VwGH vom 17.11.2014, 2011/17/0057
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde der Vorarlberger Gebietskrankenkasse in Dornbirn, vertreten durch Prunbauer Romig Rechtsanwälte in 1010 Wien, Mahlerstraße 7/34, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenats vom , Zl. RV/0327- F/10, betreffend Festsetzung von Beihilfen und Ausgleichszahlungen nach dem Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz für die Jahre 1998 bis 2003, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse ist als Trägerin der Sozialversicherung im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 hinsichtlich ihrer Leistungen unecht umsatzsteuerbefreit und damit vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 6 Abs. 1 Z 7 in Verbindung mit § 12 Abs. 3 UStG 1994). Die auf Grund des Verlusts des Rechts zum Vorsteuerabzug mit entstandenen Mehrbelastungen wurden den Trägern der Sozialversicherung in Form einer Beihilfe nach dem Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, BGBl. Nr. 746/1996 (im Folgenden: GSBG), ausgeglichen.
1.2. Auch die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse hatte jährlich einen entsprechenden Beihilfenbetrag zuerkannt bekommen. Mit Bescheid vom , RV 0242-F/05, wurde der Beschwerdeführerin im Instanzenzug die Rückzahlung von Beihilfenbeträgen aus den Jahren 1998 bis 2003 aufgetragen. Die Rückzahlung betraf bei der Berechnung der Beihilfe in die Bemessungsgrundlage einbezogene Skonti, Kostenersätze anderer Krankenversicherungsträger und Verluste aus Wertpapiergeschäften.
1.3. Auf Grund einer Beschwerde der Beschwerdeführerin vor dem Verfassungsgerichtshof hob dieser mit Erkenntnis vom , B 2066/08, den Bescheid der belangten Behörde vom wegen Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums auf.
Begründend führte der Verfassungsgerichtshof u.a. aus, dass die in § 1 Abs. 2 GSBG normierte Anknüpfung an die "Krankenversicherungsaufwendungen" unproblematisch sei, da es sich dabei um einen Gesetzesbegriff handle, dessen Gehalt (nämlich die Aufwendungen für Leistungen der Krankenversicherung) sich in erster Linie aus den diesbezüglichen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen über die gesetzliche Krankenversicherung ergebe und in der Erfolgsrechnung des Sozialversicherungsträgers dargestellt werde. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse wende sich vor allem gegen die Höhe des Prozentsatzes der Beihilfe und behaupte die Gesetzwidrigkeit des diesen Prozentsatz festsetzenden § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zu den Beihilfen- und Ausgleichsprozentsätzen, die im Rahmen des GSBG anzuwenden sind, BGBl. II Nr. 56/1997 (im Folgenden: GSBG-VO). Der Prozentsatz sei auf Grund einer fehlerhaften Ermittlung der zu Grunde liegenden Ausgaben im Rahmen der Krankenversicherung zu niedrig bemessen worden und würde aus diesem Grund zu einem immer niedrigeren Deckungsgrad führen.
Der Verfassungsgerichtshof teilte die geltend gemachten Bedenken gegen die Festsetzung des Prozentsatzes in der genannten Verordnung nicht. Er leitete aus den Materialien zur Stammfassung des GSBG ab, dass nicht für den gesamten Bereich der Aufwendungen für die Krankenversicherung eine vollständige Abgeltung der Vorsteuerbelastung hätte erfolgen sollen. Es sei mit dem Anknüpfen an den - Schwankungen unterliegenden - Aufwand für Zwecke der Krankenversicherung nur eine Dynamisierung des Anspruchs auf die pauschalierte Beihilfe normiert worden. Der Prozentsatz diene lediglich dem Zweck, die einmal ermittelten, künftig verlorenen Vorsteuern in einem Anteil der (ursprünglichen) Krankenversicherungsausgaben darzustellen und damit an die künftige Entwicklung dieser Ausgaben (insoweit gleich einer Wertsicherungsklausel) anzubinden. Damit sei aber weder gesagt, geschweige denn verfassungsrechtlich garantiert, dass den einzelnen Trägern der Krankenversicherung auf Dauer ein vollständiger Ausgleich des in den folgenden Kalenderjahren jeweils fiktiv entgangenen Vorsteuerabzuges gewährt werden müsse. Der Gesetzgeber habe damit vielmehr eine im Ergebnis von ihrer erstmaligen Berechnungsgrundlage zu unterscheidende Beihilfe geschaffen, die der Höhe nach an die Entwicklung der Ausgaben für die Krankenversicherung gebunden worden sei.
