VwGH vom 17.08.2010, 2007/06/0236

VwGH vom 17.08.2010, 2007/06/0236

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der Q KG in X, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Stadt Graz vom , Zl. 048399/2004-5, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Baubewilligung für einen Zubau betreffend Kundensafe und Einzelhandelswagenremise sowie für einen Windfang, beides beim bestehenden Einkaufszentrum auf Grundstück Nr. 349/7, EZ 1663, KG Y.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz vom wurde das Ansuchen um Baubewilligung abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, das Objekt liege nach dem Flächenwidmungsplan im Kern-, Büro- und Geschäftsgebiet mit allgemeinem Wohngebiet (Nutzungsüberlagerung), ausgenommen Einkaufszentren. Das Bauvorhaben würde eine Erweiterung des bestehenden Einkaufszentrums darstellen. Da im Flächenwidmungsplan die Errichtung und damit auch die Erweiterung eines Einkaufszentrums ausgeschlossen worden sei, sei das Ansuchen abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, der mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht stattgegeben wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, Gegenstand des Verfahrens sei die Errichtung eines Zubaues zum bestehenden Einkaufszentrum in Form eines Windfanges für Kundensafes und einer Einzelhandelswagenremise im Ausmaß von 29,29 m2. Beim gegenständlichen Betrieb handle es sich um ein Großhandelsunternehmen mit einer Gesamtbetriebsfläche von über

4.500 m2, das in seinem Warensortiment auch Lebensmittel führe. Es handle sich damit um ein Einkaufszentrum I. Der Zubau würde eine Vergrößerung des Einkaufszentrums mit sich bringen und sei, da nach dem Flächenwidmungsplan auf dem Bauplatz sowohl die Errichtung als auch die Vergrößerung des Einkaufszentrums unzulässig sei, nicht genehmigungsfähig.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 107/06-6, ablehnte. Mit Beschluss vom , B 107/06-8, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof ab.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof die Verletzung in ihrem Recht auf Erlangung einer Baubewilligung geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des in Beschwerde gezogenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass, unbeschadet der Ablehnung der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof, eine Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes vorliege. Der Flächenwidmungsplan 3.0 sei mit in Kraft getreten. Dabei habe es keine Übergangsbestimmungen und keine Bedachtnahme auf Altbestände gegeben, was verfassungswidrig sei. Außerdem sei auf den Flächenwidmungsplan die Novelle LGBl. Nr. 20/2003 zum Steiermärkischen Raumordnungsgesetz 1974 (ROG), die am in Kraft getreten sei, noch nicht anzuwenden gewesen. Ausschlussbegründend für Einkaufszentren habe daher nur ein Widerspruch zu den Raumordnungsgrundsätzen im Sinne des § 3 ROG sein können. Außerdem handle es sich im vorliegenden Fall nicht um die Neuerrichtung eines Einkaufszentrums, sondern lediglich um einen Zubau an ein solches.

Nach dem Flächenwidmungsplan 3.0/2002, Beschluss des Gemeinderates vom , in Kraft getreten am , ist die gegenständliche Liegenschaft als Kerngebiet und allgemeines Wohngebiet ausgewiesen, zusätzlich mit dem Ausschluss der Errichtung von Einkaufszentren (vgl. die Anlage zur Planzeichenverordnung, LGBl. Nr. 78/1979).

Gemäß § 23a Abs. 6 ROG idF der Novelle LGBl. Nr. 20/2003 sind die Errichtung, Erweiterung oder Änderung von Einkaufszentren nur in bestimmten Gebieten zulässig.

Gemäß § 23a Abs. 11 ROG idF der Novelle LGBl. Nr. 20/2003 kann durch den Flächenwidmungsplan in Gebieten gemäß § 23 Abs. 5 lit. c (Kerngebieten) in Gemeinden, in denen auf Grund ihrer zentralörtlichen Einstufung Einkaufszentren zulässig sind, nach Maßgabe des örtlichen Entwicklungskonzeptes die Errichtung von Einkaufszentren ausgeschlossen werden.

(Bemerkt wird, dass schon vor der Novelle LGBl. Nr. 20/2003 gemäß § 23 Abs. 8 ROG idF der Novelle LGBl. Nr. 41/1991 die Errichtung, Erweiterung oder Änderung von Einkaufszentren nach Maßgabe des Entwicklungsprogramms zur Versorgungsinfrastruktur ebenfalls nur in bestimmten Gebieten zulässig waren. Gemäß § 23 Abs. 11 lit. a ROG idF vor der Novelle LGBl. Nr. 20/2003, das war die Fassung LGBl. Nr. 39/1986, konnte durch den Flächenwidmungsplan in bestimmten Gebieten die Errichtung von Einkaufszentren ausgeschlossen werden, wenn sonst den Raumordnungsgrundsätzen gemäß § 3 leg. cit. oder dem § 10 Z. 8 leg. cit. widersprochen würde.)

Wie sich somit aus der Gesetzeslage (sowohl vor der Novelle LGBl. Nr. 20/2003 als auch nach dieser Novelle) ergibt, unterscheidet das Gesetz innerhalb jeweils ein und desselben Paragraphen in Bezug auf Einkaufszentren eindeutig zwischen deren Errichtung einerseits und deren Erweiterung andererseits, wobei der Flächenwidmungsplan in den Gebieten, in denen Einkaufszentren zulässig sind, zwar deren Errichtung ausschließen kann, nicht aber die Erweiterung bereits bestehender Einkaufszentren. Keine andere Bedeutung kann dem Flächenwidmungsplan 3.0/2002 beigemessen werden: Wenn dieser (lediglich in seinem Begründungsteil im Punkt 8.1.7) vom "Ausschluss von Einkaufszentren" spricht, kann, auch entsprechend den Bezeichnungen in der Anlage zur Planzeichenverordnung LGBl. Nr. 78/1979, damit gesetzeskonform nur die Errichtung von Einkaufszentren gemeint sein, nicht aber deren Erweiterung. Das somit erzielte Ergebnis liegt auch auf der Linie des Grundsatzes der Baufreiheit, der aus dem Grundrecht auf Eigentum erfließt und bedeutet, dass baurechtlich relevante Normen im Zweifel im Sinne der Baufreiheit auszulegen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0095).

Es kann dahingestellt bleiben, ob unbeschadet dessen eine Begrenzung der Erweiterung eines Einkaufszentrums anzunehmen ist, zumal es wohl nicht so sein kann, dass durch eine "Erweiterung" eine Fläche in Anspruch genommen würde, die bereits ihrerseits als solche ein "neues" Einkaufszentrum begründen würde. Jedenfalls im vorliegenden Fall eines Zubaues von ca. 30 m2 an ein bestehendes Einkaufszentrum von 4.500 m2 ist aber nicht von einer "Errichtung eines Einkaufszentrums" auszugehen, die auf Grund der Flächenwidmung verboten wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am