu sein. Seine, eine diesbezügliche Verletzung des rechtlichen Gehörs betreffende, Verfahrensrüge geht daher ins Leere. Soweit er sich auf das (Ciola), beruft, ist er gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0008, zu verweisen. |
Aus der Ausstellung des Befreiungsscheines im Jahr 2003 kann der Beschwerdeführer keine Rechte ableiten, weil seine Beschäftigungszeiten nicht als ordnungsgemäß im Sinne des ARB Nr. 1/1980 anzusehen sind, solange nicht endgültig fest steht, dass ihm während dieses Zeitraums ein Aufenthaltsrecht von Rechts wegen zustand (vgl. das (Kol), Rz 24). | |
Da der Beschwerdeführer sohin die Voraussetzungen nach Art. 6 und Art. 7 ARB Nr. 1 /1980 (Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts) nicht erfüllt, liegen weder die Voraussetzungen für eine Ausstellung noch für die Verlängerung eines Befreiungsscheines für türkische Staatsangehörige im Sinne des § 4c Abs. 2 AuslBG vor. | |
Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführer seine Anträge im Sinne des § 4c Abs. 3 AuslBG auf sonstige Bestimmungen des AuslBG stützen kann. | |
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer das Schuljahr 2002/2003 (das letzte volle Schuljahr vor Beendigung seiner Schulpflicht) als außerordentlicher Schüler der 9b-Klasse einer polytechnischen Schule in Österreich besucht hat. Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 AuslBG in der im damaligen Zeitraum geltenden Fassung BGBl. I Nr. 126/2002 war einem Ausländer, sofern er noch keinen Niederlassungsnachweis hatte, auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn er das letzte volle Schuljahr vor Beendigung seiner Schulpflicht gemäß dem Schulpflichtgesetz in Österreich absolviert hatte, über eine Niederlassungsbewilligung verfügte und wenigstens ein niedergelassener Elternteil während der letzten fünf Jahre mindestens drei Jahre im Bundesgebiet erwerbstätig war. Dem Beschwerdeführer wurde im Jahr 2003 ein vom bis zum gültiger Befreiungsschein ausgestellt. | |
§ 15 AuslBG lautet in der für die vorliegenden Anträge vom maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 78/2007: | |
"Befreiungsschein | |
Voraussetzungen |
§ 15. (1) Einem Ausländer, der noch keinen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat (§ 17), ist auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn er
1. während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war und rechtmäßig niedergelassen ist oder
2. das letzte volle Schuljahr vor Beendigung seiner Schulpflicht gemäß dem Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76, in Österreich absolviert hat, rechtmäßig niedergelassen ist und wenigstens ein niedergelassener Elternteil während der letzten fünf Jahre mindestens drei Jahre im Bundesgebiet erwerbstätig war oder
3. bisher gemäß § 1 Abs. 2 lit. l und m nicht dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterlegen und weiterhin rechtmäßig niedergelassen ist oder
4. Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind (einschließlich Stief- und Adoptivkind) eines Ausländers gemäß Z 1 bis 3 und bereits zwölf Monate rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist.
(2) Der Lauf von Fristen nach Abs. 1 wird durch Zeiten, in denen der Ausländer in seinem Heimatstaat den Wehrdienst oder den Wehrersatzdienst abgeleistet hat, gehemmt.
(3) Die Voraussetzung der dreijährigen Erwerbstätigkeit eines niedergelassenen Elternteils gemäß Abs. 1 Z 2 entfällt, wenn der erwerbstätige Elternteil verstorben ist.
(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 101/2005)
(5) Der Befreiungsschein ist für fünf Jahre auszustellen.
(6) Der Ablauf des Befreiungsscheines wird während der Dauer eines Lehrverhältnisses, während der gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Verpflichtung zur Weiterverwendung oder bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' oder eines Aufenthaltstitels 'Daueraufenthalt-EG' gehemmt."
§ 15a AuslBG lautet in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I
Nr. 101/2005:
"Verlängerung
§ 15a. (1) Der Befreiungsschein ist zu verlängern, wenn die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 15 Abs. 1 vorliegen oder der Ausländer während der letzten fünf Jahre mindestens zweieinhalb Jahre im Bundesgebiet gemäß diesem Bundesgesetz beschäftigt (§ 2 Abs. 2) war und rechtmäßig niedergelassen ist. Es gelten die Hemmungsgründe des § 15 Abs. 2.
(2) Wird ein Antrag auf Verlängerung eines Befreiungsscheines vor dessen Ablauf eingebracht, gilt dieser bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag als verlängert."