Aus dem Wesen einer solchen Pauschalierung folge, dass aus Sicht der gesetzlichen Vorgaben auch keine "1:1-Abgeltung" der Vorsteuerbelastung intendiert gewesen sei. Sinke der (virtuelle) "Deckungsgrad" dieser Beihilfe auf Grund von Entwicklungen bestimmter Ausgaben und auf Grund von Änderungen des Umsatzsteuerrechts, so begegne auch dies aus dem Blickwinkel der gesetzlichen Vorgaben keinen Bedenken.
Selbst wenn man davon ausgehe, dass der für die jährliche Bemessung der Beihilfe maßgebliche Begriff der "Krankenversicherungsaufwendungen" im ersten Satz des § 1 Abs. 2 GSBG mit dem für die Ermittlung des Prozentsatzes maßgeblichen Begriff der "Ausgaben für die Krankenversicherung" im zweiten Satz der genannten Gesetzesstelle ident gewesen sei (wovon offenbar der Verordnungsgeber im Jahre 1997 ausgegangen sei), sei der Gesetzgeber in der Folge nicht gehindert, die für die Bemessung der jährlichen Beihilfe maßgebende Messgröße auch zu Ungunsten der Krankenversicherungsträger zu ändern.
Der Verfassungsgerichtshof ging sodann in der Folge auf die Rechtsänderung durch das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71, ein. Er kam zum Schluss, dass die mit diesem Gesetz eingeführte Änderung des § 1 Abs. 2 GSBG für die im Beschwerdefall maßgebenden Zeiträume zwischen 1998 und 2002 zu keiner Rechtsänderung geführt haben konnten. Für den genannten Zeitraum ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass Kostenersätze anderer Sozialversicherungsträger beim empfangenden Krankenversicherungsträger den Krankenversicherungsaufwand, der der pauschalierten Beihilfe zu Grunde gelegt werde, nicht minderten.
Auch wenn mit den Beihilfen nach dem GSBG der Verlust des Vorsteuerabzugs ausgeglichen werden sollte, sei daraus keineswegs zu schließen, dass auch aus der Bemessungsgrundlage für die Beihilfe "umsatzsteuerneutrale Aufwendungen" herauszurechnen seien, da es dem Gesetzgeber nur darauf angekommen sei, die Beihilfe durch die Anbindung an die Krankenversicherungsaufwendungen zu dynamisieren. Für Zwecke dieser Dynamisierung sei es aber gleichgültig, aus welchen Komponenten sich diese Bemessungsgrundlage zusammensetze, solange sie nur für jedes Kalenderjahr in derselben Weise ermittelt werde. Diesen Umstand habe der Verwaltungsgerichtshof in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0163, nicht berücksichtigt.
Es spreche daher der Umstand, dass bestimmte Aufwendungen für Zwecke der Krankenversicherung von anderen Krankenversicherungsträgern ersetzt würden, nicht gegen deren Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage, weil mit der Beihilfe nicht diese Aufwendungen (gleichsam ein zweites Mal) ersetzt würden, sondern nur ein wertgesicherter Ausgleich für Vorsteuerabzüge gewährt werden sollte.
Der angefochtene Bescheid habe daher hinsichtlich der Jahre 1998 bis 2002 einen gesetzlich nicht gedeckten Eingriff in das Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Partei dargestellt.
1.4. Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde daher die Rückforderung von Beihilfenbeträgen für die Jahre 1998 bis 2002 ohne die Berücksichtigung der Kostenersätze durch andere Träger der Sozialversicherung fest. Für jene Teile der Beihilfe, die sich aus der Berücksichtigung der Skonti und der "Buchwertabgänge bzw. - verluste Wertpapiere" ergeben hatten, erließ die belangte Behörde jedoch neuerlich einen Rückzahlungsauftrag.
1.5. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , B 1704/10- 5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
1.6. In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
1.7. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Die beschwerdeführende Partei erstattete mit Schriftsatz vom eine Erwiderung und mit Schriftsatz vom eine Beschwerdeergänzung.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
2.2. § 1 Abs. 1 und 2 sowie § 7 GSBG (in der hier anzuwendenden Stammfassung) lauteten auszugsweise:
"(1) Unternehmer, die nach § 6 Abs. 1 Z 7 UStG 1994 befreite Umsätze bewirken, haben einen Anspruch auf eine Beihilfe.
