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VwGH vom 19.04.2016, Ra 2014/01/0049

VwGH vom 19.04.2016, Ra 2014/01/0049

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des S C, vertreten durch Dr. Christian Falkner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Hauptplatz 17/Top 17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W144 2004862-2/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte am in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, stellte die Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 7 Dublin II-Verordnung fest, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und stellte fest, dass gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Italien zulässig sei.

3 Mit Erkenntnis vom gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG statt und behob den erstinstanzlichen Bescheid.

4 Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber sei von Libyen kommend über Italien illegal in das Gebiet der Europäischen Union eingereist und laut einer Eurodac-Treffermeldung in Italien am erkennungsdienstlich behandelt worden. Am habe das BFA ein Aufnahmegesuch nach Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 17 Abs. 2 Dublin II-Verordnung an Italien gerichtet, welches unbeantwortet geblieben sei. Daher sei das BFA zur Ansicht gelangt, dass Italien für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei.

5 Die Entscheidung des BFA sei rechtlich verfehlt, da es die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz auf die Bestimmungen der Dublin II-Verordnung gestützt habe, obwohl nach Art. 49 Dublin III-Verordnung bereits diese anzuwenden gewesen wäre. Das BFA hätte somit Sachverhaltsfeststellungen im Hinblick auf die Tatbestände der Dublin III-Verordnung treffen müssen, um eine Beurteilung, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags des Revisionswerbers zuständig sei, vornehmen zu können.

6 Mit Bescheid vom wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz neuerlich ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, stellte die Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung fest, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und stellte fest, dass gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Italien zulässig sei.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 Abs. 1 FPG als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 In materieller Hinsicht ergebe sich die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des Asylantrags des Revisionswerbers aus Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung. Das BFA habe im Spruch des Bescheids vom die zutreffenden Bestimmungen der Dublin III-Verordnung angewendet. Die im Konsultationsverfahren fälschlicherweise herangezogenen Normen der Dublin II-Verordnung (Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 7) entsprächen inhaltlich jenen der Dublin III-Verordnung (Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7), sodass das Konsultationsverfahren jedenfalls nicht mit Willkür behaftet sei. Da sich Italien zum Aufnahmegesuch nicht fristgerecht geäußert habe, habe es nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung die Aufnahme des Revisionswerbers akzeptiert. Der Beschwerdeeinwand, wonach Italien das irrtümlich auf die Dublin II-Verordnung gestützte Aufnahmegesuch berechtigterweise ignoriert und der Aufnahme keinesfalls durch Stillschweigen zugestimmt habe, bestehe aufgrund der unionsrechtlichen Zustimmungsfiktion, die auch im Hinblick auf unzutreffende Rechtsansichten des ersuchenden Mitgliedstaates gelte, nicht zu Recht.

9 Weiters könne dem Beschwerdeeinwand, dass seitens des BFA ein "verspätetes Wiederaufnahmeersuchen" an Italien gestellt worden sei, weil die Frist für ein solches Gesuch gemäß Art. 21 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zwei Monate betrage, nicht gefolgt werden. Der Revisionswerber verwechsle, dass für Wiederaufnahmegesuche, die in Art. 23ff Dublin III-Verordnung geregelt seien, eine zweimonatige Frist zur Stellung des Gesuchs gelte, während für Aufnahmegesuche wie "in casu", die in Art. 21f Dublin III-Verordnung geregelt seien, eine dreimonatige Frist bestehe. Der Revisionswerber habe seinen Antrag auf internationalen Schutz am gestellt, sodass gemäß Art. 21 Abs. 1 Dublin III-Verordnung die Frist zur Stellung des Aufnahmegesuchs mit Ablauf des geendet habe. Das österreichische Aufnahmegesuch an Italien vom sei daher fristgerecht gestellt worden.

10 Im Übrigen seien die Beschwerdeeinwände deshalb unbeachtlich, weil nach dem , Abdullahi , die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-Verordnung kein subjektives Recht des Asylwerbers auf Durchführung seines Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat begründeten.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verfahrensakten - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen hat:

12 Artikel 49 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) (Dublin III-Verordnung) lautet auszugsweise (Unterstreichung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern . Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003."

13 Die Dublin III-Verordnung wurde am im Amtsblatt der Europäischen Union, L 180, S. 31, veröffentlicht und ist demnach am in Kraft getreten. Der für die Anwendbarkeit der Dublin III-Verordnung maßgebliche Tag ist daher der .

14 Aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 49 Dublin III-Verordnung folgt somit, dass für die Bestimmung der Frist, innerhalb der ab dem ein Aufnahmegesuch von einem Mitgliedstaat an einen anderen Mitgliedstaat gestellt werden kann, die Dublin III-Verordnung maßgebend ist (vgl. Filzwieser/Sprung , Dublin III-Verordnung, K 3. zu Art. 49).

15 Nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-Verordnung kann ein Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat, den er für die Prüfung des Antrags für zuständig hält, so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen (erster Unterabsatz). Im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Art. 14 der Verordnung (EU) 603/2013 wird dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gestellt (zweiter Unterabsatz). Wird das Gesuch nicht innerhalb der im ersten und zweiten Unterabsatz normierten Frist unterbreitet, ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig (dritter Unterabsatz).

16 Im vorliegenden Fall hat - wie den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist - das BFA die Eurodac-Treffermeldung über die erkennungsdienstliche Behandlung des Revisionswerbers in Italien am erhalten. Am wurde seitens des BFA ein Aufnahmegesuch an Italien gestellt.

17 Da das BFA innerhalb der zweimonatigen Frist nach Art. 21 Abs. 1 zweiter Unterabsatz Dublin III-Verordnung kein Aufnahmegesuch an Italien gerichtet hat, ist nach Art. 21 Abs. 1 dritter Unterabsatz Dublin III-Verordnung die Zuständigkeit zur Prüfung des Antrags des Revisionswerbers auf internationalen Schutz auf Österreich übergegangen (vgl. zum Zuständigkeitsübergang auch das noch zur Vorgängerregelung des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-Verordnung ergangene hg. Erkenntnis vom , 2011/23/0098 bis 0100).

18 Da das BVwG dies verkannt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

19 Soweit das BVwG ausführt, dem Revisionswerber komme nach dem , Abdullahi , ohnehin kein subjektives Recht auf Durchführung seines Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat zu, ist darauf hinzuweisen, dass das BVwG im ersten Rechtsgang davon ausgegangen ist, dass der Revisionswerber sich auf die Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnung berufen kann, sodass im fortgesetzten Verfahren nicht nur das BVwG sondern auch der Verwaltungsgerichtshof an diese Rechtsansicht - ohne Rücksicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit - gebunden sind (vgl. auch das zur Vorgängerregelung des § 41 Abs. 3 AsylG 2005 ergangene hg. Erkenntnis vom , 2007/01/1407, mwN).

20 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

21 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am