Da auch diese Bestimmungen die rechtmäßige Niederlassung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet voraussetzen, hat der Beschwerdeführer nach denselben weder einen Anspruch auf Ausstellung eines Befreiungsscheines noch Anspruch auf Verlängerung seines ihm im Jahr 2003 erteilten Befreiungsscheines.
Der Beschwerdeführer bringt schließlich vor, dass § 15a AuslBG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 101/2005 nicht das Erfordernis enthalten habe, dass der Beschwerdeführer für eine Verlängerung des Befreiungsscheins rechtmäßig niedergelassen sein müsse. Nach alter Rechtslege hätte der erstangefochtene Bescheid so nicht ergehen können. Es stelle sich die Frage, ob diese Verschlechterung der Rechtslage gegen ein türkisches Gastarbeiterkind der zweiten Generation gemeinschaftsrechtskonform und damit verfassungsrechtlich zulässig sei. Es sei "also vollkommen klar: Art. 41 des ZP zum Ankaraabkommen verbietet jede Verschlechterung der innerstaatlichen Rechtslage." Die verschärfte Rechtsgrundlage sei wegen Unvereinbarkeit mit der "stand-still-Verpflichtung" unwirksam. In seinem Urteil vom in der Rechtssache Metock, C-127/08 habe der Europäische Gerichtshof mit letzter Klarheit ausgesprochen, "dass jede Verschlechterung des gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrechts unzulässig ist." Der "dramatische Rückschritt des Ausländerbeschäftigungsrechts steht damit im Widerspruch zur Stillhalteverpflichtung des Assoziationsrecht Türkei." Die Verschärfung der Rechtslage verkehre "die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (Beschäftigungsrecht bedingt Aufenthaltsrecht, Urteil Eroglu vom , Rs. C-355/93, (...) Spruchpunkt 2) in ihr präzises Gegenteil."
Auch mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:
Zum Argument des Beschwerdeführers, dass ein Beschäftigungsrecht ein Aufenthaltsrecht bedinge, ist zunächst auf die obigen Ausführungen zu verweisen, wonach der Beschwerdeführer -
anders als die türkische Staatsangehörige im zitierten Urteil Eroglu - die tatbestandlichen Voraussetzungen des ARB Nr. 1/1980, insbesondere die des Art. 7 Abs. 2, nicht erfüllt.
Das am in Brüssel unterzeichnete und mit der Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom (ABl. L 293, S. 1) im Namen der Gemeinschaft geschlossene, gebilligte und bestätigte Zusatzprotokoll (im Folgenden: Zusatzprotokoll), ist nach seinem Art. 62 Bestandteil des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei, das am in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und im Namen der Gemeinschaft durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685, im Folgenden: Assoziierungsabkommen) geschlossen, gebilligt und bestätigt wurde. Nach Artikel 36 des Zusatzprotokolls legt der Assoziationsrat die für eine schrittweise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei erforderlichen Regeln nach den Grundsätzen des Artikels 12 des Assoziierungsabkommens fest. Der Assoziationsrat erließ aufgrund dieses Zusatzprotokolls u.a. den Beschluss Nr. 1/80 vom , der am in Kraft trat (ARB Nr. 1/1980).
Die Art. 36 bis 42 des Zusatzprotokolls (Titel II) lauten
samt Überschriften:
"Titel II
Freizügigkeit und Dienstleistungsverkehr
Kapitel I
Arbeitskräfte
Artikel 36
Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei wird nach den Grundsätzen des Artikels 12 des Assoziierungsabkommens zwischen dem Ende des zwölften und dem Ende des zweiundzwanzigsten Jahres nach dem Inkrafttreten des genannten Abkommens schrittweise hergestellt.
Der Assoziationsrat legt die erforderlichen Regeln fest. Artikel 37
Jeder Mitgliedstaat sieht für die in der Gemeinschaft beschäftigten Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit eine Regelung vor, die in bezug auf die Arbeitsbedingungen und das Entgelt keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung gegenüber Arbeitnehmern enthält, die Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten sind.
Artikel 38
Bis zur schrittweisen Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei kann der Assoziationsrat alle Fragen im Zusammenhang mit der geographischen und beruflichen Mobilität der Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit, insbesondere der Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen prüfen, um die Beschäftigung dieser Arbeitnehmer in jedem Mitgliedstaat zu erleichtern.
Zu diesem Zweck kann der Assoziationsrat Empfehlungen an die Mitgliedstaaten richten.