(2) Diese Beihilfe richtet sich für die Träger der
Sozialversicherung ... nach ihren Krankenversicherungsaufwendungen
bzw. vergleichbare Aufwendungen ohne diejenigen der eigenen Kranken- und Kuranstalten. Der Prozentsatz für die Berechnung der Beihilfe berechnet sich nach dem Verhältnis der bei den Trägern der Sozialversicherung ..., ausgenommen die Kranken- und Kuranstalten, im Jahr 1995 angefallenen Vorsteuern zu ihren Ausgaben für die Krankenversicherung im Jahr 1995, wobei für die Ermittlung der Ausgaben und der Vorsteuern die ab geltenden umsatzsteuerlichen Regelungen zu berücksichtigen sind. Dieser Prozentsatz ist vom Bundesminister für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung festzusetzen."
"§ 7. Die Beihilfe nach § 1 Abs. 2 für die Träger der Sozialversicherung wird in zwölf Teilbeträgen, jeweils am Ersten eines Kalendermonats, beginnend mit März 1997, an den Hauptverband der Sozialversicherungsträger akontiert. Der zu akontierende Betrag wird durch Anwendung des in der Verordnung festgelegten Prozentsatzes auf die um 10% erhöhten Krankenversicherungsausgaben des vorvergangenen Jahres berechnet. Für die Ausgaben der Jahre 1995 und 1996 ist bei dieser Berechnung von den ab geltenden umsatzsteuerlichen Regelungen auszugehen. Sobald die tatsächlichen Ausgaben eines Jahres feststehen, wird die Beihilfe abgerechnet, spätestens jedoch bis Ende des Folgejahres, auf das sich die Abrechnung bezieht.
Unterschiedsbeträge gegenüber den akontierten Beträgen werden mit der nächsten Zahlung ausgeglichen. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat die vom Bundesministerium für Finanzen erhaltenen Beträge entsprechend weiter zu verteilen."
2.3. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid in Bindung an die vom Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom geäußerte Rechtsauffassung die von anderen Trägern der Sozialversicherung an die beschwerdeführende Partei geleisteten Kostenersätze nicht zum Gegenstand einer Rückforderung der in den Jahren 1998 bis 2002 ausbezahlten Beihilfe gemacht. Wie der Verfassungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis festgehalten hat, war im verfassungsgerichtlichen Verfahren allein die Qualifikation dieser Ersatzansprüche anderer Sozialversicherungsträger strittig (Pkt. 3.5. des genannten Erkenntnisses).
Zu entscheiden ist im vorliegenden Verfahren, ob die Skonti, die der Beschwerdeführerin gewährt wurden, und die "Buchwertabgänge bzw. -verluste Wertpapiere" zu den "Krankenversicherungsaufwendungen bzw. vergleichbaren Aufwendungen" gehören.
2.4. Zu den von der belangten Behörde ebenfalls bei der Berechnung der Rückforderung nicht zu den "Krankenversicherungsaufwendungen bzw. vergleichbaren Aufwendungen" gezählten Skonti hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0163, ausgeführt, dass diese von der Beschwerdeführerin lukrierten Skonti bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Beihilfe gemäß § 1 Abs. 2 GSBG bzw. § 1 Abs. 2 GSBG-VO nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien. Die belangte Behörde konnte insoweit zutreffenderweise davon ausgehen, dass - soferne diese Skonti bei der ursprünglichen Bemessung der Beihilfe für die Beschwerdeführerin berücksichtigt worden waren - eine Rückforderung des sich auf Grund dieser Skonti ursprünglich ergebenden und ausbezahlten Beihilfenbetrages zulässig war.
2.5. Zu den von der belangten Behörde ebenfalls berücksichtigten "Buchwertabgänge(n) bzw. -verluste(n) Wertpapiere" hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0164, ausgesprochen, dass diese nicht als "Krankenversicherungsaufwendungen bzw. vergleichbare Aufwendungen" im Sinne des § 1 Abs. 2 GSBG anzusehen seien.
Die Beschwerdeausführungen zeigen keine Gesichtspunkte auf, die ein Abgehen von dieser Auffassung nahelegen würden.
Der angefochtene Bescheid ist daher auch insoweit nicht rechtswidrig.
2.6. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am