Suchen Hilfe
VwGH 31.03.2009, 2007/06/0235

VwGH 31.03.2009, 2007/06/0235

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauRallg;
VwRallg;
RS 1
Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer Verletzung mit Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent, d.h. die Geltendmachung der Verletzung eines subjektiven Rechtes. Eine Einwendung im Rechtssinne liegt also nur vor, wenn das Vorbringen eine Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Es muss gefordert werden, dass wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers wendet, welche Rechtsverletzung behauptet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0261).
Normen
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
RS 2
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, sind Parteienerklärungen im Zweifel nicht so auszulegen, dass ein von vorneherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/21/0079).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der ES in X, vertreten durch Mag. Gottfried Stoff, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 15, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. 030515/2006/8, betreffend Zurückweisung der Berufung mangels Parteistellung (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. AH, 2. Dipl. Ing. Dr. TH, beide in X), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligten beantragten mit Ansuchen vom (eingelangt beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz am ) die Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für die Errichtung eines Carports (zwei Stellplätze) und einer Außenterrasse auf dem Grundstück .436, KG. S.

Die Kundmachung betreffend die Bauverhandlung (am ) vom  mit dem Hinweis auf den gemäß § 27 Abs. 1 Stmk. BauG eintretenden Verlust der Parteistellung, soweit nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG erhoben werden, wurde der Beschwerdeführerin persönlich zugestellt.

Die Beschwerdeführerin machte in der Bauverhandlung geltend, dass an ihrer Grundstücksgrenze ein Carport errichtet werde, das die Höhe von 3,0 m und auch die Fläche von 40 m2 überschreite. Durch die errichtete Steinmauer entstehe ein Wertverlust ihres Hauses und das Ortsbild werde beeinträchtigt.

Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz erteilte den Mitbeteiligten mit Bescheid vom die baurechtliche Bewilligung zur plan- und beschreibungsgemäßen Errichtung eines Carports, einer Außenterrasse und zwei Steinmauern auf dem angeführten Grundstück unter Vorschreibung von Auflagen.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück. Sie habe in der Bauverhandlung am Folgendes vorgebracht: An ihrer Grundstücksgrenze werde ein Carport errichtet, das die Höhe von 3,0 m und auch die Fläche von 40 m2 überschreite. Durch die errichtete Steinmauer entstehe ein Wertverlust ihres Hauses und das Ortsbild werde beeinträchtigt. Eine entsprechende Einwendung liege nur dann vor, wenn wenigstens erkennbar sei, welche Rechtsverletzung der Nachbar behaupte. Die erstinstanzliche Behörde habe das erstattete Vorbringen zutreffenderweise als Vorbringen gewertet, dass es sich bei dem Carport um kein bewilligungsfreies Objekt mehr handle. Dies ergebe sich auf Grund des Argumentes bezüglich der Höhe von 3,0 m und der Überschreitung der Fläche von 40 m2. Es sei nicht zu erkennen, die Verletzung welchen subjektiv-öffentlichen Rechtes damit behauptet werde.

Sei eine Bauverhandlung gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz Stmk. BauG und zusätzlich in geeigneter Form kundgemacht worden, so habe dies nach § 27 Abs. 1 Stmk. BauG zur Folge, dass ein Nachbar seine Stellung als Partei verliere, soweit er nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG erhebe. Eine Kundmachungsform sei geeignet, wenn sie sicherstelle, dass ein Nachbar von der Anberaumung der Bauverhandlung voraussichtlich Kenntnis erlange. Da die Beschwerdeführerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keine Einwendung im Sinne des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG erhoben habe, habe sie die Parteistellung verloren.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet. Auch die Mitbeteiligten haben unvertreten eine Stellungnahme erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall ist das Stmk. Baugesetz (Stmk. BauG), LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung LGBl. Nr. 78/2003, anzuwenden.

Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 2 Stmk. BauG kann ein Nachbar in einem Baubewilligungsverfahren als subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendung die Einhaltung der Bestimmungen über die Abstände gemäß § 13 geltend machen.

Dem Begriff der Einwendung ist die Behauptung einer Verletzung mit Bezug auf ein bestimmtes Recht immanent, d.h. die Geltendmachung der Verletzung eines subjektiven Rechtes. Eine Einwendung im Rechtssinne liegt also nur vor, wenn das Vorbringen eine Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Es muss gefordert werden, dass wenigstens erkennbar ist, aus welchen Gründen sich der Nachbar gegen das Bauvorhaben des Bauwerbers wendet, welche Rechtsverletzung behauptet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0261).

Die Beschwerdeführerin war mit der Errichtung eines Carports an ihrer Grundstücksgrenze konfrontiert. Die seitliche Begrenzung dieses Carports soll entlang der Grenze eine massive Steinmauer in der Höhe von ca. 2,20 m bilden (die allerdings nicht bis zur Höhe der Überdachung - in einer Höhe zwischen 2,75 m und 3,16 m - vorgesehen ist). Die wiedergegebene Einwendung der Beschwerdeführerin, dass das Carport an ihrer Grundstücksgrenze eine bestimmte Höhe und auch eine bestimmte Fläche überschreite, weist dahin, dass die Beschwerdeführerin das geplante Carport als an ihrer Grundstücksgrenze unzulässig hält. Aus ihrem Abstellen in ihrem Vorbringen auf die Grundstücksgrenze kann aber nichts anderes abgeleitet werden, als dass sie die Errichtung des Carports an der Grundstücksgrenze und damit ohne Einhaltung eines Abstandes für nicht zulässig erachte. Dass die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen in der Bauverhandlung im Baubewilligungsverfahren allein darauf hinweisen wollte, dass dieses Bauvorhaben ihrer Meinung nach nicht bewilligungsfrei, sondern baubewilligungspflichtig sei, kann im Lichte der gebotenen, nicht zu strengen Deutung des Vorbringens einer nicht vertretenen Partei nicht angenommen werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, sind Parteienerklärungen im Zweifel nicht so auszulegen, dass ein von vorneherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/21/0079). Da ohnedies über Antrag des Mitbeteiligten ein Baubewilligungsverfahren durchgeführt wurde, war die Annahme, die Beschwerdeführerin habe nur darauf hinweisen wollen, dass die Anlage nicht baubewilligungsfrei sei, nicht begründet.

Allein daraus ergibt sich aber schon, dass die belangte Behörde die verfahrensgegenständliche Berufung der Beschwerdeführerin zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Schlagworte
Parteiengehör Rechtliche Beurteilung
Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden
und von Parteierklärungen VwRallg9/1
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung
des Parteiwillens
Baurecht Nachbar
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche
Rechte BauRallg5/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2007060235.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAE-90564