Artikel 39
(1) Der Assoziationsrat erläßt vor dem Ende des ersten Jahres nach Inkrafttreten dieses Protokolls Bestimmungen auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit, die von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu- oder abwandern, sowie für deren in der Gemeinschaft wohnenden Familien.
(2) Diese Bestimmungen müssen es ermöglichen, daß für Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit die in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten in bezug auf Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsrenten sowie auf die Krankheitsfürsorge für den Arbeitnehmer und seine in der Gemeinschaft wohnende Familie nach noch festzulegenden Regeln zusammengerechnet werden. Mit diesen Bestimmungen dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft nicht verpflichtet werden, die in der Türkei zurückgelegten Zeiten zu berücksichtigen.
(3) Die genannten Bestimmungen müssen die Zahlung der Familienzulagen für den Fall sicherstellen, daß die Familie des Arbeitnehmers in der Gemeinschaft wohnhaft ist.
(4) Für die Alters-, Hinterbliebenen- und Invaliditätsrenten, die auf Grund von nach Absatz 2 erlassenen Bestimmungen erworben wurden, muß die Möglichkeit einer Ausfuhr in die Türkei bestehen.
(5) Die in diesem Artikel genannten Bestimmungen beeinträchtigen die sich aus den bilateralen Abkommen zwischen der Türkei und den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ergebenen Rechte und Pflichten insoweit nicht, als solche Abkommen für türkische Staatsangehörige eine günstigere Regelung vorsehen.
Artikel 40
Der Assoziationsrat kann an die Mitgliedstaaten und an die Türkei Empfehlungen zur Förderung des Austausches junger Arbeitskräfte richten; er läßt sich dabei von den Maßnahmen leiten, die den Mitgliedstaaten in Durchführung des Artikels 50 des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft getroffen werden.
Kapitel II
Niederlassungsrecht, Dienstleistungen und Verkehr Artikel 41
(1) Die Vertragsparteien werden untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen.
(2) Der Assoziationsrat setzt nach den Grundsätzen der Artikel 13 und 14 des Assoziierungsabkommens die Zeitfolge und die Einzelheiten fest, nach denen die Vertragsparteien die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs untereinander schrittweise beseitigen.
Der Assoziationsrat berücksichtigt bei der Festsetzung der Zeitfolge und der Einzelheiten für die verschiedenen Arten von Tätigkeiten die entsprechenden Bestimmungen, welche die Gemeinschaft auf diesen Gebieten bereits erlassen hat, sowie die besondere wirtschaftliche und soziale Lage der Türkei. Die Tätigkeiten, die in besonderem Maße zur Entwicklung der Erzeugung und des Handelsverkehrs beitragen, werden vorrangig behandelt.
Artikel 42
(1) Der Assoziationsrat dehnt die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft, die den Verkehr betreffen, entsprechend den von ihm vor allem unter Berücksichtigung der geographischen Lage der Türkei festgelegten Einzelheiten auf die Türkei aus. Er kann unter den gleichen Bedingungen die Akte, welche die Gemeinschaft zur Durchführung dieser Bestimmungen für den Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr erlassen hat, auf die Türkei ausdehnen.
(2) Erläßt die Gemeinschaft auf Grund von Artikel 84 Absatz 2 des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft Bestimmungen für die Seeschiffahrt und die Luftfahrt, so bestimmt der Assoziationsrat, ob, in welchem Umfang und nach welchem Verfahren Bestimmungen für die türkische Seeschiffahrt und Luftfahrt erlassen werden können."
Das Zusatzprotokoll ist für Österreich mit dem Beitritt zur EU, also mit in Kraft getreten. Art. 41 des Zusatzprotokolls regelt nach seinem Wortlaut und seinem systematischen Zusammenhang neue Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs. Regelungen betreffend den Zugang zum Arbeitsmarkt fallen nicht darunter. Damit erweist sich die diesbezügliche Argumentation des Beschwerdeführers als verfehlt.
Die die Freizügigkeit der Arbeitnehmer betreffenden Art. 36 bis 40 des Zusatzprotokolls enthalten keine Stillhalteklausel. Ein die Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt betreffendes Verschlechterungsverbot wurde erst durch den ARB Nr. 1/1980 geschaffen. Gemäß Art. 13 ARB Nr. 1/1980 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Auf diese Stillhalteklausel kann sich der Beschwerdeführer indes nicht berufen, weil er - wie oben ausgeführt - die tatbestandlichen Voraussetzungen des ARB Nr. 1/1980 nicht erfüllt (vgl. die und C-369/01, Abatay und Sahin, Rz 84, sowie vom , C-300/09 und C-301/09, Toprak).
Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-90601